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Fast gar nicht in dich verliebt...

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~ Prolog: Fieber ~

Kali saß am Fenster und schaute hinaus in die sternenbehangene Nacht.

Es war dunkel und sie konnte nicht schlafen, wie schon so oft in letzter Zeit.

Eine Last lag auf ihrer Seele, doch war sie nicht im Stande zu sagen welche. Ständig war er da, dieser Schleier der sich dumpf über sie legte und sie mit seinem Gewicht zu erdrücken drohte.

Kalis Augen füllten sich mit Tränen.

Warum konnte sie nicht an ihn denken, ohne dass dieses Gefühl der Schuld und des Schmerzes sie überkam? Der drohende Krieg in Mittelerde war so weit weg von ihr, von Atlantis und dennoch war er mitten drin.

Wütend schüttelte sie den Kopf.

Theodred war zwar nicht bei ihr, aber auf dem Weg zu ihr. Oder etwa nicht?

'Wie naiv du bist.' dachte sie und strich sich die langen, braunen Locken aus dem Gesicht.

Kali schloss das Fenster und überlegte sich ob sie nicht vielleicht doch noch versuchen sollte etwas zu schlafen obwohl sie genau wusste, dass sie es ohnehin nicht könnte.

Mit wackeligen Beinen lief sie zurück zu ihrem Bett wobei ihr Blick wie zufällig auf ein Stück Zeichenkohle neben ihr fiel. Sie musste Schmunzeln.

„Warum eigentlich nicht?" sagte sie plötzlich halblaut zu sich selbst.

Ihre Leidenschaft für die Kunst hatte sie bereits als Kind entdeckt und vermutlich von ihrer Mutter geerbt, das sagte ihr Vater zumindest immer.

Plötzlich konnte sie sich ein leises Schluchzen nicht mehr verkneifen und mit einem Griff unter ihr Bett holte sie ihr Malwerkzeug heraus und bettete es vor sich auf dem Boden aus, wo sie am liebsten zeichnete.

Der Gedanke daran, dass sie ihre Mutter nicht kannte machte sie traurig. Warum hatte sie so früh sterben müssen?

'Was ist nur mit dir los, Kali!' schrie sie sich innerlich an. Sie verstand die Welt nicht mehr. Warum kamen all diese schlimmen Gedanken gerade in dieser Nacht über sie.

Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Ein Raabe hatte sie geweckt. Darum konnte sie nicht schlafen. Durch sein lautes Krähen wurde sie wach.

Kali kniff ihre Augen ganz fest zusammen um sich ein klares Bild dieses Raben ins Gedächtnis rufen zu können... und da war er plötzlich, ganz klar und deutlich.

Er saß auf dem Fensterbrett und schaute sie starr an ohne sich zu bewegen. Sein Blick schien sie zu durchbohren. Sie wollte ihn wegscheuchen, doch sie konnte nicht. Eine grausame Kälte schlich sich plötzlich über sie und lies sie erstarren.

Mit einem Schlag verkrampfte ihr Herz und sie spürte einen Stich wie von einem Dolch, ihr Körper spannte sich an und ihr wurde heiß.

Auf einmal wurde sie jäh aus ihren Gedanken gerissen.

Was war nur passiert? Kali fuhr sich über ihre kochend heiße Stirn.

In Atlantis galt ein Raabe immer als ein Bote des Bösen und brachte Leid und Gefahr mit sich. Innerlich musste sie leise lachen, denn sie war viel zu realistisch um an so etwas wie Vorsehung oder Omen zu glauben und jetzt zerbrach sie sich den Kopf über solchen Humbug.

Um sich abzulenken ergriff sie die Kohle und begann zu zeichnen.

Schmale, glänzende Augen, eine gerade Nase und ein Schwungvoll gezogener Mund. Das Zeichnen war ihr schon immer leicht gefallen und machte ihr immer wieder Spaß.

