Author's Note: Frohe Ostern, meine Lieben! Mir ist klar geworden, dass ein Kapitel nicht ausreicht, um das zu schildern, was ich eigentlich vorhatte. Deswegen (und anlässlich der Feiertage) gibt es zwei. Macht euch hoffentlich nix aus, oder?

Ihr seid klasse wie immer! Ich freu mich immer wie ne Schneekönigin, wenn mir jemand ne review schickt. Vielen Dank an caracinous, mnemo_chan, sepia, loony & maia may!

Mal nebenbei bemerkt: Niemand von Euch ist auf den Ausrutscher eingegangen, den ich mir gleich zu Beginn des letzten Kapitels geleistet hab. Als Alastor darüber nachdenkt, wie er den Potters noch ins Gesicht sehen kann, kommt etwas sehr Bedeutsames zur Sprache. Hat anscheinend keiner gemerkt. Aber macht nix, jetzt sind es nur noch 3 Schuljahre und 6 Kapitel, bis sich der erste Teil des Rätsels um Sevs Eltern auflöst. Und ich verspreche, es wird in der Zwischenzeit nicht langweilig :)

Cara: pass auf, hier kommt ein Musiktip. Ganz zufällig bin ich über eine holländische Gruppe namens „Within Temptation" gestolpert (Long Live my Kazaa *hüstel*). Da musste ich irgendwie an Dich an denken, weil die Musik ein bisschen wie Nightwish ist, allerdings ist die Stimme der Sängerin nicht so gut. Ich empfehle „Ice Queen"und „Running up that hill". – Zur Sache: Ich versuche, mich ganz nah an der Vorlage zu halten. Bei vielen Fics, die ich gelesen hab, hats mich geärgert, wenn die Autoren das nicht gemacht haben. Zu einem kann ich mich allerdings nicht überwinden: die Blackmädchen sind anscheinend in der Reihenfolge Bellatrix-Andromeda- Narcissa auf die Welt gekommen. Bei mir ist Andromeda die Älteste und Bellatrix die Jüngste (ich will, dass sie und Sirius gleich alt sind lol).

Sepia: weißt du, wenn so viele Slytherins damals auf die Seite des Bösen gewechselt sind, muss denen ihr Hauslehrer einfach eine pädagogische Null gewesen sein. Karkarova würde es besser machen, aber die war nie in Slytherin und kann deswegen nicht Hauslehrerin werden. So geht alles den Bach runter. Zu schade ;)

Maia: Nein, der Name von Sirius' Vater kommt im Buch nicht vor, den habe ich höchstpersönlich getauft lol. Cepheus ist ein Sternbild. Ich glaube, die Blacks sind traditionsgemäß Astronomen, es heißen so viele von ihnen nach Sternen oder Sternbildern, das muss was zu bedeuten haben.

Loony: lol ich glaube Moody sieht im Moment *alles* ein bisschen pessimistisch. Die tiefe Freundschaft zwischen Alastor und Dumbledore muss sich erst allmählich entwickeln. Zu so guten Freunden sind sie ja auch geworden, weil sie während Voldemorts Regime so viel zusammen durchgemacht haben. ____________________________________________________________________________ ______________

4. Kapitel: Trübe Aussichten

Sommer 1971. Ich verbrachte ihn allein, weil Dumbledore anscheinend in Sev die Reinkarnation von Alexander Snape erblickt hatte, und versuchte mir einzureden, dass ich mich nicht das ganze Schuljahr still und heimlich darauf gefreut hatte, meine windschiefe Hütte wieder mit meinem Nachtschattengewächs teilen zu dürfen, und es mir daher nichts ausmachte, wenn mein Ziehkind vor lauter Lernstress anscheinend nicht einmal die Zeit für den einen oder anderen Brief fand.

Allerdings hatte es just in diesem Sommer seine unbestreitbaren Vorteile, allein zu leben und auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Aus Gründen, denen ich auf die Spur zu kommen versuchte, beliebte es nämlich der kriminellen Energie des magischen Großbritannien gerade jetzt zu neuen Höchstformen aufzulaufen. Für Unterhaltung in Form von diversen Skandalen und Überfällen auf mehr oder minder friedliche Bürger war also gesorgt, sogar für etwas mehr von der Sorte, als mir lieb gewesen wäre. Keine Spur von Sommerloch, Überstunden waren angesagt.

Damals fing es nämlich an. Kaum spürbar zunächst, ein paar Morde hier, ein paar Erpressungen da. Es gab Gemunkel, nicht nur in der Nockturngasse, über eine Finsternis, deren Namen nicht genannt werden durfte. Im Nachhinein sollte uns das alles erschreckend einfach und logisch erscheinen. Gewisse Leute verloren und gewisse Leute profitierten. Es gab neue Allianzen innerhalb des Ministeriums, und es schmerzt mich, das sagen zu müssen, aber solange niemand „Wichtiges" (wichtig nach Ministeriumskriterien) dran glauben musste, nur normalsterbliche Hexen und Zauberer, viele von ihnen muggelstämmig, dachte sich niemand wirklich etwas dabei. Die Zeiten wurden eben härter, war als Volksweisheit in aller Munde. Früher hätte es das nicht gegeben. Im Rückblick sollte es schwer sein, sich nicht naiv und unbedarft vorzukommen.

Ich für meinen Teil betrachtete dieses tolle Treiben weniger abgeklärt. Unter unseren jüngsten Festnahmen waren auffallend viele gewesen, die meiner Meinung nach nicht die Ministeriumsnorm für geistige Gesundheit erfüllten. Ich stieg einfach nicht dahinter, seit wann Geistesgestörte mit so raffinierten und ausgeklügelten Plänen auf ihre Mitmenschen losgingen. Allerdings schien ich der einzige mit solchen Überlegungen zu sein.

