Disclaimer: -gähn-
Author's Note: Ist das geil, wenn vor der Anzahl der Reviews mal so eine nette 6 steht... Heißen Dank an Bele, Cara, Maia, Loony, Zwerg, Dream und Cessilie!!
Cara: Bin flugs in letzter Zeit mit Updaten, gell? Es fällt mir immer ein bisschen schwer, Sev so als bedauernswertes, gebeuteltes Menschenkind darzustellen – aber das muss er nun mal gewesen sein, sonst wär er nicht so geworden wie wir ihn kennen und lieben. Es ist eine Menge von Vampiren die Rede in dieser Story, nicht wahr? Das ist mir auch schon aufgefallen. Was Moodys Version der berühmtberüchtigten Nacht angeht und ob das stimmt: über diese Vorkommnisse werd ich noch sehr oft berichten – aus drei weiteren Perspektiven mindestens (Sevs, Sirius' und James'). Ich fürchte, Du musst Dich noch ein bisschen gedulden. Und drück mir lieber die Daumen, dass viele die Bella fic nicht nur lesen sondern auch reviewen :)
Maia: Danke!! Ich rette Dir selbstverständlich gern den Tag -lacht- Der Informant wird in Kapitel 2 meiner noch nicht geposteten Geschichte „Alles wird gut"enthüllt. Und es ist nicht Lucius :)
Loony: ganz wie du möchtest -smile- Du hast's erfasst! (mit dem Zitat) Genau das hab ich gemeint. Sevs zukünftige Diejenige-Welche ist schon ein paarmal erwähnt worden, aber erst in diesem Kapitel tritt sie richtig auf. Wer diese (meine einzige) Liebesgeschichte erzählt, kann ich jetzt noch nicht verraten :) Igor Karkaroff ist übrigens bloß Alexandras Neffe, nicht ihr Sohn. Alexandra ist für die Karkaroffs was Sirius für die Blacks ist: das schwarze (weiße?) Schaf! Dickes großes Dankeschön übrigens fürs reviewen von „So wie wir waren"!!
Dream: naja, ich hätts eher verstanden wenn Draco gesagt hätte: dein Vater wusste auch nicht, was gut für ihn ist, schließlich hat er dieses Schlammblut da geheiratet. Aber es kommt kein Wort dagegen, dass Lily muggelstämmig ist. Im Gegenteil, sie wird sogar miteinbezogen. Ich leg das so aus, dass die Gegenseite Harrys Eltern ein Angebot machen wollte, das sie nicht ablehnen konnten ;) Nicht wahr, Suspendierung für einige Zeit hätt ich in Sirius' Fall auch für angebracht gehalten. Vor allem, wenn man miteinbezieht, wie er und James Sev immer rumschikaniert haben. Dumbledore, der das Gras wachsen hört, muss das doch gewusst haben! JKR hat übrigens ne Website, da kann man glaub ich Fragen stellen. Es war hoffentlich schön auf der Klassenfahrt? :)
Cessilie: Tapferes Mädchen -grinst- ist ja keine Kleinigkeit, so viel Zeug am Stück am Computer zu lesen. Es zieht sich hin mit der Auflösung meiner Geschichte, nicht wahr? Aber wenn das letzte Kapitel draußen ist, wird offensichtlich, warum Alastor nichts sagen kann. Ansonsten: die Hintergrundgeschichten machen mir Spaß, ich kann nichts dafür wenn sie in bisschen überhand nehmen! Mehr über Emmeline und Bellatrix gibt es in Kapitel 13. Zu den Russen: Es ist nicht meine Schuld, dass Voldemort Anhänger mit russischen Namen hatte. Ich hab für meine Geschichte so was wie ein magisches Äquivalent zur UdSSR schaffen wollen. Grindelwald, Voldemort und die ganzen Reinblutfanatiker sind für mich die Rechtsradikalen, die Entsprechung zu den Linksradikalen müsste also eine Zauberergemeinschaft sein, in der per staatlicher Doktrin auf die Herkunft keinerlei Rücksicht mehr genommen wird. Was liegt da näher, als die Russen zu nehmen? Dolohov und Karkaroff als Voldemortanhänger wären da die Antwort auf die reaktionären, zaristischen Emigranten. Freut mich, dass das so gut rübergekommen ist mit der Ermordung des Ministers (da hab ich lange drangesessen).
