Kapitel VIII - Fuga
Nach der relativ weichen Landung wurde ich wie ein Invalide in einen Rollstuhl gehievt und in ein Militärjeep geladen. Glücklicherweise schien niemand bemerkt zu haben, dass ich wieder die volle Kontrolle über meinen Körper erlangt hatte. Karels Komplizen machten sich nicht einmal die Mühe, mich anzuketten, hielten aber trotzdem stets einige Meter Sicherheitsabstand von mir. Was mich jetzt erwartete, war ein Kinderspiel: den richtigen Augenblick abwarten, um mich dann elegant aus meiner Lage zu befreien.
In der Abenddämmerung erreichten die drei Jeeps die Stadt Ephesus an der Westküste der Türkei. Vor uns erstreckte sich das majestätische Große Theater auf dem westlichen Hang des Panayirdag. Es war recht kühl und eine frische Brise ließ mich leicht frieren. Zwei Männer hoben meinen Rollstuhl und setzten ihn vorsichtig auf dem Boden ab. Südlich des Theaters schritten wir den Heiligen Weg entlang, vorbei an den Trümmern des Marktplatzes, den Brunnen mit Wasserleitungen und Kanalisationen, zum Embolos, dem Zentrum des Ephesus. Am Ende des Weges bot sich ein atemberaubender Anblick: Die berühmte historische Bibliothek im Süden der Agora.
"Da wären wir", sprach Karel selbstgefällig, "die Ruinen der Celsus-Bibliothek von Ephesus! Gebaut um 135 vor Christus von Julius Aquila, als Erinnerung an seinen Vater, Celsus Polemaeanus von Sardis, dem römischen Senator und Prokonsul der römischen Provinz Asia. Im westlichen Teil der Bibliothek ruht er in Frieden. Bedauerlich, dass wir ihn heute Abend stören müssen!"
Vier Podien boten Platz für vier Frauenstatuen zwischen den drei Eingangstüren. Karel wandte sich zu mir. "Was können Sie mir über diese vier Damen sagen, Lara?"
Er wollte mich prüfen und ich wollte mir den Spaß nicht nehmen lassen: konzentriert betrachtete ich die griechischen Inschriften auf den Sockeln: "Sophia -Tugend, Epistherma -Wissenschaft, Ennoia -Schicksal, Areta -Intelligenz. Ich nehme an, die Statuen symbolisieren Celsus' Tugenden."
"Bemerkenswert!", lobte mich Karel spöttisch.
Mein Rollstuhl wurde sanft die neun breiten Marmorstufen in den Hauptraum heraufgetragen. Die Vorderfront war zwar zweigeschossig, aber der Innenraum bestand nur aus einem großen einzelnen Saal. Die inneren Wände waren aus Nischenreihen in drei Etagen gebildet und bestanden komplett aus farbigem Marmor. In der Mitte des Saales befand sich ein Podest mit der zeitlosen, stark zerfallenen Steinfigur der hellenischen Schutzgöttin Athene.
Gezielt ging Karel zur Mitte der Westwand des Raumes, bückte sich und tastete ein paar Bodenfliesen ab. Drei lockere Steine wurden herausgehoben und ein quadratisches Loch kam zum Vorschein. Er griff hinein und zerrte an einem Hebel. Ein Mechanismus wurde ausgelöst. Eine der Nischen an der gegenüberliegenden Wand verschob sich und legte einen engen, dunklen Gang frei. "Athene,..." er hielt ehrfürchtig inne, "die Katakomben wirst du diesmal nicht beschützen können." er wandte sich an seine Gehilfen. "Bereitet alles für die Prozedur vor! Grayson! Bonnot!" Zwei große Männer in Archäologenmontur traten vor und nahmen zwei Papierrollen entgegen. "Das sind die Pläne. Studiert sie gut und besorgt mir den Stein!"
"Tempel und Grabstätten sind deine Elemente", dachte ich, "und im Moment scheint es keinen anderen Ausweg zu geben..." Blitzschnell sprang ich aus dem Rollstuhl, sprintete in den soeben freigelegten Gang und hörte Karel hinter mir fluchen, jedoch niemanden mir nachkommen. Nach ungefähr dreißig Metern verlangsamte ich das Tempo, blieb stehen und horchte. Allem Anschein nach wollten sie mir noch nicht folgen. Der Tunnel war aus Stein. Kühl, feucht und fest. Je weiter ich ging, desto tiefer schien er in die Erde hinabzuführen und desto dunkler wurde es. Im Schritttempo ging ich weiter, stieß auf eine Wendeltreppe und stieg sie hinab.
