Ein Dach über dem Kopf und etwas mehr…
„Also, was ist hiermit?", fragte Lily die beiden Jungen und kreiste mit einer Feder eine Anzeige ein. „Vierzimmerwohnung in der Nähe von London. Ruhige Lage. 75m². Renoviert. Eingerichtet", las James. „Bisschen klein", mäkelte Sirius, „außerdem klingt ‚in der Nähe von London' nach dem Vorort und so was will ich nicht. Keine Reihenhäuser." Lily lachte: „Hey, ich habe mein ganzes Leben in einem Reihenhaus gelebt." „Umso schlimmer", kam es zurück.
„Ruhe ihr zwei", unterbrach James sie, „was haltet ihr hiervon: ‚90m². Vier Zimmer. In Westminster. Renoviert. Ohne Einrichtung. Sofort beziehbar'? Klingt doch gut." Sirius nickte bedächtig: „Jep, klingt nicht schlecht. Groß genug und Westminster ist direkt an der City, ziemlich nobles Pflaster. Die Einrichtung kaufe ich mir sowieso lieber selbst." Lily nickte zustimmend. Die Wohnung schien perfekt zu sein. Hoffentlich kam sie auch in der Realität in Frage. Die Wohnungen von Gestern hatten waren nichts gewesen, auch wenn sie auf dem Papier noch so gut geklungen hatten. Sie hatten direkt nach ihrer Ankunft in Godric's Hollow Zeitungen durchforstet. Im Tagespropheten war nichts Geeignetes gewesen und auch sonst in keiner Zaubererzeitung. Also hatten sie nach Muggelwohnungen gesucht, mit bisher geringem Erfolg.
Lily musste immer noch Grinsen, wenn sie an die Wohnungen dachte, die sie sich gestern Nachmittag angesehen hatten. Eine war in einem Hochhaus gewesen und dermaßen hellhörig, dass die hinterher sämtliche Namen von der Großfamilie aus der Nebenwohnung gewusst hatten. Und das obwohl sie schon nach ein paar Minuten geflüchtet waren. Bei einer anderen war die Verkäuferin das Problem gewesen. Sobald sie gesehen hatte, dass James und Sirius männlichen Geschlechts waren, war die alte Dame schon mal abgeneigt gewesen und als sie erfahren hatte, dass Lily mit ihnen zusammen ziehen wollte, war sie beinahe hysterisch geworden. Die anderen zwei Wohnungen waren auch nichts gewesen. Die eine lag nach Sirius Meinung zu weit außerhalb und in der anderen durften keine Tiere gehalten werden. Und Lily war auf keinen Fall bereit ihre geliebte Adsartha abzugeben.
„Jewel? Hehey! Jeeeweeel!", Sirius schrie ihr ins Ohr und Lily zuckte unwillkürlich zusammen. „Lass das, Padfoot", wies James seinen Freund zurecht, dann reichte er Lily das Telefon, „rufst du an?" Lily nickte. Sie erledigte die Telefon- und Verkaufsgespräche, denn bei den beiden Jungen, die a) keine Ahnung vom Muggelleben hatten und es b) lustig zu finden schienen die Verkäufer zu schocken, wäre wohl nichts Brauchbares bei raus gekommen.
„Guten Tag, Amanda Jones hier. Mit wem spreche ich?" „Guten Tag. Mein Name ist Lily Evans. Ich rufe wegen der Wohnung an." „Ah, sehr schön. Wie kann ich Ihnen helfen, Ms. Evans? Oder Mrs.?" „Ms. Evans ist okay" „Gut." „Ich hätte zuerst einmal ein paar Fragen, wenn es Ihnen nichts ausmacht." „Natürlich nicht, fragen Sie ruhig." „In welchem Stockwerk liegt die Wohnung?" „Dachgeschoss. Auf zwei Etagen, 4. und 5. Stock. Oben ist nur ein Raum, dessen Wände im oberen Drittel angeschrägt sind, unten sind sie grade." „Okay, wie sieht es mit Tierhaltung aus?" „Kommt drauf an. Was haben Sie denn für Tiere?" „Eine Katze und mehrere Eu… äh, Vögel." „Das müsste gehen. Zu wie vielen Personen möchten sie denn in der Wohnung wohnen?" „Zu dritt. Meine Freunde, Sirius Black und James Potter, und ich." „Falls ich mir die Frage erlauben darf, wie alt sind sie, Ms. Evans? Sie klingen noch recht jung." „Kein Problem. Ich werde morgen siebzehn, James wird in drei Monaten achtzehn und Sirius in fünf." „Nun, Sie wissen aber, dass die Wohnung nicht ganz billig ist, oder? Ich meine, sie ist groß, neu renoviert, in guter Lage und dazu noch in einem alten Haus, welches unter Denkmalschutz steht." „Ja, darüber sind wir uns im Klaren." „In Ordnung, Ms. Evans, sie können heute um 13.00 Uhr vorbeikommen, wenn es Ihnen Recht ist." „Ja das geht, vielen Dank, Mrs. Jones." „Keine Ursache. Bis nachher." „Auf Wiedersehen."
