Kapitel 20: Wahrheit

S everus nickte und war so überrascht, dass er nicht wusste wie er anfangen sollte, wie er ihr überhaupt alles so erklären konnte, dass sie es verstand. Als er begann sah er sie nicht an. "Als der Dunkle Lord an Macht gewann war ich gerade 17, also gerade mit der Schule fertig. Mein Abschluss war nicht schlecht und ich war mehr als froh von Hogwarts wegzukommen. Trotzdem war ich etwas orientierungslos, meine erste Arbeit lief nicht so wie sie sollte und ich war deprimiert. Ich hatte geglaubt, wenn ich mit der Schule fertig war, würde alles besser werden, aber das Gegenteil passierte. Ich verlor meine Arbeit, ein halbes Jahr später meine Eltern und wenig später noch meine Freundin." Er stockte, die Erinnerung an Nell schmerzte, sie war die Frau gewesen die er hatte heiraten wollen und dann hatte sie ihn wegen eines anderen verlassen.

Etwas leiser fuhr er fort: "Das alles in zwei Jahren, dann kam ein Schulfreund auf mich zu und erzählte mir etwas über Macht, Reichtum und Ideen die Welt zu ändern, zumindest so was in die Richtung. Die Dunklen Künste hatten mich schon immer fasziniert, es lag soviel mehr Macht in ihnen, soviel mehr Möglichkeiten. Natürlich hatte ich schon von IHM gehört und nun da es mir so direkt vor die Nase kam, konnte ich nicht nein sagen. Mein Leben konnte ja nicht noch schlechter werden, zumindest glaubte ich es. So ging ich das erste Mal zu einem Treffen und wurde aufgenommen, nun nähere Details will ich dir ersparen. Allerdings merkte ich sehr schnell, dass das bei weitem nicht das war, was ich wollte oder mit dem ich umgehen konnte. Lange hielt mich noch die Angst zurück, doch irgendwann im Winter vor zehn Jahren, nachdem wir alle fast von Auroren geschnappt worden waren und wieder ein Kind tot war, kam ich zurück hierher und redete mit Dumbledore. Wir trafen eine Vereinbarung und ich blieb als Spion unter den Todessern." Er machte eine Pause, was sollte er mehr noch sagen? Kolleen nahm ihm die Entscheidung ab. "Was ist das für eine Vereinbarung? Ich mein wie kann er dir trauen und sicher sein, dass du nicht ihn ausspionierst?"

Warum musste sie gerade das fragen was er ihr nicht beantworten konnte? "Das kann ich dir nicht genau sagen, dass ist Teil der Vereinbarung. Es ist ein Zauber, der Dumbledore zeigt wenn ich ihn anlüge oder auszuspionieren versuche. Ich selbst kenne nicht mal alle Teile davon."

"Und wieso sollte ich dir das jetzt glauben?" "Weil es dir Wahrheit ist?" Er sah Kolleen unsicher an, sie wich ihm aus. "Was ist mit Sarah?" "Ich hatte keine Ahnung, es traf mich genauso wie alle anderen, genau wie bei den Longbottoms." Kolleen schwieg, was Severus beinahe wahnsinnig machte, hätte sie ihn angeschrieen wäre ihm das wirklich lieber gewesen. Nach einer Zeit, die ihm wie die Ewigkeit vorkam brach sie die Stille. "Es ist schon seltsam: Schon wieder sitzen wir auf dieser Bank und wieder erlebe ich Dinge von denen ich nicht so recht weiß ob ich sie glauben soll oder nicht." "Es tut mir leid. Ich hätte dir alles von Anfang an sagen sollen. Severus sah wie sie über den See in die Dunkelheit starrte. "Ich weiß nicht, ob ich dir glauben soll. Ich weiß es einfach nicht." Wieder schwieg sie.

