Disclaimer: Siehe Vorspann

@ Luinaldawen: uiiii, danke! Ich schreib so schnell ich kann, und das Kapitel hier wäre auch schon etwa ne woche online, aber mein Internet ist der festen Überzeugung, rumzuspinnen und Zicken zu machen wäre eine wunderbare Idee, Luize in den Wahnsinn zu treiben... grrrr!!!

@ Amicahelena: Suchtklinik in Bruchtal? Hm... Schau mer mal? *auf Kapitel zeigt*

@ eso: Wenn du das liest, und ich weiß, dass es du liest, du musst nämlich, weil, ich zwing dich, dann REVIEW GEFÄLLIGST!!!!

Kapitel 9

Ich bin eine Überlebende Ich werde nicht aufgeben Ich werde nicht aufhören Ich werde härter werden Ich bin eine Überlebende

Es wurde Abend, aber ich hatte keine Lust anzuhalten. Ich war den ganzen Tag gut vorangekommen, und ich hatte nicht vor, diesen Vorsprung aufs Spiel zu setzen.

Ich ritt immer weiter, nichts konnte mich aufhalten. Außer vielleicht dieser Ast, der plötzlich mitten im Weg hing und mich vom Pferd fegte. Als ich mich wieder hochgerappelt hatte, überlegte ich mir, dass ich eigentlich genauso gut übernachten konnte, wo ich war.

Mein Pferd schien ähnlicher Meinung zu sein, und so legte ich mich unter den Baum mit dem bösartigen Ast und schlief ein.

**********

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es schon ein bisschen hell, und ich konnte mich das erste Mal richtig umsehen. Ich war mal wieder in einem Wald, wie so oft.

Aber es war trotzdem ganz anders als das letzte Mal. Als ich das letzte Mal in einem Wald aufgewacht war, war es wirklich komplett anders gewesen. Nicht nur, dass das hier ein vollkommen anderer Wald war, er war auch dunkler, und vor allem so still. Kein Vogel zwitscherte, kein Kleintiergeraschel im Unterholz, nichts.

Wie langweilig. Ich stand auf und schaute mich nach meinem Pferd um, nur um festzustellen, dass das heute Nacht anscheinend beschlossen hatte, mich allein durch die Gegend ziehen zu lassen. Mistvieh.

Ich lief los, denn diesmal wollte ich nicht den Fehler machen, den ganzen Tag zu verplempern, oder auch stundenlang im Kreis zu laufen.

Ich marschierte zügig, und kam vermutlich gut voran, aber eigentlich hatte ich nicht den blassesten Schimmer, wo ich war.

Siehs positiv, sagte ich mir, jetzt bist du weg von Galadriel und Konsorten. Du hast deine Bücher, deine Kleider...

Die Bücher! Die Kleider! Verdammt. Die waren in meiner Kiste. Und meine Kiste war auf dem Wagen, auf dem auch alles sonstige Gepäck transportiert wurde. Na toll. Alles was ich hatte, war das, was ich anhatte. Großartig. Irgendwie schaffte ich es immer noch tiefer zu sinken. Faszinierend.

Ich seufzte. Also gut. Ich hatte kein Geld, keine Kleider, keine Bücher, nichts. Ich hatte gut Lust auf einen weiteren Weinkrampf, aber da niemand in der Nähe war, wäre das reichlich sinnlos gewesen. Weinen war nur sinnvoll, wenn jemand in der Nähe war, wenigstens so viel hatte ich von den Elben, speziell deren weiblicher Fraktion, mitbekommen.

Ich lief also weiter, obwohl ich mich nicht im geringsten wohl fühlte. Dieser Wald war mir irgendwie unheimlich. Andererseits erinnerte mich dieses Erlebnis stark an meine ersten Tage hier.

Irgendwie wurde ich durch diesen Gedanken wieder besser gelaunt. Damals hatte ich einen Neuanfang versucht und auch geschafft. Gut, der Schuss war größtenteils nach hinten los gegangen, schließlich war ich schon wieder unterwegs. Aber wenn damals der Neuanfang geklappt hatte, warum nicht jetzt auch? Warum sollte ich nicht eine zweite Chance bekommen? Oder eine dritte und vierte, wenn es nötig war? Warum eigentlich nicht?