In der letzten Woche vor Schulbeginn (als Sev in Hogwarts seine berühmte Prüfung ablegte) trug sich dann jedoch etwas zu, was selbst die Ärmsten im Geiste aus ihrer Lethargie aufschrecken ließ und uns alle davon überzeugte, dass irgendetwas Außerordentliches im Gange war. Auf Bilius Weasley, den Leiter der Transportabteilung, wurde, als er sich an einem hundsgewöhnlichen Montagmorgen gerade auf dem Weg zur Arbeit befand, ein Attentat verübt. Bilius' Neffe, ein junger Mann namens Arthur, der dieses Jahr bei uns in der Abteilung für magischen Strafvollzug im Archiv angefangen hatte, konnte sein Gelingen vereiteln und Bilius kam mit dem Schrecken davon. Ich war dabei, als der Täter wenig später gefasst wurde. „Seht ihr es denn nicht?"lachte er uns an. „Eure Welt wird fallen! Wir sind Hunderte, Tausende. Der Meister hat uns das ewige Leben versprochen und wir folgen ihm!"

„Ab nach St. Mungo's."kommentierte Amelia den Auftritt trocken. Ich nickte und gab die entsprechenden Anweisungen, schwor mir jedoch, schon sehr bald noch eine Unterredung mit dem Gefangenen zu führen. Das eine oder andere, was er zu sagen hatte, konnte vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen.

Derweil brach bei uns die Panik aus. Es war, als hätten mit einemmal alle geschnallt, dass das Ministerium keine verbrechenssichere Zone darstellte und auf nie eine gewesen war. Und wie immer, wenn die in den Hallen der Macht das Gefühl bekommen, sie könnten jederzeit in die Schusslinie geraten, machten sie plötzlich alles rebellisch. Krisensitzungen wurden eingerufen, wo man hitzige Reden schwang, mit der Faust auf den Tisch haute und sich gegenseitig an dramatischem Flair zu überbieten versuchte. An einer von diesen Sitzungen nahm ich gleich am Tag der Festnahme des Attentäters teil, weil ich dort Bericht erstatten sollte. Ich dachte kurz daran, in Ohnmacht zu fallen, aber dann fiel mir ein, dass Amelia das schon gebracht hatte, als wir zu Crouch zitiert worden waren wegen der Emmeline- Vance-Sache. So langsam wurde es vielleicht ein bisschen zu auffällig.

Ich litt also vor mich hin, während unsere Abteilungsleiter die Sache drehten und wendeten und ihre allgemeine Ahnungslosigkeit mit selbstbewusstem Auftreten zu überspielen versuchten. Politiker gehörten nicht zu den von mir besonders geschätzten Mitmenschen, und hier als ihr Gefangener sitzen zu müssen, während draußer wer-weiß-was vor sich ging, führte zu einer unüberlegten Handlung meinerseits. Ich sprach aus, was mir schon seit geraumer Zeit im Kopf herumging: dass es einen Zusammenhang geben musste zwischen all diesen scheinbar zufälligen Begebenheiten, an denen nur eins verdächtig war – dass es so viele davon gab. Ich erlaubte mir sogar, die Frage in den Raum zu stellen, ob es jemanden gab, der dabei den Überblick hatte und das Ganze steuerte.

„Was willst du damit andeuten, Alastor?"hakte Barty Crouch unwirsch nach. „Dass ein neuer Dunkler Lord nach der Macht greift?" Er schnaubte verächtlich und nicht wenige am Konferenztisch taten es ihm gleich. Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust, ganz so, wie Sev es zu tun pflegte, wenn es nicht nach seinem Kopf ging. Kingsley legte mir warnend eine Hand auf die Schulter. Er kannte mein Temperament in Bezug auf Crouch.

„Was ist so abwegig daran?"schnitt eine selbstbewusste Frauenstimme durch das Gemurmel. „Großen Unwettern geht immer nur eine leichte Brise voraus, und was wir in den letzten Wochen erleben mussten, übertrifft ehrlich gesagt meine Vorstellung von einem Ansteigen der Kriminalität in einem nachvollziehbaren Maße."

Dorcas, ich liebe dich, schoss es mir dankbar durch den Kopf. An ihr war eine Gryffindor verlorengegangen, und das war das höchste Lob, das ich zu vergeben hatte. Als Leiterin der Abteilung für Magische Unfälle und Katastrophen war sie natürlich auch an vorderster Front mit dabei gewesen, wenn es darum gegangen war, die angerichteten Schäden einzudämmen und zu beseitigen. Sie wusste, wovon sie sprach.

„Ich bin mir sicher, dass etwas dahinter steckt." nickte ich. „Ich werde die Erlaubnis des Wizengamot erbitten, die festgenommenen Straftäter legilimentisch zu untersuchen. Vielleicht erfahren wir auf die Art Näheres."

„Die Nockturngasse hat keinen guten Einfluss auf dich, Alastor." meinte Crouch kopfschüttelnd. „Du wirst langsam aber sicher paranoid, das kommt von dem vielen Gelichter, mit dem du dort rumhängst. Dazu die Sorge um das Kind, das du anscheinend nicht richtig unter Kontrolle hast..."

Meine Nackenhaare sträubten sich erbost. „Ich hab dich um keine Analyse meiner Lebensumstände gebeten, Barty. Ich schildere euch lediglich meine Beobachtungen und lege die Schlüsse dar, die ich aus ihnen ziehe, wie es meine Aufgabe ist."

