2.
Das Geheimnis der Familie Schotter
Auf dem Nachhauseweg brach Larry den Rekord im Langsamgehen, sogar eine Schnecke überholte ihn und insgesamt brauchte er statt gebräuchliche 10 Minuten eine halbe Stunde. Als das Haus der Familie Schotter in Sicht kam verlangsamte Larry nochmals sein Geschwindigkeit. In seinen Gedanken spielte sich schon die Szene ab, die er zu Hause erwartete. Er geht ins Haus, mit undefinierbarer Miene und dann schlägt er die Richtung ins Wohnzimmer ein, wo ihn seine Eltern erwarten. Sie strahlen beide, schließlich erwarten sie, dass Larry wie all die Jahre davor gute Noten bringt. Doch dieses Jahr wird es anders. Wie versteinert und schweigend reicht Larry seinen Eltern das Hexenblatt. Angesicht in Angesicht mit den Fünfern und Sechsern stößt seine Mutter einen spitzen Schrei aus und der Vater donnert los: „HERR LARRY HUGO ADALBERT SCHOTTER WAS FÄLLT DIR EIGENTLCIH EIN, DASS DU DICH MIT SO EINEM ZEUGNIS NOCH BLICKEN LÄSST! ", die Stimme seines Vaters hallte richtig in Larrys Kopf, als dieser, beim beinahen Zusammenstoß mit einem radfahrendem, leuchtend gelben Briefträger, aus seinen Gedanken aufschreckte. Man konnte es schon schwer haben, wenn man das Kind zweier ehemaliger Musterschüler war und die Eltern immer die besten Leistungen von einem erwarteten. Larry seufzte tief. Dann ging er bedächtig zur Haustür, über der ein riesengroßes Schild mit der Aufschrift „Hier haust Familie Schotter"hing, welches wahrscheinlich noch ein Blinder mit Stock entziffern konnte. Die Pforte öffnete sich knarrend, nachdem der Junge dreimal geklopft hatte. „Larry, komm bitte mit mir ins Wohnzimmer", sagte sein Vater mit leiser, trauriger Stimme, während er die schwere Eichenholztür wieder hinter Larry ins Schloss fallen ließ. Im „Living – room"angekommen setzten sich beide, Vater und Sohn, Seite an Seite auf das Sofa. „Deine Mutter kommt gleich.", sprach sein Vater mit der gleichen seltsamen bekümmerten Stimme wie zuvor. Was war nur los mit seinem Vater, fragte sich Larry. „Oh Gott, sie wissen sicher schon von meinem Zeugnis!", fiel ihm ein. Seine Handflächen wurden langsam feucht. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken wild umher. „Wie können sie nur von meinen schlechten Noten erfahren haben?", Larry zermarterte sich das Hirn und überlegte solange bis ihm der Kopf rauchte: „Vielleicht hat die Schule sie angerufen oder die Mutter von Fritz hat mal wieder mit meiner Mutter einen Kaffeeklatsch abgelabert." „Larry? Larry, hörst du mich?"Der Angesprochene schrak auf, er war so in Gedanken gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass seine Mutter, die augenscheinlich schon eine Zeit lang versucht hatte mit ihm zu reden, in das Zimmer gekommen war und sich in den Sessel gesetzt hatte. „Larry, dein Schulzeugnis ist miserabel, das weißt du ja hoffentlich, oder?"Larry nickte artig. „Aber das ist es gar nicht, über was sich dein Vater und ich aufregen. Was wir nicht verstehen können ist, dass du uns nichts davon gesagt hast. Hast du so wenig Vertrauen zu deinen Eltern?" Larry wand sich innerlich, antwortete aber nicht. Stattdessen bückte er sich und griff in seinen Ostpack. (Für die, die jetzt nicht wissen, was mit „Ostpack"gemeint ist; nur zur Information: das ist ein, in Larrys Heimat sehr bekannter, Rucksackhersteller.) Dann kruschtelte und kramte er nach seinem Zeugnis, um es seiner Mutter in die Griffeln zu drücken. Die jedoch wehrte ab. „Nein, Larry, zeig' es mir nicht. Eine erniedrigende Fünf in Heimat- und Sachkunde, eine saftige Sechs in Mathe, noch mal eine Sechs in Sprachbetrachtung, eine satte Fünf in Schönschreiben und eine grauenvolle Sechs Minus in Musik. Auf diesen Anblick kann ich ehrlich gesagt verzichten.", sagte Frau Schotter. Larry war bei jedem Wort immer kleiner geworden und drückte sich nun derart in die Sofapolster, dass er schon die Sprungfedern in seinen Gesäßknochen spürte. Dann auf einmal merkte er, dass seine Mutter ein Schulfach vergessen hatte. „Aber in Sport habe ich eine Zwei!", rief er empört. Seine Eltern schienen es gar nicht gehört zu haben. Eine beunruhigende Stille legte sich über den Raum, so als wäre eine riesige Käseglocke über die 3 Personen auf dem schreiend bunten Sofa gestülpt worden. Sogar der Vater sagte nichts, was normalerweise mehr als ungewöhnlich war. Larry, dem die Geräuschlosigkeit ein wenig unheimlich war, hing wieder seinen Gedanken nach und wunderte sich mehr und mehr darüber, dass seine Mutter all seine Noten schon wusste, bevor sie das Zeugnis überhaupt gesehen hatte. „Wenn sie recherchiert hat, dann hat sie verdammt gut recherchiert!", dachte er und überlegte dabei, wie sie überhaupt auf die Idee gekommen war, nach seinen Noten zu forschen.
