Kapitel VIII

Allerheiligen

„Lumos!"

Nichts passierte. Snape grummelte etwas Unverständliches.

„Lumos!"

Noch immer blieb es dunkel. Der Wind rauschte durch die Baumwipfel, in der Ferne schrie eine Eule auf.

„Lumos! Du verfluchtes Teil!"

„Miss Granger!"

Hörte Viviane Snape neben sich laut fluchen.

„Lumos!"

„Miss Granger! Hören Sie sofort auf und beruhigen Sie sich wieder!"

„Lumos!"

Aus Vivis Zauberstabspitze fuhr ein Funkenregen und nun endlich glühte ein kleiner roter Ball gleich einer kleinen Taschenlampe direkt vor dem Mädchen und dem Zauberer.

„Miss Granger! Das Licht sollte eigentlich einen Goldschimmer haben! Wieso um alles in der Welt ist Ihres „rot"?"

„Darüber zerbricht sich auch Professor Granger den Kopf!"

Antwortete das Mädchen nüchtern. Viviane pflegte seit geraumer Zeit ihre Mutter nicht mehr als solche zu titulieren, sondern sich auf „Professor Granger"zu beschränken. Auch in deren Anwesenheit.

Snape grunzte gereizt.

„Lumos!"

Bevor ein großer, heller, goldener Lichtkegel vor seiner Zauberstabspitze erschien und den kleinen Waldweg vor ihnen erhellte.

Angeber!, dachte Vivi mürrisch und folgte ihren Zaubertranklehrer in den Wald hinein. (siehe etwas weiter unten)Er hatte ihr einen großes Korb gereicht, als sie heute kurz vor zehn bei ihm in den Katakomben erschienen war, während ihre Freunde alle Halloween in der großen Halle feierten. Im Korb lagen zwei paar Handschuhe und zwei Messer. Warum ließ ein Kerl, der fast doppelt so groß und mindestens fünfmal so alt war wie Vivi, sie die ganzen Sachen schleppen?

Ungeschickt stolperte sie durch das Unterholz hinter Snape her. Zweige schlugen ihr immer wieder in das Gesicht und ein Stein hatte sich irgendwie einen Weg in ihren Schuh erschlichen

Sie gingen etwa eine halbe Stunde voller merkwürdiger Geräusche und nur im fahlen Licht ihrer Zauber einen schmalen Trampelpfad entlang, bis der Professor das Mädchen an eine kleine Lichtung führte. Über ihnen wurde brach der Halbmond durch die dichte Wolkendecke. „Ob Mitternacht schon um war" , fragte sich Viviane, nachdem sie den Korb abgestellt hatte und auf Anweisungen wartete.

„Kommen Sie her, Miss Granger!"

Vivi seufzte tief, aber tat wie ihr geheißen.

„Sehen Sie hier an der Baumwurzel ist er! Dieser Pilz ist äußerst effektiv. Sie schneiden ihn genau dort ab, an der Berührungsstelle zum Baum. Es darf so wenig vom Stängel verloren gehen wie möglich und achten Sie darauf, dass er nicht bricht! Das macht ihn fast unwirksam. Verstanden?"

Die kleine Hexe nickte und nahm das Messer entgegen, dass Snape ihr reichte. Der Baumpilz sah eigentlich recht unscheinbar aus. Doch ein schwacher grüner Glimmer, der über seinen runden Hut schwebte, verriet seine magische Herkunft.

„Sie fangen hier an! Ich überlasse ihnen den Korb! Ich werde auf der anderen Seite der Lichtung zu Werke gehen!"

So überließ er Viviane den Pilzen.

Insgesamt besuchten sie in dieser Nacht noch drei weitere Lichtungen und als Viviane endlich mit dreckigen Fingernägeln und wunden Knien im Schlafsaal ankam, schliefen ihre beiden Zimmernachbarinnen bereits tief und fest. Müde griff sie nach ihrem Wecker:

„Es ist 3:45, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Kleines!"

Eine Weile starrte sie auf die Anzeige und beobachtete wie die Sekunden verstrichen. Dann fing sie an zu weinen.

Der Wecker fiel ihr aus den Händen auf den Teppichboden und kam mit einem dumpfen Geräusch auf. Crookshanks strich ihr um die Beine und forderte Streicheleinheiten. War denn hier allen, außer ihrem Wecker, völlig egal, wie es ihr ging?

Schniefend ignorierte sie ihren Kater (der laut protestierte, als sie ihn wegstieß), wusch sich Gesicht und Hände und legte sich schlafen. Eine Weile noch lag sie wach und dachte nach, bevor sie die Erschöpfung des Tages einholte und mit tiefem Schlaf zudeckte.

