- KAPITEL FÜNF -
Ein bissiges Fest
Als Nala an den Esstisch kam, wurde sie etwas unangenehm überrascht. Am Lehrertisch
war die Sitzordnung nicht so, wie sie sonst meistens war. Dumbledore war
natürlich in der Mitte, aber zu seiner Linken sass Minerva und unterhielt sich
bereits angeregt mit Poppy Pomfrey. Aber nicht nur Nalas üblicher Platz war
besetzt, sondern alle anderen Lehrer waren auch schon da. Es gab nur noch zwei
freie Plätze und zwar direkt neben Dumbledore zu seiner Rechten. Ein wenig
missgelaunt setzte sie sich neben Dumbledore, weil sie genau wusste, welche
Person sich auf den letzten freien Platz neben ihr setzen würde. Aber dann fiel
ihr ein, dass er wahrscheinlich nicht kommen würde. Sie konnte sich kaum
vorstellen, dass sich Snape als irgendetwas verkleiden wollte. Sie hoffte es.
"Wird schon schief gehen", seufzte sie leise und beobachtete die Menge
von kleinen Monstern an den Tischen unten in der Halle. Am besten gefiel ihr
das Kostüm von Ron. Er sah wirklich aus wie ein echter Werwolf und sie mochte
Wölfe, egal welcher Art. Am merkwürdigsten war wohl Dumbledore verkleidet. Er
war ein Weihnachtsmann!
Nala stupste ihn an und flüsterte ihm zu: "Albus, du hast dich, glaub ich,
um ein paar Wochen verirrt. Es ist noch nicht Weihnachten!"
"Nein, nein, das ist schon richtig so!" zwinkerte der Zauberer ihr
mit seinen blauen Augen zu. "Niemand würde einen Weihnachtsmann zu
Halloween erwarten! Das hat doch schon etwas Unheimliches an sich... Na gut,
vielleicht nicht, aber ich mag das Kostüm so sehr." Er bekam ein wenig
rote Wangen.
"Ich mag es auch" grinste Nala und deutete dann zu Minerva hinüber.
"Das ist aber auch süss... sie könnte sich mit Hermione Granger zusammen
tun."
Professor McGonagall wäre keine echte Gryffindor, wenn sie sich nicht als Löwe
verkleidet hätte. Aber sie war natürlich nicht der Meinung, dass sie als Frau
ein Löwen-Kostüm tragen konnte, also war sie kein Löwe mit Mähne, sondern eine
Löwin ohne Mähne, dafür hatte ihre Kapuze sehr niedliche Ohren. Geschminkt war
sie fantastisch und da waren sogar Schnurrhaare auf ihrer Oberlippe, die sie
sich angezaubert hatte.
Auch Hagrid hatte sich alle Mühe gegeben irgend ein Waldmonster oder so
darzustellen. Seine Kleider waren ganz grün und überall waren Blätter und Moos.
Er hatte sich sogar Moos in den Bart geflochten.
Nach einer Weile begann sich Nala zu wundern, weshalb Dumbledore das Essen noch
nicht eröffnet hatte, doch nicht lange brauchte sie, bis sie den Grund dafür
erkannte.
Er kam doch. Auftritt Dracula.
Nala fielen fast die Augen aus dem Kopf, als sie Snapes Kostüm sah. Er trug
schwarze Hosen, ein weisses Hemd und darüber eine schwarze Weste. Um den Hals
hatte er ein rotes Band mit einer Medaille in Form eines Sterns. Aber das
absolut Edelste war sein Umhang. Die Innenseite war rot und die Aussenseite
schwarz. Er hatte einen sehr hohen Stehkragen, so hoch das die Kragenspitzen
sich leicht nach aussen neigten.
Als Snape erkannte, dass er neben Nala sitzen musste, flog ein hämisches
Lächeln über sein Gesicht und sie entdeckte, dass er sogar an seinen Eckzähnen
etwas herumgezaubert hatte! Sie waren länger und spitziger.