„Larry", unterbrach schließlich die Mutter das Schweigen und warf dabei dem Vater einen bedeutenden Blick zu. „ich wünsche, dass du dich unverzüglich auf dein Zimmer begibst. Dein Vater und ich wollen gerne etwas besprechen." Ohne Wiederworte schlich Larry in sein Zimmer und legte sich auf sein Bett. Seine Gedanken schweiften zu Fritz, der jetzt wahrscheinlich über seine Koffer gebeugt war und überlegte, was er auf die Reise nach Japan alles mitnehmen sollte. Plötzlich schellte im Erdgeschoss das Telefon. Hastig richtete er sich auf und raste wie eine gesenkte Sau die Treppe hinunter. (Welch Wunder, dass er nicht gestürzt ist) „Das ist sicher Fritz.", dachte er. Als er die letzte Stufe zum Untergeschoss mit einem hechtartigen Sprung hinter sich ließ, hörte er aus dem Wohnzimmer die Stimmen seiner Eltern, doch das Rasseln des Telefonapparates (welches hypermodern war: nämlich noch mit Drehscheibe zum Wählen) war so drängend, dass er die Gelegenheit, seine Erziehungsberechtigten zu belauschen nicht ergriff. Stattdessen griff er zielbewusst zum Hörer und augenblicklich drang leicht rauschend Fritz' vertraute Stimme zu ihm durch. „Hi, Sumpfnase, wie steh'n die Aktien? Hast du deinen Alten schon dein ‚supertolles' Zeugnis unter die Nase gerieben?"(Zwischen den beiden Kumpeln war es üblich, dass sie sich gegenseitig scherzhaft mit Schimpfwörtern bezeichneten) „Vergiss' es, du Stinker. Meine Eltern wussten schon Bescheid. Aber frag' mich nicht, woher sie von meinen Noten Wind bekommen haben." „Und? Wie haben sie reagiert? Ich mein', sie werden dich jawohl nicht ungespitzt in den Boden gerammt haben. Oder?" „Nicht ganz so drastisch. Schließlich lebe ich ja noch." „Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?", scherzte Fritz. „Wir werden sehen.", meinte Larry, packte das Telefon und schleppte es hoch in sein Gemach, das Kabel hinter sich her schleifend (nur gut das es so lang war). Dann unterhielten sie sich noch über dies und das, während Larry sich brettelbreit auf seine Fensterbank pflanzte und in den herrlich blauen Himmel starrte. Das Gespräch flaute langsam ab und wurde immer müder. Beide ließen die Floskeln ab, die sie noch für nötig hielten: „Schöne Ferien!" „Gute Reise!" „Schöne Grüße an deine Alten!" „Viel Spaß in Japan!" Dann herrschte auf beiden Seiten der Leitung Stille. Nur die regelmäßigen Atemzüge am jeweils anderen Ende sagten jedem von ihnen, dass der Andere noch dran war. „Du Fritz, ich muss Schluss machen.", sagte Larry. „Ja, du, ich ebenfalls.", meinte Fritz. „Sonst mach' ich noch meiner Schwester im Langtelefonieren Konkurrenz."Fast gegen seinen Willen, musste Larry grinsen. Nur zu gut kannte er das Schwesterchen seines besten Freundes. Ingrid konnte stundenlang an der Strippe hängen ohne das ihr jemals die Gesprächsthemen ausgingen. „Also, Ciao Larry." Und "Klick": schon hatte Fritz aufgelegt. Larry hielt den Hörer noch einige Augenblicke an seine Lauscher und seufzte tief. Er konnte es gar nicht richtig fassen, dass er Fritz nun für den Rest der Sommerferien nicht mehr sehen würde. Eine kleine heiße Träne rollte über seine Wange und tropfte auf seinen Pullover mit „Harry Potter©"–Aufdruck. Einen kurzen Augenblick noch blieb Larry auf dem Fenstersims sitzen und stierte mit leerem Blick hinunter auf die Straße. Auf dem gegenüberliegenden Gehsteig war gerade eine Familie dabei jede Menge Gepäck in ein scheinbar viel zu kleines Auto zu hieven. „Alle verreisen sie.", dachte Larry wehmütig. „Nur ich nicht."Deprimiert ließ er den Hörer auf die Gabel sinken und sprang von der Fensterbank (nicht aus dem Fenster!). Wenig schwungvoll verließ er sein bescheidenes Zimmer (wobei unter bescheiden 60 m² zu verstehen ist) und kroch die Stiege herunter, die Telefonapparatschaft mit beiden Händen haltend. (Ein Glück, dass er nicht gestolpert ist und sich das Genick