Disclaimer: Siehe Vorspann

DIESES KAPITEL WIDME ICH PHILIPP. ICH BEZWEIFLE, DASS ER ES JE MITKRIEGT, ABER IHR KÖNNT ES IHM JA BEI GELEGENHEIT MAL SAGEN: DANKE, DASS DU IMMER FÜR MICH DA WARST UND MIR GEHOLFEN HAST, ALS ICH HILFE BRAUCHTE. MACH DIR BITTE KEINEN VORWURF!!!

Kapitel 16

Ich bin kurz davor, durchzudrehen

Aus Angst dich verlieren

Und das uns jetzt kein Unglück geschieht

Dafür kann ich nicht garantieren

Und alles nur, weil ich dich liebe

Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Und gleichzeitig raste sie, wie wenn man das Kaugummi plötzlich loslässt. Sie zog sich und zog sich, zur Unendlichkeit, jedes Mal, wenn ich abends allein da lag. In den bitteren Stunden der Nacht, wenn niemand war, um mich zu trösten, und ich mich erst in den frühen Morgenstunden in einen unruhigen Schlaf weinen konnte. Jetzt war er auf dem Caradhras... jetzt bekämpfte er den Wächter vor den Toren Morias... jetzt lief er vor den Balrog davon... jetzt starb Gandalf...

Woher wollte ich denn eigentlich wissen, dass er es überlebte? Vielleicht hatte Tolkien ja die Story verändert! Vielleicht war es alles ganz anders! Vielleicht fiel nicht Gandalf, sondern Legolas, oder Aragorn...

Und gleichzeitig raste die Zeit. Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen seit sie weg waren. Die Zeit preschte mit 500000km/h an mir vorüber. Ich hatte keine Zeit für gar nichts. Stress pur.

Ich war rund um die Uhr auf der Krankenstation. Wenn ich keinen Dienst hatte, unterrichtete mich Elrond. Ich lernte eifrig und viel, denn jede Minute, in der ich lernte, war erstens vergangen und zweitens ohne deprimierende wasmachterjetztgeradeGedanken vorübergegangen.

Arwen ging es auch nicht besser. Und sie hatte noch nicht mal Arbeit, um sich abzulenken.

Ich verbrachte viel von meiner freien Zeit mit ihr. Ich hatte ihr die Wahrheit erzählt und unterhielt sie mit Anekdoten aus meinem früheren Leben.

So verging die Zeit, und es wurde Frühling.

Ich hatte nicht geglaubt, dass es irgendwann in diesem Leben noch einmal geschehen würde, doch es wurde Frühling. Es wurde März.

Jetzt war die Schlacht um die Hornburg... jetzt waren sie in Isengart... jetzt war er auf den Pfaden der Toten... jetzt erreichten sie die Schlacht auf den Pelennorfeldern...

Es war nichts mehr mit ihr anzufangen in diesen Tagen. Es war, als könnte ich ihn vor mir sehen, wie er kämpfte, wie er in Gefahr war, wie er beinahe starb...

Ich wurde halb wahnsinnig. Ich wollte, dass es April wurde, dass dieser Depp in Mordor endlich starb. Mein Leben war der reine Wahnsinn.

Ich verbrachte Stunden damit, durch die Gänge zu irren und sinnlose Dinge vor mich hinzumurmeln, während ich innerlich durchlebte, was er jetzt tun musste. Es dauerte nicht lange und Arwen leistete mir Gesellschaft. Allerdings versuchte sie mich zu beruhigen.

„Es ist nicht so schlimm... hör auf, du bist ja närrisch... beruhige dich... hier, Tee... komm schon, trink... jetzt halt dich mal still... willst du nicht allmählich is Bett gehen... hör zu, es ist halb drei... du solltest schlafen... komm, geh schlafen..."

Ich hörte kaum hin. Alles war benebelt. Die Welt war nicht mehr so, wie sie sein sollte. Ich wusste zwar, dass er noch lebte. Weil, er musste noch leben. Weil, wenn nicht, dann wäre ich ja schon wahnsinnig...

Es war so grotesk: Arwen, diejenige, die am meisten litt, die nichts mit Sicherheit wusste, da ich nicht gesagt hatte, dass Aragorn wohl überleben würde, Arwen, die sich vermutlich mit seinem Tod abfinden musste, Arwen, die es am schwersten hatte, beruhigte mich.

