Hier ist das zweite Kapitel! Einige weitere werden folgen, bis das Ende kommt.

Für den Straßenfeger halten sie mich gewiss nicht!
Ich höre ein Auto, es ist hinter mir. Es wird langsamer, es hält.
Der Fahrer lächelt mich an: Er sieht freundlich aus.
„Möchten Sie nach London? Ich kann Sie gerne ein Stückchen mitnehmen."
„Ja, schon, ich möchte nach London. Könnte ich mitfahren?"
„Steigen Sie ruhig ein, kommen Sie."
Ich steige ein. Das Auto ist nicht alt. Es ist nicht schlecht. Es ist auch nicht langsam,
und es ist nicht laut. Es ist modern. Teuer ists wohl gewesen!
Glücklich kann ich mich schätzen, nicht zu gehen, laufen und gehen, in diesem teuren Auto fahrend!
"Nach London wäre es zu Fuß zu weit gewesen, mein Freund, Sie können froh sein."
Ich bins. Wir fahren, sind schneller als die meisten anderen. Gut, denke ich, ich will sie suchen, die Blume.
Es eilt mich, denn ich will nicht länger leiden, nicht länger gemartert werden!
Vertilgen will ich das Leid; durch die brennende Ruine muss ich Schreiten, um die Blume zu finden.
Ich will es wagen. Wir kommen an.
„Ich danke Ihnen!"
„War mir ein Vergnügen, mein Freund. Auf Wiedersehen"
Ich gehe. Er fährt. Ich bin in London. Ich kenne die Gegend nicht.
Ich werde sie kennenlernen. Mir fällt etwas ein. Habe ich Geld? Ja, ich stahl es.
Stehlen tat ich! Meine eigene Familie beraubte ich! Familie?
Nein, sie sind eine Horde animalischer Geschöpfe, die Gott auf Erden gesetzt hat,
wo sie eher im finstren Tartalos schmoren sollten! Gott ist unfair, doch er ist Gott.
Ich stahl das Geld, es ist viel. Ich zähle fünftausend Pfund. Kleine und große Scheine habe ich, Münzen waren zu schwer,
ich wollte keinen Lärm verursachen. Die Münzen klimpern, so sie einander berühren; ich musste leise sein, als ich stahl.
Ich gehe weiter in die Stadt. Hier schlafen die Menschen nicht. Die Stadt lebt, überall sind fleissige Ameisen,
es wimmelt von ihnen. Viele sind größer als ich, doch ich bin jung. Jung und mit viel Geld. Aber ich bin nicht wehrlos.
Ich weiß nicht, was ich hier suche, ja doch, natürlich weiß ich! Die Blume! Ha – aber wie ich sie finden soll,
das weiß nur Gott – ah, der Tod, Satan, ja, Er weiß es auch, aber Er wills mir nicht sagen!
Eines Tages, da werd ichs vergelten. Ich kann ihn nicht töten. Ich werde es tun. Die Straßen sind hell,
die Menschen fleissig, die Luft ist schmutzig und schlecht. Die Stadt ist schlecht. Aber nicht flach und öde.
Keine Ruine sehe ich, in der von Flammen umringt eine Blume steht. Ich gehe weiter; ich bin unsicher.
Irgendwo muss ich leben, doch wo? Ich finde ein billiges Hotel. Was soll ich hier? Schlafen, Frühstücken.
Abendessen gibt es nicht; es ist nicht im Preis! Frechheit! Doch ich nehme ein Zimmer, gebe dem Mann Geld,
er gibt mir einen Schlüssel. Ich nehme ihn an und stecke ihn weg. Ich will einkaufen.
Ich kenne mich nicht aus, doch ich finde, aber keine Blume.
Ich finde Essen, ich finde Wasser, doch das Wasser kann mein Leid nicht stillen.
Fröhlich ist der Alkohol, den ich später finde! Es ist Abend, ich bin in London, auf meinem Zimmer:
Ich habe getrunken. Alkohol, spüle meine Sorgen hinunter, löse mich vom Leid. Gott möge mir vergeben.
Ein weiterer Schluck. Es brennt mir in der Kehle. Er ist von dem Hotel. Es interessiert nicht, wie alt ich bin.
Ich habe Geld. Geld herrscht. Die Stadt ist böse; Geld ist böse. Alkohol ist gut. Ich trinke ihn.
Der Abend ist lustig, so lustig wie lange kein Abend mehr war. Kurz vergesse ich, was mich drückt,
doch ich komme der Blume nicht näher. Ich kann keine Finsternis sehen, für mich ist alles fröhlich.
Ha! Wer häts gedacht, ich bin betrunken. Ich wanke und schwanke, wie ich so gehe. Ich falle um.
Ich falle nicht auf das Bett, auf keinen Stuhl, auf keinen Tisch; ich falle auf den Boden. Der Boden ist hart.
Ich spüre es nicht. Ich spüre Heiterkeit. Der Alkohol tut mir gut.
Ich wache auf. Wo bin ich? Ich weiß es nicht. Will ich es wissen? Ich weiß es nicht, aber ich werde es herausfinden!