gebrochen hat, sonst wäre die Geschichte jetzt aus.) Im Erdgeschoss stellte er den Klingelapparat an seinen Platz auf das Beistelltischen mit schönem, selbstgemachtem Häkeldeckchen. Plötzlich verfing sich sein Fuß in dem Gewurstel des Kabels und er flog der Länge nach hin. „Verdammt!", fluchte er und massierte seine schmerzenden Knöchel. Dann hörte er die anschwellenden Stimmen seiner Eltern. Sie erwähnten seinen Namen. Unwillkürlich hielt er die Luft an und lauschte. Dann richtete der Junge sich ein bisschen auf und robbte näher zur Tür, um besser hören zu können. „Gunther, jetzt hör' mir doch mal zu! Es geht hier schließlich um unseren Sohn!", rief Frau Schotter ungeduldig. „Das weiß' ich ja.", murrte das Familienoberhaupt. Seiner Stimme war anzumerken, dass er jedem weiteren Gespräch nicht sehr offenherzig gegenüberstand. „Gunther, versteh' doch, dieses Internat ist das Beste was Larry passieren kann!" Bei dem Wort ‚Internat' japste Larry erschrocken und atmete so tief ein, dass sich Brust und Bauchdecke gleichzeitig hoben. „O Gott! Ein Internat!", der Junge war wie gelähmt. „Das können sie mir nicht antun! Da werde ich streiken. Niemals gehe ich auf so eine bescheuerte Schule! Keine 10 Pferde bringen mich dorthin!"Alles in Larry wehrte sich gegen den Gedanken auf ein Internat zu gehen und sogar seine Nackenhaare sträubten sich angewidert. Er sah sich schon mit schmieriger Schuluniform und glatt gelecktem Scheitel durch die gebohnerten Gänge eines Internats eilen. Einem Albtraum gleich, spielte sich dann vor seinen inneren Auge eine schreckliche Szene ab: er, Larry, allein an einem Pult sitzend in einem Klassenzimmer während alle anderen Mitschüler mit dem Zeigefinger auf ihn deuten und lachen, weil er doch der größte Loser des Universums war. Das Szenario kam Larry so real vor, dass er das meckernde Gekicher der Schüler zu hören glaubte und er schüttelte heftig den Kopf um das Bild zu vertreiben. „Warum ausgerechnet ein Internat?", winselte Larry leise. Warum? Warum? Warum? Warum? Der Junge betete das Wort so lange vor sich hin bis es jede Bedeutung verloren hatte. Seine erhitzten Wangen kühlten sich langsam wieder ab. Noch war ja überhaupt nichts entschieden, denn wie es schien, war Herr Schotter der gleichen Meinung wie sein Sohn. „Nein, Brunhilde , mein Sohn wird nicht auf dieses Internat gehen! Nicht solange ich lebe!", sagte er mit Nachdruck und einem Tonfall, der eigentlich keinen Widerspruch duldete. „Ach Gunter", Larrys Mutter versuchte es auf die sanfte Tour. „Jetzt werde ich dir noch ein leckeres Stück Kuchen geben und dann lese ich dir noch einmal aus dem Prospekt des Internats vor." „Dur brauchst mir das gar nicht mehr vorlesen. Es wird sich an meiner Ansicht nichts ändern. Meine Meinung war nein, meine Meinung ist nein und sie wird auch nein bleiben!", donnerte der Vater. „Wie kannst du nur so stur sein, Gunther?", schimpfte die Mutter. „Ich und stur?! Wer hat denn hier den größten Dickschädel?" Eine Weile war es still hinter der Wohnzimmertür. Doch Larry wusste: das war nur die Ruhe vor dem Sturm. „Außerdem möchte ich, dass du endlich mit diesen esoterischen Schwachsinn aufhörst. Bist du dir darüber im Klaren, dass wir gerade dabei sind zu diskutieren, ob unser Sohn auf ein Zauberinternat für angehende Hexen und Magier gehen soll? Mal ehrlich, es reicht mir schon, dass du von der festen Überzeugung bist, eine Hexe zu sein, aber wenn du jetzt auch noch damit anfängst unserem guten Jungen solchen Blödsinn in den Kopf zu setzen, dann nicht mit mir. Notfalls lass' ich mich scheiden!", der Vater konnte sich nur noch mühsam beherrschen. „Bei der Scheidung habe ich aber auch noch ein Wörtchen mit zu reden und ich plädiere für: KEINE SCHEIDUNG! Oder hast du schon vergessen, wem das Haus und das gesamte Vermögen gehört?", meinte die Mutter. Schnell wechselte der Vater das Thema: „Unser Larry bracht keine Hexenschule, sondern eine zuverlässige Nachhilfelehrerin, die ihm das wieder beibringt, was er in der Schule verpasst hat.", der Vater spielte auf Larrys schlechte Noten an. „Wenn du dein Okay gibst, dass unser Sprössling das Blocksberg©® - Internat besuchen darf, dann kümmere ich mich eigenhändig darum, dass Larry während den Sommerferien jeden Tag Nachhilfe bekommt.", schlug Brunhilde