Das 3. Kapitel und damit das mittlere von den 5, die diese FF haben wird.
Viel Spaß ;o)

Ich wache auf; welch Schrecken weckte mich!
Ich träumte, träumen tat ich, von einer Blume; ich sah sie, ganz nah war sie,
sie entschwand, sie verbrannte; ich muss sie finden. Wasser,
meine Kehle ist Feuer, Pech und Schwefel, ich verbrenne; mir schmerzt der Rücken nicht,
mir schmerzen die Arme nicht, mir schmerzen die Beine nicht, auch nicht der Kopf,
und nicht der Bauch, mir schmerzt das Herz! Es zerreißt, die Welt bricht auseinander,
die Apokalypse, der biblische Untergang ist nah! Ich brauche die Blume, Wasser, löschen, ich muss die Ruinen löschen,
sie müssen wieder aufgebaut werden; sie brechen zusammen. Ich liege auf harten Steinen, ich muss eingeschlafen sein.
Wo bin ich? Nicht in London, nirgens bin ich, und doch hier, am Straßenrand. Bäume, schwankend im Wind, stehen hier.
Ich liege auf dem Boden, neben einem Baum; ich lehne an ihn. Auch der Rücken schmerzt nun. Ich stehe auf.
Die Straße ist leer; kein Auto fährt dort. Ich sehe keine Blume. Ich spüre sie.
Sie ist nicht mehr fern, aber auch nicht nah; sie bewegt sich nicht.
Mühsam raffe ich zusammen, was ich habe. Viel ist es nicht, das meiste liegt in London. Ich kann nicht zurück.
Ich muss die Blume finden.
Neben dem dunklen Asphalt folge ich meinem Herzen, das da liegt in Trümmern.
„Geh weiter, geh weiter, folge dem Weg, Dein Herz leitet Dich!"
„Herr, Ihr habt mich erschreckt! Ich folge dem Weg!"
„Folge ihm weiter, dann wirst Du finden, was Du suchst; Deine Suche wird Erfolg haben."
Seine Stimme verblaßt. Nichts neues sagte Er mir. Ich weiß, ich will wissen, doch ich weiß es.
Ich gehe also weiter. Die Straße bleibt leer. Ödland, hier ist nichts, es ist karg und leer, finster ists nicht mehr;
die Sonne bricht durch Wolken, die da bedecken den Himmel, Gott sieht zu uns herab. Die Blume kommt näher.
Nein – ah, ich komme ihr näher. Ich find sie noch nicht, ich muss gehen, laufen und gehen, immer weiter,
die Straße entlang, dem Flammenschein folgend, doch ich sehe die Flammen noch nicht. br
Ich spüre sie; es ist warm, die Sonne scheint, die Wolken weichen: Gott mag uns. Ich mag ihn nicht.
Mir wird warm; Gott ist grausam.
Weiter schleppe ich mich, ich kann bald nicht mehr, meine Beine sind schlaff.
Die Blume zieht mich, ich will sie, Sehnsucht, Leid, ich will sie, ich brauch sie!
Teufel, der Himmel brennt, welch Wandel des Wetters! Erbarmungslos metzeln die Sonnenstrahlen Wasser auf Erden,
verschlingen es; die Wolken werden erbrechen vor Fülle, doch noch nicht, noch ist es heiß,
die Sonnenstrahlen quälen mich in öder Landschaft; Bäume, Sträucher, Straße; mehr ist hier nicht, ich mags hier nicht.
Wer mags hier schon? Ich mag die Blume finden; ich müsst nicht länger leiden.
Wo gehts hier hin? Ich sehe Häuser, der Menschen Siedlung ist dort drüben, in naher Ferne; ich sehe es.
Ob dort eine Ruine ist? Eine Ruine, die da brennt, von Flammen umtänzelt ist, und wo da eine Blume ist,
die ich so suche? Ich wills herausfinden!
Ich näher mich, ich spüre es, irgendwo dort, dort muss sie sein, die Blume. Ich folge meinem Herzen; wo ist es?
Es liegt in Trümmern, ich wills heilen; ich sterbe! Leben will ich, erst muss ich die Blume finden,
vieleicht werde ich dann friedlich sterben, bei dem hellen Stern sein, ohne zu leiden, ja, so hätt ichs gern.
Die Blume will ich mitnehmen!
Ah – in Flammen! Es brennt, ein Haus, es brennt, Flammen stoben, Rauch, ich rieche Tod.
Ich komme näher. Dunkle Gestalten sehe ich; dunkel, ja schwarz, sind ihre Roben.
Ich wandle im Traum, mein Zauberstab zückt hervor; Rauch liegt in der Luft. Ich renne.
Ich weiß, die Blume wird verloren sein, so ich sie nicht rette; ich brauch sie, um mich zu retten.
Wo ist Babylon? Ich weiß es nicht, ich will es nicht wissen, ich muss zu diesem Hause, ich renne, renne für Tod und Glorie, für Ehre und Stärke, für Gott und Satan, fürs Vaterland!
