- KAPITEL ACHT -

Tag ohne Triumph


Die Sonne schien bereits in den Krankenflügel und Severus streckte sich gemütlich aus in seinem Bett. Er hatte tief und friedlich geschlafen, was eine Seltenheit war für ihn. Während er sich vorsichtig umdrehte, merkte er, dass seine Schmerzen schon deutlich abgeklungen waren. Sein Blick fiel auf seine Aufpasserin, die seelenruhig in ihrem Sessel schlief. Er beobachtete sie im Stillen. Ein paar Strähnen hingen ihr ins Gesicht, doch er konnte trotzdem ihr Gesicht erkennen. So entspannt sah sie ganz sanftmütig und lieb aus. Man würde ihr niemals zutrauen, dass sie eine Aurorin war. Es ärgerte ihn, dass sie ihm wieder nicht getraut hatte, als er von Voldemorts Plan berichtet hatte. Schön, sie hatte ihr gutes Recht misstrauisch zu sein, aber langsam könnte sie damit aufhören. Da kam Severus plötzlich eine Idee. Er würde sich jetzt einen kleinen Spass erlauben.

*

Nala erwachte mit einem Riesen-Schrecken. Das Erste, was sie sah, als sie ihre Augen öffnete, waren zwei dunkle Augen. Sie blickte direkt in das Gesicht eines schwarzen Wolfes. Er stand am Boden vor ihr, hatte aber seine Vorderpfoten auf die Fläche des Sessels zwischen ihren Beinen gestemmt und platzierte sein Gesicht direkt vor ihrem.
Nala schrie sofort erschrocken auf. Sie rappelte sich im Sessel auf und schubste den Wolf von sich. Sie stand auf im Sessel und dieser kippte in der Hektik samt Nala. Sie stiess ihren Kopf am Boden an, stand aber schnell wieder auf und richtete ihren Zauberstab auf den Wolf. Erst jetzt erkannte sie, dass es definitiv kein Werwolf war, sondern ein ganz gewöhnlicher. Er verwandelte sich gerade zurück in Snape.
Er hatte ein breites, hämisches Grinsen im Gesicht, als er sich zurück auf sein Bett setzte. "Sie sind aber ziemlich schreckhaft, Missy. Ausserdem glaube ich, dass Sie nicht hätten schlafen dürfen."
"Sie sind ein Animagus?" fragte diese immer noch ganz fassungslos.
"Wie Sie sehen..."
"Sie sind nicht angemeldet!" sagte sie drohend.
"Ich werde mich anmelden, sobald es mir nicht mehr von Nutzen ist, dass Voldemort nicht weiss, dass ich ein Animagus bin", sagte er von oben herab.
"Das kann ich sogar verstehen. Was ich nicht verstehe, ist, was Sie zum Teufel da gerade machten!!!" meinte Nala mit einer erheblich lauteren Stimme.
"Das war nur fair. Sie haben letzte Nacht auch als Wolf an mir herumgeschnüffelt. Denken Sie das hätte ich vergessen? Auch wenn Sie es vielleicht nicht glauben, aber ich liege nicht jeden Tag im Dunkeln und werde von zwei Wölfen belästigt. Ausserdem erinnert man sich an einen weissen Wolf mit türkisblauen Augen. Was hatten Sie überhaupt dort zu suchen. Schleichen Sie immer als Wolf durch die Gegend?"
"Ich habe Ihren Hintern gerettet! Und im Gegensatz zu mir, hatten Sie keinen Grund an mir herumzuschnüffeln. Sie sind eine echt skurrile, unheimliche Person, wenn Sie mich fragen. Ich glaube, da tickt irgendetwas nicht richtig bei Ihnen", meinte Nala spitz.
"Ich frage Sie aber nicht", sagte er überheblich.
"Gut, dann kann ich ja jetzt endlich etwas essen gehen und dann schlafen!" Sie ging mit erhobenem Kopf an ihm vorbei und liess ihn allein im Zimmer zurück.

Snape legte sich zufrieden wieder hin und grinste in sich hinein. Das war wirklich ein Spass gewesen, sie so zu erschrecken. Aber mit der Zeit verging sein Gefühl des Triumphes und andere nagende Gedanken kamen in ihm auf. Warum hatte sie so gut gerochen? Und was war in ihren Augen, was er nicht vergessen konnte? Er wiegte seinen Kopf hin und her und versuchte diese Gedanken loszuwerden. Sie gefielen ihm nicht und sie machten für ihn keinen Sinn. Was nützte es, wenn er daran dachte, wie sie roch? Er versuchte die ruhige Zeit zu geniessen, bis die unberechenbare Verrückte am Abend wiederkommen würde. Zum Glück kam Poppy bald, die ihm zwar Frühstück brachte, ihm aber permanent verbot sein eigenes Quartier zu beziehen. Sie wollte, dass er im Krankenflügel blieb, weil er ihrer Meinung nach noch Pflege brauchte und zu schwach war. Sie würde ihn erst am Montagmorgen gehen lassen. Also versuchte Snape sich zu erholen. Eigentlich tat es ihm gut, denn sogar die Verwandlung in einen Wolf hatte ihn wieder sehr geschwächt, was er natürlich niemals zugegeben hätte.