Ich stehe auf. Ah, Schmerz, mir tut es weh! Mein Kopf, es fühlt mich, als explodierte er!
Ich habe getrunken gestern Abend; ich habe viel getrunken. Ich bin es nicht gewohnt.
Ich krauchle zur Dusche, das kalt Wasser tut gut – eisig, aber gut. Ich werde nass.
Es stört mich nicht. Mein Kopf – er schmerzt. Doch dieser Schmerz, ja, besser, als der Schmerz im Herz,
wo da lodert die Ruine in dunkler Glut, Flammen stobend, besser ist er doch! Schmerz kann gut sein?
Ohne Schmerz wüssten wir nicht, wenn wir sind verwundet, die Wunde, klaffend und blutend! Wirr sind meine Gedanken,
mich schmerzt der Kopf, ich trinke Wasser. Herrlich! Kühl fließt es meinen Rachen hinunter, hinein in den geplagten Magen,
es fließt, kühl und kalt. Ich liege auf dem Bette. Es ist weich, es ist hart, es ist unbequem. Wie konnt ich hier schlafen?
Ach, ja, ich erinnre mich, ich war betrunken.
Trunken sein kann schön sein. Ich gehe raus, denn ich suche die Blume. Öde ists hier, wo ich wohn.
Ich esse das Frühstück; es schmeckt mir nicht. Schlecht ists. Ich bin allein, ganz allein, einsam und verlassen.
Ich will allein sein.
Draussen ists warm, ich spüre es, denn die Sonne scheint. Der Himmel ist blau. Ich mag es so. Viele Leute wuseln umher,
ich wusle mit; ich kenne mich nicht aus. Wo bin ich? Ah – in London, doch wo da? Ich weiß es nicht, ich will es wissen,
doch wie werde ich es erfahren?
Da! Sieh, ein Stadtplan, bunt ist er, grün und grau, und rot und blau. Ich schaue ihn mir an. Lesen kann ich,
aber er ist wirr, ich kann ihn nicht lesen. In London bin ich, irgendwo in großer Stadt. Sie ist schmutzig.
Ich gehe umher, immer dem Strom nach. Menschen wie Wasser, strömen sie, neben Straßen lang, langen Straßen lang.
Grau ists hier, der Himmel blau. Wohin soll ich gehn? Ha!
Ich folg dem Herzen, welches gebrochen, zersplittert, verwüstet, blutend – es ist Ödnis, leer und karg,
ich muss die Blume finden.
Ich bin hier. Hier ist irgendwo; irgendwo in London. Ich weiß, dass dem so ist. Mehr weiß ich nicht.
Heut Abend will ich die Blume finden. Ich weiß nur nicht wo, ich werds wissen, wenn ich sie finde; finden muss ich sie dazu.
Ich will sie suchen. Mein Herz leitet mich die Straßen entlang. Einen Rucksack habe ich, Speis und Trank, derer reichlich;
ich gehe die Straßen entlang. Vermag ich zu finden, was ich such? Ich werds versuchen, ich will nicht länger leiden, nein,
wahrlich, des Leidens bin ich leid, der Schmerz soll schwinden, entschwinden soll er, verbrennen in den Flammen der Hoffnung!
Den Tag wandere ich, immer suchend, nach ihr, der Blume; muss sie finden.
Es wird Abend, die Luft wird schwer, dunkel, grau wird alles, die Welt versinkt in Finsternis;
Ruinen brennen heller die Nacht, strahlen durch die Finsternis. Ich sehe! Ich sehe den Lichtschein!
Wahrlich, schrecklich – rot, flammend rot, blutrot ist er, gelb, orange, blau ganz tief; ich fürchte mich.
Ich stehe im Ödland. Wo? Ja, die Wiese, die Ruine kommt näher! Die Blume kommt näher; mein Herz trügt mich nicht,
es ist zerschmettert, verdorrt, ich fühle die Blume; zu fühlen, tasten, suchen, finden die Blume, meine Aufgabe ists!
Die Häuserschluchten sind dunkel; ich gehe, ich bin allein, obwohl viele mit mir gehen. Menschen,
nur Menschen, in der großen Stadt. Glücklich, glücklich sehn sie aus, andre traurig, andre verdorben, böse, arg:
ich mag sie allsamt nicht; zuwider sind sie mir. Wo ist die Ruine? Sie kommt mir näher,
ich schreite über Wies, grau und karg, öde Finsternis, doch der Feuerschein, es brennt in der Ferne.
Nacht ists schon, ich bin in London, doch kaum mehr, gen irgendwo und nirgendwo wandre ich. Ob Nord, Süd, West, Ost;
ich weiß es nicht, ich will es nicht wissen, ich werde es nie wissen; mir ist es gleich –
die Blume, sie ist mir nicht gleich, all andere ist mir gleich, ich will nicht leiden, nicht mehr;
meine Füße schmerzen, denn ich laufe fast, ich gehe nicht mehr.
Ich will die Ruine sehen, das Ödland ist zu karg, als dass es mir gefiele. Ich brauch die Blume!
Ich komme aus London heraus, London endet; die Stadt ist groß, doch kaum eine ist unendlich.