"Darf ich es sehen?" Kolleen drehte sich zu ihm. Severus sah sie erschrocken an. "Was?" Die Vorahnung, die er hatte, wollte er nicht wahr haben. Doch sie deutete wie erwartet auf seinen linken Arm. "Ich. ich halte das nicht für eine besonders gute Idee." "Ich soll dir doch vertrauen oder? Dann musst du das auch tun." "Gut, wenn du meinst. Aber es ist kein schöner Anblick." "Das weiß ich." Er nickte, dann schob er langsam und etwas widerwillig den linken Ärmel seiner Robe nach oben und hielt ihr seinen Unterarm hin. Kolleen rutschte ein Stück näher zu ihm, als ihre Hand nach seinem Arm griff und ihn umdrehte, damit sie die Innenseite sehen konnte, spürte er deutlich wie sie zitterte, er hoffte nur sie würde nicht merken, dass sie damit nicht alleine war.

Das Mal war inzwischen zwar verblasst, aber doch noch gut zu erkennen und im fahlen Mondlicht wirkte es noch unheimlicher als sonst. Severus sah die Abscheu in ihren Augen und ein schmerzhaftes Ziehen durchzog seinen Magen. Dann völlig überraschend hob sie ihren anderen Arm, in einem panischen Moment dachte er sie würde es berühren wollen, doch sie griff sanft den Stoff seines Ärmels, zog ihn wieder nach unten und bedeckte somit wieder seinen Arm. Kolleens rechte Hand ruhte auf seinem Handgelenk, auch ihr Blick war darauf gerichtet, sie schwieg länger als die Male zuvor. "Kennst du meine Eltern?" Diese Frage traf Severus vollkommen unvorbereitet. "Was?" "Ich wollte wissen, ob du meine Eltern kennst." Er schüttelte den Kopf. "Nein, also ich nehme an, dass sie heute mit dir in Hogsmeade waren, aber ich hab sie zuvor noch nie gesehen." "Das ist gut." Nach einer kurzen Pause redete sie weiter. "Ich denke ich werde jetzt ins Bett gehen." Severus hielt sie zurück, als sie aufstehen wollte. "Darf ich dich etwas fragen?" "Ja sicher." "Warum hast du die beiden vorhin verflucht, in der Bibliothek meine ich." "Oh.., also, das war doch nur, ich weiß es nicht. Es war das eine Mal zuviel! Aber war ja klar, dass das eine Mal, wenn ich mich wehre gleich McGonagall daneben steht!!" "Professor McGonagall! Und ich stand auch da." "Ja, hab ich gesehen. Und? Was ändert das? Nichts!" Es schien sie noch immer aufzuregen, Severus konnte es nur zu gut verstehen. "Ich darf das eigentlich nicht sagen, aber ich bin froh dass du es getan hast." Ein vollkommen überraschter Blick traf ihn. "Was? Warum das?" "Sagen wir ich verstehe das einfach." Kolleen sah ihn misstrauisch an. "Gut, ich frage jetzt nicht näher nach." "Vielleicht erzähle ich es dir irgendwann einmal. Es ist nicht so einfach." "Danke." Für einen kurzen Moment nahm sie seine Hand und drückte sie, dann stand sie auf und ging ohne sich noch einmal umzudrehen.

Bis spät in die Nacht saß Kolleen im Gemeinschaftsraum und schrieb an ihren zahlreichen Hausaufgaben. Gegen Vier Uhr taten ihr die Augen so weh, dass sie ins Bett gehen musste. Trotzdem gehörte sie am nächsten Morgen beim Frühstück zu den Ersten und auch die Bibliothek war noch lange nachdem sie gekommen war leer. Der Vorteil ihrer plötzlichen Arbeitswut war, dass sie nun in allen Fächern nicht mehr eine Stunde zurück hing, sondern mindestens eine Voraus war.

Obwohl sich Severus Worte immer wieder in den Vordergrund ihrer Erinnerungen schoben, ließ sie weitere Gedanken darüber nicht zu. Erst während der langweiligen Strafarbeit bei Professor McGonagall konnte sie nicht anders als darüber nachzudenken.