Sie träumte allerlei merkwürdiges Zeug. Dunkle Gänge und ein großer Spiegel, Bäume, die mitten im Schloss wuchsen und über und über mit Schlüssellöchern aller Größen bedeckt waren. Und von dem fetten Fremden Kerl, der ihr begegnet war, als sie sich einmal im Schloss verlaufen hatte. Oswald von Sabinenbrück lachte sie aus seinem Gemälde heraus an und erzählte, wie sich alle seine Bekannten schon das Maul darüber zerrissen, was für eine schlechte Schülerin sie war. Der Dicke wimmerte in einer Ecke und plötzlich verwandelte sich sein runder Kopf in einen Pilz und Snape war da und gab ihr ein Messer!"

„Schneide ihn genau unter dem Hals ab! Verstanden, Miss Granger?"

Sie lief dem Fremden nach, der um Hilfe rief und sie anschrie, sie solle ihn in Ruhe lassen. Dann veränderte sich der Traum und nun war Viviane selbst diejenige, die verfolgt war. Überall ragten die merkwürdigen Bäume aus dem Marmor auf. Ein Schatten jagte hinter dem Mädchen her. Und er kam mit jedem Augenblick näher. Immer näher, bis sie seinen lauten Atem hinter sich hören konnte. Und dann hatte er sie. Hielt sie an den Schultern und ..

„Vivi, wach auf!"

Das Mädchen schlug erschrocken die Augen auf und schrie. Ihr Herz schlug wie verrückt, doch mit einem Mal war ihr klar, dass sie geträumt haben musste. Nathan sah erschrocken zu ihr hinab.

„Alles klar?"

Vivi nickte und richtete sich auf.

„Nur'n Alptraum!", nuschelte sie.

Ein Lächeln bahnte sich seinen Weg auf das Gesicht des Jungen.

„Na dann: Happy Birthday, Viviane Granger!"

Und er schob ihr ein kleines Paket unter die Nase.

„Für mich?"

„Sieht hier sonst noch jemand so aus, als hätte er Geburtstag?"

Vivi grinste und nahm das Geschenk an sich. Vorsichtig entfernte sie das Papier und zum Vorschein trat eine riesige Tüte voller Süßigkeiten: Pfefferdrops, Bertie Botts Bohnen aller Geschmacksrichtungen, lemonige Lemminge, Kicherkaugummi und Schokofrösche, um nur einige zu nennen.

„Ich wusste ja nicht was du magst, da hab ich eben ganz viel durcheinander gekauft!"

Vivi fiel ihm um den Hals und damit verteilten sich die Süßigkeiten über das ganze Bett.

„Oh danke! Das ist so lieb von dir!"

Fast unbemerkt stahl sich Crookshanks einen Schokofrosch. Kaum hatte er mit den Krallen den Karton geöffnet, da hüpfte die Schokoladenamphibie bereits zurück auf das Bett, wo sie erfolgreich von dem Geburtstagskind gefangen wurde.

Brüderlich teile Viviane die Beute unter sich Nathan und Crookshanks auf.

„Wie war die Feier gestern?"

Der Junge zuckte die Achseln.

„Einige Hufflepuff haben sich in Brand gesetzt. Das war ganz lustig! Und die Geister sind von ihrer eigenen Feier, mal zu uns herübergeschwebt. Das war ziemlich cool!"

Er erzählte Vivi (die immer trauriger wurde, während sie ihm zuhörte) noch einiges mehr über den durchsichtigen Besuch aus der Umgebung und brach erst ab, als Viviane beinah angefangen hätte zu weinen.

„Ach, sei nicht traurig. So gut war's eigentlich gar nicht. Wenn ich so recht darüber nachdenke, doch ziemlich langweilig! Und schau Mal, da auf deiner Kommode ist sogar noch ein Geschenk! Wird bestimmt von deiner Mama sein!"

Trotzdem sich das Mädchen noch nicht viel fröhlicher fühlte, hellte das neu entdeckte Päckchen ihre Stimmung doch ein wenig auf.

Gespannt griff sie nach dem Geschenk, das so klein war, dass es Platz in ihrer Hand fand. Schnell war das Papier gelöst und zum Vorschein kam ein kleines Schächtelchen, dessen Deckel sich leicht öffnen ließ.

„Wow!"

Entkam es Vivi. Eine feine Silberkette mit Anhänger lag nun in ihrer offenen Hand.

