Kapitel 2: Ein neuer Auftrag

Daria McKay die mit vollem Namen eigentlich Charity Daria McKay hieß stand am Overheadprojektor und erklärte das Ergebnis der letzten Studie ihrer Einsatztruppe. Sie waren mit der Überprüfung eines neuen Sicherheitssystems für einen hochrangigen Politiker beauftragt worden. Daria erklärte nun den vor ihnen sitzenden Wachpersonal und zuständigen Sicherheitsleuten die Schwachstellen ihres Systems. Keiner der Männer wagte es, sie während ihrer Ausführungen zu unterbrechen. Auf diesem Gebiet besaßen Daria und ihr Team einen überragenden Ruf.

Schließlich ließ Daria das letzte Bild erscheinen und gab noch ein paar Tipps, wie das Sicherheitssystem weiter verbessert werden konnte. „So, das wäre alles. Wenn sie noch weitere Fragen bezüglich des Schutzes der Sicherheitssysteme haben, wenden sie sich bitte an meine Kollegin. Sie wird ab morgen wieder telefonisch erreichbar sein."

Ein Mann mit schütterem grauem Haar stand auf und kam auf sie zu. Ich danke ihnen, Miss McKay, dass war wieder einmal hervorragende Arbeit. „Der Dank gebührt meinem Team nicht mir, Mr. Daniels, aber ich werde ihr Lob gerne weitergeben." Daria sammelte ihre Unterlagen ein und stopfte sie wieder zurück in ihre Tasche. Stühle scharrten über den Boden und schon bald leerte sich der Raum.

Daria wollte sich gerade selbst auf den Rückweg zu ihrem Büro machen, als ein blonder Wuschelkopf in der Tür erschien. „Hey Di, gut dass ich dich noch erwische. Der Alte will dich sehen." Darias Augenbrauen zogen sich zusammen. „Weißt du, worum es geht, Patty?" „Ich tippe auf Sam Braddock. Der war doch heute morgen bei dir im Büro, oder?" Daria nickte. „Ja. Eigentlich habe ich ihm gegenüber ein unmissverständliches „Nein"gebraucht, aber wie es aussieht, gibt es ein paar Leute, die wieder einmal auf seiner Seite stehen." Patty schnitt eine Grimasse. „Diese Schw..." Daria hob die Hand. „Bitte, verschone mich mit deinen ordinären Aussprüchen, Patty. Du könntest mir allerdings einen gefallen tun. Sagst du meiner Sekretärin, dass sie mir einen Thunfischsalat und ein Sandwich in der Kantine bestellt?" „Du solltest die lieber was Ordentliches zwischen die Zähne schieben, Di. Du bist viel zu dünn."Daria überging diese Bemerkung und schob sich an ihrer Freundin vorbei durch die Tür. „Wir sehen uns nachher, Patty." „Hals und Beinbruch, Di und denk dran – Männer sind alle Schweine."Daria zuckte bei diesen Worten leicht zusammen. Sie verabscheute Pattys bildliche Sprache.

Als Daria das Büro ihres Vorgesetzten Mr. Nagambo erreichte, zeigte ihre Armbanduhr bereits halb zwei an. Daria seufzte innerlich. Sie hatte heute Morgen kaum mehr Zeit gehabt als eine Tasse Kaffee zu trinken und einen Donut zu essen. Danach war sie von einem Termin zum anderen geheilt. Daria machte sich gedanklich eine Notiz heute Abend nach der Arbeit einkaufen zu gehen und später etwas Vernünftiges zu kochen. Dann würde sie es sich mit einem schönen Buch vor ihrem Kamin gemütlich machen. Sie atmete einmal tief durch und klopfte dann an die Tür von Mr. Nagambos Büro.