"Das passt irgendwie wirklich zu ihm", dachte sie. Sogar sein blasses
Gesicht, die leichte Haken-Nase und die schwarzen, fast schulterlangen Haare,
die wie immer etwas unordentlich und strähnig waren, passten sehr gut dazu. Sie
war erstaunt, dass er sich tatsächlich verkleidet hatte. Das hatte sie ihm
irgendwie nicht zugetraut.
In der Tat war Snape nicht ganz freiwillig hier. Er war nur gekommen, weil ihn
Dumbledore inständig darum gebeten hatte und er ihm schliesslich diese Bitte
einfach nicht mehr abschlagen konnte. "Wenn schon, denn schon", hatte
er sich gesagt und hatte sich ein angemessenes Kostüm gesucht. Schliesslich war
es Nala selbst gewesen, die ihm die zündende Idee gegeben hatte, als sie ihn
mit einer Fledermaus verglichen hatte, was er ihr natürlich niemals sagen würde.
Doch sie sollte sehen, dass ein "Fledermaus-Typ" auch ganz passabel
aussehen kann.
Nun war er hier, sogar mit Kostüm und wurde von allen angestarrt. Und als wäre
es nicht schon genug, musste er auch noch neben dieser unmöglichen Person
sitzen. Er würde das Essen möglichst schnell hinter sich bringen und dann
wieder in seinen Räumen verschwinden.
Graf Dracula setzte sich neben Nala und eine Fledermaus war eigentlich nicht
das Erste, was ihr in den Sinn kam, sondern sie musste sich grosse Mühe geben,
damit sie sich nicht immer selbst daran erinnerte, dass sie schon als
Jugendliche von Dracula fast magisch angezogen wurde. Doch dann konnte sie sich
ein Schmunzeln nicht verkneifen.
"Ah, Professor, wenn ich mich nicht irre, geisterte der verehrte Graf doch
auch als Fledermaus herum. Zufälle gibt es..." Ihre Augen funkelten ihn an
und ihre Mundwinkel zuckten immer noch auf und ab, weil sie versuchte nicht zu
lachen.
Er zog eine Augenbraue hoch, starrte sie kurz mit einem vernichtenden Blick an,
gab aber keine Antwort darauf.
"Wie ich sehe, Miss Silver, wählten sie das Kostüm einer etwas morbiden
Dame aus einem Muggel-Film. Das ist unter aller Würde" sagte er mit seiner
dunklen Stimme.
Nala war ganz überrascht, dass er überhaupt wusste, wen sie darstellte. Sie
kannte diesen Muggel-Film auch nur, weil sie ihn einmal mit ihrer Freundin
Allegra gesehen hatte und Allegra eine Muggel war. "Sie sehen sich in dem
Fall Muggel-Filme an?" fragte sie ihn spitz. "Wie kommen denn Sie
dazu, wenn es unter aller Würde ist?"
"Ich sehe mir nie Muggel-Filme an!" sagte er entsetzt. "Wieso
sollte ich das wollen? Ich habe nur einmal im Tagespropheten einen Artikel
gelesen über Muggel und ihre Erfindungen um sich zu gruseln. Unter anderem
wurde diese unmögliche Familie erwähnt und es war sogar ein Bild von denen
drin." Er zog angeekelt einen Mundwinkel hoch. "Überhaupt, die Muggel
haben zu wenig Fantasie, dass sie nicht mehr Bücher lesen können. Sie können
sich nichts mehr vorstellen, sondern müssen sich Filme ansehen, wo Ihnen alles
gezeigt wird."
"Sie kommen wohl nicht viel in der Welt herum, sonst wüsste Sie, dass es
sowohl Muggel mit sehr viel Fantasie, als auch völlig fantasielose Hexen und
Zauberer gibt", konterte Nala.
Snape konnte nichts mehr erwidern, denn nun begann Dumbledore mit seiner
Eröffnungsrede und erklärte noch allen, wie sein Musiksystem funktionierte. Als
er das Essen eröffnete griffen ein paar Schüler sofort zu den kleinen
Zettelchen und Stiften, die überall auf den Tischen verteilt waren, um ihren
Musikwunsch in einen Kürbis zu werfen.