Das letzte Mal hatte ich in einem Wald angefangen und war prompt auf eine mir zumindest ursprünglich freundlich gesinnte Zivilisation gestoßen. Warum sollte das diesmal nicht auch funktionieren. Mittelerde war voll von Zivilisationen, bei denen ich ein neues Leben mit einer neuen Identität anfangen konnte. Ich musste mir nur noch eine aussuchen.

*********

Etwa drei Stunden später war mein neuer Optimismus allerdings schon fast wieder aufgebraucht. Ich war hungrig, ich war durstig, ich war müde, und mir war total heiß. Ich hatte keine Lust auf gar nichts, aber ich schleppte mich trotzdem weiter.

Es war zwar sinnlos weiterzulaufen, aber es war genauso sinnlos, stehen zu bleiben. Also ging ich weiter, während ich mich fragte, wie zur Hölle es in einem derart dunklen und stickigen Wald so heiß werden konnte.

Irgendwann gegen Abend ließ ich mich erschöpft gegen irgend einen Baum sinken und schlief sofort ein.

Ich träumte viel und wirr in dieser Nacht, doch als ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich nicht mehr allzu viel davon, und je mehr ich mich daran zu erinnern versuchte, desto schneller verschwand es aus meinem Gedächtnis, wie Wasser, dass durch hohle Hände rinnt.

Ich schüttelte den Kopf, um ihn frei zu kriegen, aber das vertrieb auch noch die letzten Reste der Erinnerung aus meinen Gedanken.

Alles was zurück blieb, war ein Gefühl der Angst und der Beunruhigung. Ich schüttelte erneut den Kopf und lief los. Ich hatte keine Zeit für so was. Ich hatte ein neues Leben zu beginnen.

Im Laufe des Tages kehrten meine Gedanken jedoch in Ermangelung anderer Beschäftigung ständig zu diesen Träumen zurück, und ein paar Bruchstücke waren auch noch in meine Erinnerung zurück gekehrt, aber es war kaum der Rede wert: Ich war durch einen Wald gelaufen, und ich war nicht alleine, sondern in Begleitung mehrerer Personen gewesen, deren Bilder aber undeutlich waren. Und wir waren verfolgt worden, das wusste ich auch noch. Nicht eben viel. Aber im Grunde war das eh egal, schließlich weiß jeder: Träume sind Schäume, weiter nichts.

Ich schüttelte wieder mal der Kopf um meine Gedanken zu ordnen, als ich ganz unvermittelt und unerwartet auf eine Straße stolperte.

Ich war geradezu geschockt: tagelang nichts und dann auf einmal eine Straße. So was.

Ich trat ganz auf die Straße und schaute mich um. Links niemand, rechts niemand. Gähnende Leere. Aber immerhin. Straßen bedeuteten, das irgendwann mal irgend jemand sie gebaut hatte. Und dieser jemand musste in größeren Gruppen aufgetreten sein, niemand konnte alleine eine Straße bauen... Um es kurz zu machen: Straße = viele Individuen = Volk = Zivilisation. Jippie.

Dann allerdings kamen mir Zweifel. Ich war mir nicht sicher, ob es sinnvoll war diese Straße einfach so entlang zu laufen. Man wusste ja nie ob so ein Volk feindlich gesinnt war. Ach egal.

Ich marschierte die Straße entlang, bis ich müde wurde, und legte mich dann seitlich der Straße zum schlafen nieder, und am nächsten Morgen lief ich weiter, ich kam sogar relativ flott voran. Ich fragte mich, warum ich während des Rittes mit meinen Bodyguards immer so wild darauf gewesen war etwas zu essen. Es funktionierte doch auch so.

Auch am nächsten Tag lief ich auf der Straße weiter, aber plötzlich, ohne besonderen Grund oder Anlass, stoppte ich. Mir war etwas eingefallen. Straßen waren immer Verbindungen, und zwar von einer Zivilisation zur anderen. Und für gewöhnlich waren diese Verbindungen sehr, sehr lang. Und ich hatte absolut keine Lust so lange zu laufen.

Ich schwenkte seitlich in den Wald ein. Ich muss annehmen, dass ich nördlich lief, aber im Grunde hatte ich wie immer nicht die geringste Ahnung wo ich lang ging.

Ich fing an zu Rennen.

