Disclaimer : Alles gehört natürlich Tolkien!
Author's Note : Danke für dein Feedback Iaurorien! Als Dank gibt es gleich mal das zweite
Kapitel! ;-)
Kapitel 2
Noeriel rannte. Sie rannte, so schnell ihre Beine sie trugen. Immer weiter, querfeldein durch Büsche und kniehohes Gras, entlang eines Bachlaufes, der sie hoffentlich hier herausführen würde. Sie musste fliehen, weg von dieser Bestie. Hinter sich hörte sie schwere Schritte und das Knacken von Ästen, die unter diesen zerbrachen. Hastig hinter sich blickend, wo sie ihren Verfolger schon sehen konnte, der sie bald eingeholt haben würde, bemerkte sie eine hochstehende Baumwurzel nicht. Sie verfing sich mit ihrem Fuß darin, verlor das Gleichgewicht und schlug der Länge nach auf dem Boden auf. Atemlos versuchte sie, sich aufzurichten, aber eine Hand hielt sie an ihrem Bein fest.. Es war zu spät. Panik machte sich in ihr breit. Sie versuchte sich aus dem Griff zu winden. Die Folge davon war lediglich, dass, der Ork noch fester zupackte. Sie wollte schreien, aber kein Laut verließ ihren geöffneten Mund. Die andere Hand des Orks berührte ihren Hals. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
Noeriel schreckte auf. Alles war nur ein Traum gewesen. Wie immer unheimlich real. Der gleiche Traum, den sie fast jede Nacht träumte. Der Traum, der sie an so viele Sachen erinnerte, die sie lieber verdrängen wollte. Oder vergessen. Aber vergessen würde sie diese Geschehnisse wohl nie können. Eigentlich wollte sie sie sowieso nicht vergessen. Egal wie schrecklich sie waren, diese Geschehnisse waren zu einem Teil ihres Lebens geworden, zu einem Teil ihrer Existenz. Trotzdem brauchte sie immer noch eine große Überwindungskraft, um über das Geschehene nachzudenken oder jemandem davon zu erzählen. Von diesem Tag, der ihr Leben für immer verändert hatte.
Es war ein schöner Herbsttag gewesen, als sich Olendil und Sidhiel auf ihr letztes Wegstück nach Bruchtal gemacht hatten. Eigentlich hätten sie Bruchtal schon in der letzten Nacht erreichen können, aber sie hatten noch eine Rast eingelegt, weil ihre kleine Tochter zu erschöpft gewesen war. Es war die erste große Reise; die erst zehnjährige Elbin hatte ihre Heimat, den Düsterwald, noch nicht oft verlassen. Ihre Mutter hatte die Idee gehabt, doch mal wieder ihre alten Freunde zu besuchen, denn in Imladris hatte sie viele Jahre ihres Lebens verbracht, bevor sie wegen Olendil in den Düsterwald gezogen war. Bei dieser Gelegenheit wollte sie ihnen gleich ihre Tochter Noeriel vorstellen, von der noch keiner wusste. Also machte sich die kleine Familie auf den Weg, von dem sie jetzt nur noch ein kurzes Stück zurücklegen mussten.
Noeriel lief ein Stück vor ihren Eltern. Es machte ihr Spaß, den bunten Herbstblättern, die vom Wind durch die Luft gewirbelt wurden, nachzurennen und zu versuchen sie zu erhaschen. Plötzlich, mitten im Spiel, hielt sie inne. Ein Stück vor ihr überquerten schnell einige Rehe den Waldweg. Sie schienen von etwas aufgeschreckt worden zu sein. Lachend drehte sich das kleine Mädchen um, wobei ihr blondes Haar durch die Luft flog, und rannte zu ihren Eltern zurück: "Adar, hier sind auch Rehe, genau wie zu Hause." Ihr Vater sah sie nur mit besorgter Miene an. Ihm war aufgefallen, dass die Rehe vor etwas zu fliehen schienen. Aber vor was? Beim mehrmaligen Umsehen bemerkte er nichts Auffälliges in der Umgebung.
