Jedes Mal wenn Hermine jetzt an dem kleinen Baum in den Gryffindorräumen vorbei ging, unter dem ihre Geschenke lagen juckte es ihr schon in den Fingern sie auszupacken.
Wie auch am Abend des 24. Dezembers. Wie in Großbritannien üblich packte man erst am Morgen des 25. aus, aber bis dahin würde es noch etliche Stunden dauern.
Mit einem letzten neugierigen Blick verließ Hermine das Zimmer. Lily hatte ihr den Schlüssel ins Bad der Vertrauensschüler überlassen, wohl wissend, dass Hermine die große Wanne genießen würde. Leise Weihnachtslieder vor sich hinsummend öffnete Hermine die Tür und sah…
Wie sich Arrete in einer Blutlache auf dem Boden wälzte und Schmerzensschreie ausstieß.
Das war ihr Geheimnis gewesen. Arrete hatte keine Zeitreise gemacht, sie war hochschwanger. Hermine rannte zu ihr und fragte bestürzt wie es um Arrete stände.
Doch ihre Frage reichte nicht durch den Wahn den Arretes Schmerzen in ihr auslösten.
Hermine wollte umdrehen und Hilfe rufen, Dumbledore, die Hauselfen, wen auch immer, als sie eine leichte Bewegung von Arrete bemerkte. „Nein…"
Hermine drehte sich um. „Nein, bitte sag nichts…bitte, bitte sag den anderen nichts…" Hermine versuchte sie zur Vernunft zu überreden. „Aber du brauchst medizinische Versorgung…" „NEIN! Ich will nicht dass sie es wissen, zumindest nicht wenn es vielleicht schief geht… " Hermine war verzweifelt, sie hatte überhaupt keine Ahnung wie sie reagieren sollte. Arrete schien es zu ahnen. „Aber ihm.. ihm kannst du Bescheid sagen…" „Wem, wem soll ich Bescheid sagen, Arrete?"
Arrete antwortete mit ihrer letzten Kraft.
Hermine war stocksteif, als sie begriff was Arrete eben gesagt hatte.
„Lucius… er… er ist der Vater…Bitte geh schnell. Hier kannst du mir nicht helfen und wenn ich weiß dass er da ist wird es mir gleich besser gehen…"
Fieberhaft rannte Hermine durch die Gänge. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie sollte Lucius suchen gehen. Aber wo? Immer wieder stolperte sie über ihre Füße, aber der Gedanke an die stöhnende Arrete, die gerade im Bad in den Wehen lag trieb sie weiter. Wenn sie nur wüsste wohin.
Da kam ihr ein Gedankenblitz. Schniefelus! Hatte er nicht damals in Hogsmeade mit Lucius rum gestanden? Er wusste bestimmt wo er war, diese Slytherins steckten doch alle unter einer Decke!
Der Abend war schon ziemlich weit voran geschritten und Severus hatte sich vor einigen Minuten schlafen gelegt. Da begann ein penetrantes Klopfen an seiner Tür. Erst hielt er es für eine dumme Nerverei der anderen Schüler, aber als der Eindringling partout nicht aufhören wollte riss er die Tür auf und schaute müde zum Schuldigen. „Was ist denn um diese Uhrzeit noch so dringend?"
Er blickte genau, auf die Person die er hier am wenigsten sehen wollte und auch als allerletztes als die erste Frau in seinen Quartieren in Betracht gezogen hätte.
Doch irgendetwas war heute anders an ihr. Sie sah genauso aus wie sonst, aber irgendetwas fehlte. Dann bemerkte er es. Der Hass. Sie schaute ihn nicht feindselig an und sprach auch nicht so, sondern eher abwesend und besorgt.
„Wo ist Lucius?" War das einzige was sie an ihn richtete. Irgendwie war dieser Satz nie darin vorgekommen wenn er phantasiert hatte, wie er eine Frau mit auf sein Zimmer nahm.
Aber was hatte er sonst von ihr erwartet? Um sich zu entschuldigen wäre sie garantiert nicht gekommen.
„Falls du es nicht weißt, Lucius hat schon vor mehreren Jahren seinen Abschluss gemacht und wohnt nicht mehr in den Slytherinquartieren. Überhaupt hat er ziemlich wenig mit Hogwarts zu tun."
Sie fauchte ihn an. „Ach ja, sehr wenig mit Hogwarts zu tun? Außer der Tatsache, dass er durch die Kante rennt und die Schülerinnen schwängert…"
Er war etwas verwirrt. „Ich hab keine Ahnung was du meinst. Und selbst wenn deine Behauptungen war wären und er dich geschwängert hat, heißt das nur, dass du blöder bist als ich dich gehalten hätte, denn in genau diesem Moment ist er auf dem Familienschloss und gibt seine Verlobung mit Sirius Cousine Narzissa bekannt."