Ich weiß selber nicht warum, ich rannte einfach so schnell und soweit ich konnte. Ich hatte irgendwie Lust dazu. Deshalb rannte ich.

Ich rannte immer schneller, meine Umgebung nahm ich nur noch als grün-grau- braunen Schleier war, aber ich wurde nicht langsamer. Zweige peitschten mir ins Gesicht, ich stolperte, fiel hin, aber ich rappelte mich einfach auf und rannte weiter. Ich konnte nicht anhalten, ich wollte nicht. Ich hätte auch nicht gekonnt.

Irgendwie, an einem bestimmten Punkt, wenn man nicht mehr kann und trotzdem weiter rennt, dann kann man nicht mehr aufhören. Man macht nicht weiter um des Weiter-Machens willen, man macht einfach weiter, weil...

Na ja, weil eben. Einfach so. Weil alles gleich sinnlos ist.

Aber während ich rannte, ging es mir nicht darum. Ich dachte nicht. Ich rannte nur. Rannte, wich Zweigen und Wurzeln aus, schlug Haken, als würde ich verfolgt.

Ich lief und lief und lief ohne Pause. Und dann wurde es wieder mal dunkel.

*********

Als ich aufwachte, war es hell. Aber nicht diese komische pseudohell, das die ganze Zeit geherrscht hatte, bei dem man die Sonne mit Müh und Not erahnen konnte und froh war, wenn man überhaupt was sah.

Es war hell-hell, denn ich lag auf einer Lichtung unter einem blauen Himmel. Ich hörte Vogelgezwitscher und ein leises stetiges Geplätscher – ein Bach.

Mein Leben war irgendwie nicht sehr abwechslungsreich, wenn man es mal so betrachtete. Jedes Mal, wenn ich es ein neues anfing, hockte ich auf irgendeiner Lichtung. Das nächste neue Leben würde ich am Meer beginnen, nahm ich mir vor, dann würde so was nicht mehr vorkommen.

Ich stand auf, das heißt ich wollte es. Ich war durstig und wollte was trinken, aber ich kam nicht dazu. Faszinierend, wie schwach meine Beine waren. Als wäre ich stundenlang damit gerannt.

War ich ja auch... Stimmt ja.

Ich robbte zu dem Wasser hin, schöpfte etwas Wasser mit den hohlen Händen und trank, während ich meinem Hemd eine unfreiwillige Wäsche verschaffte, was dem nicht unbedingt schadete. Eigentlich hätte es keinen von meinen Klamotten geschadet. Ich sah aus als hätte ich im Schlamm gebadet, aber mit Klamotten.

Wo ich schon mal dabei war, konnte ich auch gleich Gesamtinventur machen, also: dreckige Klamotten, schlappe Beine, Hunger, Durst, allein, keine Zivilisation.

Vielleicht fing ich besser sofort mit dem nächsten Leben am Meer an.

Ich legte mich direkt neben dem Wasser hin um mich ein bisschen auszuruhen, und als ich wieder aufwachte, war es abend. Da es wenig Sinn hatte, im Dunkeln loszulaufen, drehte ich mich grad noch mal um und... .... fiel ins Wasser.

Da ich schon mal dort war, wusch ich mich gleich, breitete anschließend die Klamotten mal wieder auf der Lichtung aus und pennte weiter.

Als ich am nächsten morgen aufwachte, war es noch ziemlich dunkel, die Sonne war noch nicht mal aufgegangen. Ich beschloss, direkt weiter zu marschieren. Mal sehen, vielleicht kam ich ja aus diesem bescheuerten Wald raus.

Irgendwie hatte ich Wälder allmählich satt, und ich hatte mich auch schon ungefähr tausend mal dafür verflucht, das ich nicht einfach auf der Straße weiter gegangen war, schließlich führten alle Straßen aus Wäldern hinaus, nur ich gehirnamputiertes Frettchen musste natürlich wieder mitten rein laufen. Typisch.

Ich lief los ohne mir die Mühe zu machen, noch etwas zu trinken oder etwas zu essen zu suchen. Ich war es sowieso nicht wert etwas zu essen zu bekommen. Ich war gar nichts wert. Ich war scheiße. Und ich baute immer nur scheiße. Am laufenden Band.

