Herkunftssuche

Piper Halliwell pfiff vergnügt, während sie in der sonnendurchfluteten Küche des Manors stand und wartete, bis ihr Teewasser kochte. Das alte Kräuterrezept würde ihr hoffentlich helfen, die Kreuzschmerzen zu lindern, die ihr das Baby zu Zeit regelmäßig verschaffte. Sie sah auf die Uhr, es war früher Nachmittag. In einigen Stunden würden Leo und Phoebe im Club soweit fertig sein, dass sie nur noch die Tür für die Gäste aufschließen musste. Obwohl Piper es niemals zugegeben hätte, war sie froh, dass die beiden ihr diese Arbeit abnahmen und ihr verboten, vor 21 Uhr überhaupt im Club aufzutauchen. Paige hatte angedeutet, dass ein Haufen Arbeit auf sie wartete, sie würde wohl erst Spät nach Hause kommen... oder auch nicht. Synchron mit dem schrillen Pfeifen des kochenden Wassers hörte Piper die melodischere Klingel der Haustür. „Man sollte Paige irgendeine Strafe dafür aufbrummen, dass sie ständig ihren Schlüssel vergisst."dachte sie. Bevor sie die Tür öffnete warf sie einen kurzen Blick in den Spiegel. Cremefarbene Leinenkleider waren zwar nicht so ganz ihr Stil, aber das Kleid saß tadellos und war trotzdem bequem. Mehr konnten Schwangere, sofern sie nicht das Budget einer Millionärin hatten, nicht erwarten. Na ja, falls es nicht Paige war, sondern der süße Botenjunge, der seit Kurzem immer die Glückwunschkörbe zufriedener Kunden brachte, würde sie ganz passabel aussehen. Piper öffnete die Tür. Es war nicht Paige, aber auch nicht der Botenjunge, sondern eine fremde junge Frau. Sie war vielleicht achtzehn Jahre alt oder auch etwas jünger. Ihr langes schwarzes Haar bildete einen Gegensatz zu ihrer sehr hellen Haut, die im Sonnenlicht beinahe weiß wirkte, und das Augenpaar, das Piper mit einer Mischung aus Neugierde und Misstrauen fixierte, war eisblau wie ein klarer Gebirgsbach. Eine schwarze große Umhängetasche trug sie quer über die Schultern, außerdem einen engen, roten Overall mit langen Ärmeln und einen schwarzen Wollmantel. Sie musterte Piper von oben bis unten und blieb kurz an deren gerundetem Bauch hängen. „ Was kann ich für sie tun?"fragte Piper, der das ganze nicht so geheuer war. Wer trug um Gotteswillen Ende Juni solche warmen Kleider, wenn er nicht von einem Ort kam, wo Jahreszeiten und das Wetter keine Rolle spielten. „Sie sind.. Piper Halliwell, nehme ich an?"antwortete die Unbekannte mit einer Gegenfrage. Sie sah Piper sehr eindringlich in die Augen, die dabei ein seltsames Gefühl beschlich. Es war, als wollte diese Frau ihr zeigen, dass sie über die Magie und die Rolle de Schwestern im ewigen Spiel zwischen Gut und Böse Bescheid wusste. Piper antwortete ihr mit einem mehr angedeuteten als tatsächlichen Nicken, das nicht nur ihre Identität bestätigen, sondern der Frau auch zeigen sollte, dass sie deren Wissen zur Kenntnis nahm. Wenn sie sich das Ganze nicht als Nebenwirkung der Schwangerschaft und durch dämonenbedingtes Misstrauen nur einbildete. „ Welches Jahr haben wir, Piper?". Sowohl der seltsame Tonfall als auch die Frage an sich ließ Piper jeden Zweifel begraben, dass sie sich alles nur eingebildet hatte. Sie spürte, wie sie trotz der Sommerhitze eine Gänsehaut bekam und ihre Nackenhärchen sich aufstellten. Etwas übernatürliches hatte hier die Finger im Spiel, und bevor sie nicht wusste, wie es geartet war, war es besser, auf der Hut zu sein. „2002"erwiderte sie schließlich zögernd und registrierte den Ausdruck der Erleichterung, der über das Gesicht ihres Gegenübers huschte. „Gut."Sagte die und schob Piper mit sanfter Gewalt ins Haus.

Die Tür fiel mit einem leisen Knarren ins Schloss. Piper, die ihre Überraschtheit überwunden hatte, hob schon die Hände, um die seltsame Frau erstarren zu lassen, doch diese machte eine beschwichtigende Geste und sagte „Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt haben sollte, aber ich musste erst sicher gehen, dass ich auch am richtigen Ort gelandet bin.Ich bin keine Gefahr für dich oder deine Familie. Mein Name ist Phoenix Halliwell." Piper war absolut nicht überzeugt, ihre Hände blieben warnend erhoben. „ Ich habe schon zu viele unglaubliche Dinge gesehen, um ihnen einfach so zu glauben. Ich weiß nicht, was sie hier wollen, ich habe außerdem keine Verwandte, die Phoenix heißt. Anstatt einer Antwort ging die junge Frau so zielstrebig ins Wohnzimmer, als wäre sie hier nicht zum ersten Mal und begann, einige Dinge aus ihrer Tasche zu packen. Sie beförderte eine Zeitung, ein paar dicke Zeremoniekerzen, einen umgedrehten Bilderrahmen und einen dünnen Ordner zutage. „ Das wird sich jetzt für dich sehr seltsam anhören, und wegen deiner vielen Erfahrungen mit Dämonen und ähnlichen finsteren Geschöpfen wirst du sicherlich sehr misstrauisch mir gegenüber sein. Mir ist klar, dass du mich nicht kennen kannst, aber wie du hier siehst,"sie reichte Piper den Ordner „bin ich als Adoptivtochter von Piper Halliwell und Leo Wyatt, geboren im März 2003, eingetragen."Piper blätterte in dem Ordner. Er enthielt einige Papiere von der Adoption, Anmeldung und ein Zeugnis der High School, die Phoenix besucht hatte, ihren Führerschein und Ausweis. Alle diese Dokumente wiesen eindeutig darauf hin, dass diese Frau tatsächlich Phoenix Halliwell war, die Adoptivtochter von Leo und ihr, die mit ihnen in diesem Haus wohnte. Oder besser wohnen würde. „ Du kommst also aus der Zukunft"stellte Piper fest. „ Ja"antwortete Phoenix und krempelte die Ärmel ihres Overalls hoch. Die Sommerhitze musste sie in dem warmen Ding ja verrückt werden lassen. Sie gab Piper den Bilderrahmen, dass diese das Bild betrachten konnte. Es zeigte Phoebe, Prue und sie selbst zusammen im Garten stehend. Es war das Bild, dass Grandma gemacht hatte und dass nun gut sichtbar auf der Kommode ihr gegenüber stand. „ Das habe ich mitgebracht, nur zur Vorsorge, damit du siehst, dass ich auch die Wahrheit sage." Piper entspannte sich. Etwas in ihrem Innern sagte ihr, dass Phoenix die Wahrheit sagte, und dass sie ihr vertrauen konnte. Sie fragte sich aber, was sie dazu getrieben hatte, diese Reise in die Vergangenheit anzutreten. „Warum bist du hier, Phoenix? Wer hat dich geschickt?"„ Das ist eine lange Geschichte, und ich denke, es wäre besser, wenn ich sie allen erzählen würde. Aber ich werde eure Hilfe brauchen, soviel ist sicher."