34. Kapitel
Reise auf der Línghún„Was tut die denn hier?" flüsterte Tókui aufgeregt Káshira ins Ohr, an den sich Chūjitsu fest wie eine Klette gehängt hatte und keine Anstalten machte, ihn loszulassen. „Keine Ahnung", flüsterte er leise zurück und starrte die Heilerin ebenso wie die anderen mit großen Augen an. „Verraten hat sie uns jedenfalls nicht, sonst wäre Mosar sicher auch schon längst da."
Hǎi sprang von ihrem Saurier und hüpfte höchst erfreut auf die Heilerin zu, die mit gemessenen Bewegungen zuerst den Kleinen und dann sich selbst hinuntergleiten ließ. Glücklich am Boden angekommen, begrüßten sich die zwei Frauen zuerst durch ein höfliches Kopfnicken, dann fiel ihr Hǎi um den Hals und lachte. „Pah, ich bin vielleicht froh, dass du hier bist. Als deine Nachricht kam, war ich ja so erstaunt! Danke, Talingo- chan!"
„Schon gut." Mit einigem Erstaunen bemerkten die Übrigen, dass die junge Frau lächelte und Hǎi ein kleines Stück von sich wegschob, um sie genau zu betrachten. „Ich konnte die Armen doch nicht in seiner Gewalt lassen, oder? Mosar ist beinahe ausgeflippt, das kann ich dir sagen. Aber du siehst gut aus, Hǎi!" „Danke!" antwortete die hübsche Seefahrerin und grinste spitzbübisch. „Du weißt ja, wie das ist – zwei treue Diener, die sich Tag und Nacht um einen kümmern..." Dāorèn und Inázuma erröteten peinlich berührt, während die Heilerin noch lauter lachte und sich wieder auf ihren Saurier schwang. „Komm, wir reiten besser weiter. Es ist nicht sicher, dass der General uns nicht doch noch findet – nichts könnte ärgerlicher sein, oder?" Zustimmend bestiegen nun auch die übrigen Seefahrer ihre Reittiere und hoben die Kinder in den Sattel. „In wenigen Stunden können wir beim Hafen sein, ich habe eine kleine, abgelegene Bucht gewählt. Seid bloß froh, dass das Wetter noch so gut ist! Sonst wären wir schon in einem Sturm, das kann ich euch sagen..." rief Hǎi gut gelaunt und hob den Arm. „Folgt mir!"
Die kleineren Kinder quengelten zwar noch ein wenig, weil sie nicht gern auf den schwankenden Rücken saßen, im großen und ganzen allerdings war jeder unbeschreiblich erleichtert. Sie waren dem König entkommen – in Freiheit – selbst dieser gefährliche General hatte sie nicht mehr eingeholt...
Nach etwas mehr als drei Stunden hatten sie endlich ihr Ziel erreicht. Vor ihnen glitzerte das trügerische blaue Meer ruhig im Sonnenlicht; in der Ferne, weit vom Riff entfernt, konnte man ab und zu winzige runde Köpfe, auf langen Hälsen sitzend, erkennen. Kagamí, der Sénsō fest im Arm gepresst hielt, musterte alles mit großem Interesse und wandte sich an Kamomé, die geistesabwesend an einen Felsen gelehnt stand und an ihren Fingernägeln kaute. „Sieh nur, das da hinten war ein ganzer Haufen Cryptoclidus, und der riesige dort vorn ein Liopleurodon. Unglaublich, oder?" Ohne auch nur seinen Tonfall zu ändern, verschwand das aufgeregte Lächeln aus seinem Gesicht und machte einem kühlen, abfälligen Grinsen Platz. „Du hörst mir gar nicht zu, Kamomé- san. Denkst du etwa an diesen hässlichen Kerl mit der großen Narbe im Gesicht?" „Das geht dich nichts an, du kleine Nervensäge. Lass' es dir ja nicht einfallen, dich in mein Leben einmischen zu wollen, klar? Ich lasse mir von einem Elfjährigen sicher nichts sagen.", gab sie eiskalt zurück und drehte sich so heftig auf dem Absatz um, dass die Steine unter ihren Sandalen knirschten. Kagamí starrte ihr wütend hinterher und wandte sich dann wieder Sénsō zu, der mit trüben Augen und halb geöffnetem Schnabel in seinen Armen hing. „Was ist denn bloß los mit dir? Du willst nichts fressen, und du sprichst auch nicht mehr mit mir – ist das eine „Anti-Kagamí-Verschwörung"? Deine Augen sind auch ganz – ganz wässrig..." „Mir fehlt nichts!" schnarrte das Tier beleidigt und drehte den Kopf zur Seite. Das Zittern seines Körpers wurde immer stärker, bis er sich beinahe wie ein Epileptiker in den Armen des Jungen wand, der mit einem entsetzten Aufschrei zu den anderen, die sich bereits auf den Weg ins Schiff gemacht hatten, rannte.
Die Saurier waren unterdessen von einigen ziemlich zweifelhaft wirkenden Personen abgeholt worden, die Hǎi mit einer stattlichen Summe bezahlt hatte, um sich ihr Schweigen zu sichern.
„Da stimmt was nicht mit Sénsō! Er ist ganz sicher krank! Er zittert ganz schrecklich, und jetzt – oh nein, seht nur, da rinnt Sabber aus seinem Schnabel...!" kreischte Kagamí außer sich und begann lauthals zu heulen.
Entschlossen packte ihn Tsumé am Ellenbogen und zog ihn mit sich. „Du komm' mit mir, Junge, damit mir dein Vieh nicht den Boden vollkotzt. Hab's gestern erst sauber gemacht – ich binde ihm am besten den Schnabel zu." „Dengei, du kannst was lernen. Geh mit und sieh' ihn dir an, dann will ich wissen, woran er deiner Meinung nach leidet!" wies Talingo den Kleinen an und schickte ihn mit einer strengen Handbewegung hinterher. Dann wandte sie sich wieder Hǎi zu und verneigte sich noch einmal. „Es ist wirklich nett von dir, dass du uns erlaubst, mit den Kindern zu kommen. Eigentlich wollte ich ihn ja nicht mitnehmen, aber plötzlich stand er mit einer kleinen Tasche in der Hand da – hätte ich ihn an Hofe gelassen, wäre er gewiss von den Soldaten verhört und in ein Gefängnis gesteckt worden. Und da ich nun mal für ihn verantwortlich bin – " „Das war doch klar, Talingo- chan.", antwortete Hǎi lächelnd und schnippte kurz mit den Fingern, woraufhin sich ihre Mannschaft eilig zerstreute und die „Línghún" wenige Minuten später ablegte.
