3.kapitel

leofric: Danke wieder für dein Review. Ich habe die Geschichte übrigens längst fertig. Serviere sie aber in kleinen Appetithäppchen. ;o)

Die Tage hier sind so entsetzlich lang ohne dich", meinte Éowyn den Tränen nahe. „Ich würde so gerne einmal wieder ausreiten". Faramir strich ihr tröstend über die Wange. „Ich werde mir etwas einfallen lassen, um dich wieder glücklich zu machen".

Bevor der junge Truchseß mit seinen Männern aufbrach, ließ er Helethor zu sich rufen. Er kannte diesen herausfordernden Blick, den der Hauptmann gerne aufsetzte, nur zu gut. Im Ringkrieg hatte Helethor seinerzeit sich geweigert, Osgiliath zu verteidigen, weil er es für verrückt hielt, eine Stadt zu schützen, die sowieso früher oder später in die Hände des übermächtigen Feindes fallen würde. Faramir war damals nahe daran gewesen, seinem Vater eine Meldung über Helethor zu machen. Doch sein treuer Offizier Damrod, der später in Osgiliath fiel, hatte ein gutes Wort für den störrischen jungen Waldläufer eingelegt. Faramir hatte es dann doch nicht bereut, Helethor in seiner Truppe belassen zu haben, denn der junge Mann hatte sich mit seinem geübten Blick für Orkspuren mehr als nützlich erwiesen.

Helethor trat zu Faramir, der bereits auf seinem Pferd saß. „Mylord, was wünscht Ihr von mir?" „Ich möchte, dass Ihr hierbleibt, Hauptmann Helethor, und meiner Gemahlin als Begleiter zu Diensten steht, falls sie heute auszureiten wünscht", erklärte Faramir sachlich.

Helethor hob empört eine Augenbraue. „Dafür bin ich nicht aus Minas Tirith abgeordnet worden, Mylord". „Soll das eine Befehlsverweigerung sein, Helethor?", fragte Faramir – entgegen seinen Gewohnheiten – ziemlich barsch. „Ihr werdet hier das tun, was ich von Euch verlange". In Helethors Gesichtsmuskeln arbeitete es, doch er erwiderte nichts. Stumm verneigte er sich vor Faramir. „Wie Ihr wünscht, Herr", presste er schließlich hervor.

Der Vormittag zog sich zäh dahin wie immer. Éowyn wanderte ruhelos von Raum zu Raum und sah zu den Fenstern hinaus. Sie kam sich vor wie der berühmte Vogel im goldenen Käfig. Dann trat plötzlich Hausdiener Rhivad ein:

„Mylady, unten im Hof wartet Hauptmann Helethor mit 2 gesattelten Pferden. Er hat Anweisung von Euerem Gemahl, Euch zu begleiten, falls Ihr auszureiten wünscht". Éowyn hüpfte das Herz im Leibe, als sie das hörte. Endlich durfte sie wieder im Sattel sitzen und den frischen Wind beim Reiten genießen. Während sie in ihren Gemächern schnell ein Reitkleid anlegte, musste sich grinsen: das war ja ein genialer Schachzug von Faramir, um diesen ungebetenen Helethor loszuwerden.

Der Hauptmann verneigte sich untertänig, als Éowyn unternehmungslustig in den Hof geschritten kam. „So, es kann losgehen!", rief sie freudig und schwang sich in den Sattel.

Zusammen mit Helethor galoppierte sie aus dem Palasttor. Es dauerte lange, bis sie sich durch die verstopften Gassen der großen Hafenstadt durchgequält hatten. Mit fast 50.000 Einwohnern war Pelargir die zweitgrößte Stadt von Gondor. Éowyn war froh, einen bewaffneten Begleiter dabeizuhaben. Allzuoft begegneteten ihnen in den Gassen der Stadt unheimlich aussehende Männer, die sie begierlich anblickten. Mit ihren hellblonden Haaren fiel die schöne Rohirrim natürlich auf in den südlichen Gefilden, wo die Menschen eher dunkle Haare und Haut hatten. Éowyn war heilfroh, als sie endlich die Stadt hinter sich gelassen hatten und sich eine hügelige Graslandschaft vor ihnen auftat, die sie fast ein wenig an Rohan erinnerte. Sie trieb ihre Stute Nerna voran und lachte hell auf, als der Wind mit ihren hüftlangen, offenen Haaren spielte. Helethor hatte offenbar Mühe ihr zu folgen. Schließlich zügelte Éowyn ihr Pferd und beschloß, auf den Hauptmann zu warten, der doch ein Stück zurückgefallen war.