Seine tiefe Stimme erklang von innen und bat sie herein. „Charity, meine Liebe. Wie schön, dass sie es so schnell einrichten können. Ich glaube, meinen Gast brauche ich ihnen nicht vorstellen."Sam Braddock erhob sich und grinste sie frech an. Seine Augen tanzten vor heimlichen Vergnügen. Er war einer der wenigen Menschen, der wusste, wie sehr Daria ihren ersten Vornamen verabscheute. Nicht umsonst vermied sich es regelmäßig sich mit Charity MacKay vorzustellen. Stattdessen nutzte sie ihren zweiten Vornamen - Daria. „Ja, wir kennen uns."Daria nickte Sam kurz und setzte sich. Mr. Nagambo nahm wieder hinter seinen Schreibtisch Platz. Sam Braddock sank zurück in seinen Sessel. „Ich habe sie hergebeten, weil unsere amerikanischen Partner uns um Hilfe gebeten haben. Darias Miene blieb starr. Sie hatte nichts anderes erwartet. Mr. Nagambo musterte sie und wünschte sich wohl zum tausendsten Mal ihre Gedanken lesen zu können. „Nun ja."Er räusperte sich. „Da es sich um eine sehr wichtige Aufgabe handelt und darüber hinaus japanische Sprachkenntnisse erforderlich sind, haben wir natürlich direkt an sie gedacht."

Daria sagte immer noch nichts, sondern blickte die beiden Männer weiter schweigend an. Mr. Nagambo rutschte ein wenig nervös auf seinem Sitz herum und warf Sam Braddock eine Hilfesuchenden Blick zu. „Vielleicht erklären Sie, warum es geht. Sie sind schließlich ab besten informiert." Sam Braddock nickte. „Als schön. Es geht im Grunde um folgendes. Wir haben die Spuren einiger terroristischer Vereinigungen bis Japan verfolgt. Wie du sicher aus den Nachrichten weißt, hat es in den letzten Monaten in Japan einige grausame Anschläge gegeben bis hin zu dem Mord an dem Ministerpräsidenten Takatori." Daria nickte. „Hinter einigen dieser Anschläge stand, wie nachträglich bewiesen wurde, die kriminelle Vereinigung „SZ"."Daria schlug die Beine übereinander. „SZ" wurde vernichtet." Warf sie ruhig ein. „Ja, dass ist uns bekannt. Aber es gibt immer noch einige versprengte Mitglieder dieser Vereinigung, die neue Splittergruppen gebildet haben. Wir haben nun Beweise, dass einige dieser Gruppen auch in den USA operieren. Um jedoch dieses Übel im Keim zu ersticken, müssen wir an der Wurzel beginnen. Das heißt die Mitglieder in Japan müssen ausfindig gemacht und liquidiert werden."

Daria hob eine Braue. „Wir arbeiten nicht als Killerkommando, Sam." „Das weiß ich, aber du verfügst über die Verbindungen, um diese Gruppen ausfindig zu machen. Außerdem beherrscht du fließend japanisch und bist mit der Kultur vertraut. Nun ja, und zu guter letzt hast du ein hervorragendes Team. Ihr werdet wesentlich unauffälliger und schneller an die benötigten Informationen herankommen, als einer von unseren Leuten. Du weißt selbst, dass die Beziehungen zwischen Japan und den USA nicht ganz unbelastet sind." „Mit recht." Kommentierte Daria und sah zu Mr. Nagambo. „Das fällt eigentlich nicht in meinem Zuständigkeitsbereich." „Das ist mir klar, Charity, aber in diesem Fall hat der Präsident der Vereinigten Staaten ausdrücklich um deine Mithilfe gebeten. Außerdem wäre es geradezu ideal, wenn sie jetzt nach Japan reisen. Einer unserer Handelsattachés wird für mehrere Monate in Japan unterwegs sein. Ich wäre ein wenig ruhiger, wenn sie zu seinem Schutz da wären."„Die perfekte Tarnung."Spottete Daria.

Tausende von Kilometern entfernt im fernen Japan saß ein junger Bursche mit Braunen Haaren vor seinem Laptop und suchte Informationen im Internet, dabei stieß er auf eine kurze Nachricht des USA-Geheimdienstes an den Präsidenten. Eifrig huschten seine Hände über die Tastatur seines Laptops. Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatte er die Geheimnachricht dechiffriert und auf dem Bildschirm. Langsam hob er den Kopf und sah sich im Raum um.