„Hirngespinste", winkte er ab. „Es gibt nicht den geringsten Grund anzunehmen, dass die Sabotage von McKinnons Fabrik etwas mit dem Attentat auf Weasley zu tun hat und beide stehen ganz sicher in keinem Zusammenhang zu der Folterkammer, die ihr an Weihnachten entdeckt habt. Im Ernst, darum solltest du dich mal kümmern. Damit sind wir noch keinen Schritt weiter. Oder du könntest zur Abwechslung mal Emmeline Vance herbeischaffen."

Wenn ich etwas hasste, dann waren es sogenannte Kollegen, die einen vor versammelter Mannschaft bloßstellten. Verstand dieser Hundesohn das vielleicht unter Teamarbeit? Aber ich begriff ja, worauf das Ganze abzielte. Er wollte sich die Leitung der Abteilung für Magischen Strafvollzug unter den Nagel reißen und ich sollte im dabei nicht im Weg stehen. Wie wenn ich mich für den Posten interessiert hätte. Ich war froh, wenn ich meine Ruhe hatte.

„Wir kommen vom Thema ab, meine Damen und Herren."wischte Minister Derwent kurzerhand die Diskussion vom Tisch. Ich hätte es nicht besser sagen können. „Unsere Aufgabe besteht jetzt vor allem darin, etwas zum Schutz unserer Mitarbeiter und dieser Einrichtung zu unternehmen. Wir sollten uns nicht in wilden Spekulationen ergehen, die zu nichts führen."

Ich schluckte meinen Zorn hinunter. „Nun gut. Um etwas für unsere Mitarbeiter zu tun, schlage ich vor, dass wir unsere Abteilungsleiter und ihre Familien mit Personenschutz versehen."

„Ein oder zwei Auroren werden sich bis auf weiteres bei den Betreffenden aufhalten und zwar rund um die Uhr."übernahm Amelia. „Ein Plan hierfür ist ausgearbeitet..."Sie ließ ihn herumgehen, und die Aufmerksamkeit wandte sich anderen Dingen zu.

Dorcas Meadowes drückte kurz meinen Arm, als die Konferenz beendet wurde und sie an mir vorbei zur Tür hinausging. Ich murmelte irgendwas, in Gedanken bei meinem angefangenen Nachmittag und wie ich ihn zuende bringen sollte, wenn mir ständig Dinge im Kopf herumgingen, die anscheinend niemand hören Wollte. Dann traf es mich wie ein Eimer kaltes Wasser.

„Verdammt."Dorcas sah mich fragend an. Ich kramte nach meiner Taschenuhr. „Hach, schon gleich fünf. Sev hat heute seine letzte Prüfung, die darüber entscheidet, ob er gleich eine Klasse weiter versetzt wird."

„Ich hab davon gehört. Auch..." sie kicherte „die Vorgeschichte. Ein furchtbares Balg, der Potterjunge. Ein verwöhnter Rowdy, ist mir ein Rätsel, wie Nathan zu solch einem Kind kommen kann."

„Ich hab versprochen, dass ich nach Hogwarts komme", wandte ich mich nach der Tür und rang nach Luft, als eine kleine, dunkelgekleidete Gestalt, um die Ecke geschossen kam und mir ihren schwarzhaarigen Kopf unsanft in die Rippen rammte.

„Hogwarts kommt zu dir."stellte Dorcas treffend fest.

„Geht's eigentlich noch?"wollte ich wissen und hielt mir die Seite. Diesem Tag war eindeutig nicht mehr vie anzuhaben.

Sev rieb sich den Kopf – wie weh konnte er sich schon getan haben, dachte ich mürrisch, auf eine schwere Gehirnerschütterung brauchte ich wohl nicht zu hoffen – und zog leicht die Augenbrauen in die Höhe. „Ich hab bestanden."

„Gratuliere."Natürlich hatte er es geschafft.

„Das heißt, ich brauche die Bücher fürs dritte Schuljahr." setzte er mir auseinander, als rede er mit einem Schwachsinnigen. „Dazu müssen wir in die Winkelgasse und zwar jetzt. Am Montag fängt nämlich die Schule an."

„Das weiß ich."

„Na, also dann. Brauchst du 'ne Extraeinladung?"

„He!"fuhr ich auf. Berauschend, jetzt würde Dorcas vermutlich denken, dass Crouch recht hatte und ich ihn wirklich nicht unter Kontrolle halten konnte. „Einen anderen Ton, Freundchen, oder du kannst dir einen neuen Sponsor für deine Schulsachen suchen."

„Nur die Ruhe", ertönte die sanftmütige Stimme von Albus Dumbledore, bevor ich austesten konnte, ob die Drohung irgendeine Wirkung auf Sev hatte. „Guten Tag, Dorcas."begrüßte er seine ehemalige Schülerin.

„Guten Tag, Albus. Hat mich gefreut, Severus." Sie lachte vergnügt und schlenderte von dannen. Sev besaß die Grazie, ein klitzekleines bisschen verlegen dreinzublicken, weil er es nicht für nötig gehalten hatte, sich vorzustellen oder zu grüßen.

„Bist du mitgekommen, weil du dabei sein wolltest, wenn ich die gute Nachricht erfahre?"fragte ich sarkastisch.

„Du bist eine Ewigkeit nicht aufgekreuzt", belehrte mich Sev vorlaut, „also hab ich vorgeschlagen, dass wir dich suchen gehen. Und da sind wir."

„Nicht zu übersehen."fuhr ich ihn an.

Dumbledore schmunzelte. „Ein anderer Grund war, dass ich von dem Überfall auf Mr. Weasley erfahren habe. Ich bin neugierig, wie Minister Derwent gegen die Bedrohung vorgehen will. Aber das kannst du mir alles unterwegs erzählen."unterbrach er mich, als ich ihm mein Leid klagen wollte. „Ich habe hier..."er kramte in seiner Umhangtasche, „die Liste mit... zumindest dachte ich das..."