„Nein…nein das kann nicht sein…" Wen sollte sie jetzt holen? Wem sollte sie Bescheid sagen und wie würde Arrete das verkraften?
Auf einmal brach alles über ihr zusammen. Sie wusste nicht was sie jetzt tun sollte…
Und erst unterdrückt, weil sie ausgerechnet vor IHM keine Schwäche zeigen wollte und dann immer mehr begann sie zu schluchzen.
Severus war vollkommen überfordert. Er hatte keinerlei Übung darin heulende Weiber zu trösten und hatte auch nicht damit gerechnet in nächster Zeit für so etwas gebraucht zu werden. Theoretisch könnte er dieses seltsame Mädchen einfach aus seinem Zimmer schmeißen, aber irgendeine menschliche Regung kam in ihm auf, die das einfach nicht zuließ.
Also nahm er unbeholfen ihre Hand und führte sie zu einem Sessel.
Es schien ihr zu helfen, aber als er seinen Arm weg zog begann sie wieder von neuem. Er begann etwas unsicher mit kreisenden Bewegungen ihre Schulter und kurz darauf auch ihren Rücken zu reiben.
Ermutigt dadurch begann er ihr ruhig zu zusprechen.
„Es wir schon alles gut… es findet sich bestimmt ne Lösung wegen dem Kind… es gibt da so bestimmte Tränke mit denen man es…" Sie schluchzte auf. Falsche Idee.
„Oder wenn du es behalten willst, auch bei der Geburt gibt es da bestimmte Tränke… Ich leih dir gern ein Buch aus, wo einer drin steht…"
Auf einmal hörte er wie sie mit Schluchzen stoppte. Hatte er es tatsächlich geschafft? Hey, er war ziemlich gut in so was! Er überlegte gerade sich selbst zu applaudieren, als er durch ihre Stimme aus den Gedanken gerissen wurde.
„Du kennst Geburtshilfe-Tränke?" Er nickte. Mit einem Ruck sprang sie auf ihre Beine.
„Wie lange brauchen die?" Er überlegte, ohne nachzudenken warum sie ihn das fragte. „Einige Minuten nur, wieso?"
Sie rannte zur Tür. „Hol schnell alles was du brauchst, ich warte hier auf dich."
Er schaute etwas verwirrt, folgte aber ihren Anweisungen. Auf dem Gang begann er zu murren.
„Wieso denn so schnell? So wie du aussiehst, bist doch höchstens ein halbes Jahr schwanger!" Das brachte ihm einen Schlag von der Seite an, der allerdings eher halbernst gemeint war. „Ich bin nicht schwanger, du unsensibler Idiot. Jetzt komm, wir haben nicht ewig Zeit."
Er starrte sie an. Wie redete sie auf einmal mit ihm?
Sie führte ihn in das Badezimmer. Schon als sie herein kamen sahen die beiden Laien, dass es Probleme gegeben hatte. Arrete lag so gut wie bewusstlos auf dem Boden und atmete sehr flach. Hermine stürzte zu ihr und Severus begann in rasendem Tempo seine Apparaturen aufzubauen und zu brauen.
Schweigend arbeiteten die drei die folgenden Stunden Seite an Seite. Ohne weitere Bemerkungen hatte Severus den nötigen Trank im richtigen Moment fast augenblicklich parat, wenn Hermine Arrete dazu überredet hatte wieder einen Trank zu nehmen. Still saß sie da und sprach Arrete gut zu, betete und flehte sie möge weiter durch halten. Hin und wieder blickte sie zu Severus, der angestrengt beim Kessel saß, schnitt, rührte und abmaß.
Und dann gegen den Morgen des 25. kam Arretes Tochter Fleur Noelle (in Angedenken des Datums) Hermine (nachdem Hermine alias Elaine bekundet hatte diesen Namen schöner als Elaine zu finden) Severa (davon ließ sie sich nicht abbringen) de Luis zur Welt.
Kaum hatte die Mutter ihr Kind im Arm schienen die vorher gehenden Qualen viel kleiner. Strahlend reichte sie das schlafende Kind zu Hermine. Hermine bewunderte das Kind mit gebührenden Bemerkungen, aber als sie sie zurückgeben wollte, sah sie, dass auch die Mutter vor Erschöpfung eingeschlafen war.
Severus wurde etwas panisch, als sie ihn bat das Kind kurz zu halten, aber Hermine ließ sich nicht davon abhalten. Während er das Kind hielt wickelte sie vorsichtig ein Handtuch um dessen Mutter. Severus ahnte was sie vor hatte und gab ihr das Kind wieder.