Ganz allgemein: Wenn das hier manchmal so wirkt, als ob es eine Menge „unnötiger" Nebenhandlung gäbe, dann liegt das daran,... tja, dass es so ist. Ich schwafle gern –g- habe aber immer was im Hinterkopf dabei. Alles was hier erwähnt wird und mit Sev und Alastor nur indirekt zu tun hat, wird später in anderen Geschichten wiederaufgegriffen.
Ok, weiter geht's...
Kapitel 12: Eliza
Die Ruhe, die nach dem Vorfall mit dem Werwolf einkehrte, war fast schon gespenstisch zu nennen. Keine Reibereien mehr, keine Zusammenstöße, keine Duelle in verlassenen Korridoren. Die Vier - zwischen denen der Haussegen im übrigen so schief hing, dass es dem Rest der Schule nicht verborgen bleiben konnte – gingen Sev aus dem Weg und er tat seinerseits, als wären sie Luft. Was er natürlich schon immer getan hatte, doch im Gegensatz zu früher ließen sie ihn jetzt auch in Frieden. Die Gerüchteküche brodelte wohl und Lily Evans verfolgte das seltsame Treiben aus schmalen Jadeaugen, aber niemand sagte ein Wort.
Sev war fleißig in diesem Winter. Er lernte, soweit ich es mitbekam, praktisch Tag und Nacht und erzielte sehr gute Leistungen – außer in Zaubertränke natürlich, wo kein Mensch gute Leistungen erzielte. Man konnte sich wirklich nur wundern, wie Sev und Florence Wilkes bei den ZAG- Prüfungen Os geschafft hatten, wenn sie sich nach wie vor von Prewett anhören mussten, wie unfähig sie wären. Florence war es, die mir das erzählte. Während seine Clique sich mir gegenüber sehr aufgeschlossen zeigte, herrschte zwischen Sev und mir weitgehend Stille. Ich rief mir noch oft die Unterredung ins Gedächtnis, die wir in jener Nacht vor Dumbledores Büro geführt hatten und überlegte, was ich wie hätte anders machen können. Seine Einsicht in die Ministeriumsakten und die Schlussfolgerungen, die er daraus gezogen hatte, sollten jedoch für lange Zeit nicht wieder zur Sprache kommen.
Derweil hatten wir andere Sorgen.
So friedlich wir es mittlerweile drinnen hatten, so wüst ging es nämlich in der Welt draußen zu. Der Terror hatte in der kurzen Zeit, die ich in Hogwarts verbracht hatte, bemerkenswerte Fortschritte gemacht. In diesem wie bereits im letzten Schuljahr hatten Mitglieder der Schülerschaft von Hogwarts Verwandte und Freunde verloren in dem Konflikt, der unsere Welt in Atem hielt. Voldemort gewann Anhänger, zumindest konnte man davon ausgehen – eine Eigenart von Geheimgesellschaften ist, dass die Zahl ihrer Mitglieder geheim ist, wie Dumbledore – ein halbes Leben schien es herzusein – ganz richtig gesagt hatte. Und es waren ja nicht nur die Aktiven unter seinen Anhänger, die, die bereit waren, tatsächlich etwas in seinem Sinne zu unternehmen, die uns Sorgen bereiteten. Viel schlimmer schien die stillschweigende Zustimmung eines großen Teils der reinblütigen Bevölkerung. Wobei stillschweigend ein gutes Stichwort abgab: Zu diesem Zeitpunkt wagte bereits niemand mehr, den Namen unseres Feindes auszusprechen. Man sagte „Du-Weißt-Schon-Wer"oder „Er, Dessen Name Nicht Genannt Werden Darf".