„Und jetzt zu euch! Ich bin sehr froh, dich zu sehen!" lächelte Hǎi den wartenden Pfadfindern und insbesondere Hotáru zu, der sich verlegen hinter den anderen versteckt hatte und dem schönen Mädchen nun in banger Erwartung entgegensah. Was sie wohl wollte –
„Wie geht es dir? Wer hat dir nur so einen großen Schnitt verpasst?" erkundigte sie sich freundlich und neigte sanft den Kopf. „Ich hoffe, es geht dir jetzt schon besser!"
Scheu nickte er kurz und errötete beinahe sofort; er kam sich schrecklich dumm vor. Und die anderen würden sicher lachen oder so was –
Aber als er seine Kameraden sah, konnte man sofort erkennen, dass seine Sorgen völlig unbegründet waren. Die meisten hatten sich schon über das ganze Schiff verteilt, spazierten in kleinen Gruppen hier und dorthin oder sahen nach Sénsō. Zwei Personen waren allerdings an der Reling stehen geblieben und unterhielten sich leise miteinander.
Hotáru fühlte ein schmerzhaftes Brennen und Ziehen in seiner Brust, als er die beiden auf den ersten Blick erkannte. Káshira und Kiíchigo schienen sich ausgezeichnet zu verstehen; mit einem Mal warf sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn heftig, offensichtlich aus Wiedersehensfreude oder Glück über sein Entkommen, egal...
Das war zuviel; selbst Hǎi schien bemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmte, denn sie sah sich stirnrunzelnd um und streichelte Lóng geistesabwesend die kleine Schnauze. Hotáru würgte es bitter in der Kehle und er drehte sich wieder zu Hǎi. „Könnten Sie mir vielleicht – dürfte ich mich vielleicht kurz mal hinlegen? Ich – ich glaube, ich bekomme Kopfschmerzen, jedenfalls ist mir ein bisschen schwindelig..." Nur weg hier. Wenn er diese romantische Wiedervereinigung noch eine Minute länger ertragen musste, würde dieser Kerl namens Tsumé wirklich was zu Meckern haben – Aber Hǎi verstand sofort und klopfte ihm verständnisvoll auf die Schulter. „Aber natürlich. Soll ich dir deinen Freund schicken – den mit den kurzen Haaren? Er hat sich ganz furchtbare Sorgen um dich gemacht – " Er verneinte, den Blick immer noch teils ungläubig, teils wütend auf die beiden Turteltauben gerichtet. All das entging der schlauen Seefahrerin natürlich nicht, plötzlich glitt ein wissendes Lächeln über ihr Gesicht, und sie wandte sich kurz und verschlagen an Talingo, die immer noch verhalten im Hintergrund stand. Hotáru bemerkte nicht einmal, dass sie kurz und offensichtlich immer amüsierter miteinander tuschelten, denn als sie ihn am Arm packte, glitzerte in ihren Augen ein koboldhaftes Grinsen, obwohl sie äußerlich ernst blieb.
„Na, dann komm mal mit mir mit. Aber zuerst hätte ich gern, dass du ein Bad nimmst, ja? Du kannst es noch nicht wissen, aber eines der Dinge, die ich am meisten verabscheue, sind schmutzige, stinkende Menschen. Deshalb muss ich auch so oft Zwischenstoppen, um frisches Wasser auftanken zu können – und das kostet auch genug, dass kannst du mir glauben – " Munter vor sich hin plappernd und von Hotáru, der seinen eigenen finsteren Gedanken nachhing, völlig ignoriert, zog sie ihn zu einem großen Raum, in dem mehrere kleine, zinnerne Waschschüsseln und ein riesiges Bad eingebaut waren.
Die große Badewanne war durch eine Trennwand in der Mitte geteilt; auf jeder Seite des Zimmers gab es die zinnernen Schüsseln und kleine Beutelchen mit Seife und Kräutern gefüllt. Der Boden war aus feinen Marmorplatten gefertigt, die ihm leise Rufe des Erstaunens entlockten. „Ach, du meine Güte! Das ist ja – als wäre man in einem Schloss! Einfach – unglaublich – Atemberaubend! Es ist wunderschön!" brachte er völlig überwältigt hervor. „War das Ihre Idee? So was habe ich ja noch nie gesehen!"
Hǎi lächelte mit einem Hauch von Stolz und senkte ihre Lider mit gespielter Bescheidenheit. „Och – na ja, ich wollte ein richtiges Badezimmer, es hat zwar ewig gedauert, bis ich richtige Pläne bekam, aber es hat funktioniert – nur weil das hier ein Schiff ist, heißt es ja nicht, dass man wie ein Haufen Schweine herumlaufen muss, oder?" Sie musste herzlich lachen, als sie seine Verblüffung sah, nahm ihn schließlich an der Hand und führte ihn zu einem der Zuber. „Hier, du kannst anfangen. Warmes Wasser gibt es zur Genüge, also keine Sorge deswegen, und frische Kleider lasse ich dir bringen. Die Männerabteilung ist vorne, also – " mit einer weit ausholenden Bewegung wies sie um sich und ließ ihn dann alleine. „Viel Spaß!"
Während Hotáru seine Kleider abstreifte und sich immer noch über diesen seltsamen Raum wunderte, bemerkte er, wie dämmerig das Licht in diesem Zimmer war. Da die Fenster nur sehr klein waren und anscheinend auf der Schattenseite lagen, fiel so gut wie gar kein helles Sonnenlicht herein, obwohl man natürlich gut sehen konnte. Aber – es war nicht zu grell, also konnte er es sicher wagen, den Verband von seinem Kopf zu wickeln – vielleicht konnte er Talingo später bitten, einen neuen zu machen.
