A/N: Laut ff.net darf ich ja dreimal pro Tag updaten, also kommt jetzt auch gleich das gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz lange Kapitel 5. :) Und keine Angst, Sara. Ich verspreche, daß ich "Schatten des Westens" nicht vergesse. Ganz bestimmt nicht. I.

5. Kapitel

"Yoko "Breathless" Komoto, dreißig, "exotische Tänzerin", fünf Schüsse in den Rücken."

Jez hängte ein Photo der insgesamt vierten Frau, deren Tod sie nicht hatten verhindern können, an die Wand zu den anderen Opfern. Red hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte finster die Bilder an. Jez stellte sich neben ihn.

"Wo sind Kate und Duncan?"

"Kate schreibt noch an der Liste und Duncan redet mit der Presse."

"Gut."

Als hätte sie auf ihr Stichwort gewartet, betrat die junge Detective-Sergeant mit Duncan den Raum.

"Ich hasse Listen und Listen hassen mich," meinte sie, setzte sich und legte ein paar Blätterstapel auf den Tisch. "Das sind besagte Listen. Für jeden von uns eine. Und tausend weitere Ausdrucke für alle, die uns helfen werden."

"Danke, Kate," sagte Red. "Wir suchen einen Mann zwischen ...tja, genau das wissen wir nicht. Lassen wir die Alterssache erstmal außer Acht! Wir suchen einen Mann, der vermutlich eine Uniform trägt, rassistische Neigungen hat, aber sie nicht unbedingt offen zeigt. Vielleicht ist er sogar mit einer Asiatin liiert und lebt so seine Frustration aus? Wenn er das "I'm back" selber an die Wand geschrieben hat, ist er, laut unseren Schriftexperten Rechtshänder..."

"Wie so ziemlich fünfundneunzig Prozent aller Londoner," warf Duncan ein.

"...Er hat dabei einen handelsüblichen Pinsel und Fabe benutzt, sodaß uns weder das eine noch das andere irgendwelche Anhaltspunkte liefert. Er ist den Opfern entweder bekannt oder auf alle Fälle scheint er vertrauenswürdig, wie etwa ein Polizist, denn keine der Türen wurde aufgebrochen. Sie haben ihn reingelassen."

"Wir checken immer noch alle Verwandten und Bekannten, ob eventuell ein Zusammenhang zwischen einem von ihnen und den Opfern besteht," sagte Jez. "Bis jetzt allerdings ohne Erfolg."

Red nickte und fuhr fort: "Wir brauchen ein Motiv! Das, was ich eben sagte, mit dem Frustration ausleben und so, war eigentlich Quatsch, denn keiner dieser Morde ist irgendwie sexuell gekennzeichnet. Darin stimmen wir doch bis jetzt alle überein, nicht wahr?"

Er sah sein Team an und alle nickten.

"Gut. Wenn ein Täter seine Unzufriedenheit oder seine Frustration abreagiert, dann sehen die Opfer anders aus. Sie werden vergewaltigt, erniedrigt, gedemütigt, verstümmelt, gefoltert, irgendwas, aber nicht einfach so erschossen. Was übersehen wir? Es ist eine Serie. Immer der gleiche M.O., aber wo ist das Muster? Erkennt ihr eins? Wo ist der Zusammenhang? Es sind alles dreißigjährige Asiatinnen, die sich nicht gegenseitig kannten und nicht derselben Berufsgruppe oder einem Verein angehörten. Wenn man sich mal die Mühe macht, genau hinzusehen," Reds Blick streifte Duncan, "dann waren sich die Toten nichtmal besonders ähnlich. Kein Zeitlimit! Arbeitet eure Listen durch und haltet mich auf dem Laufenden! Sobald ich es für notwendig halte, daß wir uns wieder treffen, rufe ich euch an."

"Ist gut," sagte Kate und stand auf.