Nicht weit von ihm entfernt lümmelte sich ein rothaariger Mann in einem Sessel und schoss zu seiner Belustigung kleine Papierkügelchen auf einem dritten Mann, der ebenfalls vor seinem Laptop saß und eifrig tippte. Der Mann mit dem roten Haar sah zu dem Jungen hinüber. „Etwas Interessantes entdeckt, Nagi?" Der Junge nickte.

„Hey Bradylein, unser Nesthäkchen hat etwas entdeckt." Der Mann am anderen Laptop hob den Kopf. Seine hellbraunen Augen fixierten den rothaarigen Mann. „Schuldig, hast du dich eigentlich schon um Fafarello gekümmert. Er muss sein Zelle zumindest für eine Stunde verlassen." Schuldig gähnte demonstrativ. „Ja, ja, ich weiß. Ich werde mich schon noch darum kümmern."„Das hoffe ich." Bradley Crawford schob seine Brille zu Recht und sah Nagi an. „Was hast du gefunden, Nagi?" „Eine Nachricht an den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Es sieht so aus, als wenn sie im Zuge ihrer Antiterroraktionen auch die versprengten Mitglieder von SZ beseitigen wollen." „Interessant. Verfolge das weiter. Vielleicht bietet sich uns eine Gelegenheit, eigenen Interessen zu fördern." Nagi nickte und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit.

Schuldig, der schweigend zugehört hatte, seufzte. „Ihr beide seid wirklich mit eurem Laptop verheiratet. Ich werde mal nach Fafarello sehen und ihn auf einen kleinen Spaziergang mitnehmen." „Halte ihn von den Kirchen fern, Schuldig. Wir können im Moment nicht noch weitere Probleme gebrauchen." Schuldig nickte. „Keine Sorge. Gott wird heute Nacht gut schlafen können." Fröhlich vor sich hin pfeiffend verließ er den Raum und machte sich auf den Weg in den Keller zu Fafarellos Zelle.

Daria parkte ihr Auto vor dem Supermarkt und griff nach ihrer Tasche. Ein Blick auf das Einkaufzentrum sagte ihr, dass es voll war. Sie zuckte unmerklich mit den Achseln. Nun, wenn verwunderte es auch. Schließlich war Freitag, da machten die meisten Leute ihre Einkäufe für das Wochenende. Sie stieg aus und machte sich auf den Weg in das Gedränge. Mit etwas Geschick ergatterte sie einen Einkaufswagen und schob schon bald durch die Gänge.

Gerade als sie an der Fleischtheke stand und ihre Bestellung aufgab, tippte sie jemand auf die Schulter. „Di, schön das ich dich treffe." Flüsterte eine schüchterne Stimme. Daria drehte sich um und lächelte. „Irina, wie schön dich zu sehen. Ich wusste ja gar nicht, dass du schon aus Moskau zurück bist. Wolltest du nicht noch bis zum Ende der Woche bei deiner Familie bleiben?"Irina lächelte wehmütig. „Du weißt doch wie das ist. Sie leben in einer anderen Welt als wir. Mein Vater hat mich die ganze Zeit gedrängt endlich nach Moskau zurückzukommen und zu heiraten." Daria lachte. „Da hätte ich aber auch die Flucht ergriffen." „Oh nein, so ist das nun auch wieder nicht." Irina errötete und senkte beschämt den Blick. Daria klopfte ihr auf die Schulter. „Schon gut, Irina. Ich verstehe dich gut. Zumindest hast du noch eine Familie, die sich Sorgen um dich macht." Irina nickte wieder. Daria wandte sich wieder der wartenden Verkäuferin zu und gab ihre restliche Bestellung auf. Nach dem alles verpackt war, schoben sie und Irina Richtung Kasse.

„Hast du schon mit Patty gesprochen?"fragte Daria und warf Irina einen kurzen Blick zu. Die errötete wieder leicht. „Mmh ja, sie hat mich heute Nachmittag angerufen."Daria nickte. „Das habe ich mir schon gedacht. Weiß Hailey auch schon bescheid?"Irina nickte. Daria seufzte. „Also schön. Dann ruf die beiden an. Wir treffen uns um acht bei mir zur Einsatzbesprechung." Irina strahlte. „Ich gehe sofort und rufe sie an."