„Und?", fragte James erwartungsvoll. Lily nicke: „Tiere sind erlaubt. Ist ne Dachgeschosswohnung auf zwei Etagen. Wir gehen heute um 13.00 Uhr gucken. Die Verkäuferin klang sehr nett. Ihr hat weder unser Alter etwas ausgemacht, noch euer Geschlecht oder die Tatsache, dass ich mit zwei Typen zusammen ziehe." Sie lachten. Lily beruhigte sich wieder und setzte hinzu: „Allerdings hat sie angedeutet, dass die Wohnung nicht ganz billig ist…" „Kein Problem", unterbrach Sirius sie, „Jamesie und ich haben mehr Geld als wir ausgeben können und von dir möchte ich zu diesem Thema nichts mehr hören. Und Jamesie auch nicht, oder?" „Jep", stimmte James zu, dann drohte er, „aber nenn mich nicht Jamesie, Sirilein, sonst…" „Sirilein? DU nennst MICH Sirilein?", fragte Sirius gespielt aufgebracht. „Hey Jungs", ging Lily grinsend dazwischen, „ihr seid quitt. Außerdem benimmt man sich so nicht vor einer Lady." „Sieh an, sieh an…", murmelte James und Sirius stellte fest: „Sie wird größenwahnsinnig." Lily warf eine Zeitung nach ihm und schenkte James einen ihrer „bösen Blicke". Allerdings hielt sie das nicht lange durch und brach in schallendes Gelächter aus, in den die beiden Jungen bald einstimmten.
Sie beschlossen an diesem Morgen keine Zeitungen mehr zu durchforsten, sondern noch etwas Quidditch zu spielen. Das heißt, Sirius und Lily wollten Quidditch spielen, James verschwand unter fadenscheinigen Gründen und Lily brauchte gar nicht erst den verschwörerischen Blick zu sehen, den er mit Sirius wechselte, um zu wissen, dass die zwei etwas im Schilde führten, dass gefiel ihr gar nicht… Sirius schaffte es, Lily den ganzen Vormittag vom Haus weg zuhalten und James ließ sich nicht einmal blicken. Um 12.45 Uhr tauchte er dann schließlich auf und auf Sirius Frage ob alles nach Plan verlaufen war, nickte er mit leuchtenden Augen. Lily fragte was sie vor hätten, bekam aber nur ein „wenn wir dir das sagen würden, wären wir gezwungen dich hinterher zu töten" von James zur Antwort. Lily verdrehte die Augen, ließ es aber dabei bewenden.
Pünktlich um 13.00 Uhr standen sie vor dem Haus der Familie Jones. Es war tatsächlich ein sehr altes und hübsches Haus und Lily sah die Plakette, die es als Denkmalgeschützt ausgab. Sie klingelte und der elektrische Summer ertönte. James und Sirius blickten misstrauisch, obwohl sie so ein Ding schon gestern gehört hatten. Da waren sie beide sehr nervös gewesen und auch jetzt schien es ihnen nicht geheuer zu sein. Lily trat ins kühle Treppenhaus und die Jungen folgten. Das Treppenhaus passte zur Fassade des Hauses. Hohe Decken und der Boden gefliest. Die Treppe war aus Holz und recht verschnörkelt. Sirius grummelte etwas, was sich verdächtig nach „kitschig" anhörte und James schien ihm da zuzustimmen, auch wenn er schwieg.
Im 4. Stock angekommen klopfte Lily leicht gegen die angelehnte Tür. Die Jungen blickten verständnislos. Wieso ging Lily nicht hinein? Die Tür war doch auf. Doch Lily lies sich nicht beirren. Die Jones waren Muggel, also war hier Muggelhöflichkeit angebracht. Mrs. Jones, eine eher kleine, braunhaarige Frau öffnete. Lily sah mit einem Blick, dass sie schwanger war, sagte aber nichts. Stattdessen reichte sie Mrs. Jones die Hand und stellte sich und die Jungen vor. Nachdem sie auch Mr. Jones, einen großen, blonden Mann begrüßt hatten, wollten sie sich der Wohnung zuwenden. Doch da erklang plötzlich ein Geheul und vier Kinder im Alter von 2 bis 6 Jahren kamen angerannt. Mit einem Mal wusste Lily, wieso die Jones diese schöne Wohnung verkauften. Mit fünf Kindern wurde es hier sehr eng, zumal der Älteste bald sein eigens Zimmer würde haben wollen. Und es war quatsch, sich im Platz so zu beschränken, denn für das Geld, was diese Wohnung wert war, konnte man sich ein hübsches Reihenhaus, wie das im Ligusterweg, kaufen. Lily ahnte, dass die Jones sehr an ihrer Wohnung hingen und sich mit dem Verkauf schwer taten. Wenn sie die Wohnung haben wollten, und Lily wollte sie haben, würden sie sich anstrengen müssen.