„Oh Schmuck!"

Kommentierte Nathan enttäuscht.

„Ja und es ist wunderschön!"

Sie hob die Kette an und ließ den Anhänger vor ihrem Gesicht herunterhängen.

„Sieh mal, da drinne ist ein Stein!"

In der Tat, war es so. Der Anhänger war en einfacher Tropenförmiger Silberkäfig, der einen roten, geschliffenen Stein hielt. Vorsichtig schüttelte Viviane den Käfig, aber das Mineral war fest und klöterte nicht, wie erwartet hin und her.

„Da ist noch 'n Zettel, Vivi!"

Sagte Nathan und deutete auf ein sehr klein zusammengefaltetes Stück Papier, dass nun zu Miss Grangers Füßen lag.

„Oh!"

Sagte sie und nahm die Botschaft hoch, entfaltete sie und las.

„Liebe Viviane,

entschuldige bitte, dass ich dir dein Geburtstagsgeschenk nicht persönlich überreichen kann. Ich bin sicher, es wird dir gefallen. Es handelt sich bei dem Halbedelstein in dem Käfig nebenbei um einen Granaten."

Das war alles. Mit keiner Zeile erwähnte der Schreiber auch nur die Idee seiner Identität. Ihre Mutter konnte es nicht gewesen sein, denn die Schrift auf dem Pergament war in keiner Weise der ihren gleich. Eckiger war die Feder geführt worden und mit mehr Kraft.

„Und?"

Das Mädchen sah Nathan fragend an.

„Was und?"

Der Junge rümpfte die Nase.

„Na wie steht es mir?"

„Na ja.. weiß nicht. Sieht ganz nett aus!"

Vivi griff sich einen der lemonigen Lemminge und zerkaute ihn genüsslich.

„Also ich find ihn schön!"

Vielleicht hatten Harry oder Ginny ihr das geschickt? Aber hätten sie dann nicht unterschrieben?

Aber alle ihre Verdachtmomente wer nun der Absender ihrer Geburtstagskette war, wurden ausgelöscht, als sie im Laufe des Tages von allen ihren Freunden, Verwandten und Bekannten auf irgendeine Weise bedacht wurde. Sogar ihr Onkel aus Ohio hatte ihr eine Karte geschrieben und über ihre Mutter zu ihr bringen lassen. Irgendwie war das schon sehr seltsam. Vielleicht hatte ihr Snape ja die Kette als Entschädigung für die geraubte Nacht geschenkt. Und irgendwie passte es ja auch. Er wollte etwas von ihrer Mutter, behielt Vivi in seiner Nähe und schenkte ihr Sachen?! Ganz wie alle anderen Verehrer! Konstatierte die Slytherin.

Aber sollte sie ihm dann danken?

„Also bei uns ist heute das ganze Muggeldorf wie ausgestorben. Man kann nicht mal Katzen über die Straße laufen sehen. Nur die Vögel hört man manchmal kreischen!"

Melissa kicherte auf Nathans Schilderung.

„Ja bei uns auch! Ich und meine Schwester gehen dann immer rum: Muggel erschrecken. Sie machen dann immer so ein komisches Zeichen, wenn sie uns sehen und schaun ganz elend. Besonders die Alten. Das ist dann immer ein Spaß!"

„Und bei so was, wundern wir uns, warum es die Hexenverbrennung gab!"

Hörte Viviane eine vorbeieilende Ravenclaw kommentieren.

„Was ist denn an heute so besonderes?"

Fragte Miss Granger ein wenig verstimmt, dass es etwas Wichtigeres heute gab, als ihren eigenen Geburtstag.

„Heute ist Allerseelen. Der Tag nach Samhain oder auch Halloween, wie es die Muggel nennen. Heute ist die Grenze zwischen unserem und dem Reich der Toten besonders dünn und mancherorts nicht mehr vorhanden. Das können sogar die Muggel spüren, daher verschließen sie aus Angst böse Gespenster könnten sie heimsuchen ihre Türen. Zwar werden in vielen Gegenden auch große Feste gefeiert, bei denen man auch für die Verstorbenen den Tisch mitdeckt, aber wie du gerade gehört hast, fürchten sich auch noch manche Leute vor dem, was in den nächsten Tagen für merkwürdige Dinge geschehen könnten."

Erklärte Karl und die anderen nickten zustimmend.

„Ich habe keine Angst vor Geistern!"

Erklärte Vivi deutlich den anderen.

„Und gesehen hab ich auch noch keinen!"

Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihen der Slytherin.