Daria sah ihr ein wenig kopfschüttelnd nach. Manchmal fragte sie sich, wie jemand der so fähig im Umgang mit Computer war, so schüchtern und unselbständig sein konnte. Nachdenklich packte sie ihre Einkäufe auf das Band und bezahlte. Dann schob sie mit ihrem Einkaufswagen Richtung Auto. Bis acht Uhr gab es noch eine Menge zu erledigen.

Die Steaks prutzelten in der Pfanne, während Daria den Salat wusch und ein wenig klein schnitt. Dann bereitete sie ihr Lieblingsdressing zu. Gerade wollte sie sich der Nachspeise zu wenden, als es an der Tür schellte. Rasch trocknete Daria ihre Hände und ging zur Tür. Die Mädchen waren zu früh dran.

Daria entriegelte die Tür und öffnete sie. Dort standen jedoch nicht wie erwartet ihre drei Partnerinnen sondern ein junger Mann mit einem schmalen, länglichen Packet in der Hand. Darias Haltung versteifte sich. „Sind sie Miss McKay? Ich habe ein Packet für sie." Daria nickte. „Würden sie hier bitte den Empfang quittieren." Er reichte ihr einen Block und einen Stift. Daria sah auf die Seite. UPS Parcel Services. In Sekundenbruchteilen prägte sie sich die auf der Liste stehenden Namen ein. Dann unterschrieb sie selbst und nahm das Packet entgegen. Der junge Mann grinste und tippte sich an den Hut. „Schönen Tag noch, Ma'me." Dann verschwand er.

Daria starrte ihm mit einer schwer zu deutenden Miene hinterher. Als sie die untere Haustür klappen hörte, zog sie sich in ihre Wohnung zurück und stellt das Packet ganz vorsichtig auf den Tisch. Sekundenlang starrte sie es nur an. Dann trat sie zu dem kleinen Sekretär an der Wand und drückte die Entertaste ihres Laptops. Die Aufforderungsmeldung für das Passwort erschien auf dem Bildschirm. Daria tippte hastig das Passwort. Mit der Maus fuhr sie die verschieden Funktionen entlang. Klickte mal hier und mal da, tippte wieder und wenige Minuten später erschien das Bild des Päckchenüberbringers auf ihrem Bildschirm. Darias Mundwinkel zuckten leicht, als sie seine persönlichen Daten überflog. Manchmal erstaunte es sie selbst für wie naiv manche Leute sie sie hielten. Sie öffnete eine kleine Schublade und zog ein kleines Gerät hervor. Dann wandte sie sich wieder ihrem Packet zu. Sie war noch nicht mal am Tisch, da schlug das Gerät in ihrer Hand schon Alarm. Daria hob eine Augenbraue, nahm das Packet, ging auf ihren Kamin zu und warf es ohne mit der Wimper zuzucken in die Flammen. Wann würden die anderen Parteien endlich begreifen, dass solche stümperhaften Aktionen wirklich reine Zeitverschwendung waren. Sie war zu lange in diesem Geschäft, um nicht diese miesen, kleinen Tricks zu kennen. Verärgert wandte sie sich wieder ihrem Essen zu.

Vor dem Haus saß Sam Braddock in einem kleinen Lastwagen und starrte ärgerlich auf den schwarzen Bildschirm. Verdammt! Woher hatte sie gewusst, dass das Packet verwanzt war. Wie sollte er jetzt ihre weiteren Schritte überwachen können. Daria McKay war gefährlich. Er konnte sie nicht unbeobachtet operieren lassen. Natürlich wollten sie die restlichen Leute von SZ haben, aber es gab noch eine weit wichtigere Aufgabe zu erledigen und wenn er daran dachte, dass Daria seine Pläne irgendwann aufdecken konnte, drehte sich ihm jetzt schon der Magen um. Was hatte diese Irina noch einmal zu ihm gesagt. Daria besitzt einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und sie hat eine Gabe, Dinge zu sehen, die anderen verborgen bleiben. Frustriert fuhr er sich durch sein Haar. Im Augenblick konnte er nichts tun. Wenn er noch einen Versuch startete, würde sie misstrauisch werden.