Duncan tat es ihr gleich. Beide liefen zur Tür und auch Red erhob sich, nur Jez blieb gedankenversunken auf seinem Stuhl sitzen. Bevor Red die Tür zu seinem Büro von außen schloß, fragte er höflich: "Festgewachsen?"

Jez blickte auf.

"Hm? Oh! Nein. Entschuldige."

Er stand auf, griff nach seiner Jacke und folgte Red auf den Gang. Red schloß sein Büro ab.

"Was ist los, Jez?"

Sie liefen nebeneinander den Flur hinunter.

"Erinnerst du dich an Piper?"

"Piper Williams? Natürlich! Sie war ein liebes Mädchen. Schwer zu vergessen, besonders nach der Sache mit ihrem Freund, der sein vorzeitiges, aber doch höchst verdientes Ableben ja wohl dir verdankt. Wie sollte ich mich nicht daran erinnern? Sag' nicht, du hast deswegen immer noch Schuldgefühle!"

"Sie war gestern Wood, Ecke Borroughs."

"Piper??"

"Hm."

Red blieb stehen und hielt Jez am Arm fest.

"Und wieso hast du sie nicht zu mir gebracht?! Vielleicht hätte ich gerne mit ihr geredet? Ich habe sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen!"

"Ja. Genau wie ich. Seit acht Jahren, vier Monaten, zwei Wochen und drei Tagen."

Red stemmte die Hände in die Hüften.

"Was hat sie gesagt?"

Jez zuckte die Schultern.

"Nicht viel. Es geht ihr gut. Ich ...Wir sollen sie mal besuchen, wenn wir Zeit haben."

"Geh' schon!"

"Was?"

"Was stehst du hier noch rum? Geh' sie besuchen! Gleich!"

"Red, das kann ich nicht. Wir haben ein Haufen Arbeit und ..."

"Und einen Haufen Leute. Wenn du mal ein paar Stunden nicht da bist, fällt das niemandem auf. – Ausgenommen Kate."

Red schmunzelte.

"Sag', du willst nicht, du kannst nicht oder du hast Angst, aber schieb's nicht auf die Zeit und die Arbeit, Clifton! Nimm Kate oder Duncan mit, wenn du dir selbst nicht traust, aber geh' zu ihr! Ich glaube, du solltest diese Sache endlich klären, auf die eine oder andere Art."

"Ich weiß nicht, wovon du sprichst."

"Oh, doch! Das weißt du verdammt genau. Du bist ja immer noch da. Verschwinde! Und grüß' sie von mir!"

Red ließ ihn einfach stehen. Jez blickte zu Boden. Red hatte verdammt leicht reden.

***

"Bitte erklär' mir nochmal, was genau wir hier wollen."

Kate lief mit Jez die Stufen zu "Prof. Dr. Kensingtons Heim für mißhandelte Kinder und Jugendliche" hinauf.

"Piper besuchen," antwortete Jez.

"Ah ja."

Sie betraten das riesige viktorianische Haus und wurden von Stille empfangen. Die Dame, die hinter dem Schreibtisch in der großen, hohen Empfangshalle saß, sah ihnen abwartend entgegen.

"Guten Tag, M'am," sagte Jez artig. "Ich bin Detective-Inspector Clifton und das ist meine Kollegin Detective-Sergeant Beauchamp. Wir suchen Piper Williams."

Die Dame lächelte plötzlich, als hätte Jez das richtige Code-Wort benutzt.

"Ah ja. Dr. Williams sagte bereits, daß Sie vielleicht vorbei kommen würden. Sie finden sie im ersten Stock, im Aufenthaltsraum."

"Ah...Moment!" meinte Jez. "Doktor Williams?"

Die Dame zog die Brauen zusammen.

"Ja. Sie sagten doch Piper Williams, oder?"

"Ja, M'am."

"Piper Williams ist Dr. Psych. Sie haben sie länger nicht gesehen, nicht wahr?"

"Ahm...ja, M'am. Vollkommen richtig. Vielen Dank."

