„Wer seid ihr? Und was wollt ihr von mir?"
Die zwei Elben sahen sich an. Dann trat einer näher auf den Vampir zu, um das Pferd am Zügel zu nehmen und sprach: „Ihr seid in unser Land eingedrungen, Vampir. Steigt ab!"
Dancadas kam diesem befehl sogleich nach, doch Vagnard schien etwas dagegen zu haben, dass ihn ein Fremder an den Zügeln hielt. So etwas mochte er noch nie, daher richtete er sich warnend auf seine Hinterbeine auf.
Der Elb, der versucht hatte ihn zu halten, stolperte darauf einen Schritt zurück. Darauf stieß er mehrere Wörter aus, die der Vampir nicht verstand, doch es ließ sich erkennen, dass es keine freundlichen Worte waren.
*Reg dich nicht auf Bruder, es ist nur ein Pferd.*, versuchte Elladan ihn zu beruhigen.
Sein Bruder hörte allerdings nicht auf ihn, oder wollte nicht auf ihn hören. Er trat nochmals auf das Tier zu, um diesmal die Zügel bestimmt in die Hand zu nehmen. Er bewegte sich schnell und bekam sie sogar zu fassen.
Das machte Vagnard nun wütend. Wiehernd erhob er sich erneut. Elrohir brachte sich mit einem Sprung nach hinten vor den Hufen des Hengstes in Sicherheit.
Dieser schnaubte verärgert, drehte sich um, und lief davon.
Elrohir war außer sich, und wollte dem Tier einen seiner Pfeile hinterherschicken. Er unterließ es jedoch. Einer der Gründe war unter anderem sein Bruder, der sich mittlerweile an einem Baum abstützte, und dabei war sich halbtot zu lachen.
*Wenn du fertig bist, mich auszulachen, können wir dann los?*
*Entschuldige, Bruderherz, aber du musst selbst zugeben, dass es zu komisch aussah.*, antwortete Elladan lachend.
*Jaja, sehr witzig. Ich meinte es aber ernst. Immerhin ist der auch noch da*, entgegnete Elrohir, während er auf einen völlig perplex dastehenden Vampir schaute, der versuchte, in dem Ganzen irgendeine Logik zu erkennen.
In einiger Entfernung auf seinem Beobachtungsposten, schüttelte Athelas nur den Kopf. Doch ein Grinsen konnte auch er sich nicht verkneifen.
Schließlich sah er, dass sie sich dazu entschlossen hatten, aufzubrechen. Den Vampir nahmen sie in die Mitte und machten sich auf einen mehrstündigen Fußmarsch zu ihrer Heimstatt auf.
Daher entschloss auch er, sich auf den Weg zu machen, denn er wollte den Eindringling unbedingt aus der Nähe sehen.
Währenddessen erlebte man in Larcam wieder mal einen Wutausbruch des Herrschers.
„Wie konnte so etwas nur passieren?", schrie er wohl zum hundertsten Male seinen Berater an, während bereits die nächste Skulptur zu Bruch ging. Die Anwesenden im Raum hatten sich bereits unauffällig entfernt, denn keiner wollte riskieren dass sie es waren, an denen er sich austobte.
„Wenn ich dich nicht brauchen würde, im Moment, würde ich...ach!", schimpfte Myrmenis und wandte sich innerlich kochend von seinem Berater ab, um ihn nicht versehentlich zu erschlagen.
Stattdessen rief er mit lauter Stimme nach seinem obersten Hauptmann.
Dieser hatte, wie alle anderen sich mehrere Räume weiter weg aufgehalten, kam aber sofort dem Befehl nach, denn überhören konnte man es trotz der dicken Mauern wirklich nicht.
Er trat ein, und wollte gerade niederknien, wie es sonst jeder musste, doch wurde er durch Myrmenis daran gehindert. Dieser packte den Hauptmann ziemlich unsanft am Hemd und schrie ihn fast an:
„Ihr wisst was geschehen ist, was mit den alten Portalen geschehen ist."
Kurz hielt er inne um tief durchzuatmen, und sich ein wenig zu beruhigen. Dann sprach er weiter.
„Ich will, dass ihr euch einige Leute schnappt und versucht, ebenfalls in das andere Reich zu gelangen."
Etwas ratlos sah der Hauptmann seinen Herrscher an. Dieser ließ ihn gar nicht dazu kommen, eine frage zu stellen.
„Es ist mir egal, wie ihr es bewerkstelligt. Nur bringt mir diesen verdammten Blutsauger! Und bringt ihn mir lebend!"
Schnell, unter eiligen Verbeugungen, machte sich der Hauptmann auf den Weg.
Still stand Dancadas da. Vor ihm standen eine Menge fremder Wesen, die ihn mit einer Mischung aus Hass, Verachtung und Neugier anstarrten. Er konnte es ihnen nicht verübeln, denn gutes hörte man über seine Art eigentlich nie.
Da er dem Gespräch der anderen nicht folgen konnte, betrachtete er seine Umgebung. Der Ort, an dem sie angekommen waren lag recht idyllisch. Um die Wände der Häuser rankten sich zum teil grüne Eufeuranken, andere wiederum erstrahlten in einem strahlenden weiß.
