A/N: Ich hoffe, ihr seid alle noch da. :) I.
7. Kapitel
Jez war wirklich nicht da, als Piper in den Yard kam, aber sie hatte trotzdem Glück; Red war anwesend und so mußte sie sich nicht auf eine wahrscheinlich mehr als anstrengende Konversation mit Duncan einlassen. Natürlich war Piper klar, daß sie früher oder später nicht darum herumkommen würde, aber wenigstens hatte sie bis dahin noch etwas Zeit. Sie klopfte beinahe zaghaft an die Tür zum Büro ihres ehemaligen Vorgesetzten.
"Herein!"
Piper schob sich in das spartanisch eingerichtete Zimmer.
"Guten Tag, Chiefinspector Metcalfe. Eigentlich wollte ich zu Jez, aber er sagte, wenn er nicht da ist, soll ich mich an Sie wenden."
"Piper??"
Red konnte sie einen Moment nur anstarren. Sie hatte sich sehr verändert. Und nur zu ihrem Vorteil. Sie lächelte.
"Ja, Sir. Wie geht es Ihnen?"
"Danke, gut. Setz' dich doch! Oh! Darf ich beim Du blieben?"
"Natürlich, Sir."
"Gleiches Recht für alle, Piper. Nenn' mich Red!"
"In Ordnung, S...Red. Ahm...Jez sagte, ich könnte euch vielleicht helfen?"
"Ja, aber wirklich nur vielleicht. Wieviel hat er dir erzählt?"
"Bis jetzt gar nichts. Wir haben uns zwar..."
Piper hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück. Sie wußte nicht, ob Jez den anderen von seinen Heiratsplänen erzählt hatte, und es war sicher besser, nichts dergleichen anzudeuten, solange sie beide nicht wußten, ob diese Hochzeit überhaupt jemals stattfinden würde. Gerüchte verbreiteten sich gerade in einem Amt wie Scotland Yard wie ein Lauffeuer. Sie wollte Jez nicht versehentlich schaden.
"Wir...Wir haben gestern Abend zwar noch kurz miteinander telephoniert," sagte sie schließlich, "aber eben nur kurz. Und sowas bespricht man ohnehin lieber nicht am Telephon, also bin ich jetzt hier. Vielleicht wärst du so freundlich, mich ins Bild zu setzen?"
Sie lächelte möglichst unverbindlich und hoffte, daß Red ihr kurzes Zögern nicht so ernst nahm. Er war clever, das wußte sie. Und er kannte Jez fast besser als sich selbst.
"Ja," sagte Red. "Ja, natürlich. Und du willst wirklich nicht auf Jez warten?"
"Ist das denn notwendig, um mir zu erklären, worum es geht?"
"Nein."
"Dann wäre es mir lieber, du fängst gleich an. Ich konnte mich zwar kurz aus dem Heim stehlen, aber ewig kann ich nicht bleiben. Gestern hat eine Patientin von mir versucht, sich das Leben zu nehmen, und sie braucht viel Pflege und Aufmerksamkeit. Das kann ich nicht alles den freiwilligen Helfern überlassen."
"Natürlich nicht."
Red musterte sie einen Moment. Sie hatte sich wirklich verändert. Aus dem schüchternen, jungen Mädchen war eine vernünftige und verantwortungsbewußte Frau geworden.
"Also, angefangen hat alles im April," begann Red. "Wir fanden zwei Japanerinnen, beide dreißig Jahre alt, beide hatten fünf Kugeln im Rücken und an den Wänden standen die Worte "I'm back". Anna Yamamoto, eine Angestellte, und Hiraki Tashimi, eine...Kolumnistin der Sunday Times. Es wurde nichts gestohlen, die Leichen wurden nicht geschändet – weder vor noch nach ihrem Tod – und zwischen den Opfern gibt es keine Verbindung. Am Tatort fanden wir ein paar schwarze Fasern, die man üblicherweise in Stoffen findet, aus denen man Uniformen herstellt, und einen Schuhabdruck Größe sechsundvierzig, der wahrscheinlich dem Postboten Mr. Lively gehört, sonst nichts. Dann passierte lange Zeit nichts mehr, nämlich bis zum...Moment!" Red sah in seinen Akten nach. "...Zweiundzwanzigsten November," fuhr er schließlich fort, "da fanden wir dann Aoki Takeshi und Yoko "Breathless" Komoto, erstere Postbotin, letztere Stripperin im "Speakeasy". Alles wie gehabt: Japanerinnen, fünf Schüsse in den Rücken, Fasern, sonst nichts. Bis jetzt erhielten wir keinen einzigen brauchbaren Hinweis, bis jetzt ist auch nichts mehr passiert und wir können kein Muster erkennen. Da sind wir allerdings in guter Gesellschaft, denn auch unsere "Psychopathen" vom Yard und die Kollegen aus Quantico haben noch keinen Plan. Ich gewähre dir volle Akteneinsicht, unter der Bedingung natürlich, daß du die Klappe hältst und die Unterlagen nirgendwo rumliegen läßt, wo dritte sie eventuell finden könnten, in der Hoffnung, daß dir vielleicht was auffällt, was wir alle bis jetzt übersehen haben. Ist das okay für dich?"
