- KAPITEL VIER -
Von Worten und Fledermäusen
Was Nala und Dumbledore zu ihm gesagt hatten, nagte ziemlich fest an Snape. Das
Abendessen hatte er gerade noch über die Runden gebracht, dann setzte er sich in
seinem Wohnzimmer vor seinen Kamin und brütete über seinen Gedanken. Es
brodelte immer noch in ihm. Es war schon nach Mitternacht, als er sich endlich
selbst eingestand, was ihn am meisten gestört hatte. Sie hatte gesagt, er würde
ein Herz aus Stein besitzen oder gar keines. Das Schlimme daran war, dass sie
recht hatte. Doch es stand ihr nicht zu, so mit ihm zu reden.
"Verflucht!" knurrte er. Wie um alles in der Welt sollte er denn das
alles durchhalten? Diese ganze Töterei und Spioniererei! Das schafft man nur,
wenn man nicht alles in sein Herz lässt. Er war nun einmal so und fertig. Doch
sie hätte es ihm nicht sagen dürfen, denn kaltes Herz hin oder her, es hatte
weh getan. Er wusste nicht wieso, denn ihm war klar, dass viele Schüler genauso
von ihm dachten, doch als es Nala ihm ins Gesicht geschrieen hatte, hatte es
ihn berührt. Es war wegen diesem Wort, dass sie benutzt hatte: "Herz"
Das war irgendwie ein zu starkes Wort für ihn.
Und zu allem dazu hatte Dumbledore in ihm wachgerüttelt, was eigentlich schon
die ganze Zeit im Hinterkopf hatte. Er hatte ihren Verlobten getötet und, ob er
es wollte oder nicht, es tat ihm jetzt leid. Nun wusste sie auch noch, dass er
dabei gewesen war. Wie sollte er ihr denn jemals in die Augen sehen können? Wie
sollte er mit ihr normal reden können?
Aber er mochte sie trotzdem nicht, weil sie seine Situation einfach nicht
verstehen wollte. Für sie gab es nur Todesser oder nicht Todesser. Dass er da
schon seit langem nicht mehr dazugehören wollte, kümmerte sie überhaupt nicht
und sie wusste wahrscheinlich gar nicht, dass er jedes Mal sein Leben aufs
Spiel setzte, wenn er zu einem dieser Treffen ging.
"Sollen mich doch alle in Ruhe lassen!" schnaubte er, nahm einen
Schlaftrank und ging zu Bett.
*
Viel gegessen hatte Nala an diesem Abend nicht. Sie hatte
Snape keines Blickes gewürdigt und sich nur ein wenig mit Minerva unterhalten.
Erst als sie merkte, dass Snape aufstand und ging, beobachtete sie ihn. Sie
liess fünf Minuten noch verstreichen, damit sie ihm ja nicht über den Weg
laufen würde und verabschiedete sich dann selbst auch. Ihr Weg führte sie nach
draussen. Ihre Kleidung verwandelte sie gekonnt in etwas Bequemeres und
Sportlicheres und schliesslich lief sie zum See. Das Joggen half ihr manchmal
beim Denken und so auch an diesem Tag.
Natürlich hatte Dumbledore mit allem recht gehabt, aber dieser Snape war doch
wirklich unausstehlich zu ihr. Sie seufzte innerlich und nahm sich fest vor,
dass sie sich mit ihm nicht mehr streiten würde. "Benehmen wir uns wie
Erwachsene!" tadelte sie sich selbst. Aber wie benahm man sich in einer
solchen Situation? Das Beste würde sein, wenn sie mit ihm einfach alles ganz
sachlich behandelte und ihm sonst aus dem Weg gehen würde. Viel hatte sie ja
zum Glück noch nicht zu tun, denn Voldemort hatte anscheinend noch nicht
durchblicken lassen, was er als nächstes plant.
Doch da war noch etwas, dass sie unglaublich zornig gemacht hatte. Es war
dieses Wort, dass er benutzt hatte: "Missy." Es erinnerte sie an
Sean. Er hatte zwar dieses Wort nie zu ihr gesagt, so weit sie sich erinnern
konnte, aber es gehörte genau zu dieser Art von Namen, die er manchmal so
liebevoll ihr zugesprochen hatte. Mein Mädchen, Darling, Lady, "clever
girl", meine Liebe... alles solche Namen, die sie sonst immer so amüsiert
hatten. Doch wenn sie es in diesem Ton von Snape zu hören bekam, machte sie das
unglaublich zornig. Er gab dem Ganzen eine völlig andere Bedeutung, als sie es
bisher gekannt hatte. Und es stand ihm nicht zu, so mit ihr zu reden und es
stand ihm nicht zu, sie so an Sean zu erinnern. Nala verstand selbst nicht,
wieso sie dieses kleine Wort aus seinem Mund so sehr störte.
