Eine Marauder-Idee
Lily kam das Ganze vor wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Das monotone Quietschen der Schaukel, die nassen Klamotten, die graue Umgebung und der ewig prasselnde Regen. Verdammt, sie hatten Juli, im Juli regnete es nicht so viel. Lily hoffte inständig, das es sich in den nächsten drei Tagen aufklaren würde. Am Dreizehnten würde sie siebzehn Jahre alt werden und sie wollte keinen Regen haben. An und für sich hatte Lily nichts gegen Regen, aber dieser anhaltende Bindfaden-Regen nervte sie nur noch. 13.7, für Lily ein nahezu magisches Datum. Petunia hatte mal gesagt, man hätte wissen müssen, dass mit Lily etwas nicht stimmen könnte. Niemand normales wir am 13.7 geboren, beide Unglückszahlen in einem, und zudem war Lilys Geburt auf einen Freitag gefallen. Lily selber fand das nur lustig. Sie hielt nichts vom Aberglauben der Muggel, aber in der Zaubererwelt waren die Dreizehn und die Sieben sehr mächtige Zahlen.
Lily warf einen Blick auf die Uhr. 15.12 Uhr. Typisch, sie verspäteten sich wieder. Dabei war es ja nicht so, als ob sie eine lange Anreise hätten. Sirius und James konnten, wie sie selber auch, apparieren und somit hätte es kein Problem sein dürfen, aber was hatte sie erwartet? Die zwei waren Marauder und man munkelte, dass Sirius und James die Anführer waren, obwohl Lily wusste, dass es so etwas nicht gab.
Ein leises Mauzen riss Lily aus ihren Gedanken. Sie sah herunter und erblickte neben ihren Füßen eine graue Katze. „Adsartha, meine Kleine, lässt du dich auch mal hier blicken?" Adsartha war Lilys Katze und ein sehr freiheitsliebendes Tier. Oft ließ sie sich tage- oder gar wochenlang nicht Blicken, aber sie hing sehr an Lily und war irgendwie immer da, wenn sie gebraucht wurde. Adsartha hatte, wie Lhiannon, einen Namen bekommen, den Lily in dem Buch ‚Die Nebel von Albion' von Marion Zimmer Bradley gelesen hatte (eingeschobener Disclaimer, mir gefallen die Namen einfach gut). „Komm hoch, Ada", forderte Lily die Katze auf und das graue Tier sprang auf ihren Schoß. Gedankenverloren streichelte Lily sie und horchte auf das zufriedene Schnurren. Auf einmal fühlte sie sich nicht mehr alleine und auch die Monotonie war verschwunden. Lily lächelte in sich hinein.
Ein leises Plopp ließ Lily aufschrecken und dann noch eins. „Hi Jewel", begrüßte James sie und grinste schief, so wie er immer grinste. Sah irgendwie süß aus, wie Lily feststellte. Durfte sie so etwas von ihrem besten Freund denken? Da ihr aber im selben Augenblick auffiel, dass der rote Pullover Sirius verdammt gut stand, war sie beruhigt. „Sag mal, Lils", grummelte Sirius, „wieso müssen wir uns eigentlich im strömenden Regen auf einem alten Spielplatz treffen?" „Das selbe könnte ich dich fragen", kam es zurück. James grinste noch breiter und auch Sirius Gesicht erhellte sich mit einem Mal. Sie waren sehr überzeugt von ihrer Idee, zu überzeugt…
„Also", begann James, „wir gehen jetzt zu mir. Meine Eltern sind weg, irgend so ein wichtiger Auftrag." „Alarmstufe Feuerrot im Hauptquartier der absolut und vollkommen Guten, Gegner des Bösen, auch genannt Auroren", versuchte Sirius zu witzeln, aber keiner lachte. Sowohl Sirius, als auch Lily wussten, dass James sich Sorgen um seine Eltern machte. Er war sich sicher, dass sie eines Tages bei einem Auroreneinsatz sterben würden, was ihn jedoch nicht davon abhielt dieselbe Kariere in Betracht zu ziehen. James sollte Recht behalten, seine Eltern würden von Schwarzmagiern getötet werden, ebenso er selber und seine spätere Ehefrau. Sein Sohn würde es sein, der die Zaubererwelt aufatmen ließ und ihr jahrelangen Frieden schenkte um später vielleicht das Ende des schlimmsten Zauberers auf Erden zu besiegeln. Des Zauberers, dessen Namen kaum jemand auszusprechen wagte. Lord Voldemort.
Lily schob Ada sanft von ihrem Schoß und die Katze fauchte wütend. Dann sprang sie galant auf die Erde und stolzierte davon. Lily lachte: „Bist mal wieder beleidigt, hm, Ada?" Die Katze fauchte nur noch mal in die Richtung ihrer Besitzerin und verschwand im Gebüsch. Lily sah zu wie James und Sirius mit einem leisen Plopp verschwanden und apparierte dann selber.
