Ich habs geschafft, ich habs geschafft, das nächste Kapitel ist fertig! "stolzbin" :D

Shelley: ich weiß, Celeborn hat ja auch keine Probleme. Nur Galadriel ist halt etwas schwerfällig unterwegs



Kapitel 5. Angst

Celeborn sah verträumt zu Galadriel hinüber, wie sie ihre gemeinsame Tochter das erste Mal stillte. Einen schöneren Anblick als das konnte er sich nicht vorstellen. In Galadriels Augen stand das Glück geschrieben. Endlich, nach all dem Zweifel und der Furcht, die sie gehabt hatte, dachte er bei sich.
Wenig später begann es wieder zu schneien. Der Himmel war dunkel geworden und eisiger Wind wehte. Celeborn ließ seinen Blick besorgt umher schweifen. Es würde einen Sturm geben, und sie waren hier vollkommen ungeschützt. Aber Galadriel musste ruhen, sie war erschöpft von der Geburt.
„Melethril", sagte er schließlich. „Wir können nicht hier bleiben." Sie nickte, hatte den Umschlag des Wetters ebenso bemerkt. „Lass uns aufbrechen." Mit einem Lächeln blickte sie auf ihre Tochter hinab, die in ihren Armen eingeschlafen war.

Celeborn half seine Ehefrau wieder auf die Beine und sie setzten ihren Marsch fort. Eine Weile gingen sie schweigend, ließen bald die Wiese hinter sich, und kamen wieder in den Wald. Er konnte sehen, dass Galadriel kaum mehr Kraft hatte, auch wenn sie es zu überspielen versuchte. Schließlich setzte ein Schneeregen ein. Durch den Wind war es sehr kalt, die Temperatur wäre ohne ihn nicht so weit gefallen.
Ihm selber machte der Weg nicht so sehr zu schaffen, er sank kaum ein. Doch für seine Ehefrau war es beschwerlich. Ihre Glieder waren schwer wie Blei, und sie stolperte oft. Aber Celeborn war immer an ihrer Seite um sie zu stützen. Die meiste Zeit trug er die kleine Celebrían sicher unter seinem Umhang. Auch wenn Galadriel ihre Tochter gerne in den Armen gehalten hätte, wusste sie, dass es besser so war.

Gegen Abend erreichten sie eine halbwegs windgeschützte Stelle, wo sie die Nacht verbringen wollten. Der Schneeregen hatte auch wieder nachgelassen, aber der Himmel blieb bedeckt. Und das war gut so. Im Winter bedeutete eine sternklare Nacht Eiseskälte.
Da durch den Schneeregen alles Holz nass war und der Boden teilweise zugeschneit, konnten sie kein Feuer machen. Zwar hatten sie Decken zum Wärmen, aber die kühle Luft kroch, je später es wurde, immer weiter bis tief unter die Haut. Celeborn legte die Arme um Galadriel und zog sie ganz dicht an sich heran, um ihr mit seinem Körper Wärme zu spenden. Er konnte spüren, dass sie vor Kälte zitterte.

Galadriel war dankbar dafür, dass er so hingebungsvoll an ihrer Seite weilte. Ihre Sorge galt ihrer Tochter, deren kleines Gesichtchen sich von der gesunden rosigen Farbe zu einem kalkweißen Ton gewandelt hatte. Das Kind schlief, aber es bewegte sich kaum im Schlaf. Galadriel hielt den winzigen Körper fest an sich gedrückt, dennoch fühlte sich Celebrían zunehmend kalt an.
Irgendwann wachte das kleine Mädchen auf und wurde unruhig. Es wimmerte unglücklich. Seine Mutter versuchte es mit sanftem hin und her Wiegen zu beruhigen, doch das zeigte keine Wirkung.
Als das Kind hungrig schien, entblößte Galadriel ihre Brust um es zu stillen, doch sein kleiner Mund wollte sich nicht um die ihm dargebotene Milchquelle schließen. Auch Celeborn war nun sehr besorgt, doch er versuchte zunächst, es zu verbergen, um seine Ehefrau nicht noch mehr zu ängstigen. Er schloss sie wieder in die Arme und strich ihr beruhigend über den Rücken.
„Alles wird gut, melethril, du wirst sehen. Bald geht es ihr besser", sagte er voller Zuversicht.
Galadriel senkte den Kopf. „Was wenn nicht?"
„Daran darfst du nicht einmal denken, hörst du?" Er hob sanft ihr Kinn an, damit sie ihn ansah. „Sie wird leben und zu einer wundervollen Frau heran wachsen."
„Was wenn nicht?" wiederholte sie. „Ich würde es nicht ertragen sie auch noch zu verlieren, melethron." Eine Träne glitzerte auf ihrer Wange. Celeborn wischte sie zärtlich mit seinem Daumen fort. „Hör nicht auf zu hoffen. Unsere Kleine ist stark genug, sie hat doch eine starke Mutter." Er blickte lächelnd auf sein Kind herab. Celebrían musste überleben, etwas anderes konnte und durfte einfach nicht sein.

