@tall-freak: Man, das muß ja ganz schön anstrengend gewesen sein . . . alle Kapitel auf einmal! Aber freut mich, dass es Dir gefällt!
@Samantha Potter: Spüre ich da gewisse gewalttätige Tendenzen . . .? *G*
Das Bild seiner Mutter, wie sie ihn verstört anlächelte, ihm durch das Gesicht strich, um sich dann wieder umzudrehen und zurück in ihr Zimmer zu schlurfen, erschien ihm vor Augen. Neville kniff die Lippen zusammen.
Ein heiseres Lachen drang an sein Ohr, Bellatrix kroch auf allen Vieren auf ihn zu. Mit blutunterlaufenen Augen starrte sie ihn an.
„Weiter . . ." krächzte sie. „Weiter . . . Meister!" Schreckensbleich wich Neville zurück, nein, er war nicht wie er, nein. Neville konnte den Gedanken nicht ertragen.
Bellatrix Lestrange fiel vor Neville zu Boden und umfasste seine Füße, weinend starrte sie ihn an.
Neville konnte es nicht fassen, hatte er sie so weit getrieben? Plötzlich war er voll von Mitleid für diese elende Figur, die vor seinen Füßen lag. Er beugte sich zu Lestrange hinunter.
„Steh auf." Sprach er. Doch sie rührte sich nicht.
„STEH AUF!"
Die Frau, das Monster, das fast seine Eltern getötet hatte, sah IHN voll Ehrfurcht und Dankbarkeit an. Zwischen Wut, Hass und Mitleid hin und hergerissen wich er zurück, noch immer den Zauberstab auf sie gerichtet.
„Longbottom." Krächzte sie, ihre Vernunft und ihr Verstand schienen wiederzukommen. Wieder kam sie auf ihn zugekrochen, Blut lief aus ihrer Nase.
„Bleib wo du bist!" schrie Neville voller Entsetzen, nein, er durfte ihr nicht weh tun, er war nicht wie sie. Neville kämpfte mit sich selbst.
Bellatrix kam weiter auf ihn zugekrochen, heiser lachend und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, als wolle sie ihn herausfordern.
Wut wallte in Neville auf.
`Wenn sie es so will . . .´ dachte Neville
„CRU . . „ Weiter kam er nicht.
Laut wimmernd hatte sich Lestrange auf den Boden geschmissen, die Hände hatte sie über den Kopf gerissen. Langsam wiegte sie sich vor und zurück, vor, zurück.
Neville schluckte laut auf. Genauso hatte er schon ach so viele Male seine Mutter in ihrem Krankenhausbett gesehen, während sein Vater stillschweigend und mit leerem Blick daneben gesessen hatte. Neville konnte es nicht tun. Wann würde denn endlich jemand kommen und diesen Wurm von ihm fortnehmen, er konnte ihren Anblick nicht mehr ertragen. Er spürte, wie Tränen in seinen Augen aufstiegen und lies ihnen freien Lauf. Wie lange er so da stand, wusste er nicht.
Plötzlich hörte er ein leichtes Sausen in der Luft und er spürte einen kalten Lufthauch in seinem Rücken.
„Aber hallo . . ." Erschrocken drehte er sich um und starrte in das Gespenstergesicht von Sir Nicklas. „Was für ein Kampf, wir alten Heroen . . . wie früher, als noch die holden Jungfrauen gerettet werden mussten . . . aber sag, mal, was machst du eigentlich hier?"
Neville starrte ihn mit weit offenen Mund an.
„Hm, Dir hat es wohl die Sprache verschlagen, hast Du Dich etwa versteckt?" Dann fiel sein Blick auf Bellatrix Lestrange.
„Und wer oder was ist das??" Er schwebte zu ihr hinab.
„Wenn ich das richtig sehe, sollte ich oben wohl mal Bescheid sagen, hm?" meinte Niclas wieder zu Neville gewandt. „Hm?" Erwartungsvoll sah er den immer wie zu Stein erstarrten Jungen an.
„Naja" sprach er, „bin gleich wieder da . . ." Zum Gruß fasste er sich in die Haare und zog.