Vor lauter Aufregung zitterten seine Hände so heftig, dass er sich für einen Moment setzen musste und tief durchatmete. Nur nicht die Nerven verlieren! Gleich würde er es wissen –
Als der Verband fiel, schnitt selbst die Dämmerung so schmerzhaft in das rechte Auge, dass er es schließen musste und Tränen heftig hineinschossen. Aber er konnte etwas erkennen, Talingo hatte ihn nicht belogen! Beim zweiten Versuch klappte es schließlich. Langsam nahmen die verschwommenen Schemen Form an, und dann hatte er sein altbekanntes, vertrautes, schrecklich vermisstes Sehgefühl wieder. Endlich konnte er mit beiden Augen sehen. Allerdings hatte die Heilerin wohl doch recht gehabt, den Verband noch an Ort und Stelle zu belassen, denn die Wunde knapp darunter fühlte sich noch nicht wirklich verheilt an, und nach einer Weile wurde ihm wirklich übel. Na ja, man konnte eben nicht alles haben, aber was er bis jetzt erreicht hatte, genügte völlig. Er konnte sehen, nur das zählte; vor lauter Freude rieselten ihm ständig Tränen über die Wangen, was die Welt vor ihm noch verschwommener machte. Aber das war schon okay. Glücklich und wie ein Idiot ständig vor sich hin grinsend wusch er den ganzen Staub, der schon seit Stunden auf ihm klebte, gründlich ab und entspannte sich schließlich in der großen Wanne, die ein bisschen wie ein Onsén wirkte und eine angenehme Temperatur hatte. Das tat den verspannten Muskeln gut – er würde nie ein guter Reiter werden.
Irgendwann öffnete sich die Tür leise, und eine sanfte, weibliche Stimme erklang. „Seid Ihr schon fertig? Lady Hǎi hat mich beauftragt, Euch diese Kleider zu bringen und nach Eurem Gesicht zu sehen – " Noch bevor sie eintreten konnte, sprang er panikartig auf und schlang ein großes Handtuch um die Hüften. „Äh, ja, äh, kommen Sie doch herein!" quetschte er mit schriller Stimme heraus und fühlte, wie sein Gesicht puterrot wurde.
Die Tür öffnete sich noch ein wenig weiter, und die junge Frau, die mit Haná und Kagamí geritten war, trat mit ruhigen, festen Schritten ein. Sie wirkte freundlich und kompetent, wie eine gute Krankenschwester oder etwas Ähnliches – und sie trug auch gleich eine kleine Schachtel mit Verbandszeug in der Hand. Vom Alter her mochte sie fast über Dāorèn oder Inázuma liegen, obwohl sich auf ihrer glatten Haut keine einzige Falte zeigte. Sie bat ruhig, auf einem der Hocker, die in der Ecke standen, Platz zu nehmen und kniete sich vor ihn hin.
Während sie die Wunde säuberte und dabei leise vor sich hin summte, sprachen sie beide kein Wort. Hotáru betrachtete inzwischen interessiert die Kleider, die sie mitgebracht hatte, oder besser gesagt, den sehr dünnen Yūkata – falls das überhaupt einer war. Der Stoff wirkte so – so eigenartig – oder lag es an diesem Schnitt? Falls ihn nicht alles täuschte, dann waren die Seitennähte beinahe bis zum Gürtel hoch geschlitzt –
„So, fertig! Wenn Ihr die Güte hättet, Euch schnell anzukleiden, dann führe ich Euch in das Quartier, damit Ihr ruhen könnt.", meinte Aañkh, so hatte sie sich vorgestellt, leise und ging nach draußen, um ihn nicht zu stören.
Hotáru hatte sich nicht getäuscht; dieser Yūkata war wirklich ziemlich eigenartig geschnitten. Wenn er ging, konnte man ganz deutlich seinen Slip sehen. Und das Oberteil bestand aus so wenig Stoff, dass beinahe die Hälfte seiner Brust frei lag. Wie peinlich. Mit puterrotem Gesicht schlich er nach draußen und wandte sich verlegen an sie. „Äh – ich glaube, also, ich bin mir sicher, dass das nicht meine Größe ist – der ist ja viel zu eng! Und außerdem ist er – also, die Seitennähte sind kaputt, viel zu weit aufgerissen – " „Nein, das ist schon in Ordnung. Die Lady wollte es so!" antwortete Aañkh mit dem Anflug eines amüsierten Lächelns und ging voran, ohne eine weitere Frage oder seine Antwort abzuwarten. Ihm blieb nichts übrig, außer, ihr unbeholfen auf seinen Géta balancierend (ihm war immer noch schwindlig) zu folgen und zu beten, keinem der anderen zu begegnen.
Endlich waren sie da und Aañkh ließ ihn in einem kleinen, hübsch eingerichteten Raum, weit von den übrigen Quartieren entfernt, allein. Der Futón war ungewöhnlich groß und sah so flauschig aus, dass er nicht widerstehen konnte und sich sofort hinlegte. Wie angenehm...
Wie lange er geschlafen hatte, konnte er nicht abschätzen, als vor der Türe Stimmen laut wurden und ihn aufschreckten. Um Himmels Willen, wer kam denn jetzt –
„Okay, nochmals vielen Dank! Das ist echt freundlich!" klang es ganz nahe, dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit und ließ die Sicht auf einen offenbar männlichen Rücken zu. Inzwischen war es Hotáru gelungen, den bleischweren Schlaf abzuschütteln und etwas wacher zu werden. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann war das Káshira da draußen – aber was tat er hier, dieses Zimmer war doch schon besetzt –
In dem Moment, als Káshira den Raum ganz betreten und Hotáru noch nicht gesehen hatte, knallte die Tür heftig zu und ein Riegel wurde vorgeschoben. „Noch viel Spaß!" war das letzte, dass die beiden zu hören bekamen, dann entfernten sich hastige Schritte und es wurde wieder still. „Na so was! Also wirklich..." meinte Káshira ein wenig verstört, bevor er sich umdrehte und den verschüchterten Hotáru bemerkte, der sich so unauffällig wie möglich in die Kissen drückte. „Was tust du denn hier? Ich dachte, das Zimmer wäre für – " Als er den aufreizenden Yūkata bemerkte, blieb ihm für eine Sekunde die Luft weg. „Ja, Hotáru! Seit wann trägst du denn so was – " „Ich – das war nicht meine Idee!" kam es leise und verlegen von Richtung Bett. „Ich war nur im Bad, und dann..." Hotáru wurde immer leiser und schwieg schließlich ganz. Káshira näherte sich dem Bett langsam und kroch dann ebenfalls hinein; diesen Yūkata wollte er sich näher ansehen. Und außerdem sah der Inhaber dieses Kleidungsstücks einfach zum Anbeißen aus – so verführerisch...