Einen Moment später kannte er den Grund. Ein Schrei ertönte und links und rechts neben ihnen brachen auf einmal Orks aus dem Wald. Olendil war sich sicher, dass diese dort schon länger gelauert haben mussten, sonst hätten sie sie bemerkt. Aber zum Nachdenken war später Zeit. Blitzschnell griff der Elb nach seinem Dolch und stach den ersten Angreifer nieder. Allerdings waren es inzwischen mehr als zwanzig Orks. Es schien aussichtslos. Er blickte sich um, seine Frau stand hinter ihm, aber seine Tochter war von ihnen durch den Angriff getrennt worden. Einer der Orks packte Noeriel im Nacken und hob sie hoch. Sie hörte ihre Mutter schreien, aber es war zu spät. Der Ork rannte, von zwei anderen begleitet, mit ihr los. Noeriel sah noch einmal die verzweifelten Gesichter ihrer Eltern. Dieses Bild brannte sich in ihr Gedächtnis, bevor ihr immer mehr Bäume die Sicht versperrten.
Die Orks liefen noch einige Zeit mit ihr durch den Wald. Die kleine Elbin sah die Bäume nur noch an ihr vorbei fliegen. Der Griff des Orks hatte sich verstärkt und ihr liefen die ersten Tränen aus den Augenwinkeln. Sie konnte das alles nicht verstehen, sie wollte einfach zurück zu ihren Eltern und dann heim. Schließlich hatten die Orks ihr Ziel scheinbar erreicht, denn Noeriel wurde unsanft ins Gras fallen gelassen. Ängstlich rollte sie sich wie ein Igel zusammen und riskierte nur einen kurzen Blick auf die Umgebung. Sie befanden sich auf einer Lichtung, allerdings drang nur gedämpftes Licht bis zum Boden vor, da die mächtigen Kronen der umstehenden Bäume trotz des Herbstes noch genug Blätter trugen, um eine Art Dach zu bilden.
Erneut packte sie jemand im Nacken und drehte sie auf den Rücken. Nun musste sie in die grässlichen Fratzen der drei Orks blicken. Der Rechte meinte mit einer Stimme, die Noeriel das Blut in den Adern gefrieren ließ: "Wir werden jetzt ein bisschen Spaß mit dir haben, meine Kleine." Dann band er ihr mit einem Strick die Arme und mit einem anderen die Beine zusammen. Noeriel trat und wand sich zwar nach Kräften, aber gegen drei Orks hätte sie nie eine Chance gehabt. Einer der beiden anderen Orks fuchtelte ihr nun mit einem Messer vor dem Gesicht rum und sie zuckte zurück. Die Orks lachten laut und das Elbenmädchen fing erneut an zu weinen. Sie wollte hier weg. Ihre Eltern hatten ihr einmal versprochen, sie immer zu beschützen. Also nahm sie ihre ganze Kraft zusammen und schrie so laut sie konnte. Ein kleiner Teil von ihr hoffte, dass, ihr Vater nun erscheinen würde, aber ihr Verstand zeigte ihr das Bild von ihren Eltern, umstellt von einer Horde Orks. Sie würden nicht kommen. Sie würde sie nie wieder sehen. Dann wurde sie wieder in die Realität gezogen, denn sie spürte ein Stück kaltes Metall an ihrem Hals. Ein Ork zischte: "Noch ein Laut und wir schneiden dir gleich die Kehle durch!" "Aber dann hätten wir ja gar keinen Spass mehr mit dir, das willst du doch nicht?", fuhr der dritte mit einer widerlichen, ruhigen Stimme fort. Noeriel schloss die Augen. Sie wollte die Orkfratzen nicht mehr sehen.