SIE beruhigte MICH, wo es doch hätte umgekehrt sein müssen. Und doch konnte ich es nicht ändern.

Ich bekam zu dieser Zeit einen so großen Respekt vor ihr, vor der Beherrschung, die sie hatte. Es war geradezu abartig.

Dieser Respekt zeigte ich jedoch nur nachts, wenn ich ruhiger wurde, wenn ich klar denken konnte, wenn ich mindestens zwei Flaschen Rod geext hatte. Ich konnte sonst nicht schlafen.

Ich unterhielt mich nicht mehr mit ihm, er war nur noch das, was er war, einer Flasche Wein. Wein, von dem ich abhängig war.

Es fing an aufzufallen. Arwen war nicht blöd, und ihr Vater auch nicht. Sie wussten, dass ich irgendwas nahm, aber auf die Idee, es könnte Rod sein, kamen sie nicht. Bis Elrond mich eines Abends mit Rod erwischte. Ich hielt gerade Monologe über die Grausamkeit der Welt, und Rod hörte mir zu, aber ich sprach nicht mit ihm, er war schließlich nur Wein.

Elrond sah eine Weile zu, und schließlich bemerkte ich ihn und war so geschockt, dass ich erst mal die letzte halbe Flasche exen musste. „El-El-Elronnn! Was, was machsuh denn hiea! Dass... dassie... dassiet gaaaaaaaaanz anners aus alles is! Sch bin nich bsoffn! Nur.. nur.. schlaf.. schläf... nur müde... müüüüüüüüüüüüüde... soooooooooooooooo müde.."

Er verschränkte die Arme. „Ich verstehe..."

Ich atmete auf.

„Galadriel hatte recht. Du brauchst eine Entzugskur."

Ich wurde deprimiert, aber ich wehrte mich nicht als er mir Rod wegnahm. Es war ja nur eine Weinflasche.

Eine Weinflasche, die 30 Jahre mein bester und einziger Freund gewesen war. Die Weinflasche winkte mir zum Abschied zu.

Elrond schüttete mir einen Eimer kaltes Wasser über, um mich auszunüchtern. Dann legte er seine Hand unter mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. „Du bist alkoholsüchtig."

„Jah."Ich grinste von einem Ohr bis zum anderen. Elrond war sehr intelligent!

„Du leugnest nicht, dass du über Jahre hinweg viel mehr Rotwein getrunken hast, als gut für dich war."

„Nein."

„Du wirst nie wieder Rod trinken. Du wirst nie wieder auch nur einen Tropfen Alkohol anrühren. Du wirst aufhören, dich in den Schlaf zu trinken. Du wirst stattdessen lieber gar nicht schlafen."

„Yo!"

Er nickte zufrieden. „Sehr gut. Dann fang an."

Ich stand auf und räumte meine Rodvorräte weg. Freiwillig, weil ich ja doch keine Wahl hatte. Elrond hatte mir nicht mit Konsequenzen gedroht, aber das brauchte er auch nicht, ich wusste auch so, dass er alles andere als begeistert wäre, wenn ich noch mal auch nur einen Tropfen Alkohol anrührte. Ich wusste, dass ich aus Bruchtal rausfliegen würde.

Und ich trank nichts mehr. Keinen einzigen Tropfen. Und trotzdem schlief ich. Aber ich kann nicht behaupten, dass mein Schlaf wirklich erholend gewesen wäre.

Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich sie vor mir. Legolas, wie er in Rod ertrank. Rod, wie er von Legolas´ Pfeilen durchbohrt wurde. Legolas und Rod, wie sie vom dunklen Herrscher (der meinem alten Lateinlehrer zum Verwechseln ähnlich sah) gefoltert wurden, Legolas, wie er den Versuch, eine Flasche Rod vor einer Horde Orks zu schützen, mit dem Leben bezahlte, Rod, wie er sich todesmutig zwischen Legolas und die Flamme des Balrogs warf...

Ich schrie. Jede Nacht. Jede Nacht erwachte ich schreiend, jede Nacht weckte ich ganz Bruchtal. Jede Nacht wurde ich von Schreien geweckt, und jede Nacht dauerte es eine Weile, bis ich begriff, dass ich selber schrie. Jede Nacht weckten mich meine eigenen Schreie. Jede Nacht kamen Elrond und Arwen an mein Bett gerannt, um mich zu beruhigen. Jede Nacht bat Arwen ihren Vater, mir einen Beruhigungstee zu machen.