einen Kompromiss vor. „Ja klar und anschließend verheiraten wir ihn mit Bibi Blocksberg©™!", witzelte Gunther. Irgendwie kam sich Larry verarscht vor. Seine rechtlichen Vertreter diskutierten da einfach hinter seinem Rücken über etwas, das ihn eigentlich am Meisten anging. (Tja, Larry, wer zu spät kommt, verpasst das Beste!) „Weißt du, Brunhilde, was mich wundert ist deine kindliche Naivität. Hast du schon mal daran gedacht, dass die Schüler dieses Internats alle mit Drogen voll gepumpt werden und dadurch in der Lage sind an Magie und Zauberei zu glauben, ohne das es das wirklich gibt!" Aufgebracht unterbrach ihn die Mutter: „Du hast nicht das Recht dazu hier etwas in Frage zustellen auf das meine Vorfahren generationenlang gebaut und vertraut haben!" „Das tu' ich doch gar nicht. Ich möchte nur verhindern, dass Larry in dieses Milieu der drogenabhängigen Kiffer abrutscht!", schrie der Vater. „Nenn' die Mitglieder des ‚Zauberhaften Zirkels' noch einmal Kiffer und du kannst dein lilablassblaues Wunder erleben!", drohte Brunhilde. „Ach ja, rufst du dann Piper©, Pheobe© und Paige©, die ‚mächtigen Drei®™' zu Hilfe?"(Gunther war nämlich auch ein Fan der Fernsehserie ‚Charmed – Zauberhafte Hexen') Larry grinste in sich hinein und dachte bei sich: „Juhu, gleich gibst Elterncatchen!" „Gunther, du kannst dir deine unangebrachten Scherze sparen!", tadelte die Mutter und stöhnte dann: „Warum habe ich nur einen Normalsterblichen geheiratet?" „Und warum musste ich eine Möchtegernesoterikerin zu meiner Frau nehmen?", murmelte Gunther. „Hast du mich gerade Möchtegernesoterikerin genannt?", schrie Frau Schotter außer sich vor Empörung. Im Wohnzimmer wurde es still. Dann auf einmal waren heftige Würgegeräusche zu hören. „Himmel!", erschrak Larry. „Jetzt bringt sie ihn um. Jetzt bringt meine Mom meinen Dad um!"(Keine Angst, die Autoren können Entwarnung geben: Natürlich brachte Larrys Mutter ihren Mann nicht um) „Gunther, nun würg' den Kuchen doch nicht so runter. Das ist ja unmöglich, du schlingst wie ein Scheunendrescher! Die Torte läuft dir doch nicht weg!", ermahnte Brunhilde gereizt. „Och aprobos", nuschelte das Familienoberhaupt mit vollem Mund. (Tz, tz, tz, mit vollem Mund spricht man nicht!) „Da Bienschtisch schmägt vörzüschlisch!"(Tja, ab 99% wird's undeutlich, lieber Herr Schotter!) „Ich wollte sagen: Der Bienenstich schmeckt vorzüglich!" „Erstens: das war ein Gugelhupf und zweitens: du lenkst vom Thema ab.", war Brunhildes einziger Kommentar. „Weißt du Gunther, du müsstest mal versuchen die ganze Geschichte von meinem Standpunkt aus zu betrachten. Ich bin eine richtige Vollbluthexe und mein Herz pumpt magisches Blut durch meine Adern. Das ist mein Geheimnis, unser beider Geheimnis und bald auch das Geheimnis von Larry. Unser Sohn hat die Magie von mir geerbt, nur weiß er noch nichts davon. Aber wenn er erst einmal lernt, seine überirdischen Kräfte und Fähigkeiten zu erkennen, zu entwickeln und sie sinnvoll einzusetzen, dann kann er stolz darauf sein, etwas ganz besonderes zu sein und zwar ein Hexer und Mitglied des ‚Zauberhaften Zirkels'." Larry, der immer noch auf dem flauschig-weichen Teppichboden saß, stand langsam auf, er hatte genug gehört. Jetzt musste er erst nachdenken und diese unglaubliche Sache soweit mal verdauen. Schmerzhaft bemerkte er, dass er sich beim Stolpern über das ewig lange Telefonkabel ernsthaft den Knöchel verletzt hatte und dieser bei der plötzlichen Belastung wieder ziemlich wehtat. (Liebe Leserinnen und Leser, wird bitten Sie an dieser Stelle um eine Runde Mitleid für den armen Larry: Ohhhhhhhh.....Danke, das reicht schon und nun eine Runde Schadenfreude: Hihihihihi.....Haben Sie herzlichen Dank, das wird ihn sicher wieder aufbauen. Also Larry, raff' dich auf, Indianer kennt doch bekanntlich keinen Schmerz!) Verwirrt humpelte Larry die Treppe hinauf und dachte über das Gespräch nach, welches er gerade mehr oder weniger unfreiwillig belauscht hatte. Je länger er grübelte, desto mehr kam ihm alles wie ein Traum vor. In seinem Zimmer angekommen, ließ er sich augenblicklich in voller Montur in die mollig- warmen Kissen seines barbiepinken Himmelbettes sinken und starrte Löcher in die Decke. „Wenn dies ein Traum ist", dachte er. „Dann muss ich eben warten bis ich daraus wieder aufwache!"