An ihrem rechten Arm spürte sie eine Berührung, die sich langsam zu einem starken, brennenden Schmerz entwickelte, und dann eine warme Flüssigkeit, die den Arm hinunter lief. Der Schmerz wurde mit jedem Augenblick größer; sie riss entsetzt die Augen auf und schrie. Die Orks lachten erneut, sie weideten sich an der Angst und dem Schmerz des Mädchens. Noeriel hob ein wenig den Kopf an, um zu sehen, was genau geschehen war. Alles, was sie sah, war rot, das Blut trat aus einer tiefen Wunde am Arm aus. Dieses Spiel setzten die Orks fort, bis Noeriel an allen Gliedmaßen mindestens eine tiefe Wunde hatte. Die Augen hielt sie wieder geschlossen, um wenigstens nichts zu sehen, und nur noch selten verließ ein kurzer Aufschrei ihren Mund. Innerlich hatte sie ihr Leben schon abgeschlossen; sie wartete nur noch sehnsüchtig auf ihren Tod, als plötzlich ein lauter Ruf in einer fremden Sprache durch den Wald hallte. Den Orks schienen diese Worte etwas zu sagen, denn sie ließen von ihr ab. "Wir sollten uns beeilen, von hier weg zu kommen, sonst liegen wir hier gleich tot auf dem Boden", meinte einer der drei. "Und was ist mit der Elbin?", fragte der, der die ganze Zeit das Messer geführt hatte. "Die stirbt hier sowieso und es wird ein längerer und qualvollerer Tod werden, als wir ihr jemals bereiten könnten!", lachte die dritte Stimme kalt. Das Messer fiel neben Noeriel auf den Boden und sie hörte, wie sich die schnellen Schritte der Orks immer weiter entfernten. Einmal noch wollte das Mädchen die Bäume sehen, bevor sie sterben würde. Deshalb öffnete sie die Augen, aber es wurde schon alles schwarz um sie herum.
Das Nächste, woran sie sich erinnern konnte, war, dass sie in einem Bett erwachte, das in einem lichtdurchfluteten Raum stand. Wie sie dorthin gelangt war, erfuhr sie erst viel Jahre später. Sie hatte das Glück gehabt, dass an diesem verhängnisvollen Tag eine Gruppe aus Bruchtal losritt, um nach Lórien zu reisen. Unter ihnen befanden sich auch Elladan und Elrohir, die ihre Schwester besuchen wollten. Diese Gruppe hatte die Orks überrascht, die gerade im Begriff waren Olendil zu töten. Seine Frau lag schon tot neben ihm. Die Elben konnten die Orks, die nun in der Unterzahl waren, töten oder wenigstens vertreiben. Olendil konnten sie dadurch allerdings nicht mehr helfen, er bat sie nur nachzusehen, ob sie seiner Tochter noch helfen konnten, und wies ihnen die Richtung. Dann starb er. Ein Teil der Gruppe ritt nun in besagter Richtung, während der andere Teil die beiden toten Elben begrub. Der Suchtrupp erreichte bald die Lichtung, auch wenn es nicht leicht war mit den Pferden der Spur zu folgen. Auf der Lichtung waren allerdings keine Orks mehr zu finden, nur das verwundete, bewusstlose Elbenmädchen lag im Gras. Elrohir reagierte als Erster, er wickelte sie in eine Decke, nahm sie vor sich aufs Pferd und ritt so schnell es ging zurück nach Bruchtal, dichtgefolgt von seinem Zwillingsbruder.