Diese Gedanken hatte ich, als ich plan- und ziellos in den Wald rein stolperte. Einen Moment lang hielt ich an und überlegte, ob es sinnvoll wäre sich gleich umzubringen, aber ich hatte nichts Selbstmordwerkzeug ähnliches bei mir, und ohnehin war es langweilig, sich umzubringen, wenn keiner in der Nähe war, denn schließlich tat dann keiner so, als wäre er traurig um einen, wodurch viele Newcomerschauspieler großartige Chancen verpassen würden. Außerdem wurde man nicht begraben, was ja auch irgendwie eklig war. Also, das nicht-begraben-werden. Ich hatte nicht vor, Frühstückssnack einer Schmeißfliege zu werden. Andererseits wäre das zur Abwechslung mal ne sinnvolle Beschäftigung...

Igitt.

Ich lief weiter, während ich im Geiste alle möglichen Selbstmordvarianten durchging, die in Anbetracht des Entwicklungsstandes dieses Kontinents in Betracht zu ziehen waren. Schlaftabletten fielen zum Beispiel schon mal weg. Dasselbe galt für Von-der-Brücke-springen. Vielleicht konnte man da auf irgendwelche abgrundtiefen Felsspalten zurückgreifen, in denen man allerdings vermutlich nie gefunden werden würde. Wir würden sehen.

Während ich so durch den Wald tappte, gefiel mir diese Idee immer besser. Notfalls würde ich mir eben die Pulsadern aufschlitzen. Das war zwar langweilig und unsicher – man wurde häufig viel zu früh gefunden und konnte gerettet werden, außerdem machte das jeder, sogar verzweifelte Backstreet- Boy-Fans1) – aber ich wusste schließlich nicht, wie die Selbstmordquote hier war, und immerhin konnte ich mir sicher sein, dass diese medizinische Versorgung nicht so berauschend war, was bedeutete ich hatte gute Chancen, doch zu sterben.

Welch erheiternder Gedanke.

Ich marschierte weiter. Es war schon wieder alles so sinnlos, wie immer. Haben das eigentlich alle Teenager, dass sie in extreme Depressionen, kombiniert mit starkem Todeswunsch, fallen?

Hach, Teenager müsste man sein.

Zu schade. Ich schüttelte den Kopf. Sinnlos, darüber nachzudenken. Ich würde die nächste Zivilisation suchen, mir dort ein paar Feinde machen und mir dann im Zuge einer spontanen unerwarteten Kurzschlusshandlung das Leben nehmen. Guter Plan.

Irgendwann gegen Abend wurde es dunkel, und ich ging solange weiter, bis ich gegen einen Ast lief, der mich stante pede ins Reich der Träume verfrachtete.

Am nächsten Morgen stand ich auf, ging weiter, wurde abends im Dunkeln unsanft ins Moosbettchen gebracht, stand am nächsten Morgen wieder auf, ging weiter...

Ich weiß nicht wie lange das so ging, aber ich hatte das Gefühl gut voranzukommen, auch, wenn dieser Wald das Gefühl zu haben schien, es sei eine gute Idee, niemals aufzuhören und die bescheuerte Emilia ewig durch die Gegend irren zu lassen.

Ich hatte ja Zeit zu viel. Ich hatte ja keinen Selbstmordversuch vor mir. Mich hatten ja alle lieb.

Ich fand es wirklich zum Kotzen. Kaum hat man sich entschieden, dass man diese Welt hasst und sterben möchte, OHNE dass dieser komische Pseudogott, an den keiner eh keiner glaubt, oder meinetwegen auch die Valar, die hier diesen Job übernommen haben, jedenfalls, ohne dass einer von denen sich einmischt, tja, da heißts natürlich, Pustekuchen, du kriegst jetzt keine Selbstmordwerkzeuge, du bist noch nicht verzweifelt genug. Du musst dich erst zum totalen Idioten machen, dann vielleicht... Ich hab schon immer was gegen höhere Mächte gehabt. Jetzt wusste ich warum.

Ich fluchte laut und ausgiebig, und weil es schon dämmerte und die Welt eh sinnlos war, legte ich mich unter einen Baum. Ich war sehr stolz auf mich, schließlich kam es nicht alle Tage vor, das ich mich freiwillig schlafen legte.