Neville hätte es fast den Magen umgedreht, aber dann musste er doch lachen.
„Na siehst Du." Sagte der Geist und sauste davon.
Es war vollkommen ruhig um Neville, nur ab und zu durchbrach Lestranges Schluchzen die Stille.
Diese tat nichts mehr. Wie ein Baby hatte sie sich auf den Boden gesetzt und wiegte sich noch immer vor und zurück und summte dabei leise vor sich hin.
Nevilles Kopf war wie leergefegt, er stand einfach da, völlig ohne Spannung hingen seine Arme schlaff an seinen Seiten, den Zauberstab hielt er locker in der linken Hand. Seine Gedanken schweiften ab, langsam verlor er den Bezug zur Gegenwart.
Diese Unachtsamkeit kostete ihn fast das Leben. Aber nur fast.
Denn plötzlich nahm er aus dem Augenwinkel und in der hintersten Ecke seines Gehirns eine schnelle Bewegung wahr. Instinktiv riss er seinen Stab nach oben und donnerte: „STUPEFY!"
Bellatrix kippte regungslos nach hinten und schlug hart auf den Boden auf. Keine halbe Sekunde später waren auch rennende Schritte auf der Kerkertreppe zu hören und Tonks rannte ihm mit gezücktem Stab entgegen. Neville, noch immer zu sehr darüber geschockt, wie gut Lestrange ihn hatte täuschen können, brachte kein Wort hervor.
„Bist Du in Ordnung? Hat sie Dir etwas getan?"
Tonks sah ich forschend an. Neville schüttelte nur stumm den Kopf.
Die Aurorin, nun verunsichert, ob sich das Kopfschütteln auf ihre erste oder zweite bezog, lenkte ihren Blick fast widerstrebend auf die Todesscherlerin.
Dann entdeckte sie das Blut auf dem Boden, sie folgte der Spur und schließlich blieb ihr Blick im Gesicht von Bellatrix hängen. Am Blut, welches ihr aus der Nase und dem Mund lief.
Fassungslosigkeit und Entsetzen zeichneten sich langsam auf dem Gesicht von Tonks ab.
„Neville . . ." flüsterte sie. „Neville, was hast Du getan?"
Geschockte Augen blickten in sein rundes Gesicht. Eine Träne rann seine Wange hinab.
„Neville . . . sag´ doch etwas . . ."
Zögernd ging sie auf ihn zu, er wich genauso langsam vor ihr zurück, bis er mit dem Rücken an die Kerkerwand stieß.
Immer noch stumm schüttelte er den Kopf, barg ihn in seinen Händen und rutschte an der Wand entlang zu Boden.
Haltlos und ungehemmt liefen nun die Tränen hinunter. Gequält schluchzte er auf.
Tonks ging vor ihm in die Knie, zog ihn zu sich in die Arme und drückte ihn ganz fest an sich.
„Es schmerzt Dich, nicht wahr?" Neville nickte.
„Bereust Du, was Du getan hast?" Neville schluchzte auf, wieder nickte er. Er fühlte sich nicht mehr als der starke Kämpfer, sondern wie ein kleiner hilfloser Junge.
„Siehst Du," meinte Tonks, die inzwischen die Arme von Neville gelöst hatte, „das ist alles, was zählt. Sieh mich an, Neville."
Er blickte ihr in die warmen Augen.
„Nicht immer zählt, was man getan hat, sondern, was man fühlt. Ich spüre, dass Du Dich schämst. Nach all dem, was diese Frau Dir und Deiner Familie angetan hat, hast Du am Ende Mitleid mit ihr empfunden. Du hast mehr Stärke gezeigt, als viele vor Dir. Und glaub mir, auch tiefe Wunden, wie die, die Du nun erlitten hast, werden eines Tages heilen."
Noch immer weinte er, So recht mochte er an die Worte nicht glauben. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
„Komm jetzt, es ist besser, wenn wir von hier fortgehen."
Sie stand auf und streckte Neville die Hand entgegen. Nach einigem Zögern ergriff dieser sie und verließ gemeinsam mit ihr die Kerker.