Dort hatte Elrond all sein Können aufgeboten, um die kleine Elbin zu retten, was ihm nach einiger Zeit des Bangens auch gelang. Ihr blieb nur eine kleine Narbe an der rechten Schulter. Als sie dann endlich nach zwei Tagen erwachte, fand sie einen erleichterten Elrond neben sich sitzen. Nachdem er ihren Namen erfahren hatte, fragte sie ihn was denn geschehen sei. Sie konnte sich nur noch bis zu dem Tag erinnern, an dem sie mit ihren Eltern aus dem Düsterwald aufgebrochen war. Elrond war überrascht, das sie sich an nichts zu erinnern schien, fand aber, dass es wohl ein Glücksfall für Noeriel war. Ihre Erinnerungen, so war er sich sicher, würden wahrscheinlich früh genug wiederkehren. Was sie auch taten, aber erst Jahre später, nachdem Noeriel eine glückliche Kindheit in Bruchtal verbracht hatte. Elrond hatte schon früh beschlossen, die Kleine als seine Ziehtochter bei sich aufzunehmen; ihr Schicksal erinnerte ihn etwas an das seiner Frau. Noeriel fand sich schnell in der neuen Situation zurecht. Nur selten fragte sie nach ihren Eltern. Dann nahm Elrond sie meist in den Arm und erklärte ihr, dass sie sich auf einer langen Reise befanden, die zu gefährlich für sie sei. Er wollte ihr den Schmerz über den Verlust der Eltern erst einmal ersparen. Und Noeriel fand sich mit dieser Antwort ab. Viel lieber erkundete sie Bruchtal oder versuchte, ihre neuen Brüder dazu zu überreden, mit ihr zu spielen. Über die Jahre vergaß sie fast ihre Herkunft. Für sie war Bruchtal ganz ihre Heimat geworden, und ihre neue Familie liebte sie über alles. Elladan und Elrohir waren inzwischen dazu übergegangen, ihr den Umgang mit dem Bogen und dem Schwert beizubringen. Arwen sah sie nur selten, da sie Bruchtal nicht oft besuchte, sondern in Lórien blieb. Als dann eines Tages ein kleiner Junge, den Elrond Estel nannte und der ihr innerhalb von wenigen Jahren über den Kopf wuchs, mit seiner Mutter nach Bruchtal kam, hatte sie einen guten Freund mehr.
Im Jahre 2999 des dritten Zeitalters, als Noeriel 179 Lebensjahre zählte, ritt sie mit Estel, der sich inzwischen Aragorn nannte und sich bereits mit Arwen verlobt hatte, nach einer langen Abwesenheit seinerseits aus. Ihr Weg führte sie in die Ausläufer des Nebelgebirges. Sie genossen einen der letzten schönen Tage des Jahres und erzählten sich viel aus der Vergangenheit. Bis Aragorn plötzlich sein Pferd anhielt und auf die Büsche am Wegrand deutete. Noeriel verstand sofort. Sie spannte ihren Bogen, als auch schon zwei Orks auf sie zustürmten. Allerdings wurde da der Erste schon von Aragorns Pfeil getroffen. Und auch Noeriel traf. Irgendetwas veränderte sich allerdings mit diesem Angriff. Noeriel spürte den ganzen Rückweg nach Bruchtal über schon etwas schweres auf sich lasten. Dieses Gefühl behielt sie bis zum Abend. Als sie endlich einschlafen konnte, hatte sie zum erstenmal diesen Albtraum. Sie wachte mitten in der Nacht auf, und Erinnerungsfetzen schwirrten durch ihren Kopf, die sich schließlich zu einem Gesamtbild zusammensetzten. Von da an konnte sie sich wieder an alles erinnern, was passiert war. An jeden Moment, an jedes Gefühl, so als wäre es erst gestern geschehen.
Am nächsten Morgen sprach sie mit Elrond, der bestürzt darüber war, wie genau sie sich an alles entsinnen konnte. Er versuchte sie zu beruhigen, aber von diesem Tag an wuchs ihr Hass auf Orks jede Stunde mehr an. Sie wollte kein Mitgefühl, sie wollte Rache für das, was ihren Eltern und ihr angetan worden war. Sie wurde immer verschlossener vor den Anderen, und sie fing langsam mit ihren nächtlichen Ausflügen an, von denen Elrond lange nichts mitbekam.