„Echt nich? Aber die fliegen doch überall im Schloss rum!"

Erwähnte Nathan völlig ungläubig. Das Mädchen zuckte die Achseln. Sie war mit ihren Gedanken schon wieder woanders. Dort drüben saß Griselda und Viviane hatte genau bemerkt, dass die Huffelpuff ihr ab und zu merkwürdige Blicke zuwarf, aber sofort wieder den Kopf wegdrehte, wenn Miss Granger sie erwiderte.

Eine Weile noch blieben die Slytherin am Tisch sitzen und unterhielten sich über die besten Arten Muggel zu erschrecken. Doch als sich die Große Halle immer mehr leerte und die Teller bereits verschwunden waren. (Viviane hätte zu gerne gewusst, wie sie das gemacht hatten. Ein Plopp und das ganze Geschwirr samt Essensreste war fortgezaubert) Wollten auch die Erstklässler der Slytherin aufbrechen. Vivi hatte andere Pläne: Dies war der richtige Zeitpunkt, um endlich mit Griselda ein paar Dinge klar zu stellen.

„Geht schon Mal vor, ich komm dann nach!"

Nathan zuckte die Achseln, nickte und schlurfte hinter den anderen her. Die große Halle war bis auf die wenigen Hufflepuff, Viviane und jemanden von den Ravenclaw, der hinter einem großen Buch vergraben saß, leer.

„Hey; Griselda!"

Begrüßte Miss Granger das strohhaarige Mädchen mutig. Die dürre Hufflepuff hob den Kopf und starrte die Slytherin böse an.

„Hör auf mich so anzusehen!"

Griselda schob ihre Unterlippe vor. (Ähnlich wie es Vivi selbst oft tat, wenn sie sauer auf ihre Mutter war und schmollte)

„Ich finde es ist echt mal an der Zeit, dass wir miteinander reden!"

Die übrigen Huffelpuff standen schnell auf und eilten murmelnd aus der Halle hinaus. So weit wie möglich vom Schussfeld fort, wie möglich.

„Oh ja, Miss Granger! Wir sollten reden. Darüber, wie ihr dummen Slytherin euch ständig über uns lustig macht, meinen Freundinnen ein Bein stellt oder ihnen an den Haaren zieht. Wie ihr uns an Halloween die Roben angezündet habt. Wie ihr mich schubst und verhext. Wie ihr im Unterricht schummelt und nicht aufpasst. Ja Viviane, lass uns ne Weile darüber reden! Du Slytherinschlampe, du!"

„Jetzt halt aber mal die Luft an!"

Entgegnete Viviane verhältnismäßig ruhig.

„Erstens, hab ich noch nie nen Hufflepuff geärgert! Zweitens hat mir Nathan erzählt, ihr habt euch selbst gestern angezündet und außerdem war „ich" nicht einmal da! Und was kann ich bitte dafür, was meine Mitschüler machen? Die einzig Dumme das bist du, wenn du glaubst, dass alle Slytherin böse sind, nur weil's ein paar echte Idioten unter uns gibt. Und die gibt's schließlich auch in allen anderen Häusern!"

Griselda stand auf und war nun direkt vor Vivi.

„Du könntest den anderen aber sagen, wie gemein das ist, was sie machen. Und du könntest hallo zu Astrid sagen, wenn du sie siehst."

Im Himmel über ihnen gewitterte es.

„Das ist aber nun Mal nicht so einfach!"

Die Hufflepuff griff nach ihrer Schultasche.

„Du bist doch nur feige!"

Vivi stampfte so laut mit den Fuß auf.

„Das ist gar nicht wahr! Ich bin nur nicht lebensmüde. Das ist ein Unterschied."

Griselda zog die Augebrauen zusammen.

„Dann sag wenigstens Melissa und Simon, dass sie uns in Ruhe lassen sollen."

Viviane schüttelte energisch den Kopf.

„Das würde nichts bringen. Die würden doch gar nicht auf mich hören!"

Die kleine Hufflepuff grummelte.

„Aber dann hättest du es wenigstens gesagt.. Das.."

Doch sie wurde unterbrochen.

Die rechte der großen Flügeltüren der großen Halle schwang knarrend auf und eine kleine, gedrungene Gestalt erschien in der Tür.

„Du schon wieder!"

Schrie Viviane auf einmal den Neuankömmling entgegen und starrte ihn fassungslos an.

Und tatsächlich dort an der Schwelle stand niemand anderer, als der fette Fremde, dem sie bereits einmal in den Gängen Hogwarts begegnet war. Ein spitzes Geräusch drang aus seiner Kehle und das Mädchen hätte schwören können, dass er eigentlich sofort wieder von dannen stürmen würde.