Jez lief zur Treppe, ohne darauf zu achten, ob Kate ihm folgte. Piper hatte Psychologie studiert??

"Erzählst du mir jetzt, woher du sie kennst?"

"Sie war mal Officer bei uns," antwortete Jez abwesend. "Das muß der Aufenthaltsraum sein."

Er öffnete die Tür. Mindestens hundert Augenpaare starrten ihnen stumm und mißtrauisch entgegen. Alle Altersgruppen waren vertreten. Die Kleinsten mochten drei, vier Jahre alt sein, die Ältesten mußten unter achtzehn sein, sonst durften sie nicht hier sein. "Jugendlich" endete bei achtzehn. Piper kam auf ihn zu, sie trug einen kleinen Jungen auf dem Arm, der sich schutzsuchend an sie schmiegte. Ihm fehlten büschelweise Haare und im Gesicht und auf den Armen hatte er zahlreiche Schrammen, Blutergüsse und Wunden, die für Jez verdammt nach Zigarettenkippen aussahen.

"Jez! Schön, daß du kommen konntest. Guten Tag, Miss...?"

"Kate Beauchamp, Detective-Sergeant. Kate reicht."

"Fein, dann...Guten Tag, Kate. Ich bin Piper."

Über ihre Schulter rief sie: "Entspannt euch wieder! Das sind Freunde!"

Fast augenblicklich setzte das bei solchen Menschenmengen übliche Gemurmel wieder ein.

"Tut mir leid," sagte sie dann wieder zu den zwei Polizisten. "Sie haben viel durchgemacht und sind ängstlich und mißtrauisch. Kommt! Wir können uns da hinten hinsetzen. Damian!"

Ein junger Mann kam zu ihr gelaufen.

"Sei so lieb und kümmere dich ein bißchen um Matty, ja?"

"Klar, Piper. Na, dann komm mal zu Papa, Kleiner!"

Damian nahm den Jungen vorsichtig aus Pipers Armen. Sie küßte das Kind sanft auf die Stirn und murmelte: "Bis nachher, Schätzchen."

"Wer hat ihm das angetan?" fragte Kate.

"Seine Eltern."

Piper seufzte.

"Er ist zwar schon ein paar Monate hier, aber immer noch völlig fertig. Aber ein lieber kleiner Kerl. Ich hoffe, das bleibt so. Wir werden jedenfalls alles dafür tun. Kaffee? Tee?"

"Tee, danke," entschied sich Jez.

Piper lächelte.

"Dann gehen wir doch besser in die Küche. Tee sollte man frisch machen."

Sie lief voraus. Kate musterte ihre schlanke Gestalt. Wieso machte Jez bloß so ein Drama um seine offensichtliche Ex-Freundin? Sie war jung, hübsch, offenbar intelligent und nett. Also?

Die Küche des Heims war klein und gemütlich.

"Setzt euch!" sagte Piper und ging an einen der Schränke, um den Tee zu holen. Während sie Wasser aufsetzte, erkundigte sich Kate: "Kochen Sie hier für alle Kinder?"

Piper lachte weich.

"Nein. Das ist nur eine Miniküche für Kleinigkeiten zwischendurch. Die Großküche ist unten im Keller eingerichtet. Müßten wir hier Essen machen, dann wären die ersten schon wieder hungrig, sobald die letzten ihr Essen gekriegt hätten."

"Wieviele Kinder leben hier?"

"Zwischen dreihundert und dreihundertfünfzig. Das schwankt immer etwas. Diejenigen, die volljährig werden, dürfen wir leider aus rechtlichen Gründen nicht hier behalten und müssen sie dann abgeben oder einfach ziehen lassen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß das meistens nicht gut geht, also geben wir ihnen die Adresse von befreundeten Psychologen oder Kliniken und sagen ihnen, daß sie sich regelmäßig dort melden sollen, und sei es nur, um zu reden. Die ganz hoffnungslosen Fälle weisen wir in Pflegeheime oder psychiatrische Anstalten ein."