Im November 1974 hörten wir dann zum ersten Mal den Namen Todesser. Albus und ich in unserem angeschlagenen Elfenbeinturm von Schule vermuteten, dass es sich tatsächlich um die wiedergegründete oder neu zum Leben erweckte Organisation der Ritter von Walpurgis handelte. Ein Jahr lang war ich nun bereits aus dem Verkehr gezogen, doch den mittlerweile wöchentlichen neuen Schreckensmeldungen aus der Zeitung konnten wir uns hier in Hogwarts nicht verschließen. Es war offensichtlich, dass uns noch gefahrvolle Zeiten bevorstanden.
Nach Minister Derwents Ermordung hatte man auf die Wahl eines neuen Minsters verzichtet. „Ein Interregio." schnaubte Barty Crouch in einem seiner Briefe. „Wie sollen wir mit der Situation fertigwerden ohne ein Oberhaupt der magischen Gemeinde, das alle Zügel in der Hand hält?" Und du würdest dieses Oberhaupt gern sein, dachte ich ironisch. Ich konnte natürlich verstehen, um was es ihm ging. Es war nicht leicht, schnelle Entscheidungen zu treffen, wenn alles erst von einem Kabinett bestehend aus den Leitern der verschiedenen Abteilungen und ihren Stellvertretern abgesegnet werden musste. Mir persönlich grauste jedoch davor, was passieren konnte, wenn in der jetzigen Situation einem Einzelnen die ganze Macht übertragen wurde.
Das Ausland betrachtete die britische Zauberergemeinde schon seit geraumer Zeit mit hochgezogenen Augenbrauen. Es war ihnen nicht begreiflich zu machen, dass wir mit unserem eigenen Kram nicht fertig werden konnten und wir sanken in ihrer Achtung. Sie kamen mir reichlich selbstgerecht vor – schließlich hatten sie seinerzeit auch nicht rechtzeitig Grindelwald Einhalt geboten. „Sie sollten sich an die eigene Nase fassen", meinte Minnie trocken, und ich war ganz ihrer Meinung. Die Länder wie Frankreich und Deutschland, in denen sich (zum Verdruss der jeweiligen Ministerien) eine große Zahl von russischen Emmigranten und sonstigen Anhängern der Schwarzhundertschaft herumtrieb, freuten sich, glaube ich, sogar insgeheim über unsere Schwierigkeiten – sie rechneten sich aus, dass diese unbeliebten Zeitgenossen womöglich über den Ärmelkanal zu uns abwandern würden.
Eine Allianz zwischen Voldemort und der Schwarzhundertschaft befürchtete auch Alexandra Karkarova. Sie erzählte mir einmal von ihrer Familie, mit der sie sich überworfen hatte, als sie in Paris an die Aurorenakademie gegangen war: da gab es ihre Eltern, die Russland nachweinten, ihre älteren Brüder, die von einer Machtübernahme der Reinblütigen träumten, und „mein Neffe Igor, der ja auch nichts ist." Er unterrichtete seit kurzem in Durmstrang, sagte sie, und ich musste lachen, weil sie bei dem Namen den Mund so verzog.
Die Beziehungen zwischen den magischen Schulen waren nicht immer gut, das wusste ich noch aus meiner eigenen Schulzeit. Immerhin saßen wir friedlich auf unserer Insel – auf dem Kontinent, wo alles mehr oder weniger dicht gedrängt saß, gingen sich die Leute öfter an die Kehle. Wie gefährlich die Lage außerhalb Großbritanniens jedoch wirklich war, das konnte ich mir nicht ausmalen – bis uns in der Woche vor Weihnachten das Notsignal aus Wolkenkuckucksheim erreichte.
Albus und Alexandra brachen ohne zu zögern auf, um zusammen mit einigen unserer Auroren in Deutschland nach dem Rechten zu sehen. Auch wenn er bemüht war, es nicht zu zeigen, war er in heller Aufregung. Seine jüngste Enkelin Eliza ging in Wolkenkuckucksheim in die sechste Klasse. Wir hatten keinen Kontakt in die Schule und niemand wusste, was unsere Leute erwartete, wenn sie dort hinkamen.