„Wer ist das Viviane?"

Fragte Griselda verwirrt. Der Fremde machte zwei zitternde Schritte in die Halle hinein. Die Tür fiehl krachend zurück ins Schloss. Zweimal blinzelte der Fremde und keuchte dabei wie ein Tier auf der Flucht, dann drückte er sich so schnell er konnte an der Wand auf der gegenüberliegenden Seite vom Hufflepuff Tisch vorbei.

„Komm nicht näher!"

Warnte er Viviane, die aber nichts davon hielt und dies als Aufforderung nahm auf ihn los zu stürmen. Der Mann kreischte laut und plötzlich geschah das Unmögliche. Gerade, als die Slytherin ihn beinah erreicht hatte, öffnete sich hinter ihm ein Spalt in der Wand und verschlang ihn. Viviane fiel krachend gegen den harten Stein und landete auf ihren Hintern.

Einen Augenblick war es still in der großen Halle. Oben an der Decke fiel Regen hinab, der niemals den Marmorboden berühren würde.

„Wer war das Viviane?"

Griselda beugte sich weißgesichtig zu Viviane hinunter. War sie ihr hinterhergerannt?

„Der Kerl war ja ganz schön unheimlich!"

Setzte sie der Frage noch hinzu. Viviane sah schniefend hoch.

„Keine Ahnung. Aber ich hab ihn schon mal gesehen!

„Warum hatte er Angst vor dir?"

Miss Granger zuckte die Achseln.

„Das würde ich auch gerne wissen!"

Ertönte neben Vivianes auch eine andere Stimme. Der Ravenclaw, der als einziger neben den Mädchen noch in der Halle gewesen, stand neben ihnen. Es war Demian. Viviane verzog das Gesicht, als sei ihr ein ganz schrecklicher Gestank in die Nase gekrochen. Doch bevor noch einer der beiden Plappermäuler eine weitere sinnlose Frage stellen konnte, stand sie hastig auf und begann die Stelle, an der der Eingang, durch den der fette Kerl verschwunden war, sein musste, akribisch zu untersuchen.

Nach einigen Augenblicken begannen die beiden anderen Schüler eifrig zu helfen. Etwas staubig waren die Wände und Griselda brach sich an einer der vielen Steinkanten einen Fingernagel ab, aber eine Öffnung fanden sie nicht.

„So ein Mist!"

Fluchte Vivi und gab dem Gemäuer einen kräftigen Tritt (von dem es herzlich ungerührt blieb)

„Wo hast du ihn schon Mal gesehen, Viviane?"

Demian betrachtete das kleinere Mädchen mit verschränkten Armen und nachdenklichen Blick.

Einen Moment überlegte die Slytherin ob sie ihm eine patzige Antwort geben sollte, beschloss sich aber, dieses eine Mal etwas konstruktives beizutragen.

„Als ich mich auf dem Weg von Geschichte zur großen Halle verlaufen habe.. oh!"

Das war die Lösung. Vivianes Augen wurden weit und ihr Puls, der sich mittlerweile wieder beruhigt hatte, fing von neuem an, schneller zu werden.

„Natürlich! Ich bin doch damals genau hier herausgekommen. Wir müssen nur den Dichter finden! Kommt schnell. Vielleicht kriegen wir den Kerl noch!"

Offensichtlich verstanden die beiden anderen Kinder die mysteriösen Worte ihrer Mitschülerin nicht so ganz, aber spurteten ihr dennoch hinterher, als Viviane aus der Großen Halle in Richtung Geschichtsklassenzimmer rannte.

Einige Schüler sahen ihnen nach, während sie den alten Staub des Schlosses aufwirbelten indem sie wie Derwische durch die Gänge fegten. Eine Rüstung hätte sich beinah nicht mehr halten können, als Vivianes Schultasche mit voller Wucht gegen ihre Bauchplatte knallte. Und als die Kinder an einem Gemälde, das ein fröhliches Picknick zeigte vorbeieilten, flogen doch glatt den Damen der Bildgesellschaft die Hüte von den Köpfen.

Keuchend erreichten sie die schweren fest geschlossenen Flügeltüren, doch anstatt, dass Viviane anhielt, schaute sie sich nur einmal um, ob die beiden anderen noch hinter ihr waren und rannte dann weiter den Gang entlang.

Sie musste diesen vertrottelten Dichter finden. Der würde bestimmt den Weg wissen. Wie war noch gleich sein Name gewesen? Irgendetwas mit O.