Piper lächelte wieder.

"Gott sei Dank ist das nur ein kleiner Teil. Die meisten fangen sich wieder im Lauf der Zeit, die sie bei uns verbringen. Was für Tee möchten Sie, Kate?"

"Schwarzen," antwortete die junge Frau verblüfft und Piper lachte leise.

"Und was für welchen?"

Kate sah verständnislos und hilfesuchend zu Jez. Der grinste breit.

"Piper hat mindestens zwanzig verschiedene Schwarzteesorten, wenn nicht noch mehr. Für sie ist Teetrinken keine Nahrungsaufnahme, sondern eine Lebenseinstellung. Für mich wie immer, Süße."

"In Ordnung. Kommen Sie her, Kate!"

Kate stand auf und stellte sich neben Piper.

"Hier in diesen Dosen ist alles Tee. Der Name steht drauf. Schnuppern Sie sich durch! Der, der für Sie am verlockendsten duftet, den nehmen Sie."

Kate starrte in das Regal. Das waren keine zwanzig Teedosen, sondern mindestens hundert.

"Ah...Was trinkt ihr zwei denn?"

"Ceylon Uva Blairlomond highgrown," antwortete Piper. "Davon konnten mich auch meine Kung-Fu- und Meditationslehrer nicht abbringen. Ich kann mit grünem Tee einfach nichts anfangen."

"Kung-Fu- und Meditationslehrer?" fragte Jez.

"Ja. Habe ich neben dem Studium gemacht. Du hast sicher schon bemerkt, daß ich Dr. Psych. bin."

"Die nette Dame im Foyer hat mich darauf aufmerksam gemacht."

Piper füllte Tee in den Filter und grinste.

"Mrs. Woodrow, ja. Sie war gar nicht begeistert, als ich ihr sagte, daß eventuell ein paar Polizisten vorbei schauen würden."

"Wieso? Hat sie was ausgefressen?"

Piper lachte laut und Jez bemerkte, wie sehr ihn dieses Geräusch beruhigte. Nach dieser verhängnisvollen Nacht vor acht Jahren, hatte er nicht gewußt, ob sie je wieder würde lachen können.

"Mrs. Woodrow??? Die Frau hat noch nichtmal einen Strafzettel wegen falschen Parkens! Nein. Sie mag es nur einfach nicht, wenn "ihre" Kinder durch die Staatsgewalt beunruhigt werden. Deswegen habe ich sie schonmal vorgewarnt und ihr gesagt, daß ihr nicht offiziell kommt, sondern lediglich, um mich zu besuchen. Wie sieht's aus, Kate?"

"Was?"

"Welcher Tee?"

"Oh! Ach, ich...ich glaube, ich trinke einfach bei euch mit."

"Okay."

"Woher wußtest du, daß ich nicht alleine komme?" fragte Jez.

Piper zuckte die Schultern, während sie das kochende Wasser über den Tee goss.

"Nur so ein Gefühl."

"Ich soll dich von Red grüßen."

Piper stellte den Küchenwecker und lächelte.

"Danke. Wie geht es ihm?"

"So wie immer. Er raucht zuviel, trinkt zuviel, wiegt zuviel und hat zuviel Streß."

Piper zog besorgt die Brauen zusammen.

"Das klingt aber nicht gut."

"Wir passen schon auf ihn auf," sagte Jez beruhigend. "Mach' dir keine Gedanken!"

Piper verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Anrichte.

"Und wie geht es euch?"

"Gut," antwortete Jez. "Von meinem üblichen Problem mal abgesehen, bin ich in Bestform."

Seltsamerweise schien Piper genau zu wissen, was er meinte, denn sie kicherte.

"Hast du es noch immer nicht geschafft, deine Streitereien mit Duncan in den Griff zu kriegen?"