Sev räusperte sich und schwenkte ein kleines Stück Pergament.

„Oh,"lachte sein Schulleiter. „Um so besser, es ist ja dein Einkauf." Er deutete zu den offenen Feuerstellen hinüber. „Wollen wir?"

~*~

„Das hört sich wahrscheinlich ziemlich krank an, Albus, aber du ahnst nicht, wie gut es tut, dass doch jemand meine Befürchtungen teilt."

Wir schlenderten durch die Winkelgasse, ich mit verbittertem Gebahren und den Händen in den Umhangtaschen und Albus sein Pfeifchen schmauchend, derweil Sev von Laden zu Laden wuselte. („Wofür brauchst du schon wieder ein neues Kesselset?"hatte ich irritierte gefragt. „Meine alten haben leider dran glauben müssen, als ich diesen Unsichtbarkeitstrank brauen wollte. Einmal hab ich zuviele Blutegel verwendet und einmal war die Flamme zu hoch."– „Professor Prewett meint, er wüsste alles über Zauberstränke, aber Severus wüsste alles besser." hatte Albus schmunzelnd eingeworfen. „Ich mag das Fach irgendwie."hatte Sev achselzuckend gemeint.)

„Alastor, du darfst nicht vergessen, Barty Crouch und die meisten anderen deiner Mitarbeiter waren – wie du –"er schenkte mir ein Lächeln, „beim Ausbruch des Krieges gegen Grindelwald noch Kinder. Sie können sich nicht erinnern, wie das damals anfing und dass wenige Monate vor seinem Ausbruch niemand auch nur einen Verdacht hatte."

„Warum ziehst du diesen Vergleich?"wollte ich wissen. „Wir sollten nicht gleich den Teufel an die Wand malen, findest du nicht auch?"

„Das ist ganz und gar nicht meine Absicht, sei versichert. Mir ist einfach nur aufgefallen, dass das ein merkwürdiges Zusammentreffen ist: Du findest ein schreckliches Szenario in einem Keller vor und mittendrin befindet sich ein Brief mit Grindelwalds Siegel. Kein halbes Jahr später haben wir plötzlich eine Welle von Gewalttaten wie seit den Vampirkriegen nicht mehr. Das kommt mir einfach seltsam vor."

Für September war das Wetter reichlich mild, aber jetzt schlang ich mit einem Frösteln die Arme um mich, während wir dahinspazierten. „Hast du den Brief gelesen oder was davon übrig war?"

„Nein. Marlene - natürlich interessiert sie der Fall, Ezekiel Diggle, den ihr dort unten gefunden habt, ist mit Bruce verwandt – sie hat mir gesagt, dass es ein unbedeutender Auszug war. Ganz gewöhnliche Korrespondenz."

Ich liebte die Art, wie er ihren Vornamen aussprach. Mar-le-ne. Alle anderen sagten Marleen, sogar sie selbst. Nur ihr Vater beharrte auf der deutschen Aussprache.

„Wenn das Siegel nicht wäre..." Er wandte den Kopf zu mir um und betrachtete mich eingehend aus seinen zwinkernden, blauen Augen. „Die Ritter von Walpurgis sind dir gewiss ein Begriff?"

„Grindelwalds engste Vertraute, die von ihm persönlich ihre Befehle erhielten. Sie waren so eine Art Geheimzirkel, bei denen er zu Beginn nur der Erste unter Gleichen war. Das änderte sich dann."

„Mhm, richtig. Walpurgis war der Name von Grindelwalds erster Frau. Vielfach hieß es, sie hätte aus dem Alchemisten Grindelwald den Dunklen Zauberer Grindelwald gemacht."

„Und mit dem Leben dafür bezahlt."erzählte ich das düstere Märchen zuende. „Glaubst du, irgendein Wahnsinniger will die Bewegung wieder ins Leben rufen?"

Albus schwieg einen Moment, und ich blickte unruhig umher. Hier standen wir auf der Winkelgasse an einem wunderschönen Freitagnachmittag mit strahlendem Sonnenschein, das Wochenende hatte praktisch schon begonnen, und diskutierten finsteres, unerfreuliches Zeug. Es durfte alles nicht wahr sein, dachte ich.

„Die Eigenart an Geheimverbindungen ist", begann Albus bedächtig, „dass man als Außenstehender nie sicher sein kann, dass man alle Mitglieder überführt oder beseitigt hat. Wir wissen nicht, wie viele von Grindelwalds vertrautesten Anhängern überlebt haben uhnd womöglich noch auf freiem Fuß sind."

Damit sagte er mir nichts Neues. Die gesamten 50er Jahre hindurch hatte es immer wieder skandalöse Enthüllungen gegeben, die nicht selten Personen des öffentlichen Lebens betrafen. Auch in Großbritannien hatten wir den einen oder anderen hässlichen Schock erlebt.

„Wenn es tatsächlich ein paar Wirrköpfe waren, die diese Schlächterei in der Nockturngasse angerichtet haben, dann müssen sie irgendwoher eine sehr präzise Anleitung bekommen haben. „ stellte mein ehemaliger Schulleiter ganz richtig fest. „Vielleicht aus dem Brief, den ihr gefunden habt."

„Was denkst du, hat das zu bedeuten? Haben sie gedacht, der Brief würde rechtzeitig verbrennen? Warum haben sie ihn nicht einfach mitgenommen, als sie abgehauen sind?"