Snape sagte nichts mehr zu Nala, worüber sie froh war. Nicht einmal mehr ihre
"würdelose" Verkleidung brachte er zur Sprache. Nala kümmerte sich
ohnehin nicht darum, denn sie mochte ihr Kostüm und sie fand es auch toll, dass
sie Kontakt zu Muggeln hatte. Sie hatte ein paar sehr gute Freunde, die Muggel
waren. Für sie war es nichts Schlimmes, viel mehr sah sie es als eine besondere
Erweiterung ihres Horizonts. Jedes Mal war es für sie ein Erlebnis, wenn sie
bei Freunden zu Besuch war oder mit ihnen etwas in der Muggelwelt unternahm.
"Das habe ich nur Sean zu verdanken", dachte sie berührt. Seine
Eltern waren Muggel gewesen und als er erfuhr, dass er ein Zauberer war, weihte
er seine drei besten Freunde ein. Das waren Liam, Neal und Nora. Mit der Zeit
lernte auch Nala die Drei kennen und verstand, weshalb Sean ihnen so vertraute.
Sie würden nie etwas verraten.
Nala und Sean waren sogar zur Hochzeit von Liam eingeladen worden, was Nala
sehr viel bedeutet hatte. Mit seiner Frau Allegra hatte sie sich auch gleich
angefreundet. Neal und Nora waren damals auch schon verheiratet und nun gab es
im ganzen vier Muggel und natürlich Seans Mutter, die noch lebte, die wussten,
dass Nala eine Hexe war. Nala war glücklich damit und niemand konnte ihr das
verderben, nicht einmal das Ekel neben ihr.
Aber dann kam ihr etwas in den Sinn, das sie doch noch gerne gewusst hätte. Sie
wandte sich wieder an Snape, der sich gerade eine Truthahnbrust auf den Teller
schöpfte.
"Entschuldigen Sie, Professor, was haben Sie eigentlich mit den
Fledermäusen in ihrem Zimmer angestellt?"
Ohne sie anzusehen antwortete er: "Ich habe sie zurück in die Halle
gebracht, was denn sonst? Ich habe sie und alle anderen Fledermäuse in der
Halle mit einem Bann belegt, damit sie diese Halle nicht verlassen können.
Sehen Sie doch!" Er deutete mit seiner Hand an die Decke, wo ein paar
Fledermäuse herumflogen.
Nala sah nach oben und jetzt erst erkannte sie, dass jede Fledermaus von einer
schwachen, blauen Wolke umgeben war. Eigentlich hatte sie gedacht, er hätte die
Fledermäuse zu einem Fenster hinausgescheucht oder sie sogar getötet, aber
jetzt war sie so verblüfft darüber, dass Snape sich tatsächlich darum gekümmert
hatte, dass sie vor lauter Staunen ihr Glas umstiess. Ein kleiner Bach Wein
floss über den Tisch und genau auf Snapes Hose. Entsetzt stand er auf und
durchbohrte sie mit seinem gehässigen Blick.
"Typisch! Was müssen Sie auch so ungeschickt sein?!" blaffte er sie
an. Er sprach zum Glück in normaler Lautstärke, aber Nala wurde trotzdem von
einem Schauer geschüttelt, als sie seine Stimme hörte.
"Es tut mir leid. Ich...", stotterte sie. Es war ihr wirklich
unendlich peinlich. Warum musste es auch gerade ihn treffen? Trotz dem weisen
Puder in ihrem Gesicht färbten sich ihre Wangen rosa und sie wäre am liebsten
im Boden versunken.
Snape schaute an sich hinunter und merkte, dass der Fleck an der denkbar
ungünstigsten Stelle war, die man sich vorstellen konnte. Es sah aus, als hätte
er in die Hosen gemacht. Er beschloss sich lieber wieder hinzusetzen, bevor
noch mehr Leute davon etwas mitkriegen würden.
Als er sich wieder gesetzt hatte, sagte Nala vorsichtig: "Ich kann das
wegmachen."