Jede Nacht weigerte er sich.. Er hatte mir jegliche Rauschmittel verboten. Also auch Schlafmittel.

Er sagte, es seien Entzugserscheinungen, die von selbst weggehen würden. Das sagte sich so leicht. Er musste ja auch nicht erleben, was ich erlebte. Er musste nicht mit mehreren Süchten gleichzeitig fertig werden. Er wurde nicht gezwungen, durch die Hölle zu gehen.

Denn es war die Hölle. Es war so schwer! Ich hatte keine Kraft mehr. Verdammt, warum hatte er mir Rod weggenommen? Ich hatte meinen Rodgebrauch stark eingeschränkt gehabt! Aber ich hatte ihn gebraucht, um Legolas nicht zu sehr zu vermissen. Ich war süchtig nach Legolas, aber mit Rod konnte ich die Wartezeit überstehen.

Und ich war süchtig nach Rod, aber wenn Legolas da war, brauchte ich ihn nicht, dann konnte ich auch ohne ihn schlafen.

Aber jetzt war ich beidem beraubt. Ich hätte den Legolasentzug überstanden, wenn ich Rod gehabt hätte, und ich hätte den Rodentzug überstanden, wenn ich Legolas gehabt hätte. Aber ich hatte beides nicht.

Warum darf ein Mensch nicht süchtig sein? Warm beklagt sich keiner, wenn Raucher sich zu Tode qualmen, aber jeder, wenn man Haschisch nimmt?

Warum sind manche Süchte legal, und warum andere nicht?

Warum durfte ich nach Legolas süchtig sein, nach Rod aber nicht?

Was ist eigentlich Sucht?

....

Die Zeit verging nicht. Und es war immer noch nicht April. Es sollte aber April werden! Es sollte JETZT April werden!

Dann musste ich nur noch mit einer Sucht fertig werden.

Ich ging dazu über, gar nicht mehr zu schlafen. Ich hielt mich mit aller Gewalt wach. Ich hatte Ringe unter den Augen, die schwarzen Balken glichen. Ich schlich als Gespenst umher. Ich aß nichts, ich trank nichts, ich schlief nicht.

Ich lebte nicht.

Und dann wurde es April.

Und es änderte sich gar nichts.

Es war ein schöner Frühlingsmorgen, als der Bote mit der Botschaft vom Fall Saurons ankam. Alles lief herbei und großer Jubel brach aus. Ich lag auf meinem Bett, sah wie die Decke sich drehte und mir auf den Kopf fiel, und dachte, dass es niemals Mai werden würde. Denn Arwen würde erst Anfang Mai zu Aragorn aufbrechen. Dass hieß, wenn sie mich überhaupt mitnahmen. Es würde eine Feier geben. Feiern bedeutet Alkohol bedeutet Versuchung bedeutet Gefahr für Seelenheil bedeutet EMILIA BLEIBT ZU HAUSE!!!!!

Ich seufzte, und die Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich schwieg. Ich weinte in letzter Zeit ständig. Es war nicht nötig, zu schluchzen oder zu schreien oder um sich zu schlagen.

Es interessiert niemanden. Es sind Entzugserscheinungen.

Arwen kam hereingewirbelt. Se strahlte wie eine kleine Supernova. Okay, eigentlich eine sehr, sehr große Supernova.

„Es ist vollbracht! Sie haben es getan! Sie haben den Dunklen Herrscher besiegt!"

Und zu meiner vollkommenen Überraschung umarmte sie mich. „Du hattest recht! Oh, du hattest so recht!"Ich fühlte mich wie in einem Schraubstock. „Was hab ich denn so tolles gemacht?"

Die Supernova explodierte noch mal.

„Du hast mich dazu gebracht, an meinem Weg festzuhalten. Du hast mich überzeugt, nicht aufzugeben! Und du hattest recht! Es ist alles gut geworden!"

„Toll."

Die Supernova verblasste.

„Freust du dich denn gar nicht?"

„Doch klar. Sauron ist tot, toll, superklasse, Mittelerde ist frei, der Feind ist besiegt, Partyhappyhour, everybodys happy now."

Die Supernova war erloschen.

„Du freust dich nicht. Was ist los?"