„Oh Oswald! Was du nicht alles weißt!"

Ja das war es gewesen! Oswald hieß es! Aprubt blieb Viviane stehen, als ihr klar wurde, dass die piepsige Frauenstimme aus einem großen Gemälde hinter ihr den passenden Namen ausgesprochen hatte. Griselda knallte in vollen Anlauf gegen sie und beide Mädchen krachten zu Boden. Demian stand neben ihnen und fing an über den offensichtlich komischen Anblick, den sie boten, zu lachen.

„Idiot!"

Zischte Viviane. Die Hufflepuff schwieg betreten und rappelte sich schnell wieder hoch.

„Warum bist du stehen geblieben, Vivi?"

Fragte sie hastig.

„Oh! Madame Merai.. einen Moment bitte,.. ich glaube ich habe gerade einen Namen gehört, den ich kenne!"!

Sprach eine Männerstimme aus dem Gemälde.

„Miss Granger! Sind sie etwa hier und besuchen mich ein Mal !Wie wunderbar!"

Ohne Punkt und Komma begann Viviane schnell herunterzurattern, was sie von ihm wollte:

„Oswald! Du musst uns helfen. Wir haben da den fetten Kerl gesehen. Weißt du noch, der hatte doch so eine Angst vor mir, damals, als du mir den weg zur Halle gezeigt hast. Du musst uns helfen ihn wieder zu finden. Ganz, ganz schnell, sonst ist er weg! Bitte, mach schnell!"

Sie hatte sich vor das Gemälde, in dem der altertümliche Dichter saß gekniet und stand nun endlich langsam wieder auf.

„Von wem redet ihr, holde Maid? Mir ist nicht bekannt so einen jemand bei unserem letzten Zusammentreffen begegnet zu sein!"

Viviane schnaubte wütend.

„Verdammt noch mal! Dann führ uns eben zu diesem Gang mit dem Spiegel davor, ok?"

Oswald lächelte Viviane verlegen an und zog die Stirn kraus.

„Nun gut. Madame Merai, bitte entschuldigt mich kurz, ich bringe die Herrschaften nur kurz an den Ort ihres Begehrens!"

Einen Blick auf Vivi werfend und seinen übergroßen Kopf schüttelnd eilte Sir Oswald von Sabinenbrück aus dem Gemälde Rand hinaus und weiter Gang einwärts war seine Stimme zu hören.

„Folgt mir! Hurtig! Hier entlang!"

Die junge Slytherin preschte hinterher, während die anderen ihr folgen. Zum Kopfschütteln war zwar keine Zeit mehr, aber sie hätten es dennoch offenbar gerne getan.

„Nicht... so.. schnell!"

Hechelte Griselda, die von allen dreien die Langsamste war, hinter ihren Mitschülern her. Viviane, die das Tempo angab, zeigte jedoch kein Erbarmen und tat so, als ob sie das Bittgesuch der kleinen Hufflepuff nicht gehört hätte.

Die Gänge wurden dunkler und es roch mit einem Mal ganz miefig. War sie wirklich schon einmal hier gewesen? Die Schritte der Kinder hallten an den Wänden wider und immer wieder rief Oswalds Stimme sie weiter. Hatte sie das letzte Mal auch so lange gebraucht?

Doch mit einem Mal sah sie wieder den blinden Wandspiegel vor sich. Bevor die Kinder wieder übereinander stolpern konnten, rief die Slytherin laut.

„Halt! Hier ist es!"

Und blieb in der Kreuzung stehen.

„Der ist doch bestimmt schon weg!"

Warf Demian ein, der sich wie die Mädchen nach rechts und links umsah.

„Wir gehen nach links, nach rechts kommen wir zurück in die große Halle und da wir ihm auf dem Weg hierher nicht begegnet sind, ist er bestimmt nach links gegangen!"

Also wandte sie sich in die angesprochene Richtung und hastete eilig, wenn auch nicht ganz so schnell wie eben weiter, dicht gefolgt von Demian und Griselda.

„So wartet doch auf mich!"

Ertönte es diesmal hinter ihnen, denn Sir Oswald wollte ihnen offenbar noch ein wenig länger Gesellschaft leisten.

Es dauerte nicht lange, da hörten die Kinder sich laut unterhaltende Stimmen. Sie liefen direkt auf eine offene größere Halle und aus der Entfernung konnten sie eine große marmorne Treppe erkennen, deren Ende sich noch ihren Blick entzog. Dennoch stand auf einer der unteren Stufen doch tatsächlich der Gesuchte.

