Kapitel

Der Fluss schimmerte silbergrau im Licht des Mondes, der sich klar und rund über die Bäume erhob. Was wenn ich mein Leben verliere? Ich kann dieses Risiko nicht eingehen, oder kann ich es? Was – Gondor war weit. Die Reise allein konnte viele Gefahren bergen. Ein Kind. Ein Sohn oder eine Tochter. Jemand, der ihn Vater nennen würde. Wenn er dann noch da wäre. Was war sein Ziel? Was bewegte ihn zu tun, was zu tun war? Was hatte ihn früher bewegt, und war es jetzt noch dasselbe? Konnte es noch dasselbe sein? Die Bande zwischen ihm und Pip – sie würden niemals reißen, das wusste er – denn sie waren weit mehr als Freunde. Dennoch. Er hatte bei seiner Vermählung einen Schwur geleistet. Ihr Leben sei seins, Sein Leben sei ihrs, Und neues solle daraus entstehen, Dass er zu schützen und zu schätzen habe.

Und nun war da diese Bedrohung. Himmel, er fürchtete sich, als hätte er nicht eigenhändig den Hexenkönig erschlagen. Stella, seine liebste Stella... Warum sagte sie nicht „Bleib". Warum sagte er nicht „Komm zu mir"?

Weil sie die zwei Menschen waren, die ihn am besten kannten und ihn vorbehaltlos liebten, gleich was er tat.

Warum sagte sie nicht „Geh nur"– warum sagte er nicht „Bleib nur"?

Weil sie ihn brauchten. Beide.

Warum konnte er keine Entscheidung treffen? Warum war er so gelähmt? Er dachte an seinen König. Den Mann, der für so kurze Zeit ein Vater für ihn gewesen war. Der Gestrauchelte. Der dann wieder erfahren hatte wo sein Platz war, nämlich an der Spitze seiner Reiter. In der Schlacht. Der seine Entscheidungen wieder selbst fällte und dabei wieder so weise und gerecht sein konnte. Und der dann starb und ihm so wenige Worte hinterließ.

Ein grimmer Morgen, ein froher Tag, ein goldener Sonnenuntergang.

Théoden. Im Tode noch ein Wächter über Meriadocs Schicksal. Seine Entscheidungen.

Er hatte seinen Weg gefunden, doch es hatte lange gedauert – er hatte viele falsche Entscheidungen getroffen. Das konnte er nicht tun. Auf der einen Seite stand das Leben seines Kindes. Auf der anderen das seines Freundes. Den die Dunkelheit wieder gepackt hatte. Wie sie ihn in Träumen manchmal umfing. Der sie nun brauchte.