Die Stimmung in Hogwarts war gedrückt am Tag ihres Aufbruchs. Zwar hatten die wenigsten Verbindungen nach Deutschland, doch die Furcht vor einer ähnlichen Attacke saß allen in den Knochen. Ich konnte es spüren während meiner Unterrichtsstunden: die Kinder stürzten sich mit neuer Entschlossenheit in die praktische Verteidigung.
Ich war nicht recht bei der Sache an jenem Tag. Ich glaubte zu wissen, dass Amelia Mitglied der Abordnung war und dass sie Frank mitnehmen würde. Deshalb hoffte ich auf einen haarkleinen Bericht, wenn sie zurück waren. Sie verhielten sich nach wie vor sehr kollegial zu mir. Ich brannte darauf, zu ihnen zurückzukehren und wieder aktiv am Geschehen teilzuhaben. Es machte mir zwar mehr Spaß zu unterrichten, als ich mir hätte träumen lassen. Doch mein Platz war draußen bei meinen Kollegen, die im Kampf gegen die Finsternis ihr Leben riskierten.
So viel in etwa sagte ich zu Minnie, als wir am Abend dieses Tages durch die hermetisch abgeriegelte Schule patrouillierten. Sie sah mich seltsam von der Seite an und meinte nach leichtem Zögern: „Der Kampf gegen die Finsternis wird vielleicht näher an dir ausgetragen, als du glaubst, Al."
„Bis jetzt rückt mal noch keine Armada von Todessern vor unsere Tore, das ist fürs erste sicher." frotzelte ich.
„Das ist nicht witzig!" wies sie mich zurecht. „Ich meinte – "
„Ich weiß, was du gemeint hast." wurde ich ernst. „Stete Wachsamkeit gegenüber dem Feind im Innern – das ist es ja, was ich auch immer predige. Alexandra hat vermutlich recht, wenn sie uns so hartnäckig darauf aufmerksam machen will, dass ein paar unserer jungen Slytherins dabei sind, vom Weg abzukommen. Ich für meinen Teil mach mir aber mehr Gedanken über die erwachsenen Slytherins, die draußen ihren Weg sehr zielstrebig verfolgen, wenn's recht ist." Ich dachte an Lucius Malfoy, glücklich verwaist und am Aufsteigen in der Abteilung für Internationale Beziehungen, und hatte gleichzeitig Sevs anklagende Stimme im Ohr, die es für ein Gerücht hielt, dass alle Dunklen Hexen und Zauberer in Slytherin gewesen sein sollten.
„Du bist Lehrer an dieser Schule, da sollten deine Schüler deine Hauptsorge sein." erinnerte Minnie mich. „Gerade du hast allen Grund, ihnen auf die Finger zu schauen."
„Meinen nichtsnutzigen Neffen und seine Gang meinst du?" forschte ich.
Minnie presste die Lippen zu einem Strich zusammen. „Du weißt, ich würde so was nicht leichtfertig sagen – aber dieses Mädchen Bellatrix Black, die macht mir wirklich... Also, mit der stimmt einfach was nicht."
„Erklär dich näher." ermunterte ich sie. Mir persönlich schien Bellatrix noch die geistig Gesündeste aus dem ganzen Haufen. Wenn man sie mit den Lestrangekindern verglich oder mit diesem Kauz Avery mit seinem Fanatikerblick oder meinem eigenen Nachtschattengewächs, Merlin steh mir bei!
Aber Minnie wedelte nur ungeduldig mit der Hand und zog ihr Schultertuch fester um sich. „Ach, vergiss am besten, dass ich was gesagt hab. Reden wir von was anderem." Doch die nächsten Minuten vergingen in beiderseitigem Schweigen.
„Minnie," begann ich sinnend. „Weißt du etwas über Bellatrix Black, was du mir nicht sagen willst oder kannst?"
Sie sah mich nicht an, als sie antwortete. „Genügt es, wenn ich sage, der familiäre Hintergrund lässt ein wenig zu wünschen übrig?"
