2. Kapitel Als Yami sich wieder setzte, merkte er, wie Kaiba ihn seltsam ansah. Er drehte sich zu ihm und sah auf einmal direkt in diese unglaublich blauen Augen. Und er wollte seinen Blick nie wieder abwenden. Er wollte in den unergründlichen Tiefen dieser blauen Seen versinken, wollte aufgefangen werden von starken Armen, die ihn hielten, ihn liebkosten und streichelten, Lippen, die ihn küssten, so zart... Doch Kaiba wandte sich ab. Yami seufzte.

Er hatte gar nicht bemerkt, wie Bakura die Flasche erneut gedreht hatte. Sie drehte sich so schwungvoll, dass sie auf dem Boden ein Stück auf Kaiba zurutschte, der ihr aus weichen musste und so ausversehen mit der Hand an Yami's Bein kam. Beide zuckten zusammen, als hätten sie einen elektrischen Schlag bekommen und Kaiba zog schnell seine Hand weg. Yuugi hatte das Gesehen und starrte Yami mit gerunzelter Stirn an. /Was war denn das?/, hörte Yami Yuugi plötzlich durch ihre Gedanken-Verbindung sagen. Ach, nichts, hab mich nur erschreckt. , antwortete Yami schnell. Wohl etwas zu schnell, denn Yuugi meinte immernoch mit etwas misstrauischer Stimme: /Aha... Gut... Ich dachte schon, er hätte dich begrapscht. / Damit schloss er die Verbindung.

Die Flasche war inzwischen auf jemandem stehen geblieben. Es war Ryou. Als Yami Ryou's knallrotes Gesicht sah, musste er unwillkürlich grinsen, wofür er einen sauren Blick von Ryou erntete. Plötzlich machte Bakura einen Schritt auf Ryou zu und schloss ihn in die Arme. Ihre Lippen fanden sich in einem leidenschaftlichen Kuss. Yami zählte 47 Sekunden, dann musste Ryou seinen Mund wegziehen, damit er wieder Luft bekam. Bakura sah enttäuscht aus. Er hätte warscheinlich doppelt so lange durchgehalten, dachte Yami, aber weil er Ryou so überfallen hatte, hatte dieser keine Gelegenheit zum Luftholen gehabt. Beide setzten sich wieder. Ryou mit verlegenem Gesicht, Bakura mit diesem dämonischen Grinsen auf dem Gesicht, das wohl Küsse bei ihm auszulösen schienen.

Ryou starrte zu Boden und wurde immer röter, weil alle ihn anstarrten, bis Jonouchi vorsichtig bemerkte: „ähm... Ryou... Du musst die Flasche drehen!" „Oh! Entschuldigung...", sagte Ryou und nahm die Flasche in die Hand. Er drehte sie und schon nach 4 Umdrehungen blieb sie auf Honda stehen, der nicht schlecht guckte. Eigentlich hatte er sich ja Mai gewünscht, aber Ryou sah auch gut aus... Insgesamt schien Honda nur nach dem Äusseren zu gehen, fiel Yami auf. Seine Abscheu gegen Honda wuchs.

Als er sah, wie Honda und Ryou aufstanden, um es schnell hinter sich zu bringen, sah er weg. Das musste er sich nicht antun. 3 Sekunden später sah er, wie die beiden sich wieder hinsetzten. Er bemerkte, dass Ryou sich den Mund an seinem T-Shirt abwischte. Er verstand ihn vollkommen. Yami überlegte, was er gemacht hätte, hätte er Honda küssen müssen. Er wäre warscheinlich getürmt. Aber das hätte sein Stolz nicht zugelassen. Schliesslich war er Horus auf Erden, ein Gott der Sonne und des Lichtes, Herrscher der oberen und unteren Schicht Mittelägyptens! Er wäre nicht weggelaufen. Höchst wahrscheinlich hätte er Honda so schnell er konnte kurz geküsst, sich dann schleunigst wieder hingesetzt und sich nach dieser Party alle Gäste mal kurz zur Seite genommen, ihnen mit irgendwas gedroht, so dass sie das Geschehene für sich behielten und hätte es dann aus seinem Gedächtnis verdrängt. Es gab Dinge, die man besser unangetastet in der hintersten Ecke seines Gedächtnisses liess...

Und zum 2. mal an diesem Abend wurde Yami Atemu aus seinen Gedanken gerissen. Hondas Flasche war auf Mai stehengeblieben. Na endlich. Er hatte seinen Willen. Hoffentlich würde dieser Affenschädel Ryou jetzt in Ruhe lassen und mit seinem nervigen Geflüster aufhören: „Bitte ich oder Mai, bitte ich oder Mai..."Yami überlegte gerade, welche Todesart nach altägyptischen Standarts er Honda wohl aufgehalst hätte, als etwas überkeiterregendes in sein Blickfeld kam. Mai und Honda in einem wiederlich langen und geräuschvollen Zungenkuss. Yami musste würgen. Offenbar hatte Kaiba Yamis Gesichtsausdruck bemerkt, denn er gab ihm eins seiner seltenen ehrlich gemeinten Lächen und flüsterte so leise, dass nur der ehemalige Pharao imstande war, es zu hören: „Ekelhaft, wie dieser Affe mit extravaganter Frisur sich alles angelt, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist..."Yami musste grinsen und stimmte Kaiba mit einem Kopfnicken zu.

Endlich hatten sich Honda und Mai voneinander gelöst. Warscheinlich sind sie beide schon halb erstickt, dachte Yami und seine Theorie wurde durch das schwere Atmen der beiden Küsser bestätigt. Noch einmal fröstelte er und das lag nicht an der Temperatur, sondern daran, wo Mais Flasche aufgehört hatte, sich zu drehen. Seto. Kaiba. Also wirklich, warum mussten heute alle Wünsche dieser irren Bande Hornochsen erfüllt werden, und ihm, Yami, wurde nicht eine einzige Bitte erhört? Er blickte in Kaibas Richtung, nur um zum zweiten mal an diesem Tag dessen Blick zu begegnen. Und diesmal war der Blick nicht unergründlich, sondern zeigte ganz klar die Gefühle des jungen Billionärs. Abscheu stand in diesen Augen, die Yami so liebte. Und er glaubte auch ein bisschen Angst und Hilflosigkeit in ihnen zu erkennen, bevor Kaiba aufstand, um die Prozedur über sich ergehen zu lassen. Aber solche Gefühle würde der CO natürlich niemals hegen!, dachte Yami und er hätte geschmunzelt und seinen ärgsten Rivalen vielleicht sogar damit geärgert, so wie sie es immer taten. Belanglose Spielereien, wenn man bedachte, dass Yami auf der Suche nach seinem Gedächtnis war, damit er die Welt retten konnte. Doch diese Spielereien brachten wenigstens für wenige Momente das Eis, oder was immer Kaibas Herz eingeschlossen haben mochte, als er von Gozaboro adoptiert worden war, zum schmelzen. Und diese Momente genoss der Herrscher über Altägypten mehr als alles andere in dieser ihm immernoch nicht ganz vertrauten Welt.