Das Geheimnis der Familie Schotter
Auf dem Nachhauseweg brach Larry den Rekord im Langsamgehen, sogar eine Schnecke überholte ihn und insgesamt brauchte er statt gebräuchliche 10 Minuten eine halbe Stunde. Als das Haus der Familie Schotter in Sicht kam verlangsamte Larry nochmals sein Geschwindigkeit. In seinen Gedanken spielte sich schon die Szene ab, die er zu Hause erwartete. Er geht ins Haus, mit undefinierbarer Miene und dann schlägt er die Richtung ins Wohnzimmer ein, wo ihn seine Eltern erwarten. Sie strahlen beide, schließlich erwarten sie, dass Larry wie all die Jahre davor gute Noten bringt. Doch dieses Jahr wird es anders. Wie versteinert und schweigend reicht Larry seinen Eltern das Hexenblatt. Angesicht in Angesicht mit den Fünfern und Sechsern stößt seine Mutter einen spitzen Schrei aus und der Vater donnert los: „HERR LARRY HUGO ADALBERT SCHOTTER WAS FÄLLT DIR EIGENTLCIH EIN, DASS DU DICH MIT SO EINEM ZEUGNIS NOCH BLICKEN LÄSST! ", die Stimme seines Vaters hallte richtig in Larrys Kopf, als dieser, beim beinahen Zusammenstoß mit einem radfahrendem, leuchtend gelben Briefträger, aus seinen Gedanken aufschreckte. Man konnte es schon schwer haben, wenn man das Kind zweier ehemaliger Musterschüler war und die Eltern immer die besten Leistungen von einem erwarteten. Larry seufzte tief. Dann ging er bedächtig zur Haustür, über der ein riesengroßes Schild mit der Aufschrift „Hier haust Familie Schotter"hing, welches wahrscheinlich noch ein Blinder mit Stock entziffern konnte. Die Pforte öffnete sich knarrend, nachdem der Junge dreimal geklopft hatte. „Larry, komm bitte mit mir ins Wohnzimmer", sagte sein Vater mit leiser, trauriger Stimme, während er die schwere Eichenholztür wieder hinter Larry ins Schloss fallen ließ. Im „Living – room"angekommen setzten sich beide, Vater und Sohn, Seite an Seite auf das Sofa. „Deine Mutter kommt gleich.", sprach sein Vater mit der gleichen seltsamen bekümmerten Stimme wie zuvor. Was war nur los mit seinem Vater, fragte sich Larry. „Oh Gott, sie wissen sicher schon von meinem Zeugnis!", fiel ihm ein. Seine Handflächen wurden langsam feucht. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken wild umher. „Wie können sie nur von meinen schlechten Noten erfahren haben?", Larry zermarterte sich das Hirn und überlegte solange bis ihm der Kopf rauchte: „Vielleicht hat die Schule sie angerufen oder die Mutter von Fritz hat mal wieder mit meiner Mutter einen Kaffeeklatsch abgelabert." „Larry? Larry, hörst du mich?"Der Angesprochene schrak auf, er war so in Gedanken gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass seine Mutter, die augenscheinlich schon eine Zeit lang versucht hatte mit ihm zu reden, in das Zimmer gekommen war und sich in den Sessel gesetzt hatte. „Larry, dein Schulzeugnis ist miserabel, das weißt du ja hoffentlich, oder?"Larry nickte artig. „Aber das ist es gar nicht, über was sich dein Vater und ich aufregen. Was wir nicht verstehen können ist, dass du uns nichts davon gesagt hast. Hast du so wenig Vertrauen zu deinen Eltern?" Larry wand sich innerlich, antwortete aber nicht. Stattdessen bückte er sich und griff in seinen Ostpack. (Für die, die jetzt nicht wissen, was mit „Ostpack"gemeint ist; nur zur Information: das ist ein, in Larrys Heimat sehr bekannter, Rucksackhersteller.) Dann kruschtelte und kramte er nach seinem Zeugnis, um es seiner Mutter in die Griffeln zu drücken. Die jedoch wehrte ab. „Nein, Larry, zeig' es mir nicht. Eine erniedrigende Fünf in Heimat- und Sachkunde, eine saftige Sechs in Mathe, noch mal eine Sechs in Sprachbetrachtung, eine satte Fünf in Schönschreiben und eine grauenvolle Sechs Minus in Musik. Auf diesen Anblick kann ich ehrlich gesagt verzichten.", sagte Frau Schotter. Larry war bei jedem Wort immer kleiner geworden und drückte sich nun derart in die Sofapolster, dass er schon die Sprungfedern in seinen Gesäßknochen spürte. Dann auf einmal merkte er, dass seine Mutter ein Schulfach vergessen hatte. „Aber in Sport habe ich eine Zwei!", rief er empört. Seine Eltern schienen es gar nicht gehört zu haben. Eine beunruhigende Stille legte sich über den Raum, so als wäre eine riesige Käseglocke über die 3 Personen auf dem schreiend bunten Sofa gestülpt worden. Sogar der Vater sagte nichts, was normalerweise mehr als ungewöhnlich war. Larry, dem die Geräuschlosigkeit ein wenig unheimlich war, hing wieder seinen Gedanken nach und wunderte sich mehr und mehr darüber, dass seine Mutter all seine Noten schon wusste, bevor sie das Zeugnis überhaupt gesehen hatte. „Wenn sie recherchiert hat, dann hat sie verdammt gut recherchiert!", dachte er und überlegte dabei, wie sie überhaupt auf die Idee gekommen war, nach seinen Noten zu forschen.