„Ich habe keine Ahnung, Alastor."Wir blieben vor dem Bankgebäude stehen und Albus verstaute seine Pfeife. „Hier verlasse ich dich mit einer Menge Fragen, die bislang niemand beantworten kann. Ich treffe mich mit meiner Tochter und den Enkelkindern. Am Montag fängt auch in Wolkenkuckucksheim der Unterricht wieder an."

„Bruce und Marlene stehen auf unserer Liste der Leute, die Personenschutz benötigen." fiel mir ein.

„Tatsächlich? Wie ihr meint."Er sah überrascht aus. „Ich werde es ihr ausrichten. Wann wollt ihr damit anfangen?"

Ich sagte es ihm und wir trennten uns. Ich schlenderte hinüber zu Flourish & Blotts, wo Sev schon vor geraumer Weile verschütt gegangen war und sich wahrscheinlich nicht von irgendeiner spannenden Lektüre losreißen konnte. Blieb nur zu hoffen, dass es kein Do-it-yourself Crashkurs in Nekromantie war, aber ich wappnete mich besser für das Schlimmste.

~*~

Ich erfasste die Situation mit einem Blick. Vermutlich sogar besser als die beiden streitenden Bengel vor mir. Die letzten Worte konnte ich nicht verstehen, aber ich erkannte den Ausdruck auf Sevs Gesicht, den sie hervorriefen. Für einen Moment hatte ich Ada vor Augen, wie ich sie zuletzt gesehen hatte: der Junge hatte ihr schmales Gesicht, ihre schwarzen, unergründlichen Augen und ihre immer ein wenig ölige, marmorfarbene Haut. Seine Haare hatte er auch von ihr, nur dass sie schwarz waren, nicht dunkelblond wie Adas. Neben seinem Gegenspieler sah er aus wie ein Waldgeist.

Ich sah auch, was Sev sehen musste. Einen Gewinnertyp, den Nimbus 1000 als Zeichen seiner Sucherwürde in der Hand, dessen Selbstbewusstsein die Liebe seiner intakten Familie gestählt hatte, und der das alles auch noch für selbstverständlich nahm. Vom ungekämmten Scheitel bis zur feinstledernen Sohle strahlte er sein Geld und seine Oberklassenherkunft aus. In dem Moment, in dem ich James Potter bei Flourish & Blotts wiederbegegnete, fiel mir plötzlich ein, was für eine heftige Abneigung ich schon in Godric's Hollow gegen ihn empfunden hatte.

Irgendwie war ich, der ich ebenfalls die Schulbank mit so einem Goldjungen zusammen gedrückt hatte, auf besondere Weise sensibilisiert für diese Dinge. Ich möchte nicht behaupten, es hätte mich meine ganze Jugend hindurch völlig kalt gelassen mitanzusehen, wie Tom mit Anerkennung überhäuft wurde, wie ihm die ganze Schule zu Füßen lag einschließlich des Mädchens, in das ich seit meiner frühsten Kindheit verschossen gewesen war. Aber es war ein Unding, Tom zu hassen. Seine Herkunft verhinderte schon den bloßen Gedanken, die unglücklichen Verhältnisse, aus denen er stammte.

Mit James Potter war es etwas anderes. Er hatte keine Schwäche, die jemanden wie mich für ihn einnehmen konnte. Von jemandem wie Sev ganz zu schweigen. Auch wenn er eher gestorben wäre, als es zuzugeben: Leute wie James Potter waren es, die so etwas wie Eifersucht in ihm, der sich allen anderen so überlegen fühlte, provozieren konnten.

In diesem Augenblick hatte ich heftige Schuldgefühle. Weil ich ihm nicht die Kraft geben konnte, gegen die Potters dieser Welt zu bestehen. Weil ich nicht in der Lage war, ihn so vorbehaltlos zu lieben, wie ein Kind es verdient. Weil der Schatten, den seine Herkunft warf, eine Finsternis war, die uns beide zu ersticken schien.

Als er den Kopf hob, waren seine Augen zwei schwarze Schilde, von denen alles abzuprallen schien. „Ich hab mit deinen Eltern gesprochen," sagte er leise. „Sympathische Leute, wirklich. Deine Mutter ist eine hübsche Frau, und dein Vater ein gutaussehender Mann. Sie arbeiten im Ministerium, stimmt's? Ein nettes Paar. Ihr Leben muss sehr glücklich gewesen sein – bevor sie dich bekamen."

Hinter den runden Brillengläsern blitzten James' Augen wütend. Lächerlich wütend, dachte ich, über eine Feststellung, von der er ganz genau wissen musste, dass sie nicht stimmte. Die Zuwendung, die er sein Leben lang bekommen und die ihn zu dem gemacht hatte, was er heute war, musste es ihm sagen.

„Severus", rief ich nach meinem Ziehkind, fest entschlossen, James Potter keine Gelegenheit zu weiteren Gemeinheiten zu geben. Die Jungen drehten sich nach mir um. „Lass uns gehen, wenn du hier fertig bist."

„Ja, Alastor."kam die lammfromme Antwort, und ohne seinem Intimfeind, der ziemlich geplättet aussah, noch einen Blick zu gönnen, stiefelte er neben mir her zur Kasse (wo ich ausnahmsweise darauf verzichtete, seine neue Lektüre auf Herz und Nieren zu prüfen) und aus dem Laden in den Schein der untergehenden Sonne. Jäh wurde mir bewusst, dass wir die ganze Zeit noch keine einzige Gelegenheit für ein Gespräch unter vier Augen gehabt hatte.

„Also, wie hast du", fing ich an, bemüht, mir den Anschein von Normalität zu geben, „die Zeit totgeschlagen, den ganzen Sommer allein in der Schule?"