Kate hob die Brauen. Die Kleine kannte sogar Duncan?

"Was soll ich sagen?" Jez lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. "Er ist ein Arsch."

Piper nickte.

"Das ist er. Aber du darfst nicht vergessen, daß er bis jetzt wohl nicht viel Grund dazu hatte, keiner zu sein."

"Daß seine Ehe kaputtgegangen ist, war allein seine Schuld!"

"Es ist nie die Schuld eines einzelnen, wenn eine Ehe scheitert, Jez. Aber ich gebe zu, seine Spielsucht hat alles kompliziert. Hat er das inzwischen auf die Reihe gekriegt?"

"Er sagt ja."

"Telephoniert er oft? Muß er oft plötzlich weg? Hört er Radio oder klebt er plötzlich am Fernseher, wenn Rennergebnisse verlesen werden? Achtet darauf!"

Der Tee klingelte und Piper fischte den Teefilter raus, dann goss sie jedem eine Tasse ein und setzte sich zu ihnen an den Tisch.

"Was beschäftigt Sie, Kate?"

"Nichts."

Piper lächelte.

"Ein Pfund in die Lügenkasse! Und nochmal: Was beschäftigt Sie, Kate?"

"Naja..." Kate setzte ihre Tasse ab. "Sie reden mit Jez, als würden Sie ihn schon ewig kennen. Sie kennen offenbar auch Red und Duncan recht gut. Und...Naja, ich arbeite mit ihnen inzwischen schon vier Jahre, aber nie hat einer von ihnen Sie erwähnt. Und jetzt plötzlich...Gestern Abend, Wood, Ecke Borroughs, dachte ich, Jez hätte ein Gespenst gesehen."

Auch Piper setzte ihre Tasse ab.

"In gewisser Weise hat er das auch."

Sie sah zu Jez.

"Du hast es ihr nicht erzählt?"

Jez schüttelte stumm den Kopf. Piper nickte leicht.

"Okay, dann erzähle ich meinen Teil."

Sie fügte dem nichts hinzu, aber Jez wirkte erleichtert. Piper trank einen kleinen Schluck Tee und atmete tief durch.

"Vor neun einhalb Jahren schloß ich mein Abitur erfolgreich ab und faßte den Entschluß, eine Karriere bei der Mordkommission von Scotland Yard einzuschlagen. Ich wurde aufgenommen und damals noch Inspector Red Metcalfe zugeteilt."

Piper lächelte kurz in Erinnerung daran. Jez fragte sich unwilkürlich, ob ihr der Moment, in dem sie sich das erstemal gesehen hatten, genauso im Gedächtnis geblieben war wie ihm.

"Alle waren wirklich sehr freundlich und geduldig mit mir," fuhr Piper fort, "obwohl ich sowas von naiv war!! Kate, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet, geschweige denn, wie ich damit umgehen sollte. Das erstemal, als ich einen Tatort besichtigte, mußte ich mich mehrmals übergeben." Sie seufzte leise. "Duncan war damals eigentlich ziemlich nachsichtig, obwohl er sich mit Sicherheit gedacht hat: Was für eine hysterische Kuh! Aber naja....."

"Du...Ich meine, Sie mußten mit Duncan Warren an Ihren ersten Tatort??" fragte Kate entsetzt. "Mein Beileid!"

"Danke. Und bleiben Sie ruhig beim Du, wenn Sie möchten. Okay, wo war ich? Ach ja!...Ich war vollkommen unerfahren und tödlich naiv, aber nachdem ich mich erstmal an die Leichen gewöhnt hatte, gefiel mir meine Arbeit und mich interessierte alles, was damit zu tun hatte."

"Du hast schnell gelernt," warf Jez leise ein.

Piper sah ihn an und wieder hatte Kate das Gefühl, daß die beiden mehr waren als alte Bekannte.

"Danke."

Piper sammelte sich kurz.

"Ein Jahr lang ging alles gut. Das einzige, was sich nach und nach als Problem herausstellte, war mein..."