Nein, nein, ich renne – ich renne für die Liebe, ich renne aus Sehnsucht, den Zauberstab hoch erhoben;
so renne ich, ich muss retten, lieben! Ich darf sie nicht verlieren, die Blume, die da ist in der brennenden Ruine in öder Landschaft! Todesser, jetzt erkenn ich sie!
Da, fünf, sie rennen, wie ich, stürmen das Haus! Schneller, tragt mich Beine, Flügel, wachset mir!
„Hey!"
Einer dreht sich verwundert um, bevor ich „Stupor!" rufe; er bricht zusammen, das Licht erlischt für ihn, ihm wird es schwarz; er stürzt zu Boden, wie ein nasser Sack. Er ist nicht tot. Schöner wäre es, freilich, keine Gnade jenen, die die Blume zu vernichten suchen! Ich laufe weiter, die andern bemerken mich. Heiß jagd es mir über den Arm; ich fange an zu bluten,
der Fluch hat mich getroffen. Ich reiße den Arm hoch, betäube den Schurken; es zerschmettert sein Genick an der Wand.
Rot ist das Blut an ihr. Er ist tot, ich weiß es; ich habe getötet, gemordet, bereits zweiermal im Leben. Es macht mir nichts. Gott wird mir vergeben. Satan wird mich aufnehmen; in seinem Reiche werd ich weilen dürfen. Satan! Oh, Schurke, der Du dich umdrehst, stirb, wie der vor Dir, ich zeige kein Erbarmen,
Gnade gibt es nicht; ich bin Gott; Satan bin ich, kenne keine Gnade, ich töte Dich! Wie Silber verlässt es meinen Zauberstab, wie Eisen bohrt es sich in ihn; Stahl ist der Pfeiler, gegen den er prallt.
Einer weniger, da die Welt um ihn erleichtert worden; ich fühle Blut, das an meinen Händen klebt, wie ich ihn ermordete, da sich der Stab, spitz und stählern, in seinen Leibe bohrte; ihn tötete, umbrachte, seine Eingeweihde zerfleischte.
Blut, rot ists; läuft hinunter seinen toten Körper, tritt aus der klaffenden Wunde, rot, warm, quellend; er ist tot.
Hernieder auf mich prasseln ihre Flüche, ich bin stärker, einer nach ander, sie sterben, von mir ermordet,
mit eisern Hand an hölzern Zauberstab; ich empfinde keine Lust, ich kenne keine Angst, ich kenne keine Gnade;
ich kenne nur Leid, Tod; doch keine Gnade.
Das warn sie, alle sind tot. Doch nein! Die Blume! Ich kann sie sehen, ich muss sie erretten vor dem Tode; sie liegt dort, ein Bösewicht ist da, ich töte ihn.
Mein Herz schlägt schneller, die Flammen schlagen um uns, ich bin in der Ruine;
ich sehe die Blume, klar vor meinen Augen, trotz allen Rauches und Schutts. Zierlich ist sie;
ich liebe sie. Hochheben, hinaustragen! Sie ist nicht wach, sie schläft nicht; auch tot ist sie nicht.
Wie sie da liegt, auf kaltem Boden ... kalt ist auch sie; ihr Herz schlägt kühl. Mir wird es kalt im Herzen, eisig gegen meine Feinde, die ich will zerschmettern;
Rache üben, töten, martern und pfählen! Nemesis! Ich kriege dich, ich töte dich, ich finde dich;
sobald ich die Blume errettet habe aus der flammenden Ruine, aus Schutt und Asche, in der ich hier stehe.
Mein Herz schreit, ich soll sie aufheben; ich tue es. Leicht, leicht wie eine Feder, eine Bürde wie tausend Tonnen Eisen, sollte sie dahinscheiden,
aus dieser Welt weichen, zu meinem Freunde gehen; doch sollte sie, so würde ich da und dort folgen. Ich fliehe aus dem Hause, das nun ist rauchende Trümmer, mit Feuern, die noch stoben und flammen.
Ah! Halt ein, halt ein, ich sehe ... Tod ... Grausam, grausam, kalt und grausam kamst Du! Rissest ihre Seelen davon, aus ihren Leibern; Du raubtest sie, da liegen die Körper tot. Ihre Eltern waren es, ihre allein, die sie haben begleitet durch ihr Leben, was nun des Erlischens nahe ist;
Schatten gleiten in ihren Augen. Verschwindet! Geht zurück in euer Reich, noch ist ihrer nicht euer;
ihr Geist soll ihrer sein, für lange Zeit von nun, da ich sie in den Armen trage! Doch die ihren, die der da liegen,
die sind tot, entschwunden sind ihre Seelen, hinunter in den das Reich des Hades,
über den dunklen Strom Styx im Boote des Charon gefahren, vorbei an Cerberos, der da wacht über die Schattenwelt.