*

Nala stand in der Zwischenzeit unter der Dusche und musste feststellen, dass es Snape wieder einmal geschafft hatte. Sie war stinksauer. Aber je länger sie darüber nachdachte, merkte sie, dass sie sich mehr über sich selbst ärgerte, als über ihn. Eigentlich hatte sie ihm total unrecht getan letzte Nacht, als sie daran zweifelte, dass er die Wahrheit sagte. Sie ärgerte sich auch, dass sie eingeschlafen war. Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn sich Snape in ein Werwolf verwandelt hätte, währenddem sie schlief. Sie war einfach eingeschlafen! Wie konnte sie nur? Aber es war ja klar, dass Snape diese Situation schamlos ausnützen würde, um ihr wieder eins auszuwischen. Dieser Typ war einfach nervenaufreibend! Und dann hatte sie sich auch wieder so peinlich benommen!

Schliesslich ging sie frühstücken und machte dann noch einen Besuch bei Sirius. Es wurde beschlossen, dass seine Anwesenheit im Schloss vorerst geheim bleiben würde. Die Schüler würden sich wundern, wenn plötzlich Harrys Pate im Schloss leben würde und auch Voldemort würde davon Wind bekommen, was auch nicht unbedingt von Vorteil wäre. Ausser Dumbledore, Minerva, Snape und ihr selbst, wussten nur noch Harry und seine beiden Freunde davon.

Als Nala sich endlich ins Bett legen wollte, fiel ihr ein, dass die Aufgaben der Schüler und ihr Buch im Krankenflügel vergessen hatte, doch sie war zu müde, um diese Sachen jetzt noch zu holen. Sie müsste ja ohnehin diesen Abend noch einmal zu Snape in den Krankenflügel, um sicher zu sein, dass er nicht von einem Werwolf gebissen wurde. Allerdings fand sie, dass er schon wieder ganz gut bei Kräften sein musste, wenn er sich schon wieder verwandeln konnte.


Viel zu schnell wurde es Abend und Nala musste sich beeilen, dass sie in der Küche schnell etwas essen konnte, bevor die Sonne unterging und sie zu Snape musste. Die hilfsbereiten Elfen machten ihr schnell ein Thonsandwich und sie bat noch um eine Kanne Punsch, die sie mitnehmen könnte.

Mutig streckte sie den Kopf durch die Tür in den Krankenflügel. Sie hatte sich geschworen, dass Snape sie nicht so leicht klein kriegen würde. Er schlief und Nala stellte die Kanne auf dem Nachttisch neben seinem Bett ab. Poppy kam herein und flüsterte:
"Er hat schon gegessen vor einer Stunde. Ich werde jetzt hinunter gehen, ich bin auch hungrig. Soll ich dir etwas hochbringen?"
"Nein, ich habe schon gegessen. Danke", lächelte Nala.
"Aha. Kann ich dich mit ihm allein lassen?" Poppy zwinkerte ihr merkwürdig zu.
"Ja, ich schaff das schon", flüsterte Nala zurück.
"Ich glaube nicht, dass er ein Werwolf ist, aber sicher ist sicher."
"Genau", seufzte Nala. "Also, ich wünsche dir einen schönen Abend."
"Dir auch."

Poppy verschwand und liess Nala mit dem Ungetüm allein. Obwohl eigentlich war er ziemlich gut zu ertragen, wenn er schlief. Das war ein blöder Job, den Dumbledore ihr da aufgetragen hatte. Den musste sie doch nicht bewachen. Er war kein Werwolf, sonst hätte er sich bestimmt schon verwandelt.

Im Schlaf wirkten seine Gesichtszüge nicht kalt und hart, aber auch nicht entspannt. Nala konnte auf seinem Gesicht viele kleine Sorgenfalten erkennen. In der Schublade des Nachttisches fand sie ihr Buch und die Aufgaben ihrer Schüler. Sie stellte fest, dass die Pergamente alphabetisch nach den Namen der Schüler geordnet waren. So hatte sie die Arbeiten bestimmt nicht zurückgelassen. Snape musste sie geordnet haben. Wie seltsam. Aber irgendwie passte es zu ihm, so wie sein ordentliches Büro. Ein Lächeln huschte über Nalas Gesicht, dann schenkte sie sich eine Tasse Punsch ein und widmete sich wieder ihrem Buch.