"Unterstehen Sie sich!" knurrte er böse zurück. "Sonst stellen
Sie noch mehr Katastrophen an! Ich mach das selbst." Er nahm seinen
Zauberstab und entfernte den Fleck.
Nala war einfach nur froh, dass er sich endlich wieder hingesetzt hatte. Sie
blickte kurz zu den Schülern in der Halle und stellte fest, dass nur ganz
wenige ihr peinliches Missgeschick gesehen hatten. Es war also nicht ganz so
schlimm, wie sie es befürchtet hatte, aber trotzdem war sie wieder so zornig
auf Snape, dass sie hätte explodieren können.
Ron grinste sie an und hielt seinen Daumen nach oben. Nala lächelte schwach
zurück und starrte dann auf ihren Teller.
"Ja nicht mehr zu Snape hinübersehen!" flehte sie sich selbst an.
"Du willst hier doch keine Szene machen!"
Eine Weile stocherte sie lustlos in ihrem Teller herum. Da legte ihr Dumbledore
eine Hand auf die Schulter und flüsterte ihr zu:
"Mach dir nichts draus. Das kann doch jedem passieren."
"Ich mache mir auch nichts draus, aber ich kann ihn nicht ausstehen!"
zischte sie zurück.
Dumbledore zwinkerte ihr zu. "Komm. Wünsch dir ein Lied!"
Nala lächelte den Zauberer an, schnappte sich dann ein Zettelchen und schrieb
ein Lied drauf, das ihr gerade einfiel.
Will You Be There
– Michael Jackson
"Ein Muggel-Lied", dachte sie, "wen
kümmert's..."
An diesem Abend hatte sie wohl am meisten Lieder von "Ghosts Of The
Castle" gehört. Das war eine neue Band, die bei den magischen Kids sehr
gut ankam. Doch von Zeit zu Zeit hörte man sogar einen Song, der von einem
Muggel gesungen wurde und so traute sich auch Nala ein Muggel-Lied zu wünschen.
Erst 15 Minuten später, beim Dessert, ertönte ihr Lied und plötzlich hielt sie
es nicht mehr für eine so gute Idee, dass sie es sich gewünscht hatte. Sie
wurde wieder an Sean erinnert und sie wurde wieder traurig, dass er nicht hier
bei ihr war. Sie schüttelte leicht ihren Kopf und ermahnte sich, dass sie mit ihrem
Leben weitermachen musste. Um sich abzulenken, begann sie mit Dumbledore ein
angenehmes Gespräch über die Ländereien von Hogwarts. Doch irgendwann kamen ihr diese Worte zu Ohren:
Would you know my name if I saw you in heaven? Would you feel the same if I
saw you in heaven? I must be strong and carry on 'cause I know I don't belong
here in heaven…
Das war Nala nun doch zuviel. "Tears In Heaven "..dieser
Text... und dann auch noch gesungen von Eric Clapton, zu dessen Lied
"Wonderful Tonight" sie immer mit Sean getanzt hatte. Wie viele Songs
auch immer sie an diesem Abend gehört hatte, jetzt konnte sie einfach nicht
mehr. Sie hatte genug von dem Fest und wollte allein sein. Sie beschloss, dass
es besser wäre, wenn sie jetzt gehen würde.
Dass Nala noch bleicher im Gesicht war, bemerkte sogar Snape.
"Also Sie sagen Bescheid, wenn Sie sich übergeben müssen, damit ich mich
noch in Sicherheit bringen kann", sagte er mit einem süffisanten Unterton
in seiner Stimme und liess seine Eckzähne im Licht blitzen.
Sie starrte ihn feindselig an und fauchte: "Typisch, dass Sie das sagen.
Von Ihnen kann man ja nichts anderes erwarten. Aber ich werde Ihnen die Freude
einer weiteren Blamage nicht machen. Noch ein Wort von Ihnen und es kommt mir
wirklich hoch." Sie stand auf, wandte sich zu Dumbledore und flüsterte ihm
zu: "Entschuldige mich, ich fühle mich nicht wohl. Ich gehe jetzt
besser."