„Ich bin Drogensüchtig, alkoholsüchtig, ich bin auf Entzug, ich bin auf Turkey. Ich muss mich nicht freuen."

Sie nahm mich in den Arm. „Doch, musst du! Bald werden wir aufbrechen nach Minas Tirith! Und du wirst mitkommen. Du wirst Legolas wieder sehen. Also sei fröhlich. Es ist nicht alles dunkel, weißt du nicht mehr?"

Ich nickte kraftlos, dann lächelte ich schwach. „Sauron ist wirklich besiegt?"

Die Superbnova erstrahlte wieder.

„Ja! Es ist vollbracht. Mittelerde ist wieder frei."

Ich lächelte noch mal. „Das ist schön."

Arwen lächelte ebenfalls. „Ja."

Dann wirbelte sie davon, ein wirbelndes lachendes wunderschönes buntes Irgendwas aus purem Glück.

Sie schloss die Tür, und Dunkelheit umfing mich wieder.

Wenn ich musste, konnte sehr wohl schauspielern.

...

Die Zeit verging quälend langsam. Obwohl Arwen alle Hände voll zu tun hatte und mir genauso viel zu tun gab, zog doch alles irgendwie grau trostlos und uninteressant an mir vorbei.

Es war langweilig.

Dann wurde es Mai, und wir brachen auf. Immer noch schien alles in einen zähen Nebel gehüllt.

Ich war das Desinteresse in Person.

Es war mir egal, dass ich Haldir und Aglariel wieder traf. Es ging mir sonst wo vorbei, dass Celeborn mich prüfend musterte und ein langes Gespräch mit Elrond führte. Es war mir schlicht und einfach egal, dass Galadriel mehrfach versuchte, mit mir zu reden.

Diese Welt war sinnlos. Ich war süchtig.

Irgendwann brachen wir auf, und irgendwann trafen wir unterwegs Elladan und Elrohir, und irgendwann kamen wir in Edoras an, und irgendwann brachen wir endgültig nach Gondor auf, und irgendwann erreichten wir Minas Tirith.

Es war alle so unnötig.

Ich hatte ein neues schönes Kleid an, hellblau und silbern und weiß, und ich muss gut darin ausgesehen haben, denn viele drehten sich nach mir um, doch ich hätte ihnen am liebsten ins Gesicht gebrochen. Es war alles so sinnlos.

Und dann sah ich Legolas.

Da stand er gut gelaunt, gut gebaut, scherzend mit Gimli. Ihm schien es an nichts zu fehlen, er lachte, er hatte eine funkelnd blaue Tunika an und er lächelte. Und dann sah er mich.

Er hatte einen Becher in der Hand gehalten.

Jetzt drückte er ihn Gimli in die Hand. Und lief los.

Er wetzte durch die Menge, als seien sämtliche Balrogs der alten Welt hinter ihm her, stieß Leute um, verhielt sich alles andere als Elbengemäß, erregte Aufsehen.

Und dann war er bei mir.

Er riss mich von Courir herunter und umarmte mich. Er gab mir einen Kuss, und ich hatte das Gefühl, er würde mich nie, nie wieder loslassen. Aber das wollte ich auch gar nicht.

Irgendwann, nach einer Ewigkeit und doch nicht mal einer Sekunde, ließ er los, und ich konnte nach Atem schöpfen. Aber irgendwie klappet das nicht so richtig, und ich kippte um. Es wurde, nach langer Zeit endlich wieder, dunkel.

Eine tiefe, brummige, aber nicht unhöfliche Stimme weckte mich.

„Das sieht den Herrn Elb ähnlich. Immer so unbeherrscht! Kaum taucht eine Dame auf, die bei seinem Anblick nicht gleich in Ohnmacht fällt, dann bringt er sie dazu!"

Und dann antwortete eine Stimme, von der ich hoffte, dass sie mich für den Rest meines Lebens wecken würde.

„Sei still, Gimli. Vor dir liegt eines der größten Wunder der freien Welt. Etwas mehr Respekt bitte!"

„Ich sehe keine glitzernden Höhlen."

„Ich sagte, SEI STILL!"

Ich musste lächeln. Dann öffnete ich die Augen. Und sah in das schönt Gesicht, dass je existiert hatte.

„Hi Legolas."

...

So wenig ich mich zuvor über den Ausgang der Dinge gefreut hatte, sosehr tat ich es jetzt. Die Welt war in Ordnung. Die Welt war GUT. Die Welt lag mir zu Füßen.