Sie wusste nicht, wie lange sie schon gelesen hatte, als Snape sich plötzlich fast panisch im Bett wand und unverständliche Worte vor sich hin murmelte. Ohne Zweifel hatte er einen Alptraum.
Nala war sich nicht sicher, was sie jetzt tun sollte. Es wäre nicht nett, wenn sie ihn einfach weiter träumen, weiter leiden liesse, aber sie konnte ihn doch nicht einfach wecken. Ausserdem war sie bestimmt nicht die Person, die er sehen wollte, wenn er aus einem Alptraum erwachte. Wenn sie ihn wecken würde, wäre ein weiterer peinlicher Moment unumgänglich.

Doch Snape und peinlicher Moment hin oder her, sie konnte nicht mehr länger zusehen. Behutsam beugte sie sich über ihn, legte ihre Hände auf seine Schulter und rüttelte ihn sanft.
"Professor, wachen Sie auf."

Snape schreckte hoch und packte im Schock ihre Handgelenke so fest, dass sie sich auf die Zunge beissen musste, um nicht zu schreien vor Schmerz. Für einen Augenblick starrten sich beide entsetzt an, dann liess er sie los und brummte:
"Sie hätten mich in Ruhe lassen sollen."
"Und Sie weiter Ihren furchtbaren Träumen überlassen?" fragte sie und sie konnte den besorgten Unterton in ihrer Stimme nicht verstecken.
"Sie wissen nichts über mich", meinte er und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
"Sie haben recht", antwortete Nala mitleidig. "Ich kenne Sie nicht. Niemand kennt Sie, Professor Snape."
Darauf antwortete er nichts mehr und beide schauten kurz betroffen in verschiedene Richtungen.
"Jetzt oder nie", dachte sich Nala und fragte: "Was wollten Sie eigentlich an Halloween von mir? Warum haben Sie mich nicht gehen lassen?"
"Ich wollte mit Ihnen reden", knirschte er und blickte ihr streng in die Augen, aber sie liess sich von ihm nicht einschüchtern und fragte weiter.
"Worüber?"
"Ich habe es vergessen", sagte er stur.
"Sicher", lächelte Nala auf eine Art, die ihm klar machte, dass sie ihm das nicht glaubte. "Mussten Sie mich deswegen denn gleich beissen?"
"Mussten Sie mich deswegen gleich angreifen und mit dem Kitzel-Fluch belegen?" fragte er forsch zurück. Seine Augenbrauen zog er vorwurfsvoll hoch.
Nala sah ein, dass sie auf diese Weise nicht weit kommen würde. "Na gut, ich habe überreagiert. Wir beide haben das wohl getan. Ich entschuldige mich bei Ihnen für den Fluch, die Ohrfeige und die Anschuldigung, dass Sie in meinen Räumen gewesen wären. Und es tut mir leid, dass ich Ihnen letzte Nacht misstraute, als Sie von Voldemorts Absichten berichteten. Verzeihen Sie mir. Ich schlage vor, dass wir von nun an beide versuchen, uns nicht mehr gegenseitig anzugiften."

Snapes Augenbrauen senkten sich langsam und sein Mund verformte sich wieder in sein übliches, hämisches Grinsen. "Sieh einer an", höhnte er. "Die grosse Nala Silver entschuldigt sich für ihre Fehler. Wie auch immer, dann hätten wir das ja jetzt geklärt."

Nala fixierte ihn für einige Sekunden nur mit offenem Mund, dann schluckte sie heftig. Sie musste aufgeben, zumindest für diesen Tag. Sie würde mit diesem Mann nicht auf eine Basis der normalen, kollegialen Kommunikation kommen.
"Und Sie haben mir nichts zu sagen?" fragte sie als letzter, verzweifelter Versuch.
"Was gibt es noch zu sagen?" fragte er mit gespielt verwundertem Ton.
"Wie traurig", sagte sie leise.
"Was?"
"Dass Sie so sind", antwortete sie ehrlich. "Hören Sie, ich habe keine Lust mehr und ausserdem glaube ich nicht, dass Sie von einem Werwolf gebissen wurden, sonst hätten Sie sich längst verwandelt. Ihr Glück. Guten Abend."