„Na, na, keine Angst! Das ist ja nicht das erste Mal, oder?" flüsterte er beruhigend, als Hotáru zurückzuckte und kam noch näher heran. Geduldig wartete er, bis sich sein Gegenüber etwas beruhigt hatte und streckte dann vorsichtig die Arme nach ihm aus; nach Sekunden des Überlegens beugte sich nun auch Hotáru vor und kuschelte sich vorsichtig an seine Brust. Káshira lächelte zufrieden und begann zärtlich durch das noch immer ein wenig feuchte blonde Haar zu streichen. „Gefällt dir das? Soll ich weitermachen?" „Mmmh... Ja... das habe ich schon richtig vermisst, weißt du? Obwohl wir doch erst einmal – " Verlegen und knallrot brach er ab und wollte den Kopf senken, was Káshira aber nicht zuließ. „Du bist manchmal richtig prüde, weißt du das? Es war ja noch gar nichts Richtiges zwischen uns – " mit einem zweideutigen Lächeln beugte er sich mit Hotáru in den Armen immer weiter nach vorne, bis sie schließlich auf der Decke lagen, „das holen wir jetzt aber nach, was meinst du?"
„Äh... es reicht aber völlig, wenn du mich nur in den Armen hältst, weißt du? Wir könnten so die ganze Nacht schlafen – " stammelte Hotáru hastig und wusste im selben Moment, dass er das nicht ernst meinte. Er wollte auf jeden Fall mehr...
„Wie süß du lügen kannst, Ho- chan. Sogar in deinen Augen sehe ich, dass du was anderes willst, stimmt's? Los, mach' dir keine Sorgen. Überlass' es ruhig dem guten Onkel, der weiß schon, was er tut – " kicherte Káshira aufgeräumt und küsste ihn begehrlich. „Mmmh... ein Onkel wie du gehört eingesperrt, weißt du – " murmelte Hotáru zwischen zwei Küssen halbherzig und klammerte sich fester an ihn, was nicht unbemerkt blieb.
„H – He, was soll denn das? Was – " flüsterte er erschrocken, als er plötzlich eine äußerst geschickte Hand an einer intimen Stelle fühlte – Káshira hatte brav reagiert und schob nun seinen Slip langsam nach unten, während er mit der anderen Hand vorsichtig den Yūkatagürtel löste und die ohnehin schon weit auseinanderklaffenden Kragenteile vollends von seinen Schultern schob. „Steht dir so besser, Ho- chan. Du musst dich doch wirklich nicht verstecken..." Plötzlich klopfte es an der Tür. Hotáru fuhr entsetzt zusammen und verkroch sich unter der Decke, immerhin trug er inzwischen nicht einmal mehr seine Unterwäsche. Káshira hingegen erhob sich mit einem Gesichtsausdruck, der seinen Überdruss deutlich werden ließ und stapfte ärgerlich zur Tür, wo gerade der Riegel zurückgeschoben wurde und ein schmales Gesicht vorsichtig hindurchlugte. Es handelte sich dabei um das junge Mädchen namens Huǒshān, die eine Art Schiffsjunge zu sein schien und nun mit verlegener Miene eintrat. Während sie sich krampfhaft bemühte, Hotáru nicht zu beachten, um nicht laut loszulachen, drückte sie Káshira ein kleines Körbchen in die Hand, in dem sich neben ein wenig Obst auch eine kleine ominöse Flasche befand, die er mit gerunzelter Stirn in die Hand nahm, um den Inhalt zu prüfen. Das Ergebnis schien ihn zu überraschen, denn sein Gesicht färbte sich mit einem Male puterrot und er schluckte krampfhaft. „Ähm – Öl? Von – von wem kommt das denn..." „Lady Hǎi lässt es schickten, mit den besten Grüßen, soll ich ausrichten. Wenn ich – kann ich jetzt gehen?" stotterte Huǒshān, die ebenfalls rot angelaufen war, mit gepresster Stimme und verschwand eilig. Das Lachen blieb noch eine ganze Weile nach ihr in der Luft hängen.
Aufseufzend wandte sich Káshira wieder seinem Liebling zu, der inzwischen wie geistesabwesend auf dem Kissen herumzupfte und nicht so ganz bei der Sache zu sein schien, wie man eigentlich erwarten sollte.
„Hast du was? Du siehst so – so unglücklich aus, Ho- chan. Stimmt was nicht?" „Nein, nein, mir fehlt nichts, es ist nur – " Nun errötete Hotáru ebenso heftig wie Káshira zuvor und versuchte, seine zitternden Hände mit mäßigem Erfolg unter der Decke zu verbergen. „Wirst du – wirst du vorsichtig sein? I – Ich will dir nichts unterstellen, a – aber..." Seine Stimme verlor sich immer weiter und versiegte, bis er schließlich doch noch einen Versuch wagte. „Ich hab' gehört, es soll... irgendwie... weh tun, weißt du – " Er zitterte jetzt schon am ganzen Körper heftig, teils aus Verlegenheit, teils aus Angst; was Káshira dazu wohl sagen würde? Vermutlich warf er ihn gleich aus dem Zimmer...
„Ho- chan." Káshira umarmte ihn zärtlich und drückte ihn fest an sich. „Was glaubst du wohl, warum Hǎi uns ihre – hmm, Aufmerksamkeiten hier geschickt hat. Es muss ja nicht – " eine leichte Röte überzog nun auch seine Wangen, „Man kann ja -, also, ich werde ganz vorsichtig sein – wenn irgendwas ist, dann brauchst du es nur zu sagen, und – " Inzwischen war er dunkelrot „Ich kann nicht glauben, dass wir so ein Gespräch führen – wer hätte das vor einem halben Jahr gedacht!"
„Na, ich ganz bestimmt nicht.", murmelte Hotáru in seinen Yūkata hinein und schloss die Augen. „Aber es ist schön, dass es so gekommen ist – ich bereue es nicht. Ich habe nie gesehen, wie du wirklich bist, weil ich dich immer für dumm halten wollte – dabei bist du es gar nicht – " „Und ich habe immer gedacht, du wärst bloß so ein arroganter Schnösel, der über alle Leute blöde Witze reißt. Dass du mich hasst und so. Wär' ja auch kein Wunder..." gab Káshira sanft zurück und strich ihm leicht über den Kopf.