Aragorns und Arwens Hochzeit war sehr schön, ich durfte als Blumenmädchen antreten. Die Welt war endlich, endlich in Ordnung.

Auch Legolas und ich wollten heiraten, aber jetzt noch nicht. Er wollte eine Elbenkolonie in Ithilien gründen, und wir hatten ja auch Zeit.

Zwischenzeitlich traf ich auch Legolas´ Vater noch mal. Er war nicht unbedingt begeistert von seiner Wahl, drängte uns aber dennoch, so bald als möglich zu heiraten.

Wir ließen uns Zeit. Legolas hatte auch noch Geschwister. Die würden schon noch den ein oder anderen Erben hervorbringen.

Wir zogen nach Ithilien, und dort gefiel es mir am allerbesten. Gelegentlich traf ich Eowyn oder Arwen, aber meistens war ich mit den Elben unterwegs. Bei jedem Treffen, versäumten es weder Eowyn noch Arwen auf die Vorzüge einer Hochzeit hinzuwiesen, doch ich hatte es nicht eilig.

Irgendwann entschieden wir uns aber doch dafür. Ich hatte es satt, ständig angebaggert zu werden, und allmählich gingen mir die ständigen schrägen Blicke auf den Nerv.

Es war der Abend vor unserer Hochzeit. Ich war aufgeregt, und schon jetzt endlos glücklich. Mein Leben war gut.

Ich saß mit Legolas auf der Terrasse. Ich hatte das silberhellblauweiße Kleid an, dass ich auch schon in Minas Tirith und bei unserer Verlobung getragen hatte. Wir bewunderten die Sterne und ich befahl Legolas, sich einen auszusuchen. Den schenkte ich ihm dann. Zum Dank gab es einen Kuss, und ich konnte mir kein perfekteres Leben vorstellen, außer vielleicht das als seine Ehefrau.

Und dann sah ich es.

Ein goldener Fleck, der mitten in der Luft schwebte, mit silbernen Funken darin.

...

Und ich wusste, dass ich mich nicht weigern durfte.

Ich hatte 50 Jahre in Perfektion leben dürfen, in einer Welt, die so war, wie sie sein sollte. Ich hatte 20 Jahre an Legolas´ Seite verbracht, und es war gut gewesen. Ich durfte nicht mehr verlangen.

Ich stand auf, und Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich küsste ihn, lang, anhaltend, atemberaubend.

Und dann ging ich.

Er wollte mich aufhalten, mich zurückhalten. Ich hatte ihm zwar alles, wirklich alles erzählt, aber er verstand nicht.

Ich auch nicht.

Der goldene Fleck hatte sich erhoben und schwirrte auf mich zu.

Einen Moment zögerte ich. Sollte ich-

-und da war es auch schon in mich reingeschwirrt, das golden Licht, und hatte mich mitgerissen und alles in einen goldenen Strudel verwandelt.

„Carië!" hörte ich ihn noch schreien.

Er hatte mich immer mit Carië angesprochen, weil mir dieser Name auch besser gefiel, weil Emilia in ein anderes Leben gehörte, und weil ich seine vollkommene Welt war, die Krone der Schöpfung.

„Carië!" war alles was ich hörte.

„Carië, warte! Ich liebe dich!"

Ich liebe dich.

Ich musste lächeln, und lächelnd kehrte ich zurück in die kalte, hässliche, widerliche, graue, reale Welt.

.....

Es war dunkel. Es war Nacht. Es war kalt.

„Emilia? Emilia! Hey, was ist hier los?"

Das wollte ich auch gerne wissen.

Ich drehte mich um. Da stand Simon, immer noch verwirrt.

Es war gar keine Zeit vergangen. Nicht einen Minute.

50 Jahre und doch nicht eine Sekunde. Scheiße.

Simon kam jetzt rüber. „Wie siehst du denn aus?"

Gute Frage. Wie sah ich denn aus?

Ich hatte mein Kleid nicht mehr an. Meine alten Klamotten aber auch nicht. Genaugenommen hatte ich eigentlich gar nichts an, bis auf etwas Kühles auf der Haut an meinem Hals. Legolas´ Dolch. Mein Verlobungsgeschenk.

Danke, Dimensionsloch.