Er entspannte sich ein wenig, hielt mir sogar eine kleine Schachtel Bertie Bott's Bohnen jeglicher Geschmacksrichtung hin. Zu so einem Freundschaftsangebot konnte ich schlecht nein sagen. „Ich war nicht allein."

„Deine Lehrer sind wohl kaum ein unterhaltsamer Umgang."hielt ich dagegen und verzog das Gesicht unter der jähen Geschmackeinwirkung von Lebertran.

„Hagrid hat sich um mich gekümmert."widersprach Sev. „Ich hatte manchmal Kopfschmerzen von der Lernerei, da bin ich zu ihm rüber gegangen und hab ihm geholfen bei seinem Kram."

„Oh."Ich wusste, dass sowohl Albus als auch Minnie Hagrid für einen harmlosen, gutherzigen Zeitgenossen hielten, der die Chance verdiente, die die Arbeit in der Gemarkung von Hogwarts darstellte. Es gab auch wirklich nichts einzuwenden, was dagegen sprach. Bis auf den kleinen Unfall mit Todesfolge in unserem fünften Jahr natürlich. Nur Minnie, Alexander und ich hatten damals erfahren, wofür Tom die Auszeichnung „Besondere Verdienste um die Schule"erhalten hatte – und wie Hagrids Rausschmiss damit zusammenhing.

Stille machte sich breit. Ich holte tief Luft und begann im selben Moment wie Sev zu sprechen.

„Also, was war da los?"– „Warum redest du nie mit mir darüber?"Ich wandte den Kopf und begegnete seinem anklagenden Blick – schwarz und eisig. „Worüber rede ich nie?"fragte ich.

„Mein Vater!"brach es aus ihm heraus, als ob ein Damm gesprengt worden wäre. „Wie kann es sein, dass ein Schnösel wie Potter mir Sachen über ihn ins Gesicht schmeißen kann und ich hab keine Ahnung, ob sie wahr sind, oder nicht?"

Oh, Scheiße. „Was hat er gesagt?"Wieviel konnte ein Dreizehnjähriger schon über die Geschichten von damals wissen? Nathan hatte wahrscheinlich irgendwas verlauten lassen, nachdem Sev James am Kronleuchter aufgehängt hatte. Dass man nachsichtig mit ihm sein müsse, weil er aus dieser Familie kam. Weil er schon so viel mitgemacht hatte... Ein Sozialfall, der Junge.

„Erzähl du mir, was damals war, und ich erzähl dir, was vorhin war."Er zwang sich sichtlich zur Ruhe.

„Hust's schon raus."ermunterte ich ihn mit einer Nonchalance, die ich nicht empfand. Sein Basiliskenblick richtete sich hart und gnadenlos auf mich. Es war ein Gefühl wie vor einem Legilimens zu stehen, der bereit ist, in dein Gehirn einzudringen.

„Ich weiß, dass du weißt... nur nicht, was es zu wissen gibt. Professor McGonagall und du waren im selben Jahrgang mit ihm."

Er hatte sich wieder völlig unter Kontrolle. Der Temperamentsausbruch von vorhin kam mir bereits unwirklich vor. „Hat Hagrid dir das erzählt?"

„Sie war's. Eigentlich ist es ihr mehr rausgerutscht."Er blickte nachdenklich zu mir auf. „Mein Dad scheint bei einigen Leuten echt ein sensibles Thema zu sein. Wie kommt's?"

„Was meinst du?"

„Naja, das Geschwätz von Potter..."Er machte eine vage Handbewegung. „Und Hagrid wollte auch nicht so richtig über ihn reden, obwohl ich schon den Eindruck hatte, er hätte einiges über ihn zu erzählen. Verstehst du, was ich meine?"

Und ob.

„Das darfst du nicht so eng sehen."zog ich mich aus der Affäre. „Hagrid hat was gegen Slytherins im Allgemeinen."

„Wer nicht?"Sev warf mir einen vielsagenden Blick zu. „Zu mir ist er nett. Er hat mir sogar Tee gekocht und dazu gab es ein paar steinharte Kekse."Er schüttelte den Kopf über die Eigenarten des Halbriesen.

„Ja?"sagte ich und nahm mir noch eine von den Bohnen. Wirsing. Fantastisch.

„Und Professor McGonagall?"Das Balg ließ sich wirklich nicht beirren.

„Was soll mit ihr sein?"

„Warum ist sie so kurzangebunden, wenn es um meinen Vater geht? Meinst du, sie hat Angst, mit ihren Schülern über persönliche Dinge zu reden? Dass ihr gute Noten dann später als Bevorzugung ausgelegt werden könnten? Davon kann nämlich überhaupt keine Rede sein."Sein Gesicht verdüsterte sich, wahrscheinlich beim Gedanken an ihren Unterricht.

„Warum willst du unbedingt mit ihr darüber reden?"

„Alastor, ich bin eine Waise. Ich find's aus Prinzip klasse, Leute kennenzulernen, die meine Eltern gekannt haben. Jetzt erzähl mir was von meiner Mutter."

Mein Herz setzte einen Schlag aus. „Was willst du hören?"

„Erst mal, warum Lucius sie für eine wissenschaftliche Koryphäe hält."

Ich fluchte im Stillen. Malfoys dürfte es überhaupt nicht geben, dachte ich. Sie haben eine Art, wo sie gehen und stehen, Unruhe zu stiften.

„Weil sie das war,"murmelte ich. „Zumindest nehme ich es an. Ich hab ihre Arbeiten nie gelesen, obwohl sie seinerzeit eine Menge Staub aufgewirbelt haben."

„Worum ging es? Vampire?"

Hol's der Teufel! dachte ich. „Wie kommst du *darauf*?"fragte ich zurück, bemüht meine Fassungslosigkeit zu verbergen.

