4. James

„Wo ist Sirius?", fragte James Remus und Peter zum wiederholten Mal. Er hatte seinen besten Freund schon beim Abendessen vermisst, und auch jetzt, als sich der Gemeinschaftsraum schon langsam leerte, war er immer noch verschwunden. „Mensch, Krone, jetzt reg dich mal wieder ab.", sagte Remus genervt. „Hat er denn wirklich gar nichts gesagt?" „Es ist doch nicht das erste Mal, das Sirius ein Date hat!" „Nein, aber vorher wusste ich zumindest immer mit wem." „Weißt du doch jetzt auch." „Nein!" „Jilian, habe ich dir doch gesagt." „Nur weil ich ihren Namen kenne, heißt das nicht, dass ich auch sie kenne." So ging es noch eine ganze Weile weiter, bis James bemerkte, dass Sue Wiley und Kathryn Mitchell aufmerksam zuhörten. Er grinste sie an und schon erröteten sie, standen auf und gingen weg. „Selbst durch den Spiegel kann ich ihn nicht erreichen...", murmelte James und zog einen kleinen Handspiegel aus seinem Umhang. „So James, jetzt reicht es aber.", meinte Remus aufgebracht. „Du solltest lieber ein wenig für Zaubertränke lernen!" Ein wenig beleidigt setzte sich James in einen Sessel. Er wusste auch nicht, warum es ihn so aufregte, dass er nicht wusste wo Sirius war. Wahrscheinlich litt er seit den letzten Ereignissen unter einer Art Paranoia, dass er Angst um ihn hatte. So ein Quatsch, sagte er sich immer wieder. Sirius war neben ihm der Beste in Verteidigung gegen die Dunklen Künste, und würde sich gegen jeden zur Wehr setzen können. Einigermaßen beruhigt griff James zu seinem UTZ-Buch für Zaubertränke und ging den Trank noch einmal durch. Da schwang das Portrait zur Seite, und ein über das ganze Gesicht grinsender Sirius betrat den Gemeinschaftsraum. Erfreut hob James den Kopf. Seiner Ungeduld war Neugierde gefolgt, und er konnte es nicht erwarten alle Einzelheiten über Sirius Date zu erfahren. „Hi.", grinste Sirius, und ließ sich euphorisch in einen der Sessel fallen. „Und?", fragte James gespannt. Auch Remus und Peter beugten sich nun vor, um alles ins letzte Detail über Jilian zu erfahren. Am nächsten Tag, gingen die Rumtreiber wie jeden Tag zusammen in die Große Halle. Beim Frühstück blickte Sirius sich die ganze Zeit hektisch um und auch James war auf Jilian gespannt. Wie mochte das Mädchen sein, dass Sirius so verzaubert hatte? Gerade als Sirius zum vierten Mal Zucker über seine schon vollkommen aufgeweichten Cornflakes streute, eine Gruppe Ravenclaws die Treppe hinunter. Sirius sprang auf und winkte in die Richtung der Gruppe. Ein Mädchen löste sich aus der ihr und winkte zurück. Er hatte wirklich nicht übertrieben. Jilian war sehr hübsch, obwohl sie James vorher noch nie aufgefallen war. Ihr braunes, gestuftes Haar fiel ihr in Fransen ins Gesicht und reichte bis zu den Schultern. Ihre blauen Augen blitzten vor Freude als sie Sirius sah und ihre Wangen überzog ein roter Schimmer. Mit schnellen Schritten lief sie am Slytherintisch vorbei zu Sirius herüber. Ein hellblauer Kragen blitzte oben aus dem dunklen Hogwartsumhang heraus und betonte ihre ohnehin schon ungewöhnlich blauen Augen noch mehr. Als sie Sirius in die Arme fiel, er sie an sich drückte und sie zärtlich küsste, fiel James auf, dass sie nicht gerade groß war. Und als die beiden Hand in Hand zurück zum Gryffindortisch kamen, erinnerte Jilian James auch von ihrer Statur an Lily. Lily. Mit ihr konnte es keiner in James Augen aufnehmen. Ihre grünen Augen, ihr Lachen, ihr langes rotes Haar... Wie es ihr wohl ergehen mochte, bei Rufus Malfoy und seiner Frau? „Jilian- das sind meine besten Freunde. James Potter, Remus Lupin und Peter Pettigrew." „Hi!", sagte Jilian freundlich. Zu James sagte sie lachend: „Du warst es