Als ich aufwachte, war es nicht mehr Morgen. Es war mitten am Tag, die Sonne stand schon hoch. Ich erhob mich, und für einen Moment drehte sich alles und wurde dunkel.

Ich stützte mich an einem Baum ab und atmete tief durch, dann ging es wieder. Kein Grund zur Beunruhigung, das hatte ich öfter in letzter Zeit. Nur tief atmen, dann ging es wieder. Alles unter Kontrolle.

Ich schleppte mich weiter. Inzwischen lief ich nur noch, weil ich lief. Ich hatte die Hoffnung, irgendwann auf irgendjemand Zivilisierten zu treffen schon aufgegeben. Und das senkte meine Laune beträchtlich. Kein Selbstmord.

Unter anderen Umständen, zum Beispiel mit einem Fleischermesser in der Tasche, wäre das was anderes. Aber so?

Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Zuerst die Zivilisation finden, sich waschen und was essen. Sterben konnte ich immer noch.

Ich marschierte weiter. Es ging inzwischen wieder besser, auch wenn es mir zwischendurch immer mal wieder schwarz vor Augen wurde. Ich kam gut voran, und auch wenn ich mich zwangsläufig fragen musste, wohin ich denn überhaupt kam, hatte ich eigentlich keinen Grund, mich zu beklagen. Das Wetter war anständig, der Wald war heller, lichter und insgesamt schöner geworden, Vögel zwitscherten, fröhliche Stimmen in der Fer-

FRÖHLICHE STIMMEN???

Was für fröhliche Stimmen? Ich war alleine! Dieser Wald war unbewohnt! Er war verlassen, hässlich, fern von jeder Zivilisation...

ZIVILISATION. Da war doch was...?

Ach, stimmt ja. Ich hatte eine gesucht. Und das hier klang nach einer. Ich schlich mich etwas näher an die Geräuschquelle heran, um sie näher in Augenschein zu nehmen, als mir gerade noch rechtzeitig einfiel, dass ich nicht wusste, welcher Spezies die Geräuschquelle angehörte.

Was, wenn es Elben waren? Die hörten nicht nur verdammt gut, sie sahen auch alles, was sich in ihrer näheren oder ferneren Umgebung abspielte. So schnell ich konnte, erklomm ich den nächsten Baum und bemühte mich, mich so still und unauffällig zu verhalten wie es eben möglich war mit blitzartigen Schwindel- und Schwächeanfällen.

Irgendwie bekam mir die Höhe gar nicht gut. Mir war kotzübel, und alles drehte sich. Ich war drauf und dran, abzusteigen und mich woanders zu verstecken, als ich sie kommen hörte. Jetzt war es definitiv zu spät, ich konnte ihre Gespräche hören, und es waren eindeutig Elben. Wenn ich mich jetzt bewegte, würden sie es auf jeden Fall sehen.

Ich blieb still auf dem Ast sitzen und beobachtete sie lautlos. Es mussten wohl Waldelben sein, allerdings waren sie vollkommen anders, als ich das aus Lothlorien gewohnt war, womit ich nicht meine, dass ihre Kleidung schlichter oder einfacher war. In Lothlorien hatte ich auch Leute vom „einfachen"Volk gesehen, aber SO waren sie bestimmt nicht rumgerannt...

Man sah von ihnen eigentlich nur die Gesichter, der Rest war in wabernde Nebelwolken gehüllt, die ständig die Farben wechselten, so schnell, dass einem schwindlig davon wurde. Also, noch schwindliger als vorher.

Eigentlich schade, aus dem Stoff hätte man echt was machen können...

Das waren meine letzten Gedanken, bevor ich in einem weiteren Schwächeanfall vom Baum fiel und wieder alles schwarz wurde.

*********

Als ich aufwachte, war es dunkel, mal wieder, oder auch immer noch, das ist Ansichtssache. Allmählich wurde es aber heller, es begann in der Mitte meines Gesichtsfeldes und breitete sich langsam nach außen hin aus. Als es fertig war, war es immer noch recht düster, aber das lag wohl daran, dass draußen schon die Dämmerung herein gebrochen war. Hier drinnen jedoch war es eigentlich in Ordnung. Ich ließ mich in die weichen Kissen zurücksinken...

OH MEIN GOTT!!!! Drinnen! Draußen! Weiche Kissen! Ogottogottogott!!! Man hatte mich verschleppt! Entführt, als Geisel genommen, geelbnappt!!! Verdammt, das passierte aber auch immer nur mir!