Dumbledore sah sie besorgt an, nickte dann aber verständnisvoll, worauf Nala
durch die Hintertür verschwand.
Snape war ganz froh, dass sie endlich weg war. Nachdem er seine Hosen gereinigt
hatte, blieb er stumm und zählte nur noch die Minuten, bis das Essen endlich
vorüber sein würde und er gehen konnte. "Die hat es sich ja leicht
gemacht. Ist einfach abgehauen", knirschte er in sich hinein. Er würde
bleiben, bis das Essen zu Ende war, wie es sich gehörte. Doch ob nun Nala hier
war oder nicht, er war wütend auf sie. Es war nicht nur wegen dem Wein auf
seinen Hosen. Jedes schnippische Wort, das er bis jetzt von ihr gehört hatte,
kam wieder in ihm hoch. Es macht ihn fast rasend. Und warum musste er immer mit
ihr streiten? Er musste einfach, er konnte nicht anders. Es war wie ein Zwang
oder ein Verlangen... Er wusste nicht weshalb das so war, er wusste nur, dass
er noch wahnsinnig werden würde um sie herum. Fast immer hatte sie eine
passende Antwort auf seine Bemerkungen und es gab nichts, womit er sie zum
Schweigen bringen konnte. Naja, nichts wovon er Verwendung machen durfte. Und
immer wieder hörte er die mahnenden Worte von Dumbledore in seinem Kopf, die
ihm sagten, dass er netter zu ihr sein sollte. Warum war das so schwierig?
Warum war sie so schwierig?
Endlich war das Essen zu Ende und er konnte gehen. Doch bevor er in seinen
Kerker ging, wollte er noch ein wenig Luft schnappen. Er wanderte durch die
Eingangshalle des Schloss und ging durch die grosse, schwere Eingangstür. Sie
fiel ins Schloss und er lehnte sich an die Schlosswand. Und da erst merkte er,
dass noch jemand hier draussen war, der wohl etwas frische Luft brauchte. Es
war Nala, die ein paar Stufen weiter unten sass und Gitarre spielte. Das Lied,
das sie dazu sang, kannte er nicht, aber anstatt umzukehren und wieder
hineinzugehen, blieb er einfach stehen und wollte hören, was sie sang. Er
entschloss sich aber noch zu etwas anderem. Er wollte ihr jetzt endlich einmal
ein paar Dinge sagen, um das alles etwas zu klären. Sie mussten eine Einigung
finden. Doch sie rührte sich nicht, sondern sang einfach weiter, also hörte er
einfach zu.
...
White horses on a
troubled sea
Your smile will flash through time
Up ahead a blackbird's wing
Your hair will come to mind
Every night I see your face when I have to pray
I need a bell, book and candle to keep your ghost away
Keep your ghost away, keep your ghost away
I need a bell, book and candle to keep your ghost away
Just before the thunder roars
I sense you next to me
And as I move through nature
I know where you will be
So I must keep myself apart, here is where I'll stay
With a bell, book and candle to keep your ghost away
…
Nala hatte mitbekommen, wer hinter ihr stand, doch irgendwie war sie
zu aufgewühlt oder zu sehr in ihr Lied vertieft, als dass sie sich hätte stören
lassen. Soll er doch dort stehen und zuhören. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe
und hoffte, er würde wieder gehen. Aber als sie den Song zu Ende gesungen
hatte, war er immer noch da. Sie seufzte leise, verwandelte die Gitarre wieder
zurück in einen Zweig, steckte ihn in eine Tasche und wollte sich auf den Weg
in ihr Bett machen. An Snape kam sie jedoch nicht so ohne Weiteres vorbei. Sie
wollte an ihm vorbeigehen ohne ihn auch nur anzusehen, doch als sie auf seiner
Höhe war knurrte er:
"Warten Sie. Wir müssen reden."
Sie sah ihn müde an. "Ich muss nicht mit Ihnen reden. Im Übrigen rede ich
grundsätzlich nicht mit Leuten ohne Herz."