„Aber ich hasse dich doch nicht!" entfuhr es Hotáru heftiger, als er eigentlich beabsichtigt hatte, und er hob ruckartig seinen Kopf. Káshira wusste das gut zu nutzen und küsste ihn grinsend, bis sie wieder beide eng umschlungen in den Laken lagen. „Das weiß ich jetzt doch, sonst wären wir nicht hier, oder? Keine Sorge, ich halte dich auch nicht mehr für eingebildet. Wir haben Noa irgendwie viel zu verdanken – sollten wir jemals wieder von hier wegkommen, werde ich sicher mit Anerkennung daran denken." „Anerkennung, wie? Das ist aber süß!" grinste Hotáru wieder vergnügt und streckte ihm die Zunge heraus, während er gleichzeitig behutsam und ein wenig schüchtern am Yūkata seines Gegenüber, der im Gegensatz zu seinem eigenen ein bisschen weniger gewagt geschnitten war, zu zupfen begann, bis der Gürtel sich löste und das ganze Teil über die Schultern rutschte. Káshira lächelte überrascht und erfreut; so ging die ganze Sache doch schon viel schneller... Sanft strich er über Gesicht und Hals seines Lieblings, glitt dann tiefer und blieb an einer interessanten Stelle stehen, die er ausgiebig betreute, bis sich Hotáru so fest in seine nackten Schultern krallte, dass es anfing, weh zu tun – offensichtlich wollte er mehr –
„Gut, dann gehen wir gleich zum anderen Teil über. Irgendwie ist diese Hǎi unheimlich vorhersehend – woher konnte sie das bloß wissen?" flüsterte er in die Dämmrigkeit des Zimmers, dessen einziges, großes Fenster mit einer Bambusmatte vor neugierigen Blicken geschützt war. „Mmmh... Ich denke, sie hat das alles eingefädelt, nicht wahr? Dieses Zimmer hier, so abgelegen – und das Öl und so. Kein Zufall..." stöhnte Hotáru unter ihm und öffnete scheu seinen Mund, da er endlich wieder einen Kuss haben wollte. Vorher allerdings griff sein Liebhaber nach dem kleinen Fläschchen und träufelte sich ein wenig von dem Inhalt auf seine Finger, die ihren Weg wie von selbst fanden... Unvermittelt bäumte sich der blonde Junge auf und keuchte alarmiert. „Was – tust du denn da – ahhh..." Seine Finger klammerten sich so fest in den Futón, dass er plötzlich glaubte, sie müssten brechen. So ein Gefühl war ihm bis jetzt völlig neu gewesen, und er konnte nicht wirklich sagen, ob es nun gut oder schlecht war –
„Liebling..." Káshira umfasste stöhnend seine Hüften, küsste ihn heftig und zog ihn schließlich ein wenig in die Höhe, um ihn umzudrehen. Dagegen allerdings wehrte sich sein Schätzchen leidenschaftlicher, als er erwartet hätte. „Nein, nicht! So... so mag ich es aber nicht – " „Wie denn dann?" flüsterte er erstaunt und musterte seinen Gegenüber mit großen Augen. Er hatte ja selber keine Erfahrung in der Hinsicht, aber im Allgemeinen sicherlich mehr als Hotáru - „Können wir es nicht anders machen? Vielleicht – vielleicht so, dass ich dich sehen kann..." murmelte sein Geliebter schüchtern und warf ihm sanfte, gläubige Blicke zu, während er unschuldig damit begann, seine Schultern zu umarmen und auch gleich noch seine Brust zu küssen. Káshira musste grinsen und schloss für einen Moment die Augen. Es war einfach zu angenehm, um ihn damit aufhören zu lassen... obwohl es nach einigen Minuten doch so kommen musste. Zärtlich schob er Hotáru ein kleines Stückchen von sich fort, um einige Kissen an der Wand aufzustapeln. „Mir ist eingefallen, wie es funktionieren könnte – laß es uns einfach ausprobieren, wir haben echt ewig Zeit..."
Interessiert verfolgte Hotáru seine Bemühungen und vertrieb sich die Wartezeit, indem er seine Finger mit zarten Bewegungen über die Oberschenkel seines Liebhabers gleiten ließ, um dann vorsichtig seine Unterwäsche nach unten zu ziehen und den Yūkata ganz zu entfernen. Káshira, der noch immer mit seinen Kissen beschäftigt war, drehte sich überrascht um und musterte ihn erstaunt. Soviel Initiative hätte er von ihm gar nicht erwartet – eher die ganz passive Rolle –
„Fertig?" flüsterte Hotáru sinnlich und küsste begehrlich seinen Rücken; es trieb Káshira beinahe zur Weißglut und brachte ihn dazu, sich mit einer stürmischen Bewegung zu ihm umzudrehen und das hübsche Gesicht mit Küssen förmlich zu überschütten, wobei ihn die Augenbinde störte. Er wartete schon sehnlichst auf den Moment, in dem er sein ganzes Gesicht küssen konnte, ohne dabei mit der Zunge dauernd auf etwas schal schmeckendes und Faseriges zu stoßen. Dabei stand ihm dieser Verband auch gut – ihm würde alles stehen –
„So." Mit der ernsten Miene eines Mannes, der soeben etwas Wichtiges zu Ende gebracht hatte, lehnte er sich nach hinten, die Kissen waren schön weich, gut – und zog Hotáru fest an sich. „Komm her, Liebling – diese Nacht vergisst du sicher nicht so schnell, das kannst du mir glauben – " „Aber es ist doch noch gar nicht so spät!" keuchte Hotáru mit einem kleinen, schiefen Lächeln im Mundwinkel und umarmte ihn fest wie auch ein wenig erschrocken, als Káshira seine Oberschenkel packte und die Knie kräftig neben seinen Hüften auf den Futón drückte. „So, und jetzt darfst du dich ruhig ein bisschen nach vorne beugen," grinste er neckisch und ließ seine Hände mit zärtlichen, großzügigen Bewegungen über seine Schenkel wandern, immer höher –
Mit einem Laut, der sich wie ein ersticktes Keuchen anhörte, klammerte sich Hotáru so fest wie möglich an die Schultern seines Liebhabers und schloss ebenso ängstlich wie erwartungsvoll die Augen, während ihm das Blut in die Wangen schoss und sich der Herzschlag um einiges erhöhte. Wie Káshira das alles so einfach aushielt, war ihm schleierhaft, denn das alles – musste doch anstrengend sein, oder nicht? Er hätte nicht sagen können, ob dieses Gefühl eindeutig schön oder gleichzeitig schrecklich war – aber dass er es nicht vermissen wollte, das war ihm klar und deutlich bewusst. Hoffentlich gefiel es Káshira auch, und er war dann nicht enttäuscht von ihm – wenn nur diese elende Schwäche nicht gewesen wäre, die ihm die Kraft raubte und schwarze Schlieren über sein Sehfeld jagte –
„Uh, geht's noch? Du bist so blass!" raunte ihm der braunhaarige Junge sanft ins Ohr und tätschelte leicht seine matten Wangen. Dann löste er vorsichtig den rechten Arm, um die schmale Scheibe irgendeiner Frucht, die in dem Körbchen lag, herauszuholen und Hotáru in den Mund zu schieben. „Ist das besser so?" Die Antwort – ein erschöpftes Nicken – bewog ihn dazu, etwas langsamer ans Werk zu gehen. Schließlich war Hotáru immer noch nicht ganz gesund, und wenn er ihn schon beim ersten Mal überanstrengte, dann konnte er so was in Zukunft vermutlich vergessen. Alle Vorsicht half leider nichts, denn plötzlich brach Hotáru mit einem leisen Seufzen auf seinem Liebhaber zusammen, keuchte müde und schaffte es gerade noch, ihm einen kleinen Kuss zu geben. „Es tut mir so schrecklich leid – kann einfach nicht mehr – bitte verzeih' mir..." Sekunden später verrieten tiefe, regelmäßige Atemzüge, dass er sich bereits im Land der Träume befand.