Da wollte man sich friedlich und nichts Böses ahnend eine nette und gemütliche Zivilisation suchen, und schon wurde man geelbnappt! Unverschämt so was...

Ich beschloss, dass ich bei dieser Zivilisation unmöglich bleiben konnte. Nicht die mindesten Manieren hatten die! Andererseits hätte ich vielleicht gerade deshalb gut dorthin gepasst.

Die Tür in meinem Kerker, der verdächtig einem Zimmer ähnelte –alles nur Tarnung!- öffnete sich und ein Elbenmädchen kam herein geschwebt. Sie hielt ein Tablett in den Händen auf dem eine Schale mit Wasser, ein paar Tücher und ein Päckchen mit Grünzeug lagen.

Sie stellte es auf einem Tischchen neben meinem Bett, pardon, meiner Gefangenenpritsche, und beugte sich über mich um zu schauen, ob ich schon wach war, oder ob die Drogen, die sie mir ganz bestimmt injiziert hatten, noch wirkten. Sie schaue mich an, aber ich drehte schnell den Kopf zur Seite und kniff die Augen zusammen. Da ich eine großartige Schauspielerin war, würde ich sie bestimmt täuschen können, ich wollte schließlich nicht von ihr mit Drogen vollgepumpt werden.

Ich konnte durch die zusammengekniffenen Lider hindurch erkennen, wie sie die Stirn runzelte und wurde von einem überwältigenden Hochgefühl ergriffen. Ich hatte sie nicht nur getäuscht, nein, vielmehr machte mein Zustand ihr Sorgen –sie fürchtete, die Gefangene –also mich- falsch behandelt zu haben und dafür womöglich noch gemaßregelt zu werden.

Hoffentlich bekommst du so richtig viel Stress... Ich fand, dass ich in meiner Situation durchaus etwas gehässig sein durfte, wurde aber von etwas Lauwarmen unterbrochen, dass mir diese Tussi unsanft auf die Stirn klatschte, begleitet von der Bemerkung: „Oh, wie schön, du bist wach! Ich sage meinem Vater Bescheid..." Dann war sie auch wieder schon wieder verschwunden. Mir wurde klar, dass sie hellseherische Fähigkeiten haben musste, nachdem ich sie doch so vollendet getäuscht hatte...

Außerdem schien sie meiner Sprache nicht voll mächtig zu sein, sie hatte ziemlich holperig geklungen.

Als ich die Tür kurz darauf ein zweites Mal öffnete, schlief ich schon wieder fest. Den vergifteten Lappen hatte ich zur Seite gelegt, der Teufel mochte wissen, womit sie den getränkt hatten. Der Vater des Mädchens, wenn er es denn war, setzte sich neben mich und fuhr mit dem Lappen über meine Stirn.

Er fasste mit der Hand unter mein Kinn und zwang mich so, den Kopf zu drehen. „Sieh mich an", sagte er in meiner Sprache mit sehr leichtem Akzent. „Ich weiß, dass du wach bist."

Noch so ein Hellseher. Da ich bei so vielen Hellsehern um mich unmöglich eine Chance hatte, drehte ich mich ganz um und fragte ihn, wo ich überhaupt sei. Meine Zunge schien diese Frage nicht eben höflich zu finden, schließlich hatten sie mich gepflegt, jedenfalls nuschelte ich das meiste vor mich hin.

Der Vater verstand mich aber trotzdem. R sah mir in die Augen, was mich verunsicherte. Seine Augen waren tiefgrün –giftgrün, sagte eine böse Stimme in meinem Inneren- und er sah mich so ernsthaft und intensiv an, dass ich wegsehen musste. Er hatte was von Galadriel, die konnte einen mit ihren Blicken genauso röntgen.

Er zwang mich erneut, ihn anzusehen, und diesmal ließ er es nicht zu, dass ich ihm auswich. Er tat mir nicht weh, er hielt mich nur klammerartig fest, damit ich nicht wegschauen konnte.

„Du bist in Düsterwald", sagte er laut und deutlich. „Du bist in-"

Er brach ab, denn ich hatte es geschafft, mich aus seinem Griff heraus zu winden. Er sah mich böse an und sagte dann, zu seiner Tochter gewandt: „Padach ego, Elenath1)."