Noeriel seufzte. Und jetzt würde er ihr diese verbieten. Das Leben war nicht gerecht.
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Kapitel! ;-)
Kapitel 2
Noeriel rannte. Sie rannte, so schnell ihre Beine sie trugen. Immer weiter, querfeldein durch Büsche und kniehohes Gras, entlang eines Bachlaufes, der sie hoffentlich hier herausführen würde. Sie musste fliehen, weg von dieser Bestie. Hinter sich hörte sie schwere Schritte und das Knacken von Ästen, die unter diesen zerbrachen. Hastig hinter sich blickend, wo sie ihren Verfolger schon sehen konnte, der sie bald eingeholt haben würde, bemerkte sie eine hochstehende Baumwurzel nicht. Sie verfing sich mit ihrem Fuß darin, verlor das Gleichgewicht und schlug der Länge nach auf dem Boden auf. Atemlos versuchte sie, sich aufzurichten, aber eine Hand hielt sie an ihrem Bein fest.. Es war zu spät. Panik machte sich in ihr breit. Sie versuchte sich aus dem Griff zu winden. Die Folge davon war lediglich, dass, der Ork noch fester zupackte. Sie wollte schreien, aber kein Laut verließ ihren geöffneten Mund. Die andere Hand des Orks berührte ihren Hals. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
Noeriel schreckte auf. Alles war nur ein Traum gewesen. Wie immer unheimlich real. Der gleiche Traum, den sie fast jede Nacht träumte. Der Traum, der sie an so viele Sachen erinnerte, die sie lieber verdrängen wollte. Oder vergessen. Aber vergessen würde sie diese Geschehnisse wohl nie können. Eigentlich wollte sie sie sowieso nicht vergessen. Egal wie schrecklich sie waren, diese Geschehnisse waren zu einem Teil ihres Lebens geworden, zu einem Teil ihrer Existenz. Trotzdem brauchte sie immer noch eine große Überwindungskraft, um über das Geschehene nachzudenken oder jemandem davon zu erzählen. Von diesem Tag, der ihr Leben für immer verändert hatte.
Es war ein schöner Herbsttag gewesen, als sich Olendil und Sidhiel auf ihr letztes Wegstück nach Bruchtal gemacht hatten. Eigentlich hätten sie Bruchtal schon in der letzten Nacht erreichen können, aber sie hatten noch eine Rast eingelegt, weil ihre kleine Tochter zu erschöpft gewesen war. Es war die erste große Reise; die erst zehnjährige Elbin hatte ihre Heimat, den Düsterwald, noch nicht oft verlassen. Ihre Mutter hatte die Idee gehabt, doch mal wieder ihre alten Freunde zu besuchen, denn in Imladris hatte sie viele Jahre ihres Lebens verbracht, bevor sie wegen Olendil in den Düsterwald gezogen war. Bei dieser Gelegenheit wollte sie ihnen gleich ihre Tochter Noeriel vorstellen, von der noch keiner wusste. Also machte sich die kleine Familie auf den Weg, von dem sie jetzt nur noch ein kurzes Stück zurücklegen mussten.
Noeriel lief ein Stück vor ihren Eltern. Es machte ihr Spaß, den bunten Herbstblättern, die vom Wind durch die Luft gewirbelt wurden, nachzurennen und zu versuchen sie zu erhaschen. Plötzlich, mitten im Spiel, hielt sie inne. Ein Stück vor ihr überquerten schnell einige Rehe den Waldweg. Sie schienen von etwas aufgeschreckt worden zu sein. Lachend drehte sich das kleine Mädchen um, wobei ihr blondes Haar durch die Luft flog, und rannte zu ihren Eltern zurück: "Adar, hier sind auch Rehe, genau wie zu Hause." Ihr Vater sah sie nur mit besorgter Miene an. Ihm war aufgefallen, dass die Rehe vor etwas zu fliehen schienen. Aber vor was? Beim mehrmaligen Umsehen bemerkte er nichts Auffälliges in der Umgebung.