"Vergiss ihn!" schüttelt sie sich. "Snape ist es nicht Wert,
dass du so viele Gedanken an ihn verschwendest!"
Mit diesem Vorsatz lebte sie gut eineinhalb Wochen ohne grössere Probleme.
Vernichtende Blicke wurden zwar immer noch zwischen ihr und Snape ausgetauscht,
aber anscheinend hatte Albus ihm so ins Gewissen geredet, dass er es nicht mehr
wagte, sich über ihren Unterrichtsstil oder ihre Punkteverteilung zu
beschweren. Nala nahm die Geschichte mit den Punkten auch wieder etwas
lockerer. Gegen Snape hegte sie zwar immer noch einen unheimlichen Groll, aber
sie liess nicht zu, dass er ihr die Zeit irgendwie vermieste.
Und so kam das Halloween-Fest. Nala hatte schon immer eine besondere Freude an
diesem Fest gehabt. Besonders in Hogwarts war das ein grosses Fest. Sie liebte
es, wie die Grosse Halle dann geschmückt war und sie mochte die Stimmung, die
dann herrschte. Dieses Jahr konnte sie sogar bei den Vorbereitungen mithelfen.
Auch Minerva und Filius halfen beim dekorieren, sie waren sehr beschäftigt
damit, überall Spinnen und ihre Netze an den Wänden und an den Säulen und
Balken zu platzieren. Mit Hagrid zusammen verteilte Nala die Kürbisse und die
lebenden Fledermäuse überall in der Luft. Lange blieben diese leider aber nicht
an ihren Balken, sondern ein paar Fledermäuse verflüchtigten sich in den Gängen
von Hogwarts. Es war ja klar, dass Snape das gleich mitkriegen würde und so
hatte er gleich wieder einmal einen Grund für eine Auseinandersetzung mit ihr.
"Es ist offensichtlich, dass Sie die Fledermäuse verteilt haben, Miss
Silver", sagte er mit eisiger Stimme. "Das können ja nur Sie gewesen
sein."
"Weswegen?" fragte Nala noch ganz unschuldig und ahnungslos.
"Weil sie nicht dort sind, wo sie hingehören."
"Natürlich, sind sie dort. In der Grossen Halle, wo denn sonst?"
"Miss Silver! Sieht mein Schlafzimmer vielleicht aus wie die Grosse
Halle?!"
Nala spürte, dass er schon wieder in Rage war, aber heute hatte er sich
ziemlich gut unter Kontrolle. Seine Stimme blieb eisig und kalt.
"Entschuldigung, aber woher soll ich bitteschön wissen, wie ihr
Schlafzimmer aussieht?! Und es will mir nicht gelingen zu sehen, weshalb ich
das jemals würde wissen wollen." Ihre Augen blitzen ihn an.
"Eben. Warum also habe ich ein halbes Dutzend von diesen Viechern in
meinem Zimmer!" sagte er eindringlich und blitzte mit seinen Augen zurück.
"Ihre Arbeit ist sehr unprofessionell."
"Wenn ich richtig informiert bin, dann bin ich hier als Lehrerin
angestellt und ich gehöre nicht zu irgend einem "professionellen"
Partydienst! Beim Merlin, wir alle dekorieren hier zum Spass! Jetzt haben sich
ein paar von den Fledermäusen anderweitig umgesehen... Davon geht die Welt doch
nicht unter! Machen Sie nicht so ein Theater, schaffen Sie die Tierchen raus
oder bringen Sie sie hierher zurück. Sie haben ja wohl nicht Angst vor
denen."
"Glauben Sie, ich hätte nichts Besseres zu tun als mich um diese Viecher
zu kümmern?!"
Nala zuckte mit den Schultern und grinste ihn frech an. "Dann lassen Sie
die Tierchen halt dort. Sind nette Haustiere und Angst vor Mückenstichen müssen
Sie dann auch keine mehr haben. Ausserdem finde ich es kein Wunder, dass die
Tierchen sich ihr Schlafzimmer ausgewählt haben. Es ist dort bestimmt, wie in
einer feuchten, dunklen und kalten Höhle. Und "Gleich und gleich gesellt
sich gern", wie man so schön sagt." Sie grinste immer noch und
zwinkerte ihm zu. Dieses Spiel war eigentlich ganz amüsant, wenn sie austeilen
durfte.