Simon legte mir seine Jacke um die Schultern und zog seinen Pulli aus, um ihn mir zu geben.

Es war einer von diesen HipHopschlabberpullis, so dass er mir fast bis zu den Knien reichte.

„Hannan cen1)"

„Häh?"

Ups.

Wer rechnet denn auch mit so was? Ich meine, hey, ich hatte fast 50 Jahre lang bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich nur Sindarin gesprochen! Ich war mir nicht mal sicher, ob ich Deutsch überhaupt noch konnte.

„Danke, Simon."

Doch, ging noch.

„Kein Problem. Er stutzte. „Hey du bist nüchtern!"

„Was dagegen?"

„Ähm... nein. Aber sag mal, was war das eben? Warm bist du in dieses komische Licht rein, und wer hat da eben was gesagt? Klang komisch, wie „Milliken". Wer ist Milliken?"

„Millin cen2)"korrigierte ich ihn. „Das ist keine Person, sondern ein Satz. Hör mal, Simon, können wir diese ganze Gelegenheit nicht einfach vergessen? Das glaubt uns eh keiner."

Er nickte und versprach es mir. Und ich vertraute ihm.

...

Es dauerte ein bisschen, bis ich zu Hause war, denn ich ging zu Fuß, wie ich es auch vorgehabt hatte, vor 50 Jahren und total besoffen. Aber diesmal wollte ich es wirklich.

Meine ganzen Sachen, mein Rucksack, alles war liegengeblieben, als ich in das Loch gefallen war, zum Glück. Mein Badezeug war noch drin, zwar nass, aber immerhin hatte ich jetzt was Unterwäschemäßiges.

Eine halbe Stunde später kam ich daheim an. Ich war gemütlich gelaufen, in einem geradezu faulen tempo. Gott segne das Elbendasein!

Früher hätte ich für die 10km mindestens zwei Stunden gebraucht.

Ich kam heim und schloss auf. Ich hoffte, das meine Eltern schon schliefen, es war ja auch schon halb zwei.

Klick. Tür öffnen. Reischleichen. Tür leise schließen-

„WOWARTSDU???"

Sich nicht erwischen lassen.

„Auf-"Wo war ich gewesen? Das war 50 Jahre her, verdammt!

„Ich-"

„Ja? Und wir schon dabei sind, wie siehst du eigentlich aus? Bist du besoffen?"

„Ja."

Es war die einzige Erklärung, die ziehen würde. Das einzige, was sie mir glauben würde. Das einzige, was realistisch klang. Das einzige, bei dem ich eine winzige Chance hatte, dass sie es mir abnahm.

Und sie tat es. „AB IN DEIN ZIMMER!!!!"

...

Am nächsten Morgen wollte sie eine Erklärung, aber nichts glaubte sie mir, und ich wusste partout absolut gar überhaupt nichts mehr von allem. Hey, hallo, 50 Jahre!

Ich schob es auf den Alkohol, und sie glaubte mir. Bis Montagmittag.

Denn natürlich hielt Simon NICHT seine Klappe.

Flachwichser.

Und er kam bei mir zu Hause vorbei, um seinen Pulli anzuholen. Und unterhielt sich mit meiner Mutter.

E wollte sich wohl bei ihr einschleimen, damit sie ihn mochte, wenn wir zusammen wären. Er glaubte das jetzt nämlich. Weil er doch immer für mich da war.

Das sagte er mir, als wir in meinem Zimmer standen. Ich weiß, dass ihn das einen abartigen Mut gekostet haben muss, und ich verneinte höflich.

Er steckte mir die Zunge in den Hals und ich schmierte ihm eine. „Ich bin verlobt!"

Meine Mutter hielt meine Hand fest. Sie hatte im Türrahmen gestanden und zugesehen. Und zugehört.

„So, mit wem denn? Willst du nicht ehrlich antworten?"

Und ich antwortete.

Ich antwortete fast drei Stunden lang. Meine Mutter war erst wütend, dann blass und schließlich wirkte sie geschockt. Simon verabschiedet sich. „Du hast sie nicht mehr alle. Aber eine blühende Fantasie."

Das dachte meine Mutter sich auch. Sie brachte mich zum Psychiater und zwang mich, alles von neuem zu erzählen. Und der Psychiater war der selben Meinung

Ich wurde eingewiesen.

hannan cen = ich danke dir

2) millin cen = ich liebe dich