Der Gang wurde etwas breiter und allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Finsternis. In die marmornen Wänden waren Szenen der griechischen Mythologie eingemeißelt. Furchteinflößende Bestien waren zu erkennen und in jedem Abschnitt hielten die dargestellten Figuren die Hände vor das Gesicht. Julius Aquila schien die Statue der Athene also bewusst im Lesesaal der Bibliothek errichten lassen. Er muss von diesen Gängen gewusst haben. Ich folgte dem Korridor, der sich jetzt schlängelte und immer tiefer führte.
Vorsichtig bog ich um eine Ecke und sah den Tunnel in eine Halle münden, an dessen Ende ein kleines Licht zu vernehmen war. Direkt vor mir lag eine vollständig bekleidete Leiche - halb Skelett, halb Mumie - mit einer Machete in der Hand, auf dem Boden. Etwas konnte nicht stimmen. Warum ist er ausgerechnet an diesem Platz gestorben? Ich packte ihn an den Hosenbeinen, zog ihn zu mir herüber, durchstöberte seine Taschen und fand zu meinem Erstaunen eine Magnum und zwei Magazine. Ich untersuchte den Kadaver nach der Todesursache. Der Schädel war gespalten - höchstwahrscheinlich durch eine riesige Klinge. Die alten Griechen gingen in der Regel zwar wesentlich sparsamer als die Mayas oder Ägypter mit Fallen um, doch bauten sie Mechanismen, die mindestens genauso präzise waren und ausgezeichnet funktionierten.
Mit fester Hand griff ich nach einem Schienbein und löste es heraus. Ich kniete mich und stieß mit ausgestreckter Hand mit dem Knochen auf die erste Fliese in der angrenzenden Halle. Das Gebein hatte kaum den Boden berührt, als ein lautes Luftrauschen einige Zentimeter über meinem Kopf hinwegzischte.
Ein rasiermesserscharfes Schwungpendel schwang noch immer hin und her. Sofort sprang ich auf und hechtete hindurch, als sich die Möglichkeit ergab. Ich bestaunte die einfache Mechanik der Falle. Das Pendel war an der Innenseite des Saales an zwei Rollen angebracht. Als es fast zum Stillstand gekommen war, rastete die Klinge ein, wurde langsam gehoben und wieder in die Ausgangsposition gebracht. Einfach und tödlich.
Nach der relativ weichen Landung wurde ich wie ein Invalide in einen Rollstuhl gehievt und in ein Militärjeep geladen. Glücklicherweise schien niemand bemerkt zu haben, dass ich wieder die volle Kontrolle über meinen Körper erlangt hatte. Karels Komplizen machten sich nicht einmal die Mühe, mich anzuketten, hielten aber trotzdem stets einige Meter Sicherheitsabstand von mir. Was mich jetzt erwartete, war ein Kinderspiel: den richtigen Augenblick abwarten, um mich dann elegant aus meiner Lage zu befreien.
In der Abenddämmerung erreichten die drei Jeeps die Stadt Ephesus an der Westküste der Türkei. Vor uns erstreckte sich das majestätische Große Theater auf dem westlichen Hang des Panayirdag. Es war recht kühl und eine frische Brise ließ mich leicht frieren. Zwei Männer hoben meinen Rollstuhl und setzten ihn vorsichtig auf dem Boden ab. Südlich des Theaters schritten wir den Heiligen Weg entlang, vorbei an den Trümmern des Marktplatzes, den Brunnen mit Wasserleitungen und Kanalisationen, zum Embolos, dem Zentrum des Ephesus. Am Ende des Weges bot sich ein atemberaubender Anblick: Die berühmte historische Bibliothek im Süden der Agora.
"Da wären wir", sprach Karel selbstgefällig, "die Ruinen der Celsus-Bibliothek von Ephesus! Gebaut um 135 vor Christus von Julius Aquila, als Erinnerung an seinen Vater, Celsus Polemaeanus von Sardis, dem römischen Senator und Prokonsul der römischen Provinz Asia. Im westlichen Teil der Bibliothek ruht er in Frieden. Bedauerlich, dass wir ihn heute Abend stören müssen!"
Vier Podien boten Platz für vier Frauenstatuen zwischen den drei Eingangstüren. Karel wandte sich zu mir. "Was können Sie mir über diese vier Damen sagen, Lara?"
Er wollte mich prüfen und ich wollte mir den Spaß nicht nehmen lassen: konzentriert betrachtete ich die griechischen Inschriften auf den Sockeln: "Sophia -Tugend, Epistherma -Wissenschaft, Ennoia -Schicksal, Areta -Intelligenz. Ich nehme an, die Statuen symbolisieren Celsus' Tugenden."