Sie fand sich vor einem großen Herrenhaus wieder, die Auffahrt war mit hellem Stein gepflastert und in der Mitte stand ein Springbrunnen mit einem runden Blumenbeet drum herum. Das Haus selber schien schon sehr alt zu sein und war wunderbar verziert, außerdem sehr, sehr groß. Lily staunte nicht schlecht. HIER also lebte James Potter. Der kam ihr grade entgegengeschlendert und grinste angesichts ihrer Überraschung. „Willkommen in Godric's Hollow! Möchte die Dame hereinkommen?" Lily nickte stumm und James bot ihr galant den Arm an. Das löste Lily aus ihrer Starre, sie brach ihn Gelächter aus, nahm den Arm aber an. Sirius stand bereits an der zweiflügeligen Tür und als James und Lily die Treppe hochstiegen, die zum Eingang führte, öffnete er beide Türen und verbeugte sich. Lily musste noch mehr lachen und jetzt fielen auch James und Sirius ein. Auf einmal machte der Regen, der hier auf dem Land noch schlimmer war, nicht mehr. Die Beiden vertrieben Lilys schlechte Laune einfach immer.
James führte sie hinein, durch einen Flur, der mit dicken Teppichen ausgelegt war und an dessen Wänden alte Gemälde hingen. Anscheinend James Ahnen. Lily blieb vor einem stehen, dass einen großen, bärtigen Mann zeigte. Das kleine Messingschild, was darunter angebracht war zeigte, dass es fast 1000 Jahre alt war und dass der Mann darauf niemand geringeres als Godric Griffindor war. „Einer… einer deiner Vorfahren?", fragte Lily. James nickte: „Jep, wieso sollte dieses bezaubernd kleine Häuschen sonst Godric's Hollow heißen? Er hat's gebaut und wir Potters stammen in direkter Linie, oder fast direkter, von Griffindor ab. Sind die einzigen Nachfahren von ihm."
Vielleicht sollte das einer der Gründe sein, wieso Lily und James dem schrecklichsten Zauberer der Welt zum Opfer fallen sollten und wieso ihr Sohn, der letzte Erbe Griffindors, gegen ebenjenen Zauberer antreten musste, gegen den Erben Slytherins. Doch wir wollen noch keinen allzu großen Ausflug in die Zukunft unternehmen.
James zog Lily durch einige Räume hindurch. Sirius war verschwunden. Lily war ziemlich beeindruckt, von dem, was sie sah. Kronleuchter, riesiger Kamine, alte Gemälde, dicke Teppiche und eine wertvolle Einrichtung. „Seid ihr adelig oder so was?", fragte sie James. Der antwortete fast schon zu schnell: „Nee, nicht wirklich. Niedriger Adel, aber nix besonderes. Meine Vorfahren haben halt nur ne Menge Geld gescheffelt, dass is alles. Sirius is adelig. Hochadel. Die Blacks gehören zu den reinsten, reichsten, ältesten und mächtigsten Familien der Zaubererwelt. Aber was erzähle ich dir hier, du weißt das ebenso gut wie ich. Das Sirius seit anderthalb Jahren hier wohnt weißt du auch?!" Lily nickte nur, ihre Aufmerksamkeit wurde grade von einem riesigen Wandgemälde abgelenkt, was den Kampf eines Zauberers mit einem Drachen zeigte.
„Wenn du das beeindruckend findest, dann solltest du mal das Haus am Grimmauldplatz 12 sehen, gehört Sirius Eltern. Protziger und schwärzer geht's kaum. Wird eigentlich nur noch von Black's Castle und Malfoy Marnor übertroffen. Black's Castle gehört dem Vater von Bellatrix, Narzissa und Andromeda, obwohl man Andy wohl nicht mehr nennen darf. Ich nehme an, du kennst ihre Geschichte?!", Lily nickte und James fuhr fort, „Malfoy Marnor is aber das bei weitem prunkvollste von allen dreien. Gehört Ethan Malfoy, dem Vater von Lucius. Du weißt schon, der arrogante Slytherntyp." Wieder nickte Lily und grinste dann. Auf James fragenden Blick hin erklärte sie: „Ich hätte nicht gedacht, dass du so lange Reden über irgendwelche alten Herrenhäuser schwingen kannst." Jetzt grinste auch James.