Einen Moment später kannte er den Grund. Ein Schrei ertönte und links und rechts neben ihnen brachen auf einmal Orks aus dem Wald. Olendil war sich sicher, dass diese dort schon länger gelauert haben mussten, sonst hätten sie sie bemerkt. Aber zum Nachdenken war später Zeit. Blitzschnell griff der Elb nach seinem Dolch und stach den ersten Angreifer nieder. Allerdings waren es inzwischen mehr als zwanzig Orks. Es schien aussichtslos. Er blickte sich um, seine Frau stand hinter ihm, aber seine Tochter war von ihnen durch den Angriff getrennt worden. Einer der Orks packte Noeriel im Nacken und hob sie hoch. Sie hörte ihre Mutter schreien, aber es war zu spät. Der Ork rannte, von zwei anderen begleitet, mit ihr los. Noeriel sah noch einmal die verzweifelten Gesichter ihrer Eltern. Dieses Bild brannte sich in ihr Gedächtnis, bevor ihr immer mehr Bäume die Sicht versperrten.
Die Orks liefen noch einige Zeit mit ihr durch den Wald. Die kleine Elbin sah die Bäume nur noch an ihr vorbei fliegen. Der Griff des Orks hatte sich verstärkt und ihr liefen die ersten Tränen aus den Augenwinkeln. Sie konnte das alles nicht verstehen, sie wollte einfach zurück zu ihren Eltern und dann heim. Schließlich hatten die Orks ihr Ziel scheinbar erreicht, denn Noeriel wurde unsanft ins Gras fallen gelassen. Ängstlich rollte sie sich wie ein Igel zusammen und riskierte nur einen kurzen Blick auf die Umgebung. Sie befanden sich auf einer Lichtung, allerdings drang nur gedämpftes Licht bis zum Boden vor, da die mächtigen Kronen der umstehenden Bäume trotz des Herbstes noch genug Blätter trugen, um eine Art Dach zu bilden.
Erneut packte sie jemand im Nacken und drehte sie auf den Rücken. Nun musste sie in die grässlichen Fratzen der drei Orks blicken. Der Rechte meinte mit einer Stimme, die Noeriel das Blut in den Adern gefrieren ließ: "Wir werden jetzt ein bisschen Spaß mit dir haben, meine Kleine." Dann band er ihr mit einem Strick die Arme und mit einem anderen die Beine zusammen. Noeriel trat und wand sich zwar nach Kräften, aber gegen drei Orks hätte sie nie eine Chance gehabt. Einer der beiden anderen Orks fuchtelte ihr nun mit einem Messer vor dem Gesicht rum und sie zuckte zurück. Die Orks lachten laut und das Elbenmädchen fing erneut an zu weinen. Sie wollte hier weg. Ihre Eltern hatten ihr einmal versprochen, sie immer zu beschützen. Also nahm sie ihre ganze Kraft zusammen und schrie so laut sie konnte. Ein kleiner Teil von ihr hoffte, dass, ihr Vater nun erscheinen würde, aber ihr Verstand zeigte ihr das Bild von ihren Eltern, umstellt von einer Horde Orks. Sie würden nicht kommen. Sie würde sie nie wieder sehen. Dann wurde sie wieder in die Realität gezogen, denn sie spürte ein Stück kaltes Metall an ihrem Hals. Ein Ork zischte: "Noch ein Laut und wir schneiden dir gleich die Kehle durch!" "Aber dann hätten wir ja gar keinen Spass mehr mit dir, das willst du doch nicht?", fuhr der dritte mit einer widerlichen, ruhigen Stimme fort. Noeriel schloss die Augen. Sie wollte die Orkfratzen nicht mehr sehen.
