Stille. Haldir atmete den Geruch von Tod ein. Dort lagen sie, und alle
waren sie Menschen: Freunde und Feinde. Vereint im Tod. Nun waren sie alle
gleich. Stumme Tränen vergießend ging er über das Schlachtfeld, den Blick
suchend auf den Boden gerichtet. Er war allein. Nun hatte er niemanden
mehr, denn alle waren sie tot. Freunde und Feinde. Haldir blieb abrupt
stehen und beugte sich zu einer Gestalt hinunter. Da war er also. Sein
Bruder. Sie hatten alle in den Krieg geschickt: Männer, Kinder und Frauen.
Die Herrscher waren verzweifelt. Nur wegen dieser Verzweiflung hatten sie
Familien auseinander gerissen.
Haldir strich seinem Bruder vorsichtig, als wäre er zerbrechlich, mit den
Fingern über das Gesicht. Warum? Warum war er alleine? Der einzige Mensch,
der überlebt hatte. Wohin sollte er jetzt gehen? Etwa zu den Elben? Doch
diese würden nicht ewig in Mittelerde bleiben... waren doch schon so viele
in die andere Welt gesegelt. Eine abgrundtiefe Verzweiflung überkam ihn...
wie eine unmerkliche Kälte breitete sie sich in Haldir aus, bis sie ihn zu
ersticken drohte. Er blickte an seinen Bruder herab und sah den Dolch in
dessen Hand. Er hielt ihn fest umklammert, als würde sein Leben davon
abhängen. Traurig sah Haldir ihm wieder in seine toten Augen, die noch vor
Schrecken geweitet waren Er könnte dem jetzt allem ein Ende setzen. Nichts
würde er mehr spüren, nur erlösende Erleichterung... .Der Gestank von
Verwesung hing ihm in der Nase. Alle waren sie tot: Freunde und Feinde. Was
machte das Leben denn jetzt noch lebenswert? Langsam, so als wolle er
seinem Bruder ja keinen Schaden zufügen, lockerte Haldir dessen Griff und
nahm den Dolch. Er war noch von frischem Blut getränkt. Das Blut von
Feinden. Langsam, wie in Trance, führte Haldir den Dolch an seine Kehle. Er
wollte nicht mehr leben. Er wollte nicht der letzte sein. Würde er sich
doch ewig Schuldig fühlen, weil er der einzige war, der noch lebte.
Den ersten Schnitt spürte er nicht. Der zweite brachte ihm den Tod. Es tat
nicht weh. Nicht selig jedenfalls und im Grunde nahm Haldir nur eine tiefe
Erleichterung wahr. Dann spürte er nichts mehr. Ihn überkam Finsternis, und
er sollte nie wieder das Licht erblicken.
So starb Haldir, der letzte Mensch von Mittelerde.