Besagte Wohnung war ein Traum. Sie hatte recht hohe Decken, an denen oben schlichte Stuckverzierung angebracht war. Die Wohnung war edel, aber doch gemütlich und Lily war sofort begeistert. Auch James und Sirius schienen angetan. Unten befanden sich eine Einbauküche, die sie übernehmen würden, außerdem zwei Schlafzimmer, ein großes Bad und das Wohnzimmer. Lily war vom Bad besonders angetan. Sie beurteilte Wohnungen und auch ihre Bewohner immer nach dem Badezimmer. Dieses hier war groß, blitzsauber und hatte eine große Badewanne, sowie kleine, runde Strahler an der Decke die alles glitzern ließen. Die Schlafzimmer waren ebenfalls schön. Das eine etwas kleiner als das andere und beide hatten große Fenster und waren praktisch geschnitten. Das Wohnzimmer war durch zwei dekorative Säulen praktisch zweigeteilt und hatte einige Nischen, in die man Tischchen oder Sofas stellen konnte. Dann gingen sie nach oben. Eine Wendeltreppe führte vom kleinen Flur ins obere Stockwerk. Dort war wieder ein kleiner Flur und von da kam man ins dritte Schlafzimmer. „Das wäre dann deins, Lily", bestimmte James spontan. Lily war hellauf begeistert von dem Zimmer. Die Decken waren oben leicht angeschrägt und die Fenster waren Oberlichter. Der Raum war hell und gemütlich, hatte aber auch den eleganten Touch, der die ganze Wohnung auszeichnete. Am anderen Ende befand sich noch ein kleines Badezimmer, welches allerdings keine Badewanne, sondern nur eine Dusche hatte.
„Nun, wie gefällt ihnen die Wohnung?", fragte Mrs. Jones nach der Besichtigung. „Oh, sie ist toll", schwärmte Lily, „ich würde mich hier sehr wohl fühlen. Ich finde sie wirklich fantastisch." „Ja, sie ist perfekt", stimmte James zu und lächelte charmant. Sirius strich sich mit einem gewinnenden Grinsen eine Haarsträhne aus der Stirn und stimmte ebenfalls zu: „Sie ist traumhaft." Die beiden konnten ja doch ganz hilfreich sein. „Es muss schwer für sie sein, hier auszuziehen", bemerkte Lily mitfühlend. Mr. Jones nickte: „Ja, ist es. Wir haben es bis zum Ende hinaus gezögert, aber…" Er deutete auf seine Frau und Lily nickte verstehend. Sirius und James standen die Fragezeichen in die Gesichter geschrieben, aber nur Lily sah ihre Verwirrung, weil sie sie kannte. Sie würde es ihnen nachher erklären und das wussten die beiden, also schwiegen sie. „Nun, falls sie die Wohnung haben möchten, dann bekommen sie sie", erklärte Mr. Jones bestimmt. Lily nickte und lächelte: „Furchtbar gerne, vielen, vielen Dank." Mrs. Jones lachte über Lilys Freude: „Wir hatten schon viele Interessenten da, aber ich konnte mich nicht überwinden einem von denen die Wohnung zu geben. Bei euch dreien habe ich ein gutes Gefühl." „Welch eine Ehre", meinte James mit einem angedeuteten Diener. Alles lachte.
Als Mr. Jones dann aber den Preis nannte, schnappte Lily nach Luft. So viel Geld hatte sie nie in ihrem Leben besessen. Sie überschlug das im Kopf auf Zauberergeld und nannte James und Sirius im Flüsterton die Summe. Die zwei sahen sich einmal viel sagend an, dann… „In Ordnung, wie nehmen sie", wandte sich Sirius an die Jones. Mr. Jones nickte geschäftsmäßig: „Gut. Wie bezahlen sie?" Sirius sah sich Hilfe suchend nach Lily um und James schubste diese leicht nach vorne. „Bar wenn es ginge. Wir könnten ihnen das Geld in…", sie sah auf die Uhr, „circa einer halben Stund vorbei bringen." Die Jones nickten, dann verabschiedeten sie sich und James, Sirius und Lily machten sich auf den Weg zur Winkelgasse, um Geld abzuheben und umzutauschen. Lily dachte bei sich, dass es kaum zu glauben war. Jetzt zog sie in ihre Traumwohnung, musste nicht einen Pfennig dafür bezahlen und sie würde dort noch nicht einmal alleine wohnen. Nein, sie würde ihre beiden besten Freunde dabei haben. Obwohl, waren es denn wirklich nur Freunde?