Snape schnappte nach Luft, dann zischte er: "Sie haben recht. Sie haben
nicht die geringste Ahnung, wie es in meinen Gemächern aussieht."
"Also, entweder schaffen Sie die Tiere jetzt selber weg, oder ich muss sie
wegbringen. Aber dann würde ich ja ihre geheimnisvollen Gemächer sehen, nicht
wahr? Wie interessant!" höhnte sie.
Jetzt hatte Snape genug. Er drehte sich auf seinen Absätzen um und Nala konnte
beobachten, wie eine überdimensionale Fledermaus mit ihrem wehendem Umhang
zurück zu seinen Artgenossen in den Kerker rauschte.
Hagrid hatte diese Unterhaltung aus kleiner Entfernung mitbekommen und prustete
los, kaum war Snape verschwunden. Auch Nala musste sich den Bauch halten vor
lachen.
"Mann, Nala! Das war einfach klasse!" lachte Hagrid mit kleinen Tränen
in den Augenwinkeln. "Du hast es auf den Punkt getroffen mit der
Fledermaus. Kommt einem manchmal wirklich so vor, wenn er durch die Gänge
schleicht. Wie ist dir das denn in den eingefallen?"
"Ist mir so zugeflogen", schmunzelte sie.
Da kam Dumbledore herein und erklärte den beiden sein neues
"Musiksystem" für das Fest. Er bat Hagrid ihm seine fünf schönsten
Kürbisse zu bringen, worauf Hagrid stolz mit den fünf grössten Kürbissen
zurückkam, die Nala je gesehen hatte. Dumbledore legte einen Zauber auf die
fünf Kürbisse und platzierte auf jedem Tisch in der Grossen Halle einen von
ihnen. Als ihn alle verwundert anschauten, erklärte er, dass jeder, der Lust
hatte, ein Lied auf einen Zettel schreiben könne und diesen in den Kürbis auf
seinem Tisch werfen. Der Reihe nach würde je ein Lied aus einem Kürbis gespielt
werden und die Musik würde aus allen schwebenden Kürbissen herauskommen. Jeder
fand das eine tolle Idee und staunte, als Dumbledore es ausprobierte und die
Ouvertüre von Mozarts Zauberflöte erklang.
"Naja, diese Musik wird heute Abend wohl nicht laufen", kicherte
Albus.
Aber das war nicht das Einzige, was sich Dumbledore für dieses Fest ausgedacht
hatte. Schon vor zwei Wochen hatte er bekannt gegeben, dass man in der Grossen
Halle nur etwas zu Essen bekommen würde, wenn man auch verkleidet war.
Obwohl Nala die Idee etwas zu übertrieben fand, weil es bestimmt Leute gab, die
sich nicht gerne verkleideten, suchte sie sich gerne ein Kostüm heraus. Sie
würde als "Morticia" von der Adams Familiy gehen. Viel brauchte sie
dazu ja nicht. Sie hatte ein langes, schulterfreies, schwarzes Kleid, dessen
Saum hinten in eine Spitze verlief. Es hatte Ärmel und auch diese endeten in
einer Spitze über ihrem Handrücken. Dann müsste sie ihre schwarzen Haare ein
bisschen glätten, da sie sonst normalerweise eine leichte Welle drin hatten.
Schwarze Fingernägel und düstere Schminke durfte sie natürlich auch nicht
vergessen. Das bleiche Gesicht, die ganz dunkel geschminkten Augen und der rote
Mund gehörten einfach dazu. Das würde toll werden.
Und so wurde es auch bald Zeit und alle machten sich selbst für das Fest
bereit.
*
Hermione hatte noch etwas ganz anderes im Kopf, als sich zu
verkleiden. Sie hatte Ron und Harry gebeten sich zu beeilen und möglichst bald
wieder im Gemeinschaftsraum zu sein, weil sie ihnen noch was wichtiges erzählen
wollte. Die Jungs waren ziemlich neugierig und so waren sie schon eine halbe
Stunde, bevor das Fest beginnen würde, im Gemeinschaftsraum. Harry hatte sich
entschlossen als "Haken-Mann" zu gehen, so im Stil von "Ich
weiss, was du letzten Sommer getan hast und Ron kam als Werwolf. Hermiones
Kostüm war nicht so gruslig wie das ihrer Freunde. Sie hatte sich als schwarze,
elegante Katze verkleidet.
Die drei setzten sich vor den Kamin und Hermione musste zuerst einmal lachen,
als sie Harrys Kostüm genauer betrachtete. Die Kapuze seiner Fischerjacke hing
ihm so tief ins Gesicht, dass er kaum etwas sah.
"Aber Harry, wie willst du denn sehen können so? Und wie willst du essen
mit diesem Haken in der Hand?" fragte sie belustigt.