Ärgerlich gab er dem Mann hinter dem Lenkrad ein Zeichen. „Besser wir verschwinden hier." Der Fahrer nickte, startete den Motor und lenkte den LKW auf die Strasse. Aus einer kleinen Seitenstraße fuhr langsam und unauffällig ein schwarzer Mercedes, der sich mit ausreichend Abstand an den LKW hängte, ohne Verdacht zu erwecken.

Patty, Irina und Hailey griffen reichlich zu und lobten wieder einmal Darias gutes Essen. Die beobachtete ihre Freundinnen nur mit säuerlicher Miene. Schließlich ließ Patty Messer und Gabel sinken. „Schau nicht wie eine trübe Taste, Di. Wir wissen doch alle, wie sehr du es schätzt uns um dich zu haben. Also lass das Hundegesicht und schlag dir endlich den Magen voll."Daria hob indigniert eine Braue. „Danke, Patty. Aber ich bin bereits satt. Möchtet ihr jetzt den Nachtisch haben." Die drei nickten und schoben ihre Teller weg. Seufzend stand Daria auf, stapelte die Teller und verschwand mit ihnen in der Küche.

Die Mädchen würden sich wirklich nie ändern. Manchmal glaubte sie, dass die drei das absichtlich taten, um sie zu ärgern. Am Tisch zwinkerte Patty den anderen beiden verschwörerisch zu. Dann zog sie eine kleine Flasche aus der Tasche und goss jeden von ihnen etwas davon in den Kaffee. „Das wärmt bei diesem Mistwetter so richtig schön durch. Das Gesöff ist pures Feuer."Irina warf einen hastigen Blick zur Küche. „Meinst du nicht, Di wird böse sein." „Ach quatsch. Pass auf, gleich kommt höchstens wieder eine ihrer Moralpredigten. Das werden wir auch überleben." „Psst, sie kommt." Murmelte Hailey und rührte in aller Ruhe ihren Kaffee um.

Daria kam mit einer großen Puddingschüssel aus der Küche und stellte sie auf den Tisch. „Dann greift mal zu."Das ließen sich die drei nicht zweimal sagen. Im nun war die Schüssel zur Hälfte leer. Daria hob ihre Kaffeetasse an die Lippen. Patty hielt mit ihrem Löffel auf halben Weg zum Mund inne und starrte Daria an. Die trank und schaffte es gerade noch im nächsten Moment ein Taschentuch vor die Lippen zu halten, bevor sie den Kaffee wieder ausspuckte.

„Patricia Burbach! Würdest du mir bitte erklären, was das ist."Sie stellte die Tasse mit angeekeltem Blick ab und sah dann mit zornig funkelnden Augen Patty an. Die lachte aus vollem Halse und musste sich erst einmal die Tränen abwischen, bevor sie antworten konnte. „Ach Di, altes Haus, dass ist der selbstgebrannte Sprit meines Großvater. Großartiges Zeug nicht. Das räumt so ziemlich jeden Magen auf." Di holte tief Luft. „Patricia, ich habe dir..." „Lass gut sein, Daria, du weißt doch, bei Patty ist Hopfen und Malz verloren. Sie ändert sich nicht." fuhr Hailey ruhig dazwischen. „Nimm dir lieber etwas von deinem Nachtisch. Das beseitigt den scheußlichen Nachgeschmack."

Patty lachte immer noch und Irina starrte hin und her gerissen zwischen Amüsement und Entsetzen über Pattys Tun zwischen den beiden hin und her. „Hu, Irina, schau nicht wie ein verschrecktes Huhn." Patty schlug ihrer Freundin freundschaftlich auf die Schulter, die darauf hin aufstöhnte und nach vorne sackte. Hailey sah sich erneut genötigt einzuschreiten. „Also wirklich Patty. Es reicht jetzt." Daria aß schweigen ihre Pudding und beobachtete die Mädchen. In Gedanken war sie jedoch längst bei ihren neuen Auftrag. Hailey beobachtete Daria ebenfalls. „Du hast einen neuen Auftrag für uns erhalten?" fragte sie schließlich. Daria nickte.