Piper presste die Lippen zusammen. Offenbar fiel es ihr schwer, darüber zu reden.

"...mein Freund Randy. Hatte ich erwähnt, daß ich damals kaum über Selbstbewußtsein oder generell irgendeine Art von Selbstwertgefühl verfügte? Nein? Nun, es war so. Randy war ein halbkrimineller Irrer und Schläger, der nicht selten aus völlig nichtigen Gründen auf mich einprügelte."

Piper ballte die Fäuste.

"Heute würde ich jeden, der mich so behandelt, achtkantig aus der Wohnung werfen, aber damals..."

Ihre Hände entspannten sich wieder.

"Damals war ich froh, jemanden zu haben, der mich liebte und bei mir blieb, obwohl ich doch so dumm und unfähig war."

"Du warst nie dumm und unfähig!" rief Jez heftig, und Piper griff automatisch nach seiner Hand.

"Jetzt weiß ich das, Jez. Aber damals erschien es mir wie ein Wunder, daß Randy mich noch nicht einfach fallengelassen hatte."

Sie ließ Jez' Hand wieder los.

"Jedenfalls benutzte ich die üblichen Ausreden wie gestolpert, hingefallen, nicht aufgepaßt, gegen eine Tür gelaufen...Keiner glaubte mir, aber solange ich bei meiner Aussage blieb, konnten sie ja nichts machen. Nur Duncan fragte mich einmal, als ich wieder behauptete,ich wäre gegen eine Tür gelaufen: `ne Tür namens Randy? Aber ich schwieg weiter."

Piper blickte auf den Tisch.

"Eines nachts eskalierte die Situation. Randy und ich, wir haben uns das erstemal wirklich gestritten. Ja, wir uns. Ich gab tatsächlich Widerworte, aber heute weiß ich nichtmal mehr, worüber wir uns gestritten haben."

Ihr Blick strafte ihre Worte Lügen. Sie wußte es noch ganz genau, Kate sah es ihr an. Und Jez ebenso, aber beide fragten nicht.

"Ich hatte zwar auf der Polizeischule Selbstverteidigung und all' das gelernt, aber wenn Randy zuschlug,..." Sie schloß die Augen. "Gott,...Es war als hätte mich ein Vorschlag- hammer getroffen. Ich sah nur noch Sterne. Außerdem, es war eine Sache, Randy zu wider- sprechen, aber ihn anzugreifen eine ganz andere. Ich erinnere mich noch, wie ich in die Garderobe flog und die Stange, an der alle unsere Jacken hingen, mit mir zu Boden riß. Randy setzte sofort nach und ...Es war nur so ein Gefühl, aber ich glaube, so ein Gefühl hat man immer, wenn man genau weiß, daß es wirklich ernst wird. Ich wußte plötzlich ganz genau, Randy würde mich umbringen, wenn ich nicht irgendwas dagegen tat. Aber inzwischen hatte er mir schon so viele Knochen gebrochen, daß ich nichtmal mehr alleine stehen konnte. Ich war wirklich fix und fertig und an dem Punkt, an dem ich mir sagte: Warum eigentlich nicht? Laß' ihn dich töten, dann hast du's wenigstens hinter dir. Aber diesem Gedanken folgte der unbändige Wunsch zu leben, der die meisten Selbstmörder dazu treibt, ihr Vorhaben aufzuge- ben und einfach weiterzumachen, falls sie noch umkehren können. Wenn man von einer Brücke gesprungen ist, wird das nämlich schwierig. Wie dem auch sei, egal, wie gerne wir sterben wollen, kurz, bevor es wirklich soweit ist, wehren wir uns dagegen, mit aller Kraft. Ich hatte damals meine Uniformjacke mit mir gerissen und sie lag vor mir. Irgendwie angelte ich mein Handy daraus hervor und rief den ersten Menschen an, der mir in den Sinn kam."