Nach einer Weile blickte sie auf ihr Papier und war zufrieden.

Theodred war ihr wirklich gut gelungen, so gut dass sie selbst überrascht war wie sie all seine Gesichtszüge getroffen hatte, von den kleinen Fältchen unter den Augen bis hin zu dem Grübchen in seinen Wangen wenn er lächelte.

Seltsam.

'Wie kann man jemanden den man nicht liebt und so gut in Erinnerung behalten?' schoss es ihr unwillkürlich durch den Kopf.

Nein, sie liebte Theodred...aber ihn heiraten? Er war nicht ihre große Liebe, eher ihr bester Freund, wenn man das so sagen konnte. Aber ihr Vater und König Theoden bestanden auf eine Heirat.

Nur weshalb?

Atlantis und Rohan waren nicht verfeindet und auch sonst bestand kein Grund für eine diplomatische Heirat. Es hatte lange Diskussionen zwischen allen Beteiligten gegeben und letztendlich hatte sie sich mit dem Gedanken abgefunden

Sie hatte keine Wahl.

So zeichnete Kali die ganze Nacht und nicht einer ihrer Gedanken drehte sich nun noch um den Raaben oder ihre Mutter sondern allein um ihre Reise nach Edoras, auf die sie sich bereits seit Monaten freute.

Ein lauter Knall lies Kali aufschrecken.

Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster und kitzelten ihr Gesicht.

Sie war über dem Portrait eingeschlafen.

„Oh nein! Das kann doch nicht wahr sein!"

Mit Entsetzen stellte Kali fest, dass sie Theodreds Augen vollkommen verwischt hatte. Es war seltsam, denn weder die Nase noch seine langen braunen Haare waren verwischt. Nur die Augen erinnerten nun an einen breiten, grauen Streifen. Eine unbeschreibliche Kälte ging von dem Bild aus und bereitete ihr eine Gänsehaut.

Am liebsten hätte sie dieses Bild zerrissen und verbrannt, doch eine inner Stimme, sei es ihr Stolz oder einfach der Ehrgeiz eines Künstlers gewesen, drängten sie förmlich dazu dieses Bild noch zu retten.

Gerade hatte Kali begonnen die Stellen um die Augen aufzuhellen und setzte das Stück Kohle erneut an, als sie bemerkte wie in ihrem Augenwinkel plötzlich etwas aufblitzte.

Wie aus dem Nichts saß vor ihr der Raabe der letzten Nacht und starrte sie an.

Reglos und starr.

Angst breitete sich in ihr aus, gefolgt von einer schrecklichen Gewissheit.

„Tod" schrie eine Stimme in ihrem Kopf und mit einem Mal versagten ihre Kräfte.

Das Bild in ihrer Hand fiel zu Boden.

Blut schoss ihr in den Kopf begleitet von einem tosenden Rauschen.

Ihre Arme und Beine waren wie gelähmt und ihr wurde heiß. Sie hatte das Gefühl zu verglühen.

Der Vogel aber rührte sich nicht, seinen Blick immer noch stechend auf Kali gerichtet.

Mit einem Mal öffnete sich ihre Zimmertür und ein Bote stürzte hinein.

Er verbeugte sich und begann hastig zu sprechen. Entsetzen zierte sein Gesicht und so sehr Kali sich auch bemühte, sie verstand keines seiner Worte.

Das Rauschen in ihrem Kopf schien immer lauter zu werden und je länger er sprach desto unerträglicher wurde es.

Seine Worte prallten an ihr ab und die Welt schien in einer Art Zeitlupe an ihr vorbei zu laufen. Plötzlich wurde das Rauschen noch lauter und sie begann zu glühen.

„Fieber!", schrie jemand, „Sie hat Fieber!"

Kalte Tränen rollten ihre Wangen hinab, kurz bevor es um sie herum dunkel wurde und sie in eine erlösende Umarmung fiel.

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