Piper hatte bereits nachdenklich die Brauen zusammengezogen.
"Die Pause verwirrt mich etwas. Sieben Monate. Komisch. Warum nicht ein halbes Jahr? Oder ein ganzes? Ist an den Daten irgendwas besonderes? Namenstage? Geschichtliche Ereignisse? Pearl Harbour?"
Red hob die Augenbrauen.
"Am fünften April und am zweiundzwanzigsten November? Nein, ich glaube nicht."
"Ich checke das mal," meinte Piper und stand auf. "Aber jetzt muß ich wieder zurück zu meinen Kindern."
Red grinste.
"Wieviele hast du denn schon?"
Piper lachte.
"Momentan dreihundertvierundzwanzig."
Red mußte ebenfalls lachen.
"Wow! Das muß in deinem Alter der absolute Rekord sein." Er wurde wieder ernst. "Und du willst wirklich nicht auf Jez warten?"
Piper lächelte.
"Ach, der meldet sich schon. Bis bald, Red."
Sie griff nach den Akten.
"Bis bald, Piper."
***
Kaum zurück im Lexington-Heim, sah Piper nach dem Rechten und ging dann in ihr Zimmer, um sich die Akten, die Red ihr anvertraut hatte, mal genauer anzusehen. Zu allem, was ihr bemerkenswert erschien, machte sie sich Stichpunkte. Als etwa sechs Stunden später ihr Telephon klingelte, war sie allerdings noch keinen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Langsam verstand sie, was Red gemeint hatte, als er sagte, sie könnten kein Muster erkennen. Es schien keines zu geben. Und doch...Solche Morde passierten nicht einfach so. Der Täter tötete die Opfer immer auf dieselbe Weise und verhielt sich immer gleich, wie bei einem persönlichen Ritual. Er hatte ein Muster, Serienkiller hatten immer ein Muster, nur ging es Piper wie allen anderen: Sie kam nicht darauf welches. Das Telephon klingelte erneut und sie hob ab.
"Williams."
"Ich bin's. Sehen wir uns heute nochmal?"
Sie lächelte.
"Wenn du Zeit hast. Ich zu dir oder du zu mir?"
"Vorhin waren wir bei mir, jetzt bist du dran."
"In Ordnung. Um acht bei mir, ich koche. Falls mir ein Notfall dazwischen kommt, rufe ich dich an. Für dich gilt dasselbe."
"Klar. Also, bis in zwei Stunden."
"Was?"
Piper konnte Jez lachen hören.
"Es ist kurz vor sechs, Süße. Was dachtest du denn?"
"Aber eben war's doch erst halb eins!"
"Du hast dir die Akten geholt, hab' ich gehört."
"Ja. Spannende Lektüre, aber eigentlich wollte ich heute noch arbeiten."
"Hast du doch."
Sie lachte.
"Ja, für euch! Ich meinte, ich habe eigentlich genug anderes zu tun."
"Also, heute brauchst du damit auf jeden Fall nicht mehr anfangen. Essen wir lieber zusammen. Soll ich dich lieber abholen?"
"Mit dem Mountainbike?"
"Naja, ich fahre bis zum Heim und dann binde ich mein Bike auf deinen Mini und du fährst mit uns beiden – meinem Bike und mir – zu dir."
Piper mußte lachen.
"Ich glaube, da bist du alleine mit deinem Bike wesentlich schneller. Mein Mini ist ein braves, kleines Auto, aber du, ein Mountainbike und ich könnten es etwas bremsen. Außerdem müßtest du dich zusammenfalten."
"Ich bin klein für einen Mann, Süße. Nicht viel größer als du, nur im Schulterbereich etwas breiter."
Sie lächelte.
"Du bist genau richtig, Jez."
"Ich liebe dich, Piper."
Das kam so unvermutet, daß sie erstmal schlucken mußte, bevor sie sich traute, etwas zu erwiedern.