„Larry", unterbrach schließlich die Mutter das Schweigen und warf dabei dem Vater einen bedeutenden Blick zu. „ich wünsche, dass du dich unverzüglich auf dein Zimmer begibst. Dein Vater und ich wollen gerne etwas besprechen." Ohne Wiederworte schlich Larry in sein Zimmer und legte sich auf sein Bett. Seine Gedanken schweiften zu Fritz, der jetzt wahrscheinlich über seine Koffer gebeugt war und überlegte, was er auf die Reise nach Japan alles mitnehmen sollte. Plötzlich schellte im Erdgeschoss das Telefon. Hastig richtete er sich auf und raste wie eine gesenkte Sau die Treppe hinunter. (Welch Wunder, dass er nicht gestürzt ist) „Das ist sicher Fritz.", dachte er. Als er die letzte Stufe zum Untergeschoss mit einem hechtartigen Sprung hinter sich ließ, hörte er aus dem Wohnzimmer die Stimmen seiner Eltern, doch das Rasseln des Telefonapparates (welches hypermodern war: nämlich noch mit Drehscheibe zum Wählen) war so drängend, dass er die Gelegenheit, seine Erziehungsberechtigten zu belauschen nicht ergriff. Stattdessen griff er zielbewusst zum Hörer und augenblicklich drang leicht rauschend Fritz' vertraute Stimme zu ihm durch. „Hi, Sumpfnase, wie steh'n die Aktien? Hast du deinen Alten schon dein ‚supertolles' Zeugnis unter die Nase gerieben?"(Zwischen den beiden Kumpeln war es üblich, dass sie sich gegenseitig scherzhaft mit Schimpfwörtern bezeichneten) „Vergiss' es, du Stinker. Meine Eltern wussten schon Bescheid. Aber frag' mich nicht, woher sie von meinen Noten Wind bekommen haben." „Und? Wie haben sie reagiert? Ich mein', sie werden dich jawohl nicht ungespitzt in den Boden gerammt haben. Oder?" „Nicht ganz so drastisch. Schließlich lebe ich ja noch." „Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?", scherzte Fritz. „Wir werden sehen.", meinte Larry, packte das Telefon und schleppte es hoch in sein Gemach, das Kabel hinter sich her schleifend (nur gut das es so lang war). Dann unterhielten sie sich noch über dies und das, während Larry sich brettelbreit auf seine Fensterbank pflanzte und in den herrlich blauen Himmel starrte. Das Gespräch flaute langsam ab und wurde immer müder. Beide ließen die Floskeln ab, die sie noch für nötig hielten: „Schöne Ferien!" „Gute Reise!" „Schöne Grüße an deine Alten!" „Viel Spaß in Japan!" Dann herrschte auf beiden Seiten der Leitung Stille. Nur die regelmäßigen Atemzüge am jeweils anderen Ende sagten jedem von ihnen, dass der Andere noch dran war. „Du Fritz, ich muss Schluss machen.", sagte Larry. „Ja, du, ich ebenfalls.", meinte Fritz. „Sonst mach' ich noch meiner Schwester im Langtelefonieren Konkurrenz."Fast gegen seinen Willen, musste Larry grinsen. Nur zu gut kannte er das Schwesterchen seines besten Freundes. Ingrid konnte stundenlang an der Strippe hängen ohne das ihr jemals die Gesprächsthemen ausgingen. „Also, Ciao Larry." Und "Klick": schon hatte Fritz aufgelegt. Larry hielt den Hörer noch einige Augenblicke an seine Lauscher und seufzte tief. Er konnte es gar nicht richtig fassen, dass er Fritz nun für den Rest der Sommerferien nicht mehr sehen würde. Eine kleine heiße Träne rollte über seine Wange und tropfte auf seinen Pullover mit „Harry Potter©"–Aufdruck. Einen kurzen Augenblick noch blieb Larry auf dem Fenstersims sitzen und stierte mit leerem Blick hinunter auf die Straße. Auf dem gegenüberliegenden Gehsteig war gerade eine Familie dabei jede Menge Gepäck in ein scheinbar viel zu kleines Auto zu hieven. „Alle verreisen sie.", dachte Larry wehmütig. „Nur ich nicht."Deprimiert ließ er den Hörer auf die Gabel sinken und sprang von der Fensterbank (nicht aus dem Fenster!). Wenig schwungvoll verließ er sein bescheidenes Zimmer (wobei unter bescheiden 60 m² zu verstehen ist) und kroch die Stiege herunter, die Telefonapparatschaft mit beiden Händen haltend. (Ein Glück, dass er nicht gestolpert ist und sich das Genick