Dann hob er vorsichtig Arrete an und ließ sich von Hermine in einen abgelegenen Raum lotsen, der seltsamerweise ein richtiges Kinderbettchen und ein anderes Bett enthielt, auf dem sie Arrete ablegten. Neben dem Bett stand ein riesiger Sessel der sich als außergewöhnlich bequem entpuppte.
Hermine stand neben Severus und sie blickten auf das friedliche Bild, welches sich ihnen bot. Sie bedeutete ihm mit einer Handbewegung jetzt zu gehen, sie würde hier weiter wachen.
Er nickte mit einem angedeuteten Lächeln, das er selbst nicht registrierte und ging auf die Tür zu. Auf einmal spürte er wie ihm jemand auf die Schulter tippte und er drehte sich etwas verwirrt um.
„Was ist?" flüsterte zur hinter ihm stehenden Hermine.
Sie lächelte ihn unbewusst an und flüsterte zurück.
„Danke, dass du das getan hast. Das hätte nicht jeder getan und vor allem nicht nachdem er so von mir behandelt wurde." Da! Sie hatte es gerade zugegeben! Sie hatte zugegeben an allem Schuld zu sein. Jetzt hatte er den absoluten Beweis. Er würde zu Dumbledore gehen, der würde mit Oklumenzie sehen, was sie gesagt hatte und dann würde…
„Kein Problem." War alles was er stattdessen antwortete.
Er wusste selber nicht warum. Aber irgendwie spürte er, dass der neu entstandenen Situation ein „Ha! Ich wusste es!" nicht angemessen war.
Mit einem letzten Blick auf die dunklen Ringe unter ihren Augen wurde ihm bewusst wie spät es war. Bald würde es Frühstück geben. Es wäre besser, wenn er jetzt ins Bett käme, denn nach dieser Nacht sah er wahrscheinlich auch nicht viel besser aus als sie.
Sie schloss hinter ihm die Tür des „Raum benötigter Sachen", zu müde einen klaren Gedanken zu fassen. Dann rollte sie sich in dem großen Sessel zusammen und schlief fast augenblicklich ein.
Sie wurde geweckt von den schrillen Schreien der Kleinen. Aber als sie es endlich geschafft hatte ihre Augen zu öffnen waren diese schon von einem glücklichen Gurgeln verdrängt. Arrete stand neben dem Kinderbett und hielt ihre kleine Tochter sanft in den Armen und summte ein leises Lied, während sie diese vorsichtig in ihren Armen wiegte.
Auf einmal wirkte sie so anders, so erwachsen und so seltsam ruhig, dass Hermine sich wirklich fragte ob dies das gleiche Mädchen war wie vor einigen Wochen.
Stumm schaute sie Arrete beim Umgang mit ihrer Tochter zu, die letztendlich glückselig einschlief. Hermine wollte etwas sagen, aber Arrete legte lächelnd ihren Zeigefinger an die Lippen und bedeutete ihr ruhig zu sein. Vorsichtig legte sie ihr Kind zurück in das kleine Kinderbettchen, dann kam sie langsam zu Hermine.
„Es ist alles gut. Danke, dass du mir geholfen hast und solange hier gewacht hast. Ich kann und werde es dir nie vergessen. Das wollte ich dir gestern Abend schon sagen, aber ich bin zu schnell eingeschlummert." wisperte sie ihr zu.
„Kein Problem." - „Doch Elaine. Nicht jeder würde das einfach so tun. Selbst der Erzeuger dieses armen unschuldigen Kindes hat mir geraten sie „abzuschaffen". Ihr Gesicht verhärtete sich, aber mit einem Blick zu ihrer Tochter und zu Hermine wurden ihre Züge wieder weich.
„Danke, dass du ohne Fragen einfach geholfen hast und nicht gleich zu einem Lehrer gerannt bist." Hermine wusste nicht so recht was sie darauf erwidern sollte und umarmte Arrete anstatt dessen einfach.
Da fiel ihr etwas ein.
„Was machen wir jetzt?" Arrete lächelte schief.
„Tja, ich schätze jetzt lässt sich nichts mehr verbergen. Es gibt Zauber um eine Schwangerschaft zu verstecken, aber für ein ganzes Baby ist wohl nahezu jede Magie zu schwach. Es wäre wohl am besten, wenn du Dumbledore holst. Ich schätze mal eine Auszeit vom Unterricht ist wohl unumgänglich." Hermine setzte ein hilfloses Lächeln auf, denn sie wusste, dass Arrete Recht hatte.
Als sie gerade die Tür öffnen wollte kam Arrete noch einmal hinter ihr her.
„Warte! Kannst du bitte auch Severus danken, falls ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekomme? Für seine medizinische Hilfe und dafür, dass er mir gezeigt hat, dass nicht alle Slytherin-Männer rückradlose Idioten sind."
Hermine nickte, dann ging sie hinaus und schloss hinter sich die Tür.