„Och, Schätzchen", flüsterte Káshira liebevoll, betrachtete den auf seiner Brust zusammengekauerten Körper und grinste zärtlich. „Hat dir anscheinend gefallen, nicht wahr?" Er hoffte ja nur, dass er mit den – Hilfsmitteln – nicht zu sparsam umgegangen war. Das Letzte, dass er ihm zufügen wollte, waren Schmerzen...
Sanft zog er die Decke über Hotáru und sich selbst, obwohl es nicht gerade kühl war; trotzdem beschloss er, lieber doch vorsichtig zu sein – eine Erkältung wollte er jetzt wirklich nicht riskieren.
Stunden später saßen Hǎi und Talingo gerade gemütlich an Deck beisammen und tranken eine Tasse Tee, als ein ziemlich verschlafen und nachdenklich aussehender Káshira auftauchte und ihnen einen ziemlich abschätzigen Blick zuwarf. „Ach. Müsst ihr denn keine Pläne schmieden, wen ihr als nächstes zusammen in irgendwelche Zimmer werft? Ist das so ´ne Art Freizeitbeschäftigung, oder was? Sonst nichts zu tun?"
Beide Frauen stießen sich kichernd an und nickten zufrieden. „So wie du aussiehst," meinte Hǎi gelassen, „hast du ja eine angenehme Nacht hinter dir, nicht wahr? Ich wusste ja, warum ich euch beiden ein abgelegeneres Quartier zugewiesen habe. Sonst könnte euer armer Nachbar kein Auge zutun..." Sie grinst wie ein Honigkuchenpferd und lehnte sich fröhlich nach hinten auf ihre verschränkten Arme zurück. Talingo dagegen musterte ihn ernst und klopfte mit dem Zeigefinger nachdrücklich auf ihre Tasse. „Ich will allerdings hoffen, dass du ihn nicht allzu sehr überanstrengt hast. Das wäre nicht gut, weißt du, er ist ja immer noch geschwächt – mehr als ein oder zweimal wäre nicht ratsam." Inzwischen hatten seine Ohren die Farbe von reifen Tomaten angenommen. „Schon gut! Müsst ihr – "
„Och, wie süß! Talingo, sieh' mal, er schämt sich! Wie niedlich!" kreischte Hǎi entzückt und begann lauthals zu lachen. Káshira kam sich wie der größte Vollidiot vor, als die beiden wie pubertierende Teenager zu kichern begannen und sich leise Kommentare zuflüsterten, von denen er lieber nicht wissen wollte, was sie zu bedeuten hatten. Schließlich wurde es ihm zu bunt und er sprang auf. „Das ist gar nicht komisch, wisst ihr? Ich hab' nämlich keine Ahnung, was ich jetzt tun soll. Ob – ob ich überhaupt zurück ins Zimmer gehen soll. Vielleicht wäre es das Beste, wir vergessen die ganze Sache – " Mit einem verzweifelt klingenden Schnauben wandte er sich ab und starrte in die dunklen Wellen. Hǎi schien über seinen Ausbruch hochgradig erstaunt zu sein, denn sie starrte ihn eine ganze Weile lang ratlos aus großen Augen an und wickelte eine Haarlocke um ihren Finger. Schließlich räusperte sie sich entschieden und begann zögernd. „Was meinst du denn damit? Hast du ihn denn nicht gerne? Euren Blicken nach zu urteilen – " „Ja, ja! Es ist ja nicht so, dass ich es nicht – aber es wird so viele Probleme geben! Ich weiß ja nicht einmal, wie die anderen auf so was reagieren werden – vielleicht behandeln sie uns dann wie Aussätzige oder so was – " stöhnte er verzweifelt und begann, winzige Holzstückchen aus dem Geländer zu zupfen, bis Talingo plötzlich leise auflachte. „Ach, du liebe Güte! Darum machst du dir Sorgen? Du musst es doch keinem erzählen, oder?" Káshira hob den Kopf und starrte sie erstaunt an. „Ja, aber – sicher wird es früher oder später jemand erfahren!" „Dann kannst du ja gleich prüfen, wie ernst die Freundschaft der anderen ist, nicht wahr?" warf Hǎi unvermittelt ein und trat neben ihn, um das dunkle Meer zu betrachten. „Wenn du nicht mehr nach unten gehst und ihn alleine dort liegen lässt, was glaubst du wohl, wie er sich dann fühlen wird? Überleg' es dir gut. Du könntest mehr verlieren, als du zu gewinnen glaubst."