Als sie draußen war, redete er weiter, wieder mit seiner Hand unter meinem Kinn. Ich fragte mich ernsthaft, ob er mich anbaggern wollte, wenn er die ganze Zeit auf Augenkontakt bestand, und mir fiel auf, dass ich den Blick nicht abwenden konnte, also beschloss ich, es gleich zu lassen und konzentrierte mich auf das, was er zu sagen hatte.

„Du bist in Düsterwald, und du bist hier in Sicherheit. Mein Name ist Narthan2). Das Mädchen, das dich vorhin versorgt hat, war meine Tochter Elenath."

„Warum habt Ihr sie eigentlich hinausgeschickt", wollte ich wissen. Der Typ erklärte mir, ich wäre hier in Sicherheit, und ich hatte beschlossen, ihm zu glauben. Und da ich ihm glaubte und damit auch vertraute, konnte ich auch mal was fragen, hatte ich beschlossen.

Diesmal hatte meine Zunge nichts dagegen, doch Narthan sah mich überrascht an. „Das hast du verstanden?"

Ich nickte stolz. Ich konnte was! Und ich konnte es gut!

„Klar. Ich war die letzte Jahre in... ähm... la, li, lu, nein..."Verdammt, wie hieß das? Warum zur Hölle wusste ich nicht mehr wie dieser bescheuerte Ort hieß, an dem ich die letzten 10 Jahre meines Lebens verbracht hatte?

Dabei erinnerte ich mich noch an alles: Rod, Glubschi... wie hatte der eigentlich richtig geheißen? Und die große blonde Tussi, die mich so übel gelinkt hatte, wie hieß die doch gleich... Es war echt um Auswachsen, die Hölle. Jetzt streikte auch noch mein Gedächtnis.

Narthan sah mich geduldig, aber erwartungsvoll an, doch ich schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich erinnere mich nicht mehr! Es tut mir leid.."

Die Tränen schossen mir ins Gesicht, doch Narthan wischte sie mir weg und streichelte mir sanft über die Schulter. „Schhh. Schon in Ordnung. Es ist nicht einmal verwunderlich, dass du Gedächtnisschwund hast. Du bist ziemlich hart aufgeschlagen, und danach warst du acht Tage bewusstlos...

Wie der Blitz saß ich aufrecht im Bett. „ACHT TAGE????"

Narthan drückte mich mit sanfter Gewalt auf das Bett zurück und nickte mit einem beruhigenden Lächeln. „Ja, zehn Tage. Aber es war zu erwarten, dass du so lange schläfst. Du warst total, nun, wie soll ich sagen, ausgetrocknet..."

„Dehydriert?", schlug ich vor. Das hatte ich irgendwo mal gelesen, und ich war mächtig stolz auf jedes einzelne Fremdwort, dass ich beherrschte. Narthan sah mich verständnislos an und ich erklärte, dass man dehydriert war, wenn man mehrere Tage nichts getrunken hatte und dem Köper das meiste Wasser entzogen war.

Als ich fertig war, nickte er mit einem kleinen Lächeln und sagte ja, dies sei in der Tat genau der passende Begriff dafür. Ich lächelte ebenfalls, und Narthan erklärte mir, dass, obwohl es mir ja schon wieder verhältnismäßig gut ging, ich jetzt Molke trinken und dann schlafen müsse. Meinen Einwand, ich hätte doch schon genug geschlafen, überging er. Er rief Elenath wieder hinein, die mir Molke verabreichte, was absolut besch...eiden schmeckte, und erklärte mir im Herausgehen noch tröstend, das mit meinem Gedächtnis werde sich schon finden.

Als sie draußen waren, hörte ich ihn noch kurz mit Elenath über meinen Gesundheitszustand reden, dann war ich auch schon eingeschlafen.
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1) Das mit den Backstreetboyfans habe ich mir nicht ausgedacht. Bei meinem letzten DLRG-Sankurs (*kotz* *würg* *gähn*) hat mein Ausbilder von genauso einem Fall erzählt: armer trauernder Backstreetboyfan (weibl.) schlitzt sich die Pulsadern auf –quer...

2) padach ego = geh raus
elenath = Sternenhimmel

3) narthan = Leuchtfeuer