"Bemerkenswert!", lobte mich Karel spöttisch.
Mein Rollstuhl wurde sanft die neun breiten Marmorstufen in den Hauptraum heraufgetragen. Die Vorderfront war zwar zweigeschossig, aber der Innenraum bestand nur aus einem großen einzelnen Saal. Die inneren Wände waren aus Nischenreihen in drei Etagen gebildet und bestanden komplett aus farbigem Marmor. In der Mitte des Saales befand sich ein Podest mit der zeitlosen, stark zerfallenen Steinfigur der hellenischen Schutzgöttin Athene.
Gezielt ging Karel zur Mitte der Westwand des Raumes, bückte sich und tastete ein paar Bodenfliesen ab. Drei lockere Steine wurden herausgehoben und ein quadratisches Loch kam zum Vorschein. Er griff hinein und zerrte an einem Hebel. Ein Mechanismus wurde ausgelöst. Eine der Nischen an der gegenüberliegenden Wand verschob sich und legte einen engen, dunklen Gang frei. "Athene,..." er hielt ehrfürchtig inne, "die Katakomben wirst du diesmal nicht beschützen können." er wandte sich an seine Gehilfen. "Bereitet alles für die Prozedur vor! Grayson! Bonnot!" Zwei große Männer in Archäologenmontur traten vor und nahmen zwei Papierrollen entgegen. "Das sind die Pläne. Studiert sie gut und besorgt mir den Stein!"
"Tempel und Grabstätten sind deine Elemente", dachte ich, "und im Moment scheint es keinen anderen Ausweg zu geben..." Blitzschnell sprang ich aus dem Rollstuhl, sprintete in den soeben freigelegten Gang und hörte Karel hinter mir fluchen, jedoch niemanden mir nachkommen. Nach ungefähr dreißig Metern verlangsamte ich das Tempo, blieb stehen und horchte. Allem Anschein nach wollten sie mir noch nicht folgen. Der Tunnel war aus Stein. Kühl, feucht und fest. Je weiter ich ging, desto tiefer schien er in die Erde hinabzuführen und desto dunkler wurde es. Im Schritttempo ging ich weiter, stieß auf eine Wendeltreppe und stieg sie hinab.
Der Gang wurde etwas breiter und allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Finsternis. In die marmornen Wänden waren Szenen der griechischen Mythologie eingemeißelt. Furchteinflößende Bestien waren zu erkennen und in jedem Abschnitt hielten die dargestellten Figuren die Hände vor das Gesicht. Julius Aquila schien die Statue der Athene also bewusst im Lesesaal der Bibliothek errichten lassen. Er muss von diesen Gängen gewusst haben. Ich folgte dem Korridor, der sich jetzt schlängelte und immer tiefer führte.
Vorsichtig bog ich um eine Ecke und sah den Tunnel in eine Halle münden, an dessen Ende ein kleines Licht zu vernehmen war. Direkt vor mir lag eine vollständig bekleidete Leiche - halb Skelett, halb Mumie - mit einer Machete in der Hand, auf dem Boden. Etwas konnte nicht stimmen. Warum ist er ausgerechnet an diesem Platz gestorben? Ich packte ihn an den Hosenbeinen, zog ihn zu mir herüber, durchstöberte seine Taschen und fand zu meinem Erstaunen eine Magnum und zwei Magazine. Ich untersuchte den Kadaver nach der Todesursache. Der Schädel war gespalten - höchstwahrscheinlich durch eine riesige Klinge. Die alten Griechen gingen in der Regel zwar wesentlich sparsamer als die Mayas oder Ägypter mit Fallen um, doch bauten sie Mechanismen, die mindestens genauso präzise waren und ausgezeichnet funktionierten.
Mit fester Hand griff ich nach einem Schienbein und löste es heraus. Ich kniete mich und stieß mit ausgestreckter Hand mit dem Knochen auf die erste Fliese in der angrenzenden Halle. Das Gebein hatte kaum den Boden berührt, als ein lautes Luftrauschen einige Zentimeter über meinem Kopf hinwegzischte.
Ein rasiermesserscharfes Schwungpendel schwang noch immer hin und her. Sofort sprang ich auf und hechtete hindurch, als sich die Möglichkeit ergab. Ich bestaunte die einfache Mechanik der Falle. Das Pendel war an der Innenseite des Saales an zwei Rollen angebracht. Als es fast zum Stillstand gekommen war, rastete die Klinge ein, wurde langsam gehoben und wieder in die Ausgangsposition gebracht. Einfach und tödlich.