Während der nächsten Minuten bestritten hauptsächlich Patty und Irina die Unterhaltung. Nachdem alle mit dem Essen fertig waren, räumten Hailey und Daria zusammen den Tisch ab und brachten alles in die Küche. Hailey goss die Kaffeereste in den Ausguss der Spüle. „Du siehst besorgt aus, Di." Daria hielt beim umfüllen des restlichen Puddings inne und sah zu Hailey hinüber. „Sam Braddock war heute in meinem Büro."„Der neue Auftrag betrifft also ihn? Machst du dir etwa Sorgen um Irina?"Daria schüttelte den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Ich habe einfach ein schlechtes Gefühl bei diesem Auftrag." „Wie meinst du das?"

Hailey sah sie mit leicht geneigtem Kopf an. Sie hatte längst gelernt Darias Gefühl zu vertrauen. Es hatte sie schon einige Male vor größeren Katastrophen bewahrt. Daria zuckte mit den Achseln. „Im Moment kann ich noch nicht genau sagen, warum. Vielleicht ist es auch einfach nur, weil es Japan betrifft." Hailey atmete tief ein. „Japan?"„Mmmh."Daria sah ihre Freundin nicht an, sondern starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Aus dem Wohnzimmer klang Gelächter. Hailey achtete jedoch nicht darauf sondern beobachtete Daria.

Die war mit ihren Gedanken weit fort. Sieben Jahre wahr es nun her, dass sie Japan verlassen hatte und nach Europa gekommen war, um dort eine umfangreiche Ausbildung zur absolvieren und schließlich in den Dienst der UNO zu treten. Sieben Jahre lang hatte sie die Erinnerungen an ihr früheres Leben und das plötzliche Ende verdrängt. Jetzt jedoch stürmten die Erinnerungen und Bilder wieder auf sie ein.

Hailey räusperte sich leise. „Wirst du das schaffen, Di?" Daria drehte sich um, und zum ersten Mal an diesem Tag waren ihre Gefühle offen in ihrem Gesicht zu lesen. Trauer, Angst und eine gewisse Freude spiegelten sich auf ihrem Gesicht wieder. Hailey sagte nichts, ließ die Tassen stehen und zog ihre Freundin einfach in die Arme. „Es wird Zeit, die Gespenster zu vertreiben, Di." Daria nickte und schob Hailey von sich. „Keine Angst, ich breche nicht in Tränen aus." Hailey schüttelt traurig den Kopf. „Manchmal hilft das aber, Di."

Drei Tage später bestiegen die vier Frauen in Brüssel eine Boeing 747, die sie direkt nach Tokio bringen würde. Von dort hatten sie einen Anschlussflug nach Kyoto gebucht. Daria trug wieder einmal einen dunklen Hosenanzug und blätterte während ihres Fluges in den Unterlagen. Irina und Patty spielten Schiffe versenken und Hailey hatte sich in einen Liebesroman vertieft.

Während des Fluges wurden sie nur von der Stewardess gestört. Ansonsten hatten sie die ganze erste Klasse für sich allein. „Ich muss schon sagen. Sam war nicht knickerig. First Class." meinte Patty schließlich, als man ihnen einen Mittagsimbiss servierte. Daria lächelte amüsiert. "Patty, Sam ist Amerikaner. Du weißt doch, wie die sind. Immer protzig."„Schon klar, aber ich find es trotzdem ne'Wucht." Mit großem Appetit wendete sie sich ihrem Mittagessen zu.

Daria sah ihre Freundin zufrieden an. „Ja, Sam war großzügig gewesen und sie ahnte auch warum. Es war natürlich eine Bestechung. Sie sollte seine Wünsche erfüllen und keine Fragen stellen. Aber er täuschte sie sehr, wenn er glaubte sie so einfach mundtot zu machen."