Sev zuckte die Achseln. „Es war die Zeit der Vampirkriege. Ich hab geraten."

Lieber Merlin, dachte ich inbrünstig, wenn du mir hier wieder raushilfst, werd ich nie wieder ein Wort sagen gegen mein Büro, gegen meinen Vorgesetzten oder darüber, dass es bei uns zuhause durchs Dach regnet. Ich werd Borgin grüßen, wenn ich ihn auf der Straße sehe, und für den Rest meines Lebens mit Albus zum Bowlen gehen, wann immer er mich dazu einladen sollte. Ich werd Geduld und Sanftmut selber sein mit meinen Mitmenschen... nur steh mir bei in meiner Not!

Prompt geschah das Wunder. Sev stellte sich auf die Zehenspitzen und winkte. „Avery!"

Ich folgte seinem Blick durch die Menge zu einem braunhaarigen Jungen mit einem blassen, spitzen Gesicht und Brille. Der entdeckte ihn, winkte wie wild zurück, wandte sich um und brüllte etwas zu einem Jungen und einem Mädchen, die gerade Madam Malkin's verließen, hinüber.

„Warum nennst du ihn Avery?"wollte ich wissen.

Sev zuckte die Achseln. „Alle sagen Avery. Wenn dein Vorname Procyon wäre, würdest du dich da nicht auch mit deinem Nachnamen anreden lassen?"

„Doch, allerdings."Also noch mehr von Sevs Freunden. Ich tippte auf Evan Rosier und Florence Wilkes bei dem Pärchen. Alle drei trugen Slytherinfarben und zumindest Rosier sah nicht arm aus.

„Ist bestimmt für dich."hörte ich Sev plötzlich sagen.

„Hm?"Ich folgte seinem himmelwärts gerichteten Blick und sah eine Eilige Eule direkt auf uns zukommen. „Ja, könnte sein."

Die Eule schuhute, als sie sich direkt über uns befand und ließ eine kleine Papierrolle in meine ausgestreckten Hände fallen. Unter Sevs triumphierendem Blick, rollte ich den Zettel auf und las:

„Alastor, komm sofort her! Wir haben Emmeline Vance."

~*~

Als ich gehört hatte „Wir haben sie"hatte ich automatisch angenommen, die Unsrigen hätten sie in irgendeinem Schlupfwinkel aufgegriffen und ans Tageslicht gezerrt. So dass wir sie jetzt verhören, überführen und ihr den Prozess machen konnten.

Dem war nicht so, wie sich herausstellte – sie hatte uns.

Ich hatte Sev bei seinen Freunden bei Fortescue's zurückgelassen – die ganze Clique war da gewesen, um ihm zu gratulieren: außer Avery, Rosier und Wilkes auch Bellatrix Black und ihr Cousin Regulus sowie die Lestrangebrüder – und ihm eingeschärft, vor neun in der Nockturngasse anzutreten, wenn er mich nicht besser kennenlernen wollte, als gesund war.

Als ich vorbei an einer unziemlich aufgeregten Amelia, die mir dringend etwas mitteilen wollte, das sie für wichtig hielt, mich aber gerade nicht die Bohne interessierte, ins Vernehmungszimmer kam, saß da ein distinguiertes junges Fräulein, die Haare zurückgesteckt und ein grünes Shawl um die Schultern drapiert, und nippte anmutig an ihrer Kaffeetasse.

„Alastor Moody."stellte ich mich vor, während ich die Tür schloss und (auf das Gegenteil dessen eingestellt, was mich erwartete) auf der anderen Seite des Tisches Platz nahm. Sogleich machte ich einen Satz zurück, als sie ohne Umschweife ihren Zauberstab zur Hand nahm – welcher Vollidiot hatte ihr den eigentlich gelassen?! – und mit flinken, geübten Bewegungen in die Luft schrieb:

„Ich erinnere mich. Wie geht es Ihnen, Sir?"Sie legte den Stab aus der Hand und streckte mir dieselbe wohlerzogen entgegen. Ich ergriff sie verblüfft.

„Ich erinnere mich ebenfalls, Miss Vance."sagte ich trocken.

Sie betrachtete mich mit einem milden Lächeln und griff wieder zu ihrem Zauberstab. „Mr. Moody, Sie werden mir das doch nicht nachtragen? Was hätte ich denn denken sollen, als Sie drei Mann hoch in mein Hotelzimmer stürmen wollten? Ich fühlte mich bedroht."

„Das war der Sinn der Übung, Miss Vance."erwiderte ich sarkastisch, während ich mich vorbeugte. „Sie hatten uns nämlich noch gefehlt zu unserem Glück, verstehen Sie? Ihre Komplizen hatten wir zu dem Zeitpunkt ja schon im Sack."

„Meine Geschäftspartner."verbesserte sie mich schriftlich. „Ich habe kein Verbrechen begangen, dessen sie mich überführen könnten und davon abgesehen, scheint das außer Ihnen hier auch niemand tun zu wollen."

Ich lachte mürrisch. „Kein Verbrechen? Sie haben über Monate hinweg Artefakte der Schwarzen Magie verschoben. Und was vor ihrem Kontakt zu dem Schmugglerring war, wissen wir überhaupt nicht, Ach ja, und dann wär da noch der Umstand, dass Sie mich unter ein paar Tonnen Schutt begraben wollten. Ein reines Wunder, dass bei der Aktion niemand draufgegangen ist." Dann dämmerte mir, was sie soeben von sich gegeben hatte. „Wie war das grade?"

