Kapitel 7:

A

ls Kolleen wieder erwachte färbte die Sonne den Schnee gerade blutrot. Kolleen wusste nicht ob sie auf oder schon wieder unterging.

Obwohl ihr sämtliche Muskeln wehtaten, fühlte sie sich frisch und ausgeruht wie seit Wochen nicht mehr.

Die Erinnerungen an den letzten Abend waren ab dem Punkt wo sie Snapes Büro verlassen hatte schwammig und wie durch einen Schleier gesehen.

Krampfhaft versuchte Kolleen sich zu erinnern was passiert war, aber es gelang ihr nicht. Sie kehrte zu dem Teil des Abends zurück an den sie sich noch deutlich erinnern konnte, das Nachsitzen.

Das sie den Trank brauen sollte, war bei weitem keine Strafe gewesen. Sie hatte sich gefreut etwas Neues probieren zu dürfen und das es noch geklappt hatte, hatte alles noch besser gemacht. Für die Zeit, die sie am Kessel gestanden hatte, hatte sie ihre Sorgen und die Erschöpfung der letzten Tage abgelegt.

Später als Snape sie noch einmal zurückgerufen hatte, war sie gespannt gewesen was er wollte und noch überraschter, als er kein Wort herausbrachte. Es war seltsam gewesen und es passte nicht zu ihm. Vielleicht gab es ja wirklich den versteckten „lieben" Snape. Irgendwo tief in ihm. Je länger sie darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher schien es ihr und der Wille diesen Snape kennen zu lernen fraß sich langsam in ihren Kopf.

Vor dem Fenster war das blutrot in sanftes lila übergegangen. Also ging die Sonne unter. Hatte sie wirklich so lange geschlafen?

Als sie sich zum Fenster umdrehen wollte, entbrannte ein stechender Schmerz in ihrem rechten Arm. Sie blickte an sich hinunter und sah ihn in dicken Verband gewickelt. Sie wusste aber nicht warum.

Schon kam Madame Pomfrey in den Krankenraum und lächelte ihr warmes Lächeln, als sie Kolleen wach sah.

„Geht es ihnen nun besser?"

„Ja, vielen Dank. Nur würde ich gern wissen, was mit meinem Arm ist."

„Oh ja, der ist etwas verstaucht. Ich wollte ihnen noch keinen Trank dagegen geben, damit das Schlafmittel besser wirken konnte. Aber jetzt ist Zeit dafür."

Sie verschwand für kurze Zeit und kam mit einem Becher wieder, den sie Kolleen reichte.

Die Substanz darin war dickflüssig, giftgrün und roch abscheulich.

„Verziehen sie nicht so das Gesicht. Heilmittel müssen nicht schmecken!"

Kolleen hielt die Luft an und trank in einem großen Zug aus. Es schmeckte noch scheußlicher als es ausgesehen hatte. Sie schüttelte sich etwas und reichte Poppy den Becher.

„Danke."

„Schon gut, dass ist ja meine Aufgabe. Aber sie sollten mir noch ein paar Fragen beantworten."

Kolleen sah sie fragend an.

„Wie viel haben sie in der letzten Woche geschlafen?"

„Ich weiß es nicht. Nicht viel."

„Aha. Professor Snape hat erzählt, dass sie nicht mehr bei den Mahlzeiten erscheinen und wenn fast nichts essen. Haben sie sonst etwas gegessen?"

Kolleen schüttelte schweigend den Kopf.

„Miss Anderson das geht so nicht weiter! Sie sollten zu sehen wenigstens ein paar Stunden in der Nacht zu schlafen und sich auszuruhen. Außerdem müssen sie etwas essen! Auch wenn sie keinen Appetit haben, zwingen sie sich dazu! Sonst bleiben sie bald länger hier als einen Tag."

Nun setzte sie sich auf Kolleens Bettrand.