An ihrem rechten Arm spürte sie eine Berührung, die sich langsam zu einem starken, brennenden Schmerz entwickelte, und dann eine warme Flüssigkeit, die den Arm hinunter lief. Der Schmerz wurde mit jedem Augenblick größer; sie riss entsetzt die Augen auf und schrie. Die Orks lachten erneut, sie weideten sich an der Angst und dem Schmerz des Mädchens. Noeriel hob ein wenig den Kopf an, um zu sehen, was genau geschehen war. Alles, was sie sah, war rot, das Blut trat aus einer tiefen Wunde am Arm aus. Dieses Spiel setzten die Orks fort, bis Noeriel an allen Gliedmaßen mindestens eine tiefe Wunde hatte. Die Augen hielt sie wieder geschlossen, um wenigstens nichts zu sehen, und nur noch selten verließ ein kurzer Aufschrei ihren Mund. Innerlich hatte sie ihr Leben schon abgeschlossen; sie wartete nur noch sehnsüchtig auf ihren Tod, als plötzlich ein lauter Ruf in einer fremden Sprache durch den Wald hallte. Den Orks schienen diese Worte etwas zu sagen, denn sie ließen von ihr ab. "Wir sollten uns beeilen, von hier weg zu kommen, sonst liegen wir hier gleich tot auf dem Boden", meinte einer der drei. "Und was ist mit der Elbin?", fragte der, der die ganze Zeit das Messer geführt hatte. "Die stirbt hier sowieso und es wird ein längerer und qualvollerer Tod werden, als wir ihr jemals bereiten könnten!", lachte die dritte Stimme kalt. Das Messer fiel neben Noeriel auf den Boden und sie hörte, wie sich die schnellen Schritte der Orks immer weiter entfernten. Einmal noch wollte das Mädchen die Bäume sehen, bevor sie sterben würde. Deshalb öffnete sie die Augen, aber es wurde schon alles schwarz um sie herum.
Das Nächste, woran sie sich erinnern konnte, war, dass sie in einem Bett erwachte, das in einem lichtdurchfluteten Raum stand. Wie sie dorthin gelangt war, erfuhr sie erst viel Jahre später. Sie hatte das Glück gehabt, dass an diesem verhängnisvollen Tag eine Gruppe aus Bruchtal losritt, um nach Lórien zu reisen. Unter ihnen befanden sich auch Elladan und Elrohir, die ihre Schwester besuchen wollten. Diese Gruppe hatte die Orks überrascht, die gerade im Begriff waren Olendil zu töten. Seine Frau lag schon tot neben ihm. Die Elben konnten die Orks, die nun in der Unterzahl waren, töten oder wenigstens vertreiben. Olendil konnten sie dadurch allerdings nicht mehr helfen, er bat sie nur nachzusehen, ob sie seiner Tochter noch helfen konnten, und wies ihnen die Richtung. Dann starb er. Ein Teil der Gruppe ritt nun in besagter Richtung, während der andere Teil die beiden toten Elben begrub. Der Suchtrupp erreichte bald die Lichtung, auch wenn es nicht leicht war mit den Pferden der Spur zu folgen. Auf der Lichtung waren allerdings keine Orks mehr zu finden, nur das verwundete, bewusstlose Elbenmädchen lag im Gras. Elrohir reagierte als Erster, er wickelte sie in eine Decke, nahm sie vor sich aufs Pferd und ritt so schnell es ging zurück nach Bruchtal, dichtgefolgt von seinem Zwillingsbruder.