Dem konnte man nichts entgegensetzen. Wir hatten es nicht geschafft, Elladora Black auch nur zu befragen, obwohl Borgins Zeugenaussage ihre Verbindung zu Tom mehr als nur nahelegte. Ihr Geld und ihr Status machten die Blacks unangreifbar. Jeder wusste, dass die Familie verrottet war. Elladora hatte vor dem Wizengamot gestanden wegen ihrer in „Die Entwicklung der Unverzeihlichen Flüche" schriftlich fixierten Weltanschauung – und meinte doch, die Nase höher tragen zu können als jeder andere Mensch in der magischen Gemeinde. Sie meinte es nicht nur, sie tat es auch. Und ich war mir sicher, dass Bellatrix all die Geschichten über ihre Mutter kannte und gerne hörte. Sie war stolz auf ihre Familie, das hatte sie bei mehr als einer Gelegenheit unter Beweis gestellt.
Minnie sprach aus, was ich dachte, während wir die Eingangshalle durchquerten, bereit, uns der eisigen Nachtluft auszusetzen: „Elladora wird es nicht versäumt haben, an ihre Töchter weiterzugeben, dass man mit absolut allem durchkommt – wenn man nur dreist genug vorgeht und selbstbewusst genug auftritt."
„Und ihre Neffen hat sie wohl dasselbe gelehrt." konnte ich mir nicht verkneifen. Sirius Black war nach wie vor ein sensibles Thema zwischen meiner alten Freundin und mir. Ich hatte dem Jungen bereits deutlich gesagt, was ich von ihm hielt, und er machte seitdem einen riesigen Bogen um mich, aber Minnies Haltung kränkte mich. Ich sah ein, dass sie als Hauslehrerin von Gryffindor auf seiner Seite sein musste, soweit es möglich war. Und ich hatte ihr nicht von meinen Befürchtungen Sevs Rolle in dieser Angelegenheit betreffend erzählt, weil ich das einfach nicht fertig brachte (und es außerdem nicht beweisen konnte).
Minnie machte sich reichlich brutal am Eingangstor zu schaffen und wollte mir gerade kontra geben, als wir beide von dem Anblick abgelenkt wurden, den die kleine Treppenstufe vor der Tür bot.
Vor uns standen zwei äußerst echauffiert wirkende Schwarzköpfe und guckten uns mit einer eigentümlichen Mischung aus Entsetzen und Erleichterung an. Während ich mir die Erleichterung im ersten Moment nicht erklären konnte, war das Entsetzen leicht einzuordnen. Wir hatten sie erwischt – draußen, um elf Uhr nachts – und sie hatten noch bis zum Frühling Ausgehverbot, zumindest einer von ihnen.
„Was hat das hier zu bedeuten? Mr. Black – " Minnie traf das hohe C.
„Hast du noch nicht genug?" fuhr ich Sev an.
Wir brachen gleichzeitig ab, als wir die Gestalt bemerkten, die Sev in den Armen trug, als sei sie dort ohnmächtig zusammengebrochen. Ich konnte nicht glauben, was ich sah.
„Miss Eliza!" entfuhr es Minnie.
„Miss Eliza?" wiederholten Sev und Sirius unisono. Sie wussten augenscheinlich nicht, wen sie da aufgegabelt hatten. Minnie und ich wechselten einen Blick.
„Folgen Sie mir, Mr. Snape." ordnete sie kurzentschlossen an. „Mr. Black, Sie gehen zurück in Ihren Schlafraum, wo Sie hingehören."
„Aber, Professor..."
„Keine Widerrede" (als ob dieser Ton welche geduldet hätte) „und seien Sie dankbar, dass Sie keine Punkte abgezogen bekommen."
Sirius sah äußerst unwillig drein, als er davonkrauchte. Sev würdigte ihn keines Blickes, als er Minnie und mir mit Eliza McKinnon in den Armen in Richtung Krankenflügel folgte.