gebrochen hat, sonst wäre die Geschichte jetzt aus.) Im Erdgeschoss stellte er den Klingelapparat an seinen Platz auf das Beistelltischen mit schönem, selbstgemachtem Häkeldeckchen. Plötzlich verfing sich sein Fuß in dem Gewurstel des Kabels und er flog der Länge nach hin. „Verdammt!", fluchte er und massierte seine schmerzenden Knöchel. Dann hörte er die anschwellenden Stimmen seiner Eltern. Sie erwähnten seinen Namen. Unwillkürlich hielt er die Luft an und lauschte. Dann richtete der Junge sich ein bisschen auf und robbte näher zur Tür, um besser hören zu können. „Gunther, jetzt hör' mir doch mal zu! Es geht hier schließlich um unseren Sohn!", rief Frau Schotter ungeduldig. „Das weiß' ich ja.", murrte das Familienoberhaupt. Seiner Stimme war anzumerken, dass er jedem weiteren Gespräch nicht sehr offenherzig gegenüberstand. „Gunther, versteh' doch, dieses Internat ist das Beste was Larry passieren kann!" Bei dem Wort ‚Internat' japste Larry erschrocken und atmete so tief ein, dass sich Brust und Bauchdecke gleichzeitig hoben. „O Gott! Ein Internat!", der Junge war wie gelähmt. „Das können sie mir nicht antun! Da werde ich streiken. Niemals gehe ich auf so eine bescheuerte Schule! Keine 10 Pferde bringen mich dorthin!"Alles in Larry wehrte sich gegen den Gedanken auf ein Internat zu gehen und sogar seine Nackenhaare sträubten sich angewidert. Er sah sich schon mit schmieriger Schuluniform und glatt gelecktem Scheitel durch die gebohnerten Gänge eines Internats eilen. Einem Albtraum gleich, spielte sich dann vor seinen inneren Auge eine schreckliche Szene ab: er, Larry, allein an einem Pult sitzend in einem Klassenzimmer während alle anderen Mitschüler mit dem Zeigefinger auf ihn deuten und lachen, weil er doch der größte Loser des Universums war. Das Szenario kam Larry so real vor, dass er das meckernde Gekicher der Schüler zu hören glaubte und er schüttelte heftig den Kopf um das Bild zu vertreiben. „Warum ausgerechnet ein Internat?", winselte Larry leise. Warum? Warum? Warum? Warum? Der Junge betete das Wort so lange vor sich hin bis es jede Bedeutung verloren hatte. Seine erhitzten Wangen kühlten sich langsam wieder ab. Noch war ja überhaupt nichts entschieden, denn wie es schien, war Herr Schotter der gleichen Meinung wie sein Sohn. „Nein, Brunhilde , mein Sohn wird nicht auf dieses Internat gehen! Nicht solange ich lebe!", sagte er mit Nachdruck und einem Tonfall, der eigentlich keinen Widerspruch duldete. „Ach Gunter", Larrys Mutter versuchte es auf die sanfte Tour. „Jetzt werde ich dir noch ein leckeres Stück Kuchen geben und dann lese ich dir noch einmal aus dem Prospekt des Internats vor." „Dur brauchst mir das gar nicht mehr vorlesen. Es wird sich an meiner Ansicht nichts ändern. Meine Meinung war nein, meine Meinung ist nein und sie wird auch nein bleiben!", donnerte der Vater. „Wie kannst du nur so stur sein, Gunther?", schimpfte die Mutter. „Ich und stur?! Wer hat denn hier den größten Dickschädel?" Eine Weile war es still hinter der Wohnzimmertür. Doch Larry wusste: das war nur die Ruhe vor dem Sturm. „Außerdem möchte ich, dass du endlich mit diesen esoterischen Schwachsinn aufhörst. Bist du dir darüber im Klaren, dass wir gerade dabei sind zu diskutieren, ob unser Sohn auf ein Zauberinternat für angehende Hexen und Magier gehen soll? Mal ehrlich, es reicht mir schon, dass du von der festen Überzeugung bist, eine Hexe zu sein, aber wenn du jetzt auch noch damit anfängst unserem guten Jungen solchen Blödsinn in den Kopf zu setzen, dann nicht mit mir. Notfalls lass' ich mich scheiden!", der Vater konnte sich nur noch mühsam beherrschen. „Bei der Scheidung habe ich aber auch noch ein Wörtchen mit zu reden und ich plädiere für: KEINE SCHEIDUNG! Oder hast du schon vergessen, wem das Haus und das gesamte Vermögen gehört?", meinte die Mutter. Schnell wechselte der Vater das Thema: „Unser Larry bracht keine Hexenschule, sondern eine zuverlässige Nachhilfelehrerin, die ihm das wieder beibringt, was er in der Schule verpasst hat.", der Vater spielte auf Larrys schlechte Noten an. „Wenn du dein Okay gibst, dass unser Sprössling das Blocksberg©® - Internat besuchen darf, dann kümmere ich mich eigenhändig darum, dass Larry während den Sommerferien jeden Tag Nachhilfe bekommt.", schlug Brunhilde einen