Dort hatte Elrond all sein Können aufgeboten, um die kleine Elbin zu retten, was ihm nach einiger Zeit des Bangens auch gelang. Ihr blieb nur eine kleine Narbe an der rechten Schulter. Als sie dann endlich nach zwei Tagen erwachte, fand sie einen erleichterten Elrond neben sich sitzen. Nachdem er ihren Namen erfahren hatte, fragte sie ihn was denn geschehen sei. Sie konnte sich nur noch bis zu dem Tag erinnern, an dem sie mit ihren Eltern aus dem Düsterwald aufgebrochen war. Elrond war überrascht, das sie sich an nichts zu erinnern schien, fand aber, dass es wohl ein Glücksfall für Noeriel war. Ihre Erinnerungen, so war er sich sicher, würden wahrscheinlich früh genug wiederkehren. Was sie auch taten, aber erst Jahre später, nachdem Noeriel eine glückliche Kindheit in Bruchtal verbracht hatte. Elrond hatte schon früh beschlossen, die Kleine als seine Ziehtochter bei sich aufzunehmen; ihr Schicksal erinnerte ihn etwas an das seiner Frau. Noeriel fand sich schnell in der neuen Situation zurecht. Nur selten fragte sie nach ihren Eltern. Dann nahm Elrond sie meist in den Arm und erklärte ihr, dass sie sich auf einer langen Reise befanden, die zu gefährlich für sie sei. Er wollte ihr den Schmerz über den Verlust der Eltern erst einmal ersparen. Und Noeriel fand sich mit dieser Antwort ab. Viel lieber erkundete sie Bruchtal oder versuchte, ihre neuen Brüder dazu zu überreden, mit ihr zu spielen. Über die Jahre vergaß sie fast ihre Herkunft. Für sie war Bruchtal ganz ihre Heimat geworden, und ihre neue Familie liebte sie über alles. Elladan und Elrohir waren inzwischen dazu übergegangen, ihr den Umgang mit dem Bogen und dem Schwert beizubringen. Arwen sah sie nur selten, da sie Bruchtal nicht oft besuchte, sondern in Lórien blieb. Als dann eines Tages ein kleiner Junge, den Elrond Estel nannte und der ihr innerhalb von wenigen Jahren über den Kopf wuchs, mit seiner Mutter nach Bruchtal kam, hatte sie einen guten Freund mehr.
Im Jahre 2999 des dritten Zeitalters, als Noeriel 179 Lebensjahre zählte, ritt sie mit Estel, der sich inzwischen Aragorn nannte und sich bereits mit Arwen verlobt hatte, nach einer langen Abwesenheit seinerseits aus. Ihr Weg führte sie in die Ausläufer des Nebelgebirges. Sie genossen einen der letzten schönen Tage des Jahres und erzählten sich viel aus der Vergangenheit. Bis Aragorn plötzlich sein Pferd anhielt und auf die Büsche am Wegrand deutete. Noeriel verstand sofort. Sie spannte ihren Bogen, als auch schon zwei Orks auf sie zustürmten. Allerdings wurde da der Erste schon von Aragorns Pfeil getroffen. Und auch Noeriel traf. Irgendetwas veränderte sich allerdings mit diesem Angriff. Noeriel spürte den ganzen Rückweg nach Bruchtal über schon etwas schweres auf sich lasten. Dieses Gefühl behielt sie bis zum Abend. Als sie endlich einschlafen konnte, hatte sie zum erstenmal diesen Albtraum. Sie wachte mitten in der Nacht auf, und Erinnerungsfetzen schwirrten durch ihren Kopf, die sich schließlich zu einem Gesamtbild zusammensetzten. Von da an konnte sie sich wieder an alles erinnern, was passiert war. An jeden Moment, an jedes Gefühl, so als wäre es erst gestern geschehen.
Am nächsten Morgen sprach sie mit Elrond, der bestürzt darüber war, wie genau sie sich an alles entsinnen konnte. Er versuchte sie zu beruhigen, aber von diesem Tag an wuchs ihr Hass auf Orks jede Stunde mehr an. Sie wollte kein Mitgefühl, sie wollte Rache für das, was ihren Eltern und ihr angetan worden war. Sie wurde immer verschlossener vor den Anderen, und sie fing langsam mit ihren nächtlichen Ausflügen an, von denen Elrond lange nichts mitbekam.
Noeriel seufzte. Und jetzt würde er ihr diese verbieten. Das Leben war nicht gerecht.