Nun, das war eine Wendung in diesem Drama, die ich nicht erwartet hatte. Albus war unterwegs, um sein jüngstes Enkelkind zu retten, doch dieses hatte die Rettung mirnichtsdirnichts selbst in die Hand genommen. Merlin allein wusste, wie sie es vom Vorarlberg bis hierher geschafft hatte. Was für ein Mädchen! Man musste Bruce und Marlene benachrichtigen, dachte ich. Sie waren bestimmt ganz krank vor Sorge um ihre Jüngste.
Doch zunächst brauchten wir Madam Pomfrey. Es war sinnlos, die McKinnons herzurufen, bevor wir wussten, wie ernst der Zustand der Kleinen war. Ich öffnete die Tür zum Krankenflügel und wir traten ein.
Minnie winkte Sev zu einem der freien Betten hinüber, von dem sie die Decke zurückgeschlagen hatte, während ich an die andere Seite herantrat, so dass ich einen exzellenten Blickwinkel auf die kleine Szene hatte, die sich nun vor mir entspann. So behutsam er konnte, ließ Sev Eliza auf das Bett sinken, und als er ihren Kopf auf das Kissen bettete, kam sie für einen Moment wieder zu sich. Ich konnte sehen, wie sich ein Paar große, kristallblaue Augen öffneten und wie Sev noch über sie gebeugt erstarrte. Ihre Blicke fielen kurz ineinander. Elizas Lippen bewegten sich, als ob sie etwas sagen wollte, doch die Erschöpfung nach ihren Strapazen war zu groß. Gleich darauf verlor sie wieder das Bewusstsein.
Poppy scheuchte Sev beiseite und so blieb er etwas unentschlossen im Zimmer stehen, ehe Minnie ihn in die Slytheringemächer zurückschickte. Er ging, nicht ohne sich noch einmal umzudrehen.
Im Hinblick auf alles, was später geschehen sollte, finde ich es ziemlich prophetisch, dass sich mir dieser flüchtige Augenblick, dieser kurze Blickwechsel derart ins Gedächtnis eingebrannt hat. Ein bisschen, als hätte ich etwas geahnt, als hätte ich da schon gesehen... Aber es gab nichts zu sehen. Sie würden mir beide recht geben, wenn ich sie danach fragen könnte (was ich aus unterschiedlichen Gründen nicht kann). Jahre später, als es etwas gab, das verständigere Menschen als wir vielleicht benennen konnten, waren sie kaum in der Lage, es zu erkennen, und sie waren weit entfernt davon, als sie noch Kinder waren.
Aber was rede ich. Sie waren Kinder bis zum Schluss.
-----
„Elisabeth!" sagte Albus und ließ sich mit einer fließenden Bewegung am Krankenbett seiner Enkelin nieder, während er gleichzeitig ihre Hand ergriff. Er hatte sozusagen auf dem Absatz kehrtgemacht, als unsere Eilige Eule ihn in Deutschland erreicht hatte, um an die Seite des jüngsten McKinnonsprosses zu eilen. Ich belauschte die Szene ungeniert von einem Stuhl neben der Tür aus.
„Großvater, es tut mir so schrecklich Leid..." stöhnte sie.
Ihre hellblauen Augen, exakte Kopien derer ihres Großvaters, waren von Kummer und Schrecken erfüllt und ihre Unterlippe zitterte.
Jäh wurde mir bewusst, dass ich der Enkelin von Elisabeth Grindelwald gegenübersaß, deren Portrait ich in Albus' Büro so oft betrachtet hatte. Selbst in ihrem aufgelösten Zustand war die Ähnlichkeit bemerkenswert: dieselben hohen Wangenknochen, die auch ihr Gesicht schmaler erscheinen ließen, als es in Wirklichkeit war, dieselben kräftigen, gebogenen Brauen, dieselbe lange, schmale Nase und dieselbe milchglasblasse Haut. Das einzige, was den Eindruck vollkommener Perfektion trübte, war das Haar. Sie trug es nicht lang wie ihre Großmutter, sondern kurzgeschnitten, es fiel in wirren, ungebändigten, leuchtengoldenen Fransen um ihr Gesicht. Aber in gewisser Weise machte sie dieser Gegensatz nur noch reizvoller.