Einige Schritte von ihm entfernt schien der Stall zu sein, denn es standen einige Pferde draußen.
„Moment, Pferde?", überlegte Dancadas.
„Vielleicht könnte ich...", doch er wurde von einem anderen Elb neben ihm unterbrochen.
„Denkt nicht mal dran. Ihr würdet es nicht bis zu en Ställen schaffen, und selbst wenn, würdet ihr es nicht schaffen auf einem unserer Pferde zu fliehen."
Der Vampir drehte sich zu dem Sprecher um.
„Es ist euch gestattet euch frei zu bewegen, doch verlasen könnt ihr diesen Ort nicht. Kommt, ich bringe euch zu eurer Unterkunft!"
Der Vampir überlegte, ob er es wohl schaffen könnte, dem Elben an die Kehle zu gehen. Nicht nur sein Tonfall, auch sein Herablassender Blick stimmten ihn nicht gerade freundlich. Doch sah er auch etwas anderes in den Augen seines Gegenübers, etwas, dass er nicht zu deuten vermochte.
Er entschloss sich schließlich, kein Aufsehen zu erregen, was jedoch ohnehin nicht mehr nötig war, und schaute sich den Elben an.
Dieser war ziemlich schlank, hatte jedoch breite Schultern. Es war zu erkennen, dass er wohl zu kämpfen verstand. Seine Art sich zu kleiden sagte jedoch etwas anderes über ihn aus. Er trug eine bläulich schimmernde, helle Robe. Darunter konnte man erkennen, dass er einen Brustschutz trug. Vermutlich hatte er sich die Robe erst kurz einfach drübergezogen.
Seine langen Haare waren schwarz, doch im Licht schienen sie wie Feuer zu glänzen. In einem Kontrast dazu standen graue Augen, die von Zeit zu Zeit silbern zu funkeln schienen.
Dancadas fühlte, wie sich etwas in ihm ausbreitete, er sah den Lord vor sich und fühlte sich plötzlich glücklich, wie nie zuvor. Das verwirrte ihn. Er kannte doch keine anderen Gefühle, außer Hass, Schmerz und Trauer. Das nun aufkommende Gefühl war ihm völlig fremd.
Doch nicht nur ihm erging es so.
Anders als der Vampir, kannte Athelas es, und wusste, was es bedeutete. Doch rief er sich innerlich zur Ordnung. Der andere war ein Feind, bzw. aus Feindesland, da durfte er nicht einfach Gefühle aufbringen. Er gab sich einen Ruck und schob den Vampir bestimmt weiter.
„Los, geht schon. Ich habe auch noch wichtigere Dinge zu erledigen!"
Er brachte den „Gast" in das ihm zugeschriebene Zimmer. Dieses war fast im gleichen Stil aufgebaut wie die anderen Gästezimmer, mit der Ausnahme, dass es hier kein Fenster gab. Weniger um ihn vor Sonne zu schützen, sondern vielmehr, um ihn an einer Flucht zu hindern.
Kaum waren sie angekommen, ließ Athelas den Vampir im Zimmer stehen und ging eiligst weiter in sein Gemach.
Er musste auf andere Gedanken kommen, daher entschloss er sich, an seiner Arbeit weiterzumachen. Schon vor langem hatte er sich bereit erklärt, die Bearbeitung wichtiger Schriftstücke, für den Herrn des Hauses zu übernehmen. Wie immer stapelte sich die Arbeit auf seinem Schreibtisch bereits.
Seufzend nahm er den ersten Brief.
Doch was er auch tat, er wurde den Gedanken an den fremden Gast einfach nicht los. Ständig sah ihn im Geiste, sah seine matten Grünbraunen Augen, sein dunkles Haar.
„Verdammt, das darf nicht sein.", fluchte er.
Dann überlegte er. Es war ein Risiko, doch war er schon immer ein Mann der Tat gewesen, und er wollte es wissen. Würde der Vampir in der gleichen Situation sein wie er? Was würde er zu ihm sagen? Wie würden die anderen Elben reagieren.
Seufzend ging er zu seinem Bücherregal und betätigte einen geheimen Schalter. Dieser führte direkt zum Zimmer, in dem Dancadas war.
Dieser hatte sich zunächst ein wenig umgesehen und stand nun vor einem Bild, welches offenbar einen Helden darstellen sollte. Er war so vertieft in das Bild, dass er die Ankunft des Elben gar nicht wahrnahm.
Erst als dieser seine Stimme hob, drehte er sich blitzschnell zu ihm um.
Ihre beiden Blicke trafen sich, und keiner vermochte etwas zu sagen, so breitete sich eine unangenehme Stille aus.
Langsam, fast unbewusst, war es schließlich Dancadas, der seine Hand nach Athelas ausstreckte. Warum, wusste er nicht, doch irgendetwas in ihm sehnte sich plötzlich danach, den Elben vor ihm irgendwie zu berühren.
Bevor es jedoch zu einer Berührung kam, schlug dieser die Hand seines Gegenübers weg.