Nachdem Káshira eine ganze Weile stumm über diese Worte nachgedacht hatte, wanderte sie mit einem entschlossenen Nicken zu Talingo und flüsterte eine Weile mit ihr; die Heilerin erhob sich und verschwand daraufhin für kurze Zeit, bis sie schließlich mit einem kleinen Körbchen zurückkehrte. Hǎi drückte es ihm eifrig in die Hand und tätschelte seine Schulter. „Na komm' schon, gib' deinem Herzen einen kleinen Ruck. Wenn du jetzt so grausam zu dem armen Jungen sein willst, wundere ich mich, warum du überhaupt bei ihm geblieben bist. Aber gut – es ist deine Entscheidung." Ohne ein weiteres Wort verschwanden beide Mädchen von Deck und ließen ihn allein; eine große Hilfe war das wirklich nicht! Was sollte er denn jetzt nur tun...?
Es war dunkel, als Hotáru die Augen aufschlug und schlaftrunken bemerkte, dass er offensichtlich der einzige in diesem Zimmer war. Als er nach dem Kissen neben sich tastete, fühlte er nichts als kühles, glattes Laken unter seinen Fingern. Káshira war also schon seit längerer Zeit nicht mehr da.
Plötzlich ernüchtert richtete er sich halb auf und bemerkte noch andere, für ihn ziemlich unangenehme Dinge; seine eigenen Kleider waren im halben Zimmer verstreut, während von Káshira's Yūkata gar nichts mehr zu sehen war. Er war also fortgegangen, die Frage war nur, wohin? Und würde er überhaupt zurückkommen? Was geschah, wenn er irgendwem davon erzählt hatte, Hayasé oder Harigané, beispielsweise? Die würden ihn sicher auslachen – vielleicht hatte er ihnen ja sogar erzählt, nur er, Hotáru, habe sich an ihn herangemacht und so; schließlich konnte man Wahrheit ja auch anders auslegen -
Seine Gedanken begannen sich zu verwirren und zu verheddern, bis sie schließlich nur noch auf einen Punkt hinwiesen: es würde Schwierigkeiten geben.
Obwohl er sich furchtbar dafür schämte, legte er seinen Kopf auf die angewinkelten Knie und begann wie ein kleines, verzweifeltes, ausgesetztes Kind am Straßenrand zu weinen.
Einige Zeit später klappte die Tür und Káshira trat mit verlegener Miene ein, in der Hand das Körbchen. Als er Hotáru wach im Bett sitzen sah, setzte er schon zu einer eiligen Entschuldigung à la: „...auf die Toilette gegangen", „... hatte Hunger" an, als er allerdings die Tränen seines Schätzchens bemerkte, ließ er den Korb zu Boden fallen und eilte zu ihm.
„Ja, was hast du denn? Tut dir was weh?" flüsterte er entsetzt und nahm ihn sanft in die Arme. Hotáru schluchzte noch ein wenig, beruhigte sich aber allmählich, als er die Wärme seines Liebhabers fühlte. „Du warst nicht da, und da dachte ich – ... ich war so alleine, und – " murmelte er verlegen, ab und zu noch von kleinen Schluchzern unterbrochen. „Es ist nicht schön, wenn man so allein aufwacht – " „Och, mein armer Liebling", murmelte Káshira neckisch und wiegte ihn sanft hin und her, bis ihm das Körbchen am Boden wieder einfiel. „An Deck habe ich zufällig Lady Hǎi getroffen, und sie hat mir das hier mitgegeben – " mit einer fließenden Bewegung erhob er sich und pickte den kleinen Behälter auf, in dem sich ein hübsch verpacktes Bentō, gefüllt mit kleinen Häppchen wie kalten Fleischbällchen und Süßigkeiten, befand. Mit einer zärtlichen Bewegung öffnete er die Box und schob Hotáru eins der kleinen Bällchen in den Mund. „Du musst bei Kräften bleiben, sonst klappst du mir noch mal zusammen. Hast mir einen richtigen Schreck eingejagt, weißt du das eigentlich? Ist nicht sehr angenehm, wenn einem der Liebhaber so mittendrin zusammenbricht!" Er selbst hielt sich lieber an die Süßigkeiten; im Gegensatz zu Hotáru mochte er so was danach um einiges mehr. Es brachte seinen Zuckerpegel wieder auf die richtige Höhe.
Nach einer Weile war die hübsch verzierte Box leer und sie fühlten sich angenehm satt und zufrieden; nachdem Káshira sich nach einer Weile erbarmt hatte und aufgrund der durstigen Blicke seines Lieblings noch etwas zu trinken geholt hatte, waren sie eigentlich restlos glücklich. Außer natürlich...
„Mmmh, jetzt hätte ich richtig Lust zu..." begann Káshira mit einem schelmischen Zwinkern und küsste ihn stürmisch. „Ich darf noch einmal, hat mir Talingo erlaubt! Und es gibt noch genug, dass wir ausprobieren müssen, findest du nicht auch?" „Hm. Meinst du?" gab Hotáru errötend zurück und versuchte anstandshalber, sich unter der Decke zu verstecken, obwohl er selbst ziemlich neugierig war. „Los, keine Widerrede! Jetzt wird – mmpf – " Der Rest des Satzes ging in unverständlichem Gemurmel unter, da ihm Hotáru mit puterrotem Gesicht ein Kissen auf den Mund drückte. Erst nach einer Weile konnte er sich davon befreien. „He, wolltest du mich ersticken? Dafür krieg' ich aber – " Mit einiger Anstrengung gelang es ihm, seinen Liebhaber auf den Bauch zu drehen und seine Schultern zu küssen. Hotáru keuchte erregt, als seine Zunge immer tiefer wanderte und seinen gesamten Rücken liebkoste. Am Nacken war er am empfindlichsten – aus irgendeinem Grund schien das auch Káshira zu wissen, denn schließlich wanderte er mit seinen Lippen wieder nach oben und küsste die zarte Haut ausgiebig, bis sich Hotáru schließlich unter Aufbietung aller Kräfte nach hinten drehte und nun seinerseits begann, Káshira's Hals und Brust mit seinen Lippen zu verwöhnen, bis sich sein Liebhaber nicht mehr beherrschen konnte und ihn heftig in die Kissen drückte. Als Káshira sein Gesicht mit immer fordernder werdenden Küssen überschüttete, spreizte er schließlich die Beine weit und presste sich immer tiefer in die Kissen, denn sein Liebhaber setzte wieder seine Finger ein – mit gewünschtem Erfolg –
„Urgh..." Verzweifelt umschlang Hotáru die breiten Schultern über sich und keuchte erregt; wenn es nach ihm ginge, sollte diese Nacht nie enden – offensichtlich hatte Káshira einiges dazugelernt, denn er brachte ihn zu ungeahnten Erlebnissen...