Sie hob den Blick.

"Jez. Ich konnte ihm nicht viel sagen, ich verstand mich nichtmal selber, aber er verständigte Red und Duncan und alle anderen, die dann angestürmt kamen und mich retteten. Jez, Red und Duncan brachten mich damals ins Krankenhaus, nachdem klar war, daß der Krankenwagen zu spät kommen würde. Danach...Naja, danach war alles anders. Ich erholte mich langsam, sah mich aber außerstande, die Polizeiarbeit weiterzumachen. Ich wollte lieber Menschen helfen, denen es so oder ähnlich ergangen war wie mir. Ich begann, Psychologie zu studieren, machte meinen Doktor und tja...Jetzt bin ich hier."

"Du hast dich nie wieder bei Jez oder den anderen gemeldet?"

"Nein," sagte Piper leise. "Tut mir leid, Jez, aber ich ...ich konnte einfach nicht. Das hatte nichts mit dir zu tun, oder mit dem, was du getan hast, ich schwöre es, aber ...Ich mußte erstmal wieder zu mir selbst finden. Und dann gab es hier so viel zu tun. Ich war so abgelenkt und hatte einfach keine Zeit."

Jez lächelte schief.

"Ja. Ich weiß, was du meinst. Du mußt dich nicht entschuldigen."

Kate sah Jez an.

"Was hast du denn getan?"

"Wie bitte?"

"Sie hat gesagt, es hatte nichts zu tun, mit dem, was du getan hast. Was hast du getan, Jez?"

Bevor Jez antworten konnte, betraten zwei Männer den Raum, der eine blond, der andere dunkelhaarig.

"Piper?"

Sie sprang auf.

"James! Großer Gott, das hatte ich vollkommen vergessen! Ist es etwa schon soweit?"

"Leider ja. Bitte entschuldige, Kleines. Josh und ich, wir wußten nicht, daß du Besuch hast."

"Und wenn schon! Glaubst du, ich würde euch gehen lassen, ohne mich von euch zu verab-schieden?"

Josh, der Dunkelhaarige, umarmte Piper lächelnd.

"Es war mir eine absolute Ehre und ein großes Vergnügen, dich kennenzulernen, Kleine."

Piper lachte.

"Du hast gute Arbeit geleistet, Jamie. Er klingt schon fast wie ein Engländer."

"Hey," murmelte Josh in ihre langen, weichen Haare. "Kein Grund, beleidigend zu werden."

Piper lachte nur noch mehr und Josh ließ sie grinsend wieder los.

"Ich schreibe dir lauter E-Mails, Süße."

"Ich verlasse mich darauf, Großer."

Josh warf James einen kurzen Blick zu und sagte dann: "Ich trage schonmal die restlichen Sachen ins Auto."

"Ja," sagte James. "Ich komme gleich nach."

Josh ging und Piper fiel James um den Hals.

"Du wirst mir sehr fehlen," flüsterte sie leise.

"Du mir auch, Piper. Aber es gibt Telephone, Computer und die Post. Und es gibt Jahresurlaub. Du weißt, wo wir wohnen. Wir kommen euch bald besuchen. Ehrenwort."

Er schob sie etwas von sich und lächelte.

"Weißt du eigentlich, daß sich viele hier fragen, wie wir so lange so eng zusammenarbeiten konnten, ohne jemals miteinander zu schlafen?"

Piper lächelte verschmitzt.

"Ein paar Minuten hast du noch."

Vom Ende der Treppe her rief Josh plötzlich: "Ich bin fertig! Brauchst du länger?"

James und Piper mußten lachen.

"Tja, das war's dann wohl," meinte sie.

James umarmte sie erneut.

"Verdammt zu ewiger Freundschaft."

"Ja."

Piper ließ ihn los.

"Ist das nicht furchtbar?"

"Ach, weißt du...?"

James küßte sie auf die Stirn.

"Es gibt Schlimmeres. Paß auf dich auf, ja?"