Sie wollte sich abwenden und gehen, aber er hielt sie am Handgelenk fest und
zog sie zurück.
"Jetzt hör mir mal zu, Missy!" tobte er sie an.
Bei diesem Wort vergass sich Nala völlig. Wie von Sinnen griff sie blitzschnell
nach ihrem Zauberstab und rief das erst Beste, das ihr einfiel.
"Rictusempra!"
Sofort kitzelte es Snape überall am ganzen Körper. Einen kurzen Moment schaffte
er es noch seinen Körper anzuspannen, aber dann kitzelte es ihn so fest, dass
er nicht anders konnte und lachen musste. Aber dieser kurze Moment hatte ihm
genügt um seinen eigenen Zauberstab zu zücken. Er sprach
"Expelliarmus!" und gleich darauf "Wingardium Leviosa!"
Nala wurde rückwärts geschleudert und ihr Zauberstab flog in eine andere Richtung.
Kaum war sie auf dem Boden gelandet, wurde sie auch schon in die Luft gerissen
und schwebte fortan einen Meter über Snape in der Luft.
Sie war schockiert über sich selbst, weil sie so reagiert hatte und
fassungslos, weil sie einen lachenden Snape unter sich hatte, der krampfhaft
versuchte sich zu konzentrieren.
"Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen?!" fragte sie
sich.
Schliesslich gelang es ihm "Finite Incantatem!" deutlich zu sagen und
beide wurden von ihrem Bann gelöst. Nala fiel zu Boden, wurde aber von Snape
aufgefangen. Er hielt sie schnell an den Händen fest und stiess sie gegen die
Schlosswand. Er war ausser sich vor Wut.
"Du arrogante, paranoide Kuh!" fluchte er.
Zwischen beiden lag ein Augenblick der Bestürztheit, der Nala es ermöglichte,
ihre rechte Hand zu lösen und ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen. Flink
schnappte er sich ihre freie Hand wieder und drückte sie ungestüm gegen die
Wand. Nala sah in Snapes Augen fast Funken sprühen, so voller Wut war er. Sie
wehrte und wand sich, doch je mehr sie das tat, desto mehr versuchte er sie
davon abzuhalten und drückte sie mit seinem Körper noch mehr an die Wand. Als
sich Nala kaum mehr bewegen konnte, führte er ihre rechte Hand zu seiner Brust
und drückte sie auf die Höhe seines Herzens.
"Du liegst falsch, Missy. Ich habe ein Herz und es schlägt!" zischte
er.
Nala spürte, wie sein Herz schlug und zwar unheimlich schnell. Genau wie ihr
eigenes. Snape sah in ihr Gesicht, dass wieder eine normale Farbe hatte, weil
sie diese grässliche Schminke weggemacht hatte. Auch ihre Fingernägel waren
wieder normal. Sie schwieg vorerst und er starrte in ihre zornigen,
türkisblauen Augen.
"Ich korrigiere mich. Sie haben ein Herz, sind aber zu blöd um es zu
gebrauchen!" sagte sie schliesslich eindringlich und versuchte sich aus
seinem Griff zu lösen, doch er dachte nicht daran sie freizulassen.
Keiner von beiden wusste, weshalb geschah, was dann geschah. Snape beugte sich
langsam zu ihr hinunter, öffnete seinen Mund und biss sie leicht in die Seite
ihres Halses. Er nahm etwas Haut zwischen seine Zähne und zog sanft daran. Dann
stoppte er und sah sich die Stelle an ihrem Hals an. Er hatte sie mit seinen
noch sehr spitzen Eckzähnen verletzt und sie hatte nun zwei kleine, blutende
Kratzer an ihrem Hals.
Er kam zu Besinnung und liess sie los. Nala hatte ihre Stimme verloren. Es war
zu unfassbar, was er da gerade getan hatte. Einen Moment starrten sich die
beiden verwirrt an, danach lief Nala so schnell, wie sie konnte, zu ihren
Räumen und liess Snape stehen.
Nala liess sich auf ihr Bett fallen und weinte in ihr Kissen, bis sie endlich
einschlief.