Sie schürzte die Lippen, bevor sie eifrig zu kritzeln begann. „Ich bin keine Kriminelle. Ich habe getan, was ich musste, um zu überleben. Deswegen bin ich für Ihr Ministerium ein guter Fang. Ich kenne die Strukturen des internationalen Handels, legale und illegale. Und ich würde die Leute, die mir die Chance zu einem normalen Leben mit einer ehrlichen Arbeit und gesichertem Einkommen geben, nicht enttäuschen. Fragen Sie alle, die mich kennen: Ich weiß es zu schätzen, wenn mir jemand was Gutes tut. Selbstverständlich –"sie machte eine fast entschuldigende Handbewegung, ehe sie weiterschrieb, „glaube ich kaum, dass meine früheren Geschäftspartner ein Loblied auf meine Loyalität singen werden."

Aus nur alllzu offensichtlichen Gründen, dachte ich mürrisch. Immerhin war sie hier, oder nicht? Sie hatte es geschafft. Womöglich dachte sie sogar, die magische Gemeinschaft wäre es ihr irgendwie schuldig, ihr, der Gestrauchelten wieder auf die Füße zu helfen, weil unser Gesellschaftssystem Menschen wie sie einfach sich selbst überließ. Behinderte gab es bei uns schlicht und ergreifend nicht. Es gab keine speziell eingerichteten Schulen für sie wie es bei den Muggeln angeblich gemacht wurde, und in die normalen, etablierten Lehranstalten wurden sie nicht aufgenommen. Emmeline Vance musste von jemandem großgezogen werden, der sie sehr geliebt hatte oder ihr großes magisches Talent rechtzeitig erkannt hatte, um aus ihr trotz ihrer Behinderung eine Hexe zu machen, die mit einem einzigen Zauber ein Haus abreißen konnte.

Ich wusste, die Petition zur „Bewahrung des unbeeinträchtigten magischen Potenzials"war nicht gerade eine unserer Sternstunden gewesen, aber das setzte uns dieser jungen Frau gegenüber noch nicht derartig ins Unrecht, dass sie uns hier auf der Nase herumtanzen konnte. Es war doch erstaunlich, wie schnell und selbstverständlich mir in dieser Unterhaltung die Zügel aus der Hand genommen worden waren.

Mir schwante Böses. Mir schwanten lauter furchterregende Dinge, die sich vermutlich in meiner Abwesenheit zugetragen hatten. Hätte ich nur das Ministerium heute nicht mehr verlassen, dachte ich aufgebracht. „Das haben Sie bereits alles so meinen Kollegen dargelegt?"

„Und die scheinen bereit, mich der Abteilung für Internationale Beziehungen zu überstellen."Sie lächelte mit einem Hauch von Stolz.

Ich lächelte zurück. „Einen Augenblick, bitte."Ich verließ das Vernehmungszimmer und rannte den Flur hinunter, riss die Tür zu Algies Büro auf und starrte unheilverheißend auf meinen Kollegen an seinem Schreibtisch hernieder.

„Was.War.Das?"fragte ich mühsam beherrscht.

Algie strahlte mich an. „Sie ist fantastisch, findest du nicht? Ich hoffe sehr, dass die in der Handelskammer sie gut behandeln werden."

„Handelskammer."flüsterte ich.

Er furchte die Stirn. „Weißt du einen besseren Arbeitsplatz für sie? Handel schien mir geeignet, weil sie doch..."

„Algie, d-das ist Emmeline Vance."Ich war mittlerweile so aufgeregt, dass ich stotterte.

„Ist mir nicht entgangen, Alastor. Aber irgendwie ist sie nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten, das musst du doch zugeben."

„Du willst eine Hehlerin, die Dunkle Artefakte geschmuggelt und unters Volk gebracht und uns bei ihrer Festnahme fast in die Luft gejagt hat, für das Zaubereiministerium arbeiten lassen?"

„Ihre Strafe wird sie natürlich abarbeiten."

„Das beruhigt mich ja. Ihr habt das alles über meinen Kopf hinweg entschieden und –"

„Sie hatte doch nie eine Chance in ihrem Leben. Wenn wir ihr die erste geben, wird sie uns auf ewig dankbar sein und mit ihrem Wissen wird sie ein Gewinn für das Ministerium sein. So ein begabtes Mädchen. Ich finde, da muss man was tun."

Oh ja. Man musste etwas tun. Dass ich nicht selbst darauf gekommen war. Zeit, die Welt zu retten, Zeit für zweite Chancen. Zeit für mich, auf den Zaubererfriedhof von Cambridgeshire zu pilgern und am Grab von Ada und Alexander Abbitte zu leisten. Vielleicht würde mir ja genauso vergeben werden wie all den andern reuigen Sündern. Auch wenn ich wusste, dass ich immer wieder so handeln würde vor dieselbe Situation gestellt wie 1966...

Solche Gedanken belasteten Algie und Amelia natürlich nicht. Sie gemahnte ihr schlechtes Gewissen, weil sie es so gut im Leben getroffen hatten und andere so schlecht. Deshalb wollten sie jedem Hilfe zuteil werden lassen, der sie beanspruchte, um auf dem Pfad der Tugend wandeln zu können. Und wo sollten wir die reuigen Sünder unterbringen, wenn nicht bei uns? Schließlich waren wir das heimliche Asyl der Zaubererwelt, oder nicht?

„Mehr Kaffee."orderte ich mit schwacher Stimme und zog mich ins Vernehmungszimmer zurück. So langsam aber sicher konnte ich mich der Erkenntnis nicht mehr verschließen, dass ich der letzte zurechnungsfähige Mensch in diesen heiligen Hallen war. Da wollte ich wenigstens aus Miss Vance noch herauspressen, was sie über die Vorgänge in ihrem Nachbarkeller gewusst hatte. Und ob ihr der Name Voldemort etwas sagte.