In dieser Nacht schlief keiner von ihnen. Es war zu riskant, im Schlaf konnte die Körpertemperatur gefährlich weit absinken. Auch Celebrían blieb wach. Die meiste Zeit wimmerte sie leise, und es war nicht zu übersehen, dass sie sich nicht wohl fühlte.
Galadriel begann innerlich zu verzweifeln. Sie konnte einfach nichts tun um ihrer Tochter zu helfen. Aber sie weigerte sich die Hoffnung aufzugeben. So grausam konnten die Valar nicht sein, ihr jetzt auch noch dieses Kind zu nehmen.
In ihr war aber noch eine andere Wahrheit. Sollte ihre Kleine in der Kälte den Tod finden, so würde sie am nächsten Morgen den Dolch nehmen, den ihr, als sie noch ein junges Mädchen gewesen war, ihr ältester Bruder Finrod geschenkt hatte, und allem ein Ende setzen. Von Celeborn konnte sie einfach nicht verlangen sein Leben lang bei einer Frau zu bleiben, die niemals seine Kinder zur Welt bringen können würde. Er würde dann eine andere Frau sehr glücklich machen, die ihm geben konnte, wozu sie nicht in der Lage war.
Aber noch hoffte sie diesen Schritt nicht machen zu müssen. Sie bedachte Celeborn mit einem liebevollen Lächeln. Er war immer so gut zu ihr gewesen. Durch ihn hatte sie die Bedeutung von wahrer Liebe gelernt, und ihn zu enttäuschen war das Letzte, was sie wollte.

Irgendwann döste sie ein, merkte es deswegen nur halb als schließlich die Sonne aufzugehen begann. Die dunklen Wolken hatten sich verzogen und der Himmel war blau. Der Sturm war zu Ende.
„Sieh mal, melethril", sagte Celeborn, und holte sie damit in die Wirklichkeit zurück. „Wir haben gutes Wetter. Wenn es so bleibt, werden wir Menegroth am Abend erreicht haben. Es ist nicht mehr so weit von hier."
Zwar nahm sie seine Worte zur Kenntnis, doch ihre Aufmerksamkeit galt Celebrían, die reglos in ihrem Arm lag. Die freie Hand ließ Galadriel unter ihr Gewand gleiten, strich mit den Fingern über den mit Leder umwickelten Griff des Dolches.
Da begann sich das kleine Mädchen wieder zu bewegen und öffnete die Augen. Galadriels Herz machte einen Sprung als sie in diese großen blauen Kinderaugen sah. Ihre Tochter lebte noch!
Unglückliches Weinen bekräftigte das, doch auch jetzt wollte das Kind nicht trinken. Sein Mund schloss sich nicht um die Brustwarze um zu saugen. Aber die Kleine benötigte dringend Nahrung. Auch wurde die Spannung in Galadriels Brüsten langsam unangenehm.
„Warum trinkst du bloß nicht?" fragte sie besorgt, wenngleich sie wusste, dass Celebrían nicht antworten würde. Sie wusste, dass das Kind nicht lange überleben würde, sollte es nicht sehr bald wieder Nahrung zu sich nehmen.

Celeborn, der sich um ein Frühstück für seine Ehefrau und sich gekümmert hatte, war das nicht entgangen und er trat an Galadriel heran, ließ sich neben sie sinken. Ihm war eine Idee gekommen, irgendwo hatte er das schon einmal so gehört.
„Versuch es einmal mit etwas Milch auf deinen Fingern", sagte er zu seiner Ehefrau und zeigte ihr was er meinte.
Sie nickte und massierte ein wenig Milch aus, sodass ein paar Tropfen auf ihren Fingern waren. Diese hielt sie nun ihrer Tochter an den Mund. Doch das Mädchen zeigte kaum Reaktion darauf.
Vorsichtig nahm Celeborn Galadriels Hand und führte sie wieder an die Lippen des Kindes, sodass es den Mund öffnete und leicht um Galadriels Fingerspitze schloss. Tatsächlich begann es die Milch abzulecken. Nachdem sie ihrer Tochter noch ein paar Mal auf diese Weise Nahrung zugeführt hatte, bot sie ihr wieder die Brust an. Und jetzt spürte sie wie das Kind zu saugen begann. Endlich.
Celeborn lächelte. „Siehst du."
„Woher hast du das gewusst?" fragte Galadriel nach. Doch anstatt einer Antwort küsste er sie auf die Stirn. Es war auch gar nicht wichtig woher sein Wissen kam, nur dass er es im rechten Moment gehabt hatte. Seine Ehefrau sah ihn glücklich an.


melethril = Liebste, Geliebte
melethron = Liebster, Geliebter