Kompromiss vor. „Ja klar und anschließend verheiraten wir ihn mit Bibi Blocksberg©™!", witzelte Gunther. Irgendwie kam sich Larry verarscht vor. Seine rechtlichen Vertreter diskutierten da einfach hinter seinem Rücken über etwas, das ihn eigentlich am Meisten anging. (Tja, Larry, wer zu spät kommt, verpasst das Beste!) „Weißt du, Brunhilde, was mich wundert ist deine kindliche Naivität. Hast du schon mal daran gedacht, dass die Schüler dieses Internats alle mit Drogen voll gepumpt werden und dadurch in der Lage sind an Magie und Zauberei zu glauben, ohne das es das wirklich gibt!" Aufgebracht unterbrach ihn die Mutter: „Du hast nicht das Recht dazu hier etwas in Frage zustellen auf das meine Vorfahren generationenlang gebaut und vertraut haben!" „Das tu' ich doch gar nicht. Ich möchte nur verhindern, dass Larry in dieses Milieu der drogenabhängigen Kiffer abrutscht!", schrie der Vater. „Nenn' die Mitglieder des ‚Zauberhaften Zirkels' noch einmal Kiffer und du kannst dein lilablassblaues Wunder erleben!", drohte Brunhilde. „Ach ja, rufst du dann Piper©, Pheobe© und Paige©, die ‚mächtigen Drei®™' zu Hilfe?"(Gunther war nämlich auch ein Fan der Fernsehserie ‚Charmed – Zauberhafte Hexen') Larry grinste in sich hinein und dachte bei sich: „Juhu, gleich gibst Elterncatchen!" „Gunther, du kannst dir deine unangebrachten Scherze sparen!", tadelte die Mutter und stöhnte dann: „Warum habe ich nur einen Normalsterblichen geheiratet?" „Und warum musste ich eine Möchtegernesoterikerin zu meiner Frau nehmen?", murmelte Gunther. „Hast du mich gerade Möchtegernesoterikerin genannt?", schrie Frau Schotter außer sich vor Empörung. Im Wohnzimmer wurde es still. Dann auf einmal waren heftige Würgegeräusche zu hören. „Himmel!", erschrak Larry. „Jetzt bringt sie ihn um. Jetzt bringt meine Mom meinen Dad um!"(Keine Angst, die Autoren können Entwarnung geben: Natürlich brachte Larrys Mutter ihren Mann nicht um) „Gunther, nun würg' den Kuchen doch nicht so runter. Das ist ja unmöglich, du schlingst wie ein Scheunendrescher! Die Torte läuft dir doch nicht weg!", ermahnte Brunhilde gereizt. „Och aprobos", nuschelte das Familienoberhaupt mit vollem Mund. (Tz, tz, tz, mit vollem Mund spricht man nicht!) „Da Bienschtisch schmägt vörzüschlisch!"(Tja, ab 99% wird's undeutlich, lieber Herr Schotter!) „Ich wollte sagen: Der Bienenstich schmeckt vorzüglich!" „Erstens: das war ein Gugelhupf und zweitens: du lenkst vom Thema ab.", war Brunhildes einziger Kommentar. „Weißt du Gunther, du müsstest mal versuchen die ganze Geschichte von meinem Standpunkt aus zu betrachten. Ich bin eine richtige Vollbluthexe und mein Herz pumpt magisches Blut durch meine Adern. Das ist mein Geheimnis, unser beider Geheimnis und bald auch das Geheimnis von Larry. Unser Sohn hat die Magie von mir geerbt, nur weiß er noch nichts davon. Aber wenn er erst einmal lernt, seine überirdischen Kräfte und Fähigkeiten zu erkennen, zu entwickeln und sie sinnvoll einzusetzen, dann kann er stolz darauf sein, etwas ganz besonderes zu sein und zwar ein Hexer und Mitglied des ‚Zauberhaften Zirkels'." Larry, der immer noch auf dem flauschig-weichen Teppichboden saß, stand langsam auf, er hatte genug gehört. Jetzt musste er erst nachdenken und diese unglaubliche Sache soweit mal verdauen. Schmerzhaft bemerkte er, dass er sich beim Stolpern über das ewig lange Telefonkabel ernsthaft den Knöchel verletzt hatte und dieser bei der plötzlichen Belastung wieder ziemlich wehtat. (Liebe Leserinnen und Leser, wird bitten Sie an dieser Stelle um eine Runde Mitleid für den armen Larry: Ohhhhhhhh.....Danke, das reicht schon und nun eine Runde Schadenfreude: Hihihihihi.....Haben Sie herzlichen Dank, das wird ihn sicher wieder aufbauen. Also Larry, raff' dich auf, Indianer kennt doch bekanntlich keinen Schmerz!) Verwirrt humpelte Larry die Treppe hinauf und dachte über das Gespräch nach, welches er gerade mehr oder weniger unfreiwillig belauscht hatte. Je länger er grübelte, desto mehr kam ihm alles wie ein Traum vor. In seinem Zimmer angekommen, ließ er sich augenblicklich in voller Montur in die mollig- warmen Kissen seines barbiepinken Himmelbettes sinken und starrte Löcher in die Decke. „Wenn dies ein Traum ist", dachte er. „Dann muss ich eben warten bis ich daraus wieder aufwache!"