Sie nahm ihren Punsch, ihr Buch und die Aufgaben und versuchte mit so viel Würde, wie es nur ging, aus dem Zimmer zu gehen. Sie hatte es wirklich versucht mit diesem Kerl, doch offensichtlich ging es einfach nicht. So sehr sie auch versuchte sich zusammenzunehmen, auf dem Weg zu ihren Gemächern begann sie leise zu weinen.
Weshalb, wusste sie nicht genau. Vielleicht, weil er so kalt und stur war und vielleicht, weil sie es nicht geschafft hatte an ihn heranzukommen. Ohne dafür eine plausible Erklärung zu haben, war ihr Wunsch sich mit ihm zu vertragen plötzlich so stark, dass sie sich noch viel mehr über ihn und sich ärgerte. Er hatte nur gesagt, es wäre geklärt, aber für sie war es das nicht, solange er nicht einsah, dass er auch Fehler gemacht hatte, für die er sich bei ihr entschuldigen sollte. Für sie war gar nichts geklärt, aber sie sah ein, dass sie mit dieser einfältigen Fledermaus wohl nie etwas klären könnte.

Warum hatte sie überhaupt geglaubt, dass sie sich mit ihm versöhnen könnte? Mit ihm!? Er war eben doch ein Todesser und dafür musste es Gründe geben. So sehr sie ein Menschenfreund war, wie dumm war es von ihr gewesen, zu glauben, er könnte anderes sein als ein Zauberer der Dunklen Künste mit einer schwarzen Seele. Er mag jetzt wohl auf der guten Seite stehen, doch seine Seele war düster geblieben. Sie konnte selbst nicht verstehen, wieso sie traurig darüber war. Snape könnte ihr doch eigentlich egal sein.

Als sie in ihrem Bett lag, beschäftigte sie Snape noch lange. Warum war er so? Wieso konnte er nicht freundlich zu ihr sein? Hatte sie ihm keine Freundlichkeit gezeigt, als sie ihn mitgenommen hatte, als er verletzt gewesen war? Oder als sie ihn von seinem Alptraum befreit hatte? Es dauerte sehr lange, bis Nala in dieser Nacht endlich einschlief.

*

Nachdem Nala den Krankenflügel verlassen hatte, glaubte Severus einmal mehr, dass er gesiegt hatte. Silver war resignierend davongegangen, nach einer Entschuldigung, die er ihr eigentlich gar nicht zugetraut hätte. Doch –für ihn unerklärlich-, er fühlte sich nicht, wie wenn er gewonnen hätte. Wie hatte sie es nur wieder geschafft, dass er sich so getroffen fühlte? Es war die Art, wie sie Dinge manchmal auf den Punkt brachte. Er hatte nicht das Gefühl, dass sie es mit Absicht tat, sie sagte oft einfach, was sie dachte und fühlte. Nur lag sie manchmal so verdammt richtig. Sie reagierte traurig, als sie begriff, dass ihn niemand kannte, aber er selbst kam meistens ganz gut damit klar. Er wollte nicht dass irgendjemand traurig darüber war, denn es war seine Sache und schon gar nicht ihre. Wo würde es hinführen, wenn sogar schon seine Feinde Mitleid mit ihm hatten? Gut, sie war nicht wirklich eine Feindin, aber er konnte sie schwer als eine Freundin bezeichnen.
"Freunde" war ein Wort, woran er nicht oft dachte. Er hatte Bekannte und Kollegen, aber Freunde? Dumbledore kam einem Freund vielleicht am nächsten.
Auch aus seinem Alptraum hatte sie ihn geweckt, worüber er eigentlich froh gewesen wäre, wenn er es nicht so unangebracht gefunden hätte. Es störte ihn, dass er sich so seltsam fühlte, aber er wollte nicht mehr länger darüber nachdenken und er wollte nicht mehr länger im Krankenflügel bleiben. Er konnte gehen, hatte kaum noch Schmerzen und ein Werwolf war er auch nicht, wie er es schon gewusst hatte. Dumbledore war wirklich zu vorsichtig und dann musste er auch noch gerade Silver damit beauftragen, auf ihn aufzupassen. Bevor noch irgendjemand auftauchen würde, um ihn zurückzuhalten, schlich er in sein eigenes Schlafzimmer.

Poppy wunderte sich kein bisschen, als sie am nächsten Morgen alle Betten im Krankenflügel leer vorfand. "Typisch Severus", dachte sie. Er hatte es noch nie lange auf der Krankenstation ausgehalten.


A/N: Dieses Kapitel habe ich über die ganze Woche hinweg geschrieben (und den Anfang vom nächsten Kapitel übrigens auch schon). Immer wenn mir in der Schule langweilig war, nahm ich einfach meinen Block hervor und schrieb. Böses Mädchen... in Severus' Stunde würde ich mir das natürlich nie erlauben... Wartet! Vielleicht doch, dann krieg ich nämlich "detention"! *ggg*
Ich bin wie immer im Stress, doch ich werde bald wieder updaten, wenn alles gut läuft vielleicht schon morgen! Aber eigentlich hängt es auch von euch ab... wenn ihr nämlich fleissig reviewt. Also bitte, bitte reviewen!
Eure Nala