doch, dem wir unsere letzte Niederlage im Quidditch zu verdanken haben, oder?" James fand Jilian von Anfang an sympathisch, aber es war kein Vergleich mit der großen Zuneigung zu ziehen, die er Lily gegenüber empfand. Dafür war es offensichtlich, dass es für Sirius und Jilian ähnlich sein musste, wie für ihn und Lily. Während des ganzen Frühstücks – Sirius hatte seine Cornflakes nicht mehr angerührt – saßen die beiden nebeneinander und konnten kaum die Finger von einander lassen. Sirius musste anscheinend ihr immer wieder die gleiche störrische Strähne aus dem Gesicht zu streichen, und sie fuhr immer wieder mit dem Zeigefinger über seine Wange. Verliebt flüsterten sie sich etwas zu, was nur die beiden verstehen konnten, aber es war offensichtlich was es war. Die anderen Rumtreiber beobachteten dies grinsend. Alle freuten sich für Sirius, aber James konnte nicht glauben, dass sich irgendjemand mehr als er für seinen besten Freund freute. Natürlich erinnerten die beiden ihn immer wieder an Lily. Wie gerne würde er auch ihr durch die Haare fahren, sie küssen... KLIRR. James wachte aus seinem Tagtraum auf, blickte hoch und musste sich sehr zusammennehmen um nicht laut loszulachen. Sue war erstarrt und hatte ihren Löffel auf den Tellerrand fallen lassen. Auch Kathryn war sichtlich geschockt bei dem Anblick von Sirius und Jilian, die sich gerade wieder innig geküsst hatten. Etwas verwirrt schaute Jilian zu den beiden herüber, aber Sirius reagierte absolut cool. Lässig strich er mit der berühmten Handbewegung die Haare aus dem Gesicht, nickte den beiden flüchtig zu, fasste sanft unter Jilians Kinn, zog sie wieder an sich, und küsste erneut sanft ihre Lippen. Ein Lächeln in Sirius und eines in Jilians Gesicht, und dann vertieften die beiden sich in ein Gespräch mit den drei anderen Rumtreibern und ließen Sue und Kathryn unbeachtet abziehen. Die Situation war wirklich zu komisch. Als Sue und Kathryn außer Hörweite waren, lachten alle laut los. Lily hatte ein schöneres Lachen als Jilian, befand James im Stillen. Wie gerne hätte James Lily jetzt dabei gehabt! Sie hätte Jilian bestimmt auch gemocht. Die war in der sechsten Klasse und hatte somit einen anderen Unterricht als die Rumtreiber. Den ganzen Vormittag über, auch wenn sie sich gerade nicht in den Pausen sehnsüchtig in die Arme fielen, waren sie die Sensation aller Klatsch- und Tratschliebenden. Doch die beiden hörten anscheinend gar nichts mehr, wenn sie einander in die Augen sahen. Die Mittagspause verbrachte James mit Peter zusammen in der Bibliothek. Er versuchte sich zum wiederholten Mal die Formeln für einige Zaubertränke zu merken, jedoch vergeblich. Außerdem war er in seinen Gedanken immer noch im Herrenhaus der Malfoys und versuchte sich vorzustellen, wie es Lily dort wohl ergehen mochte. Peter brachte ihm auch nicht viel Anlenkung. Er saß schweigend neben James und vertiefte sich ebenfalls in sein Buch über Zaubertränke die den Charakter beeinflussen. James ertappte sich wohl schon zum zehnten Mal dabei wie er gedankenverloren in eine gewisse Ecke starrte anstatt ins Buch (Professor Cynric hatte ihnen schon verraten welcher Zaubertrank nächste Stunde drankäme, und James wollte alles dafür tun, dass seiner dieses Mal besser als Snapes sein würde). Remus ließ sich nicht bei ihnen blicken. Er hatte ihnen zwar gesagt, dass er nachkommen werde, allerdings war davon noch nicht viel zu merken. Da fiel James auf einmal wieder ein, was er seine Freunde die ganze Zeit noch hatte fragen wollen: was sie vorgestern Abend im Gemeinschaftsraum besprochen hatten. „Wurmschwanz?" Peter blickte auf. „Ja?" „Worüber habt ihr letztens im Gemeinschaftsraum