„Da ist der fette Kerl ja!"

Rief Viviane erfreut aus. Sie kamen in der Halle an. Nun konnten sie auch endlich die Worte vernehmen, die dort gesprochen wurden, und die sie vorher nur wie das Geplätscher eines Flusses vernommen hatten. Neben dem Fremden und doch Bekannten von Miss Grnger stand ein Schatten oben auf der Treppe. Nein, es war keine Gestalt, die gegen ein Licht stand, es war nichts weiter als ein fast formloser Schatten, dessen grobe, verschwommene Kontur nur leicht an die eines Mneschen erinnerte. Dem Fetten unten am Rande der Treppe stand Schweiß auf der Stirn und er zitterte, wie er einst in Vivianes Gegenwart gezittert hatte. Doch auch die Kinder überkam es mit einem Mal kalt, wähernd sie die merkwürdige Szene beobachteten.

„Damit kommst du nicht durch! Sie werden es herausfinden! Damit kommst du nicht durch..!"

Quengelig hörte sich der Verfolgte an. Erinnerte an ein vor Angst erstarrtes Tier.

„Niemand wird es je erfahren und du wirst nicht mehr da sein um sie zu warnen!"

Antwortete die durchdringende Stimme des Schattens. Sie war tief, die eines Mannes und hallte durch die Ohren der Kinder wie ein Lauter Wind oder das heftige Knallen einer Tür. Mit einem Mal hob die wabernde Schwärze etwas, das ein Arm ähnlich schien und deutete direkt auf die mittlerweile auf den Treppen knieende wimmernde Gestalt unten.

„Avada Kedavra!"

Die Mädchen schrieen spitz auf und krallten sich aneinander fest. Demian blieb bleich stehen, als ein grüner Blitz den jämmerlichen Fremden traf und er reglos mit dem Gesicht nach unten liegen blieb. Und dann mit einem Mal verschwanden die beiden Treppensteher. Wie als würde kurz ein Nebel sie umhüllen und sie mit in ein fernes Anderswo nehmen.

„Was war das?"

Fragte Viviane fassungslos. Dann war Stille.

„Ach, Mylady, darüber zerbrecht euch nicht den Kopf. Nur eine Ruhelose Seele. Das geschieht jedes Jahr, jeden Tag nach Halloween dieselbe Szene. Schon als man mich aufhing ging das schon so! Armer Mann. Das Geheimnis der 235. Treppe nennen es die anderen, die Älteren!"

Und wieder schwiegen die drei mit bleichen Gesichtern und starrten den spitzgesichtigen Dichter, der in einem völlig leeren schwarzen Gemälde stand schockiert an.

„Hogwarts hat aber nur 125 Treppen!"

Platzte es aus dem Ravenclaw heraus. Vivi und Griselda schauten ihn an, als hätte er im tiefsten Winter nach Eiscreme verlangt. Doch Oswald Freiherr von Sabinenbrück lachte nur pikiert.

„Ach die alte Geschichte! Nein, natürlich gibt es viel mehr von ihnen. Aber sie konnten ja schlecht eine genaue Anzahl angeben, schließlich ändert sich ihre Zahl ja fast täglich. Nein, es gibt 125 Treppenfamilien. Denn ihr müsst wissen, dass eine Treppe immer ein ganzes Leben hat, wie auch ein Zauberer. Sie vermehren sich, haben kleine Ableger, werden groß und alt, manche werden irgendwann zu Türen oder Wänden, manche bekommen kleinere Stufen, manche größere, einige werden mit der Zeit eben, oft wird aus zwei Treppen eine und bald schon kann man kleine Abkömmlinge von ihnen sehen.. Nein, was in der Geschichte Hogwarts steht ist nicht die Anzahl der Treppen, sondern die der Familien. Und diese hier ist besonders alt und hat sich, seit ich sie kenne nicht mehr verändert. Sie ist Nummer 235 und dass, was jedes Jahr nach Holloween hier vor sich geht, ist ihr Geheimnis!"

Doch Demian schien noch immer nicht ganz zufrieden.

„Und was war das für ein Fluch, der den unteren Mann getroffen hat!"

„Ja und weißt du wer er war?"

Fiehl Viviane mit ein.

„Was ist eine ruhelose Seele?"

Setzte Griselda die Reihe von Fragen fort und die drei Kinder starrten den etwas überforderten Oswald verwirrt an.

„Ähm."

Begann dieser.