„Hören sie. Dadurch, dass sie sich selbst zerstören, kommt ihre Schwester nicht wieder. Reden sie mit jemandem und fressen sie nicht alles in sich hinein. Auf Dauer wird es sie auch kaputt machen und die Täter hätten zwei auf einmal erwischt."

Kolleen hörte genau zu und beschloss nicht zu widersprechen, sie nickte nur.

„Wenn sie sich wieder gut fühlen können sie sich anziehen und gehen. Kommen sie morgen noch einmal wegen des Arms und vergessen sie nicht heute Abend etwas zu essen!"

Mit einem warmen Lächeln verließ Madame Pomfrey den Raum und Kolleen stand auf.

Einige Zeit stand sie am Fenster und dachte über die eben gehörten Worte nach. Wie recht sie hatte. Doch es war niemand zum reden da und auch zum trösten war keiner da. Sie war wie immer alleine, noch einsamer als jemals zuvor.

Mit einem Seufzer wendete Kolleen sich vom Fenster ab und begann sich anzuziehen.

Nachdem sie den Krankenflügel verlassen hatte, lief sie ziellos durch die langen Flure des Schlosses. Im Verwandlungs- Korridor blieb sie an einem Fenster stehen und sah hinaus. Inzwischen war es dunkel geworden und auch im Flur war es schummrig, da nur wenige Fackeln brannten.

Lange stand Kolleen da und dachte nach.

Ohne bestimmtes Ziel lief Snape durch das Schloss. Er wollte einen klaren Kopf bekommen.

Seit dem letzten Abend war seine Konzentration wie weggeblasen. Es schien etwas habe sein komplettes inneres umgedreht und ihn wieder frontal auf seine Vergangenheit gestoßen.

Beinahe hätte er die schwarze Gestalt am Fenster gar nicht gesehen. Dann erkannte er Kolleen und wunderte sich darüber was sie alleine hier im Dunkeln machte. Den Gedanken sie würde auf jemanden warten, verwarf er schnell wieder, denn dann hätte sie ihn bestimmt bemerkt und würde nicht so abwesend aus dem Fenster starren.

Sie begann zu zittern und schluckte laut. Sie kämpfte gegen die Tränen und als sie ihren Kopf drehte, fielen ihre Tränenerfüllten Augen auf ihn. Sie nahmen einen erschrockenen Eindruck an und er sah deutlich wie Kolleen sich abmühte vor ihm nicht vollkommen in Tränen auszubrechen.

„Entschuldigen sie Professor, ich habe sie nicht gesehen. Ich....Ich wollte gerade......."

Sie sprach langsam und angestrengt um alle Tränen zurückzuhalten.

„Sie wollten gerade mit mir zum Abendessen gehen", vervollständigte er ihren Satz.

„Madame Pomfrey hat allen Lehrer aufgetragen darauf zu achten, dass sie genug essen, also kommen sie!"

In seinem Gesicht war beinahe ein Lächeln, als er einladend seinen Arm ausbreitete und in Richtung große Treppe wies. Mit leicht gesenktem Blick folgte Kolleen seiner Aufforderung und er übersah nicht die flüchtige Bewegung ihres linken Armes, um sich die Augen zu trocknen.

„Professor Snape ich muss noch mal auf Toilette, gehen sie doch schon mal vor."

Etwas zögernd sah er sie an, wusste aber, dass er es nicht verbieten konnte.

„Gut, aber wenn sie in zehn Minuten nicht beim Essen sind, werde ich sie holen", antwortete er schon beinahe drohend.

„Keine Angst ich komm schon noch."

Sie ging weiter und verschwand in der Mädchentoilette. Vor der Tür blieb er etwas zögernd stehen, sollte er lieber auf sie warten um sicher zu gehen, dass sie zum Essen ging. Ach was, er würde es ja sowieso sehen, also ging er weiter Richtung Große Halle.

Es waren schon fast alle Schüler und Lehrer anwesend, es fehlten noch zwei Huffelpuffs und Kolleen. Snape setzte sich neben Professor Sprout und begann zu essen.