In einem eher kleinen und nahezu modern gehaltenen Zimmer stoppte James. Er bedeute Lily sich zu setzen und zündete mit einem Schlenker des Zauberstabs den Kamin an. „Wir haben Juli", stellte Lily fest. James grinste noch breiter und ließ sich neben sie fallen. Die Tür öffnete sich und Sirius kam herein. Er balancierte ein Tablett auf dem drei Flaschen Butterbier und eine Schale mit Keksen standen. Lily kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was in den Kleinen, kaum fünf Zentimeter hohen Gläsern war, die ebenfalls auf dem Tablett standen. Dann fiel es ihr ein: Feuerwhiskey.
Schwungvoll stellte Sirius das Tablett auf den kleinen Beistelltisch, wobei er mit dem Butterbier kleckerte. James hob den Zauberstab und mit einem Schwung war alles beseitigt. Lily fragte sich einmal mehr, was die zwei ohne Magie machen würden. James bot ihr die Kekse an und als er sah, dass Lily zögerte grinste er. „Sind von Maggie, unserer Köchin. Genießbar, keine Angst" Zögernd griff Lily zu, bei den beiden konnte man nie sicher sein. Der Keks schmeckte großartig. Sie spülte ihn mit einem Schluck Butterbier hinunter und sah die Jungen dann misstrauisch an. Beide blickten auf Lily und grinsten, während sich in ihren Augen ein identisches Funkeln zeigte. Das Funkeln, was sie immer bekamen, wenn die beiden grade einen Streich ausführen wollten.
Wie sie dort so saßen, sahen sich James und Sirius sehr ähnlich. Beide schwarzhaarig und leicht gebräunt, beide groß und durchtrainiert, beide attraktiv und gut bemuskelt. Sirius war etwas muskulöser, dafür war James sehniger. Sirius Haare waren glatt, die von James standen störrisch in alle Richtungen ab. Sirius Augen waren grau, manchmal fast schwarz, die von James haselnussbraun. Aber sie hatten exakt das gleiche Grinsen, die gleiche Körperhaltung und das gleiche Funkeln in den Augen.
Vom Charakter her waren sie sich auch ähnlich. Beide neigten dazu, zu übertreiben und Regeln waren ja sowieso für andere da und die, die auch für sie selbst galten, die waren da um gebrochen zu werden. Beide hatten den Ruf eines Herzensbrechers, wobei Sirius wohl noch schlimmer war. Er war auch der impulsivere und unüberlegter handelnde. James dachte strategischer und etwas mehr im Voraus, auch wenn es Remus Part war, mögliche Konsequenzen abzuwägen. Beide waren einfallsreich und sehr intelligent. Und beide hassten schwarze Magie. James, weil er so erzogen worden war und daran nichts finden konnte. Sirius, weil er seine Familie hasste und alles was dazu gehörte, also auch die schwarze Magie. Beide waren unabhängig und jederzeit bereit, ihre Freunde aus der Bredouille zu ziehen. Grade untereinander verband sie eine nahezu unerschütterliche Treue und ein fast unbrechbares Vertrauen. Manchmal beneidete Lily die zwei, denn sie selber hatte keinen Freund, der für sie wirklich bis in den Tod gehen würde. Und Lily zweifelte wenig daran, dass einer der beiden zögern würde zu sterben um den anderen zu retten. Lily hatte zwar Candy und Emmy, aber das war einfach nicht so eng und so unerschütterlich.
Sirius riss sie aus ihren Gedanken, in dem er ihr ein Glas Feuerwhiskey in die Hand drückte. James und er hatten ebenfalls eins. Sirius räusperte sich, aber es war James der sprach: „Du weißt ja, das Sirius momentan kein zu Hause hat und er seit längerem darüber nachdenkt sich eine eigene Wohnung zu nehmen. Mir wird das hier ehrlich gesagt auch langweilig und ich bezweifele, dass ich es den restlichen Sommer ohne Padfoot hier aushalte, außerdem muss ich ja auch mal auf eigenen Beinen stehen." Lily lachte unwillkürlich auf. „Weil wir wissen, dass es nicht funktionieren würde, wenn wir zwei zusammen wohnen und dass du von deiner Schwester weg willst, haben wir uns überlegt…", sprach Sirius weiter. Lily sah ungläubig von einem zum anderen. Das meinten sie jetzt nicht ernst, oder? James beendete: „Haben wir uns überlegt dich zu fragen, ob wir uns nicht zu dritt eine Wohnung suchen wollen." Lily spürte vier erwartungsvolle Augen auf sich. Sie brauchte nicht wirklich lange zu überlegen: „Gerne, mehr als gerne…" Sie lächelte und stieß mit den Beiden an. „Auf unsere Wohnung", rief Sirius und James und Lily wiederholten brav. Den Rest des Tages verbrachten sie mit planen, bis es für Lily Zeit wurde zu gehen. Die letzte Nacht im Ligusterweg brach an…