"Das...klang jetzt aber sehr ernst."
"Gut," sagte Jez ruhig. "So war es auch gemeint. Wir treffen uns also bei dir?"
Piper brauchte einen Augenblick, um sich zu fangen, dann antwortete sie: "Ja. Ja, natürlich. In," sie sah kurz auf ihre Armbanduhr, "etwas weniger als zwei Stunden. Ich muß mich also beeilen, wenn ich kochen soll. Bye, Jez!"
Sie legte einfach auf. Dann atmete sie tief durch. Solche Bekenntnisse von einem Mann wie Jez brachten sie immer völlig durcheinander, eben weil er es ernst meinte.
***
"Bei den Schuhputzern können wir einhaken," meinte Kate. "Die Anwohner haben gesagt, ein paar von denen sind ziemlich ausländerfeindlich drauf, obwohl es meistens eher gegen Inder und Pakistani geht und kaum gegen Asiaten, aber wer weiß? Bis jetzt ist es auf jeden Fall unsere beste Spur."
Sie rieb sich müde die Augen. Seit neun Uhr morgens lief sie mit Jez und Duncan in der Gegend herum und befragte weiter die Anwohner von Highgate. Und jetzt war es halb sieben Uhr abends.
"Und ich könnte jetzt echt was zu essen gebrauchen," schloß sie ihren kurzen Bericht.
"Ja, ich auch," meinte Duncan. "War ein langer Tag."
"Jez?" fragte Kate, rechnete mit einem Ja, erhielt jedoch keine Antwort.
Sie sah ihren Kollegen an, der einfach stumm zu Boden blickte.
"Erde an Clifton, Erde an Clifton, kannst du mich hören?"
Jez sah auf.
"Entschuldige, ich war abgelenkt. Was hast du gesagt?"
"Du bist schon den ganzen Tag so unaufmerksam. Gibt es ein Problem? Geht's dir nicht gut?"
"Mir geht es bestens, Kate."
"Piper?" fragte sie.
"Piper??" fragte nun auch Duncan und Jez verdrehte genervt die Augen. "Piper Williams?? Sag' nicht, du hast sie wiedergetroffen!"
"Nein, ich habe sie nicht wiedergetroffen, Duncan. Das konnte ich gar nicht, denn ich habe sie auch früher nie getroffen. Immer nur dienstlich. Sogar in dieser Nacht vor acht Jahren, bei der auch du anwesend warst. Und daß wir da nicht zusammen geschlafen haben, Piper und ich, müßte dir irgendwie aufgefallen sein. Wir haben noch nie zusammen geschlafen, Duncan, egal, was ihr damals alle dachtet. Und am Tag, als Aoki Takeshi und Yoko Komoto starben, habe ich sie zufällig wieder getroffen. Kate war dabei. Sie kann dir bestätigen, daß wir auch da keinen hemmungslosen Sex auf offener Straße hatten. War's das jetzt?"
Kate sah ihn vorsichtig an.
"Du triffst sie heute, oder?"
Jez seufzte tief.
"Und wenn's so wäre?"
"Dann hat sie einen unglaublich schlechten Geschmack," sagte Duncan. "Schlechter als ich dachte."
Kate mußte schmunzeln, obwohl Jez die reine Mordlust ins Gesicht geschrieben stand.
"Dann wünsche ich euch einen schönen Abend," sagte sie. "Ich kenne sie zwar nicht, aber sie scheint ja ganz okay zu sein, nach dem, was Red und Duncan so sagen. Paß' trotzdem ein bißchen auf dich auf, ja? Denk' daran, du hast sie lange nicht gesehen. Menschen ändern sich."
"Ja, Mami."
Sie gab ihm eine spielerische Ohrfeige und Jez lachte.
"Hau' bloß ab, Clifton!"
"Bis morgen!"
Er joggte zurück zum Yard. Auf dem Weg kam er an ein paar Juweliergeschäften vorbei. Irgendwann mußte er mit Piper mal einen Ring aussuchen gehen. Keine Velobung, ohne Ring! Vielleicht bekam er auch so irgendwie raus, welchen Stil sie bevorzugte, dann konnte er sie damit überraschen. Er mußte sie mal fragen, wer ihre beste Freundin war. Wahrscheinlich ihre Trauzeugin. Nun, dann hatte er ja schonmal einen Ansatzpunkt.
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A/N: Falls es Unklarheiten gibt, bitte sagt mir das sofort! Wie gesagt, ich werde nur besser, wenn mir jemand sagt, was ich falsch mache. I.