gesprochen?" „Was?" „Na, vorgestern. Jetzt sag bloß, du weißt es nicht mehr!" „Nein, ich weiß wirklich nicht wovon du redest!" Schnell wandte sich Peter wieder seinem Buch zu. James wusste jedoch genau, das Peter ihm nicht die Wahrheit sagte. Er war nie ein besonders guter Lügner gewesen. Doch gerade als James noch mal genauer nachbohren wollte, steckte Remus den Kopf durch die Tür. Erleichtert sah Peter ihn an, doch James war entschlossen sich nicht länger vertrösten zu lassen. „Moony, was-", begann James, doch der ließ ihn nicht ausreden. „Krone, Dumbledore möchte dich sprechen." James nickte und stand auf. Er dachte sich nichts dabei. Bis zu seinem achtzehnten Geburtstag waren es nur noch einige Monate, aber seit dem Tod seiner Eltern war Dumbledore bis dahin sein Vormund. Wahrscheinlich gab es noch irgendwelche Papiere zu unterzeichnen oder etwas sonstiges in der Art. Mit schnellen Schritten erreichte James rasch den Wasserspeier vor Dumbledores Büro. „Hüpfender Hippogreif", sagte James laut und dachte mal wieder, welch teilweise wirklich blöde Passwörter sich Dumbledore immer ausdachte. Kurz darauf stand er vor Dumbledores Bürotür. Er klopfte an, und trat bei Dumbledores „Herein" ein. „Guten Tag, Professor." „Ah, guten Tag, James", sagte Dumbledore, und blickte von seinem Schreibtisch auf. „Bitte, setz dich doch." „Danke." James' Blick schweifte durch das Büro des Schuldirektors. Fawkes saß ruhig auf seiner Vogelstange im Hintergrund, und schien ein wenig zu dösen. Ein silbernes Rad direkt vor James drehte sich langsam um sich selbst, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Die silbernen Geräte auf seinem Schreibtisch wurden mit jedem Mal wenn James hier saß mehr. Bald würde Dumbledore sich einen neuen Platz für sie ausdenken müssen. Da steckte Dumbledore die Feder weg und rollte das Pergament zusammen. „Nun, James. Du fragst dich sicher, warum ich dich habe rufen lassen, oder?" James nickte. „Ich habe gehört, das Lily Evans" - bei ihrem Namen verzog James schmerzvoll das Gesicht – „zu ihrer Schwester nach Dragon's Empire gereist ist. Ich habe mich gefragt, ob auch sie zu ihren Verwandten fahren wollen." James sagte ihm das gleiche, wie er zuvor schon Lily gesagt hatte. „Genau das haben mir deine Freunde auch erzählt, als sie mit mir geredet haben." Moment mal. Remus, Peter und Sirius hatten mit Dumbledore über ihn geredet? War das der Grund für diese Geheimnistuerei? „Und wir alle vier sind zu dem Schluss gekommen, dass du eine Ablenkung brauchst." „Eine Ablenkung?", fragte James unsicher. „Ja, eine Ablenkung. „Zum Beispiel?" Dumbledore stand auf, und ging zum Fenster. „James, was ist dein Berufswunsch?" „Das wissen sie doch, Professor Dumbledore." Dumbledore drehte sich um und hob die Augenbrauen. „Auror, natürlich.", antwortete James ungeduldig. „Natürlich." „Und was hat das jetzt mit meiner ‚Ablenkung' zutun?", fragte James immer noch zweifelnd. Wenn nicht Dumbledore die Person gewesen wäre mit der er gesprochen hätte, wäre er sich ziemlich blöd vorgekommen. Er sah Dumbledore fest in die Augen. Was hatten sie mit ihm vor? Dumbledore setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und sah ihn lächelnd an. „Auf Sirius' Anregung habe ich meine Kontakte im Zaubereiministerium spielen lassen, und habe erreicht, das du ein oder zwei Wochen an der Ausbildung und am Training der neuen Auroren teilnehmen darfst." James starrte ihn an und glaubte sich verhört zu haben. „Wie bitte?" Dumbledore lächelte noch breiter. „Oder möchtest du nicht?" „Selbstverständlich!", rief James ausgelassen und sprang auf. „Gut. Dein Zug geht in zwei Stunden. Beeil' dich mit dem packen."