"Ach, das geht schon. Ich sehe euch schon. Und der Haken dient mir prima
als Gabel!" grinste er.
"Schön, du musst es ja wissen." Sie rollte mit den Augen. "Hört
mir zu, mir ist endlich in den Sinn gekommen, wo ich ihren Namen schon einmal
gelesen habe!"
"Ja, wo denn?" wollte Ron sehr interessiert wissen.
"Ich habe lange gesucht und heute habe ich endlich einen alten
Zeitungsartikel über sie in der Bibliothek gefunden. Letzte Weihnachten wurde
ihr Verlobter von Todessern getötet!" sagte sie aufgeregt.
"Kein Wunder wurde sie Aurorin", flüsterte Ron.
"Nein, nein, da stand noch mehr und zwar, dass ihr Vater ein Auror gewesen
war und Nala sich irgendwann entschlossen hatte auch Aurorin zu werden. Doch
sie war gerade etwa einen Monat Aurorin, als ihre Eltern von Voldemort und
seinen Anhängern getötet wurden. Das war kurz bevor..." Hermione stockte
und sah Harry traurig an.
"Was? Sag schon!" sagte Harry eindringlich.
"Bevor er deine Eltern getötet hat, Harry", wisperte sie. "Als
Voldemort dann abgehauen war, ging sie anscheinend auf Reisen und nachher
arbeitete sie weiterhin im Ministerium in der Abteilung für Magische
Strafverfolgung. Und Sirius..."
"Was Sirius kommt da auch noch drin vor?" unterbrach Harry sie.
"Jaja, das habe ich ganz vergessen zu sagen! Ihre kleine Biografie kam im
Zusammenhang mit Sirius, als bekannt wurde, dass er nun doch unschuldig ist.
Unsere alte Bekannte, Rita Skeeter, hat den Bericht verfasst. Es stand im
Tagespropheten, ein paar Tage nachdem die Meldung drin stand, dass Sirius
unschuldig ist. Miss Silver wurde darin so richtig fertig gemacht. Sie wird als
Psychopatin hingestellt, die Aufgrund der Todesfälle ihrer Familie wie ein
Wahnsinnige nach Sirius gesucht hat. Skeeter gibt ihr einfach für alles die
Schuld. Dafür, dass die einzige Person, die dem armen Harry Potter eine
wirkliche Familie hätte geben können, die ganze Zeit auf der Flucht sein
musste. Miss Silver sei Schuld, dass du keine Familie hast und dass Sirius so
lange zu Unrecht verfolgt wurde. Und weil Miss Silver so ein schlechtes
Gewissen habe, würde sie sich jetzt so dafür einsetzen, dass Sirius' Namen
wieder reingewaschen würde."
Zuerst waren Harry und Ron einfach sprachlos. Aber dann wurde Harry wütend.
"Diese blöde Skeeter kann wohl nie etwas richtig machen! Ich glaube nicht,
dass Miss Silver so gehandelt hat. Na gut, sie ist eine Aurorin und sie musste
vielleicht Sirius verfolgen, aber sie ist bestimmt keine Psychopatin! Ich weiss
nur, dass Sirius sie noch von früher kennt, bevor er eingesperrt wurde und
jetzt sind sie auch wieder gute Freunde! Ich glaube, Sirius' Motto ist:
'Vergeben und vergessen' und niemand ausser Wurmschwanz hat daran Schuld, dass
er zu Unrecht verfolgt wurde!" brüllte Harry fast.
"Ich bin absolut deiner Meinung, Harry", sagte Ron ernst.
Hermione nickte auch zustimmend und meinte dann: "Also dann, mehr gibt es
wohl nicht mehr zu sagen. Wollen wir hinunter gehen? Ich bin gespannt auf die
Kostüme der anderen!"
"Ja gehen wir. Ich glaube, ich ahne als wen sich Colin verkleidet
hat" gluckste Ron und von Harry war darauf ein Stöhnen zu vernehmen. Dass
er mit den Augen rollte, konnte niemand sehen, weil ihm seine Kapuze fast bis
zur Nase ins Gesicht hing.
Tatsächlich war Colin nicht als Harry Potter verkleidet, sondern als Alien. Er
und sass in der Nähe von Harry mit seinem kleinen Bruder, Dennis, der ganz
begeistert über sein eigenes Riesen-Kraken-Kostüm war. Ginny kam auch bald und
setzte sich neben Harry an den Gryffindor-Tisch. Sie war eine blaue Fee und
hatte es sogar geschafft ihre roten Haare ganz blau zu färben.
*