Nacheinander verwandelte sie mindestens tausend Erbsen in Untertassengroße Goldtaler, wozu auch immer das gut sein sollte. Was war wenn Severus wirklich die Wahrheit gesagt hatte? Wieder fiel ein Taler klirrend in den Korb zu den anderen. Wie konnte sie nur sicher gehen? Würde er sich so eine Geschichte nur ausdenken? Noch ein Taler landete im Korb. Es war schon seltsam, seit Sarah tot war, war sie wie von ihm verfolgt, seitdem tauchte er dauernd in ihrer Nähe auf. Konnte das Zufall sein? Wieder ein klirren im Korb. Ob Severus damals vor Gericht stand? Darüber gab es doch sicherlich Unterlagen.. . Sie musste in die Bibliothek, ganz dringend. Nachdem sie wieder einen Taler in den Korb fallen ließ sah sie auf die Uhr, es war halb elf schon, da könnte McGonagall sie wirklich gehen lassen. Als wäre sie gerufen worden betrat Kolleens Hauslehrerin das Klassenzimmer.

"So Miss Anderson, sind sie fertig?" "So gut wie, es sind nur noch fünf übrig." Die Professorin kam auf den Tisch zu und blickte in den Korb mit den Goldtaler. "Das kann nicht ihr Ernst sein." Sie bückte sich und holte einige Taler heraus, sie waren grün und noch genauso schrumpelig wie die Erbsen. "Wo waren sie nur mit ihren Gedanken?" Kolleen senkte den Blick. "Bringen sie das in Ordnung und verwandeln dann die restlichen dann können sie gehen!" Sie drehte sich um und verließ den Raum. Kolleen seufzte und verwandelte schnell die übrig gebliebenen Erbsen und die grünen Taler.

Auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum musste sie der Versuchung widerstehen sofort in die Bibliothek zu gehen, wenn sie dabei erwischt würde, würde es nur wieder Ärger geben und bei ihrem Glück wäre es auch noch Severus selbst.

Also frühstückte sie am nächsten Morgen innerhalb von fünf Minuten und lief dann die Treppen zur Bibliothek hinauf, doch als sie vor den hohen Regalen stand hatte sie keine Ahnung wo sie anfangen sollte zu suchen, fragen wollte sie auch nicht. Wahrscheinlich bei den Geschichtsbüchern, und tatsächlich nach einer halben Stunden, als sie es schon fast aufgeben wollte fand sie in der hintersten Ecke ein staubiges schwarzes Buch "Der Untergang des Dunklen Lords und die Folgen für seine Diener", vielleicht würde sie darin etwas finden. Mehr Zeit zum überlegen hatte sie auch nicht, denn es war schon fünf Minuten nach Unterrichtsbeginn und um in die Kerker zu kommen, brauchte sie sicherlich noch mal so lange, sie nahm das Buch unter den Arm und eilte die vielen Stufen hinunter. Vor der Tür des Klassenraums hielt sie keuchend an und steckte das Buch in ihre Tasche, Severus musste es nicht sehen. Dann klopfte Kolleen und betrat den Kerker. "Setzten, Miss Anderson! Und zehn Punkte Abzug von Gryffindor!", fuhr Snape sie an. Kolleen tat wie ihr geheißen und begann damit den Trank zu brauen, der an der Tafel stand.

Das erste Mal in ihrem Schulleben beschäftigte Kolleen sich im Geschichtsunterricht mit Geschichte. Hektisch blätterte sie das dicke Buch durch, eine lange Geschichte über Voldemorts Aufstieg und dann seinen Untergang, es folgte eine Auflistung der Menschen die im Kampf für ihn und gegen ihn umkamen und dann endlich das was Kolleen suchte: Die Prozesse, jeder einzelne mit Protokoll aufgeschrieben. Sie las bekannte und unbekannte Namen und dann kam er: Angeklagter: Severus Snape Fürsprecher: Albus Dumbledore Es folgte eine Auflistung der Jurymitglieder und einiger Richter.