„Nun ja... ehrlich gesagt. Eine ruhelose Seele ist wohl ein Geist, so weit ich weiß. Eben einer, der gewaltsam zu Tode gekommen ist und dazu verflucht ist nicht zu Ruhen und den Tag seines Todes immer und immer wieder zu erleben, bis die Umstände seines Ablebens geklärt und sein Leichnam in heiliger Erde begraben wurde. Und die anderen beiden Fragen weiß ich nicht zu beantworten. Doch der Fluch hat ihn sicherlich umgebracht. Ihr könnt ja einen eurer Lehrer danach fragen, die werden es sicherlich wissen."

„Du siehst ihn hier nur an Halloween?"

Demian hatte sich mit verschränkten Armen vor das Gemälde gestellt und kniff die Augen leicht zusammen, während Oswald elegant die Schultern zuckte und nickte.

„Wie kann es dann sein, dass Viviane ihn schon einmal hier gesehen hat."

Sir Oswald sah Viviane mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an.

„Ach ja! Nun.. ich glaube nicht, dass das sein kann.."

„Nun hör auf zu quatschen! Das war an dem Tag, als du mich zur großen Halle gebracht hast. Da hab ich ihn gesehen und du hast mich noch gefragt, mit wem ich rede."

Fiel Vivi wütend ein. Sie wusste, was sie gesehen hatte und schließlich hatte der Fremde sie ja sogar wieder erkannt.

„Nun?!"

Oswald hob seine Augebraue.

„Ganz wie Mylady meinen. Wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet, ich werde erwartet!"

War sein kurze Verabschiedung Er verbeugte sich einmal vor ihnen und rauschte davon. Die Kinder blieben noch immer recht blass um die Nase in der leeren Halle mit der hohen Treppe stehen.

„Wir sollten einem der Lehrer Bescheid sagen!"

Flüsterte Griselda in die Stille hinein nur um kurz darauf laut und gleichzeittig eine Antwort von ihren Mitstreitern zu erhalten.

„Nein, auf gar keinen Fall!"

Vivi und Demian sahen einander zwar einig, aber dennoch über diese Tatsache überrascht an.

„Das ist jetzt unsere Sache!"

Erklärte Miss Granger.

„Außerdem wird es bestimmt Spaß machen!"

Setzte Demian hinzu.

„Aber wir werden Ärger kriegen!"

„Wenn es jemand erfährt! Aber wir müssen das ja nicht gleich im Schloss herumposaunen."

Antwortete der Ravenclaw. Griselda seufzte.

„Und was wollen wir unternehmen? Ich weiß ja nicht Mal wo wir anfangen sollen!"

Die kleine Hufflepuff schaute ihre Mitschüler trotzig an. Aber Demain hatte auch für diese frage die passende Antwort parat.

„Ersteinmal finden wir heraus, wer der Mann war, der hier verschwunden ist. Es gibt in der Bibliothek bestimmt so etwas wie eine Hogwarts Chronik. Die müssen wir nur durchlesen und schon haben wir ihn. Naja.. zumindest wenn es nicht allzu viele ungeklärte Verbrechen, wo die Leiche nicht gefunden werden konnte, gibt."

„Woher weißt du denn, dass sie die Leiche nicht gefunden haben, Demian?"

Warf Viviane ein. Demian seufzte.

„Ganz einfach. Der Gemäldemann hat doch gesagt, dass der Mann eine ruhelose Seele ist und dass das heißt, dass er bei einem Verbrechen ums Leben gekommen ist und dass sein Körper nicht in geheiligtr Erde liegt. Sie hätten ihn ja ordentlich begraben, aber offensichtlich haben sie das nicht getan, weil sie ihn nie gefunden haben. Und wenn du besser zugehört hättest, hättest du das nicht fragen müssen!"

„Nun halt aber Mal die Luft an du Angeber. Wen..."

„Hey! Hört auf zu streiten oder ich sag doch Professor Sprout darüber Bescheid, was wir entdeckt haben!"

Beide Kontrahenten schenkten sich noch einen bitterbösen Blick, bevor Demain weiter erzählte.

„Naja und wir müssen natürlich herausfinden, was das für ein Zauber war, der ihn umgebracht hat. Und ich will wissen warum er Angst vor Vivi hatte und warum sie ihn überhaupt früher schon Mal gesehen hat, obwohl er angeblich nur einmal im Jahr hier auftauchen soll."

Die Sache war beschlossen. Und der kleine Geheimbund würde das seltsame Rätsel sicherlich lösen können. Zumindest waren es solche Gedanken, die Viviane durch den Kopf gingen, bevor sie diese Nacht einschlief.