"Du auch auf dich. Und vor allem auf Josh, daß er keinen Unsinn macht!"

Die letzten Worte hatte sie laut genug gesprochen, daß Josh sie mitgekriegt haben mußte.

"Hey, das habe ich gehört!" kam es auch prompt und sie lachten wieder.

"Mach's gut, Piper."

"Du auch, Jamie."

Er lief davon. Piper seufzte und setzte sich wieder. Sie fing Jez' Blick auf und griff nach seiner Hand.

"Er ist schwul, Jez. Josh und James sind ein Paar. Sie ziehen gemeinsam nach Kintyre, wo James eine absolute Hammerstelle als Chefpsychologe angeboten wurde. Himmel, ich beneide den Kerl! Obwohl........Nein, eigentlich nicht. Ich arbeite gerne hier. Und ich will die Kleinen nicht aufgeben. Jamie ist es auch schwergefallen, aber wir haben ihm alle gesagt, daß es Irrsinn wäre, so eine Chance nicht zu nutzen. Gott sei Dank hat sich Josh dazu entschlossen zu bleiben. Er ist Amerikaner und kommt aus Messachussetts. Aber jetzt bleibt er bei James. Die zwei sind so süß!"

Piper strahlte förmlich.

"Ja," sagte Jez. "Das...Das konnte man sehen."

"Noch Tee?"

"Nein, danke," lehnte Kate ab.

"Wer ist gestern eigentlich ermordet worden?" erkundigte sich Piper.

"Aoki Takeshi," antwortete Jez. "Du hast wohl heute noch keine Zeitung gelesen."

"Bin noch nicht dazu gekommen. Asiatin, ja?"

"Ja."

"So wie die zwei im April?"

"Ja."

"Eine Serie?"

"So wie's aussieht."

"Ah...Hallo?" Kate sah Jez an. "Okay, du hast ihr das Leben gerettet und offensichtlich gibt es da noch so das eine oder andere Ungeklärte zwischen euch, aber sie ist nicht mehr bei der Polizei!! Sie ist Zivilistin und du bist gerade dabei, Dienstgeheimnisse zu verraten!"

"Kate, wir haben keinen einzigen Anhaltspunkt, der uns weiter bringt. Vielleicht fällt ihr etwas auf, daß uns bis jetzt nicht aufgefallen ist."

"Vielleicht, Jez, solltest du das vorher mit Red abklären!"

"Vielleicht, Kate, geht dich das gar nichts an!"

"Stop," sagte Piper. "Bitte nicht. Ich möchte natürlich helfen, wenn ich kann, Jez, aber Kate hat recht. Ich gehöre nicht mehr zum Team. Frag' vorher besser den Chiefinspector."

Jez starrte Kate finster an, schwieg jedoch. Kate wollte gerade ansetzten, um zu erklären, daß es nicht gegen Piper persönlich ging, als ein ohrenbetäubendes Piepen ertönte. Sofort sprang Piper auf.

"Scheiße! Ein Notfall!"

Sie stürzte hinaus. Jez und Kate blieben, wo sie waren.

"Das war nicht sehr höflich, Kate."

"Das war nicht sehr klug, Jez. Vielleicht kann sie uns helfen, vielleicht nicht. Wir haben eine ganze kriminalpsychologische Abteilung und bis jetzt hat noch keiner von denen durchgeblickt, wieso also sie? Aber okay, versuchen wir's. Nur, bevor du den kompletten Fall vor einer Frau ausbreitest, die du seit acht Jahren nicht mehr gesehen hast und kaum mehr kennst, solltest du dir Reds Erlaubnis holen."

Jez stand auf.

"Gehen wir! Ich glaube nicht, daß Piper so bald zurück kommt."

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A/N: Ich hasse es zu betteln, aber...BIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIITTEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE GEBT MIR EIN BISSCHEN FEEDBACK!!!!!! * schluchz *
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