Dumbledore war sein Fürsprecher gewesen, soweit hatte er die Wahrheit gesagt. Kolleen las jeden einzelnen Satz des Protokolls sehr genau. Severus war freigesprochen worden, weil Dumbledore sich für ihn verbürgt hatte. Das erste Mal in der ganzen Zeit sah sie auf. Dumbledore würde sich nicht für jemanden verbürgen dem er nicht vertraute, dazu war er zu intelligent und wieso sollte er einen überführtem Todesser vertrauen, wenn er nicht seinem Herrn den Rücken zugekehrt hatte? Severus hatte die Wahrheit gesagt. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag und nachdem sie einige Sekunden gar nichts fühlen konnte, machte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht breit.

Kolleen wollte das Buch zuschlagen und beschloss dann doch die letzten Seiten noch durchzublättern. Bei dem Namen "Lucius Malfoy" stockte sie wieder, sie hatte ihren Vater von ihm reden gehört, er war ein sehr angesehener Mann, Kolleen war verwundert ihn hier zu finden, schulterzuckend blätterte sie weiter.

Den restlichen Tag saß sie unruhig im Unterricht, ohne sich auch nur ein bisschen konzentrieren zu können, sie musste mit Severus reden. Am besten sofort. Doch dafür musste sie noch eine lange Stunde Verwandlung und dann Verteidigung gegen die Dunklen Künste ertragen. Endlich klingelte die Schlussglocke und anstatt in die Bibliothek zu gehen, wie die Meisten Siebtklässler ging sie in die Kerker.

Zitternd stand sie vor Severus Bürotür, wie sollte sie ihm nur sagen, dass sie ihm glaubte. Vielleicht würde er ihr gar nicht zu hören. Doch plötzlich hörte sie Schritte auf dem Gang und bevor sie gesehen wurde, klopfte sie und trat ein. "Ich kann mich nicht erinnern jemanden hereingebeten zu haben", raunzte Severus Stimme von Schreibtisch her, er hatte offensichtlich noch nicht aufgesehen. "Ich....äh.kann auch wieder gehen." Severus Kopf schoss in die Höhe. "Kolleen! Nein! Bleib! Komm her und setzt dich oder wollen wir lieber nach nebenan gehen?" Er stand ungewohnt hektisch auf.

Kolleen fühlte sich ein wenig überrumpelt. "Äh..ja, gut lass uns ins Wohnzimmer gehen." Sie lächelte verlegen. Severus kam hinter seinem Schreibtisch hervor und hielt ihr die Tür auf. "Danke", murmelte sie im Vorbeigehen. Unbeholfen stand Kolleen in der Mitte des Zimmer und wusste weder was sie sagen noch tun sollte. Er bot ihren einen der Sessel an. "Komm, setzt dich, möchtest du etwas trinken?" Kolleen schüttelte den Kopf und setzte sich. "Nein danke." Eine peinliche Stille trat ein und es kostete Kolleen einige Überwindung sie zu brechen. "Ich hab darüber nachgedacht was du gesagt hast." Ohne Aufzusehen redete sie weiter. "Ich habe darüber nachgedacht und ich glaube dir." Sie hob den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Es war deutlich zu sehen, dass Severus ein Lächeln zu unterdrücken versuchte. "Das ist wunderbar! Ich weiß gar nicht so genau was ich sagen soll." Sein Blick wurde wieder Ernst. "Es tut mir leid, dass ich es nicht vorher schon gesagt habe." Kolleen nickte. "Schon gut." Sie stand auf. "Du gehst schon?" In Severus Stimme war Enttäuschung zu hören, auch er stand auf. "Ich haben mal wieder einen Berg Arbeit und wenn du willst, dass ich heute Abend Zeit habe, lässt du mich jetzt gehen." Kolleen grinste und er lächelte zurück. "Um halb Neun hier?", schlug er vor. Sie nickte und ging auf ihn zu. "Ich freu mich!" Sie legte sie Hände auf seine Schulter und küsste seine Stirn, dann ließ sie den verwirrten Severus stehen und ging.