Dort wandeln sie über die matten Wiesen, diese Seeligen! Doch, ah, wir leben noch, ich lebe, die Blume lebt;
aber bleiben wir hier, dann tun wir es bald nicht mehr! Ha! Ich eile. Motoren, Sirenen, die Retter, die ich nicht rief,
jetzt kommen sie, wo alles in Trümmern liegt, die Flammen fast erloschen sind, und sie alle tot daliegen,
um in ihren Gräbern zu verrotten; wieder eins werden mit der Erde, der Gott, der droben im Himmel thront,
einst Odem des Lebens einhauchte.
Ich muss hier weg, bevor sie mich sehen, denn fragen würden sie; Antworten könnt ich nicht geben –
die Blume, nicht sterben, sterben darf sie nicht; ich liebe sie zu sehr, und ich brauche sie, damit sie mich liebt;
Liebe, besiege Leid und Tod!
Meine Beine fliegen, ich fliege, ich renne, laufe, gehe, immer weiter; die andern kommen an...
viele sind es, erschrocken, entsetzt, ich sehs ihnen an –
sie sind zu spät, sie wissens, können kaum mehr tun als die Glut zu stillen, die Gefallenen zu bergen,
versuchen zu verstehen, was dort passierte ... nichts werden sie je erfahren, ihre Stäbe,
ich führe sie mit mir, nahm sie ihnen ab. Eins ... zwei ... drei ... ich breche sie durch, das Holz springt auf,
entblößt den Kern; ich werfe beides weg: Der Stab ist tot, der Körper ist tot, die Seele ist auf Reise.
Wo soll ich hin? London! Große Stadt, die Du bist grau, anonym, so brauch ich es; ich muss sie verstecken,
denn mein soll sie sein. Nein – nicht besitzen soll ich sie, lieben, hegen und pflegen, sie soll mich heilen vom Leid,
denn auch wenn ich sie bereits errettete, so flammt mein Herz weiter, auch wenn die Flammen schmaler werden;
ihr Abglanz in der kargen Landschaft wird schwächer, dunkel und rötlich scheint er auf sie,
knorrige Bäume, karge Büsche, ich sehe eine Straße. Ich trage sie, denn sie ist nicht schwer, auch nicht wach,
auch nicht tot, und sie kann nicht gehen. Komisch ist es hier, ich mags hier nicht, ich wandle, ich fürchte,
und es ist hell. Wenn wir da sind, wird es nicht mehr hell sein. Ich weiß es, ich brauche es nicht zu wissen,
es wird so sein.
Öffnet sie da ihre Augen? Nein, ich täuschte mich, sie sind zu. Ich betrachte sie ...
wunderschön, muss ich denken, ich kenne sie, kenne sie schon lange, ferne Erinnerungen schwellen in mir hoch;
Freuden, die in meinem Herzen hochschießen, die mich für kurze Zeit mit Wärme und Wohlgefühl füllen.
Viel haben mir gemeinsam erlebt, gemeinsam mit ihr möcht ich noch mehr erleben, doch nur Freude und Liebe,
des Leides bin ich leid, den Tode soll doch der Teufel holen, und wenn er dazu Gottes Hilfe bräuchte,
ich will nicht mehr; des Kämpfens bin ich müde, und des Laufens auch! London ist fern, ich kann es so nicht schaffen,
ich spüre es in meinen Beinen. Ein Auto! Wo? Es kommt, von hinten, da ist es, ich drehe mich um.
Es hält, welch freundliches Gesicht!
„Junger Mann, haben Sie Schwierigkeiten? Kann ich sie ein Stück mitnehmen? Ihre Freundin da schaut nicht gut aus,
ist sie krank?"
„Ähm – ja, könnten sie mich – und sie, vieleicht mit nach London nehmen?
Wir wohnen auf einem Bauernhof in der Nähe, und äh, sie ist auf einmal umgefallen, und –"
„Reden Sie nicht soviel, steigen Sie ein!"
Ich lege sie vorsichtig auf die Rückbank und steige vorne ein.
Schon ruckt es, das Auto fährt, es fährt schnell, sicher schneller als erlaubt.
Landschaft saust vorbei, ich kann nur an eines denken; sie.
„Soll ich Sie direkt zum Krankenhaus bringen?"
„Ja, das wäre nett, sie braucht Hilfe!"
Wir fahren vor ein Krankenhaus; ich war noch nie in einem drin. Ich eile hinein, mit ihr auf den Armen.
Ärzte, sie sehen mich, und sie helfen mir, bestürmen mich mit Fragen. Ich lüge sie an, denn die Wahrheit;
sie ist zu wahr, als dass sie wahr sein könnte. Sie versprechen, sich um sie zu kümmern, doch will ich sie nicht verlassen.
An ihrem Bette sitze ich, ihr fehlt nichts, sagen sie, ich glaube ihnen, und doch ist sie nicht wach;
sieht mich nicht, vieleicht spürt sie mich, in ihrem Herzen, wie ich die Wärme spüre.
Sekunde um Sekunde, Minute um Minute, Stunde um Stunde vergeht, und ich sitze immer noch hier, wache über sie.
Ich bin wach, wache, bin wach, Zeit verrinnt, läuft davon, und vergeht doch langsam.

Das nächste Kapitel folgt in einigen Tagen