Kichernd beugte sich der braunhaarige Junge wieder über ihn und zupfte mit den Lippen sanft an seiner Augenbinde. „Hmm... Du bist so süß, am liebsten würde ich dich aufessen." Langsam glitt seine Zunge wieder nach unten, umrundete spielerisch den Nabel und widmete sich einer höchst interessanten Stelle knapp darunter; Hotáru bäumte sich wieder auf und stöhnte. „Was – tust du nur? Ich kann nicht – " Seine Hände verkrampften sich im dichten, dunkelbraunen Haar und mit einiger Anstrengung gelang es ihm schließlich, sich halb aufzurichten, während Káshira immer noch grinsend seine Zunge kreisen ließ und mit den Händen zärtlich über seinen Körper wanderte. „Woher kannst du das eigentlich?" flüsterte sein Liebhaber keuchend und sank wieder in die Kissen zurück; auf seiner weißen Stirn funkelten kleine Schweißperlen. „Lernt man das alles bei Frauen?" Káshira musste wieder kichern. „Du kannst vielleicht Fragen stellen! Woher soll ich's denn sonst wissen, hmm?"
„Na ja, ich weiß nicht – " gab Hotáru leise und beschämt zurück, während er seine Finger löste und nun sanfter über den Kopf seines Liebhabers strich. Er wollte ihm nicht unabsichtlich weh tun, indem er ihn kratzte oder so. Obwohl es sogar peinlich war, nur daran zu denken.
Nach einer Weile hob Káshira wieder den Kopf, um sich nun wieder dem Rest des Körpers zu widmen; er hatte es schon immer geliebt, die sensibelsten Stellen seiner Freundinnen zu finden und lange zu verwöhnen. Kein Wunder, dass er in dieser Hinsicht niemals irgendwelche Mängel gehabt hatte. Mit Frauen kannte er sich aus! Dagegen –
„He, Ho- chan." Seine Stimme wurde einschmeichelnd und ein wenig schelmisch. „Hättest du nicht mal Lust, die Rollen zu tauschen? Ich meine, ein Positionswechsel könnte nicht schaden, hmm?" „Waas? Warum – wieso – " Hotáru war durch diesen plötzlichen Einwurf völlig verstört und runzelte fragend die Stirn. „Das kann ich doch gar nicht!" „So schwer ist das auch wieder nicht. Du nimmst einfach deine Finger oder – hmm, was du eben sonst so willst, und dann – " antwortete Káshira scheinbar unschuldig und hilfsbereit, während er ein hinterhältiges Grinsen nicht mehr zurückhalten konnte. Sein Liebling bemerkte es allerdings und versetzte ihm zum Dank eine kräftige Kopfnuss. „Also echt! Das hätte ich mir ja gleich denken können! Du bist noch versauter, als ich dachte!" „Und das von jemandem, der unter mir liegt und – na ja! Mehr brauche ich da nicht zu – " mit einem überaus erstaunten Blick brach er ab, als Hotáru plötzlich nach vorne schnellte und ihm einen heftigen Kuss auf die Lippen drückte, während er gleichzeitig auf seinen Vorschlag einging und die Finger wandern ließ. Káshira keuchte überrascht, aber nicht unbegeistert auf; ob er wirklich so weit gehen würde? Na ja, ein Versuch konnte ja nicht schaden...
„Umhh... Hör' nicht auf..." murmelte er leise und zufrieden, als sich Hotáru über ihn beugte und nun seinerseits heftig bearbeitete, obwohl er das laut Talingo vermutlich gar nicht durfte. Aber im Moment war das wirklich egal – er sollte nie mehr aufhören –
Leider hatte die Heilerin in diesem Punkt wirklich recht gehabt; nach einiger Zeit fühlte Hotáru, wie er immer kraftloser und schläfriger wurde, am liebsten würde er sich jetzt hinlegen und sofort einschlafen. Káshira schien zu verstehen und nahm ihn liebevoll in die Arme, ohne noch mehr von ihm zu fordern, denn das hätte im Augenblick vermutlich nicht viel gebracht. Eine ganze Weile lagen sie friedlich Arm in Arm, bis Hotáru sanft an seinen Schultern zu zupfen begann. „Was willst du denn?" erkundigte sich sein Liebhaber sanft und lächelte erstaunt, als er sich von ihm immer höher gezogen fühlte. „Soll ich mich wieder auf dich legen, oder was? Aber das wird dir doch sicher zu schwer..."
Sein Liebling schüttelte nur leicht den Kopf und schlang stürmisch die Arme um seinen glatten Oberkörper, während ein bedauerndes Lächeln um seinen Mund glitt. „Es tut mir so leid, aber ich kann schon wieder nicht mehr. Bist du mir böse?" „Wie kommst du denn darauf?" antwortete Káshira erstaunt und begann ihn mit zärtlichen Küssen regelrecht zu überschütten; bei diesem niedlichen Gesicht konnte er einfach nicht anders. Hotáru schaffte es zwar noch, einige Zeit wach zu bleiben und die sanften Berührungen zu genießen, dennoch war er noch zu schwach, um es wirklich vollkommen auskosten zu können; nach einiger Zeit senkten sich wieder die schwarzen Schleier über seine Augen und er sank keuchend nach hinten. „Schon wieder?" flüsterte Káshira leise, als er fühlte, wie sich der Körper unter ihm immer weiter entspannte und schließlich einschlief. „Na ja, Talingo hat mich ja gewarnt..."
Zärtlich nahm er Hotáru so in den Arm, wie es für die Nacht am angenehmsten sein würde und kuschelte sich tief in die Decke; diesmal würde er nicht mehr aufstehen, um an Deck herumzulaufen. Wenigstens auf Noa würde es keine Probleme mit ihrer Liebe geben; hier war es allein ihre Entscheidung, keiner hatte das Recht, sich einzumischen oder dumme Kommentare dazu abzugeben. Hǎi hatte schon recht gehabt; hier zählten nur sie, Sitten und Bräuche waren anders. Während er solche Gedanken wälzte, durchquerte die Línghún leise und sicher die Nacht und nur ab und zu erhoben sich in weiter Ferne die Schemen riesiger Schädel im silbrigen Mondlicht, die das ruhige Schiff jedoch weder erreichten noch störten.