„Ihr seid eine beachtliche Reiterin, Herrin", sagte er mit einem spitzbübischen Lächeln, als er schließlich Éowyn eingeholt hatte. „Wie Ihr vielleicht wisst, Hauptmann Helethor, stamme ich aus Rohan und bin praktisch im Sattel aufgewachsen", erklärte Éowyn stolz. Ihre Wangen waren gerötet von der frischen Luft und von der Anstrengung des Ritts. Helethor fand, dass sie unbeschreiblich schön aussah. Fast atemlos betrachtete er sie. Éowyn lächelte ihn herausfordernd an: „Was ist, Hauptmann, ist Euch der Ritt etwa zu anstrengend?"

„Oh nein", widersprach er heftig. „Ich gehöre zu den besten Reitern Gondors. Auch ich bin praktisch im Sattel aufgewachsen". Éowyn bekam fast einen Lachanfall: so wie sich Helethor im Sattel hielt, war er keineswegs mit dem Reiten vertraut. Diesem Prahlhans wollte sie es zeigen. Sie galoppierte plötzlich los.

„Wartet, Herrin!", rief Helethor besorgt, der wiederum Mühe hatte ihr zu folgen. Doch Éowyn ritt einfach weiter. „Bitte, Herrin!" Éowyn hatte jetzt ein kleines Wäldchen erreicht und ließ Narna über einen umgestürzten Baum springen. Mal sehen, ob Helethor jetzt endlich klein beigab. Schmunzelnd wartete sie mit Narna hinter Büschen versteckt.

Endlich kam Helethor herangeprescht. Suchend sah er sich nach Éowyn um. Dann wollte er sein Pferd ebenfalls über den Baumstamm springen lassen, doch es scheute und der Hauptmann wurde in hohen Bogen aus dem Sattel geworfen. Éowyn presste sich die Hände vor dem Mund, um nicht laut los zulachen. Helethor hatte den Sturz unverletzt überstanden. Er klopfte den Schmutz von seinem ledernen Waffenrock und zog seinen Umhang zurecht, als er wieder aufgestanden war. „Frau Éowyn, wo seid Ihr?", fragte er etwas kläglich. Endlich kam die schöne Rohirrim hinter den Büschen vor. Ein schelmenhaftes Grinsen huschte über ihr Gesicht.

„Nun gebt es endlich zu, Hauptmann Helethor, dass Ihr kein geübter Reiter seid". „Ich habe wohl etwas übertrieben", gestand er reumütig. „Ich hoffe, Ihr verachtet mich nicht deswegen". „Ich denke, wir sollten nach Pelargir zurückkehren – ich habe Hunger", meinte Éowyn und blinzelte in die Sonne, die bereits tief im Süden stand. „Rhivad hat mir Verpflegung mitgegeben für Euch", sagte Helethor eifrig. „Ihr könnt hier unter den Bäumen Euer Mittagsmahl einnehmen". „Das wäre ja herrlich!", schwärmte Éowyn begeistert. „In Rohan habe ich oft im Freien gegessen".

Helethor holte Brot, Käse, Obst und eine Kürbisflasche mit Wasser. Éowyn breitete ein Tuch auf den Waldboden auf. „Ihr werdet doch mitessen, Hauptmann? Das schaffe ich nie im Leben alleine". „Wenn Ihr wünscht, Herrin", erwiderte Helethor höflich und ließ sich gegenüber von Éowyn auf dem Waldboden nieder. Éowyn aß mit gesundem Appetit: so gut hatte es ihr seit Wochen nicht mehr geschmeckt. Zuletzt hatte sie kaum noch etwas zu sich genommen. Das Heimweh nach Rohan und der beengende Palast hatten ihr schier den Magen zugeschnürt.

„Erzählt mir von Rohan!", bat Helethor plötzlich. „Ich habe mich schon immer für die Ruhmestaten der Rohirrim interessiert. Ihr seid doch damals bei der Schlacht um Helm's Klamm dabeigewesen". Éowyns Miene hellte sich noch mehr auf. Es erfüllte sie mit Stolz und Liebe, wenn sie von ihrer Heimat erzählen durfte. Der Hauptmann der Waldläufer war ein aufmerksamer Zuhörer. Er schien nicht genug von Rohan hören zu können.

Schließlich erhob sich Éowyn, als die Sonne schon weit im Westen stand. „Ich möchte nach Hause, Helethor – mein Gemahl kommt sicher auch bald zurück".