Als die beiden Huffelpuff Jungs lauter als es nötig gewesen wäre in die Halle kamen, warf er ihnen einen vernichtenden Blick zu. Die Jungs setzten sich und der einzig leere Stuhl blieb an seiner linken.

Kolleen betrat die Halle und Snape hätte sie fast nicht wieder erkannt. Sie sah nicht müde und verweint aus wie vor zehn Minuten, sondern machte einen zumindest zufriedenen Ausdruck. Als sie sich neben ihn setzte, sagte sie mit einem leichten Lächeln „Guten Appetit".

Er war erschrocken wie sehr sie sich verstellen konnte. Niemand würde ihr den Schmerz und die Trauer ansehen und wenn man es wusste könnte man denken, sie würde nicht trauern.

Sie versteckte sich und das war, wie er wusste, ein gefährlicher Versuch dem ganzen am besten zu entgehen.

Zumindest aß sie nun etwas. Warum beschäftigst du dich eigentlich damit? Es geht dich nichts an, sicherlich hast du besseres zu tun. Fast unmerklich schüttelte er den Kopf und aß weiter ohne über Kolleen nachzudenken.

Die wenigen Ferientage vergingen und schon war die Große Halle eines Morgens mit Schülern gefüllt, die wie immer laut durcheinander redeten. Snape verdreht die Augen, als er die Halle betrat und zum Lehrertisch rauschte. Warum konnten Kinder nicht einmal leise sein?

Er frühstückte schnell und verließ dann die Halle um für kurze Zeit noch die Ruhe der Kerker zu genießen.

Wieder hatte er als erstes die Fünftklässler, dann die Siebener und schließlich zweimal die Erstklässler. In allen Klassen wollte er einen Test schreiben lassen, um zu sehen, ob alle ihre Hausaufgaben gemacht hatten und wie viel sie wieder vergessen hatten. Allerdings vermutete er, dass die Schüler aus der Siebten und manche aus der Fünften durchaus vorbereitet waren, da er dies meistens tat.

Als er den Klassenraum betrat, waren schon alle Schüler anwesend.

„Alle Bücher in die Taschen und raus mit den Federn!"

Er begann Aufgaben an die Tafel zu schreiben. Es waren nur drei und so gab er schnell wieder den Blick frei auf die Tafel, die nun mit seiner scharfen kleinen Schrift gefüllt war.

„Dies ist ein Test. Ihr kennt die Regeln!"

Einige Schüler stöhnten leise. Snape setzte sich genüsslich an das Pult und bereitete die Fragen für die Erste Klasse vor, ohne dabei die Schüler vor sich aus den Augen zu verlieren.

Die Stunde ging dem Ende zu und er ging mit einem hämischen Lächeln durch die Reihen und sammelte die Pergamente ein.

Die Älteren Schüler schienen alle vorbereitet zu sein und waren nicht überrascht, als er die Aufgaben an die Tafel schrieb.

Kolleen war die Erste die die Feder niederlegte und Snape überlegte, ob das ein schlechtes Zeichen war, da sie sonst sehr ausführliche Arbeiten schrieb. Aber warum beschäftigte er sich schon wieder mit ihr? Sollte sie doch mit ihren Problemen alleine klar kommen.

Trotzdem blieb er etwas länger als nötig an ihrem Tisch stehen, doch sie packte bereits ihre Sachen und war die erste die den Raum verließ.

Als er am Abend die Arbeiten korrigierte, stellte er fest, dass Kolleens einfach hervorragend war und definitiv die beste Note verdiente.

Die Tage vergingen und aus irgendwelchen Gründen beobachtete er Kolleen weiter und ihm fiel auf, dass sie nur kurz beim Essen war, ihm Unterricht beteiligte sie ihren jeweiligen Partner nicht an der Arbeit, wobei sie trotzdem sehr gute Ergebnisse erzielte. Trotz all seiner Zweifel und der Gewissheit, dass es ihn eigentlich nichts anging, machte er sich Sorgen und beschloss mit Professor McGonagall über Kolleen zu reden.