„Was wird dir denn Leid tun?" fragte Albus sanft und streichelte ihre zerzausten Haare.
„Ich hätte auf dich warten sollen, jetzt bist du ganz umsonst dahin – "
Er schüttelte den Kopf. „Spielt das noch eine Rolle? Du bist hier bei uns. In Sicherheit."
„Großvater, Wolkenkuckucksheim..." begann sie erneut, und in ihrer Stimme schwang so viel Bangen mit, dass ich meinem Schöpfer auf den Knien danken wollte, dass nicht ich es war, der in diese Kristallaugen blicken und ihr erzählen musste, dass niemand überlebt hatte.
Ich hörte nicht, was Albus zu ihr sagte, aber dem erstickten Aufschrei des Mädchens konnte ich meine Ohren nicht verschließen. Als ich wieder hinsah, hielt Albus seine Enkelin an sich gedrückt. Ihr goldener Wuschelkopf ruhte an seiner Schulter, jedoch wirkte es auf mich mehr, als kämpfte sie gegen den Trost, den die Umarmung bot. Ihre Lider waren fest zusammengepresst.
Die junge Generation von Hexen und Zauberern in Mitteleuropa war praktisch ausgelöscht. Wolkenkuckucksheim war der Anlaufpunkt für die Jugend mehrerer Länder gewesen, so dass sie alle darunter zu leiden hatten. Albus hatte nicht viel darüber gesprochen, was sie in der Schule vorgefunden hatten, doch das wenige, was ich wusste, hatte genügt, in mir den leidenschaftlichen Wunsch zu entfachen, jeden, der an dem Gemetzel beteiligt gewesen war, zu Tode zu foltern. Mit einemmal schien mir Barty Crouchs Forderung, die Anwendung von Cruciatus müsse den Auroren gestattet werden, weit weniger verbrecherisch als noch in der Woche zuvor. Und ich vermutete, dass es vielen anderen ebenso gehen würde.
Die Schatten wurden länger, und Madam Pomfrey zündete ein paar Lampen an, die den Krankenflügel in ein warmes, beruhigendes Licht tauchten. Eliza saß, den Kopf in ihr Kissen zurückgelehnt, aufrecht im Bett und starrte vor sich hin, ohne etwas zu sehen. Sie schüttelte unwirsch den Kopf, als Albus fragte, ob sie etwas zu essen wolle.
Er beugte sich vor, um ihren Kristallblick mit seinem eigenen einzufangen. „Willst du mir erzählen, was vor dem Angriff passiert ist?"
„Albus," wandte ich ein. „Sie wird den Auroren noch alle möglichen Fragen beantworten müssen. Soll sie wirklich zweimal dadurchgehen müssen?"
„Du bist doch hier." erwiderte mein alter Schulleiter. „Das ist wie eine offizielle Aussage."
Ich wollte ihn darauf aufmerksam machen, dass ich nicht mehr zu den Auroren gehörte, aber etwas in seiner Stimme verriet seine Besorgnis, dass dieser anscheinend günstige Moment verstreichen könnte. Ich zuckte die Achseln, er kannte sein kleines Mädchen schließlich besser als ich.
Und tatsächlich – ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber als sie einmal angefangen hatte zu sprechen, war es, als hätte man eine Schleuse geöffnet.
„Wir wussten, dass wir in Schwierigkeiten waren, schon lange bevor sie wirklich einsetzten." sagte sie mit einer ganz kleinen Stimme, die jedoch zunehmend an Festigkeit gewann. „Von Durmstrang kam die Aufforderung, wir sollten uns etwas zurückhaltender gegenüber Korobushko benehmen. Sonst könnten ernsthafte Zweifel an unserer Ideologie aufkommen." Sie putzte sich geräuschvoll die Nase. „Du weißt ja, Professor Mittwinter ist gut befreundet mit ein paar von Korobushkos Lehrern. Ich meine, sie war es."
Ihr Großvater murmelte seine Zustimmung.
„Jedenfalls haben wir der Leitung von Durmstrang ausrichten lassen, dass uns an gut funktionierendem Austausch mit allen magischen Schulen gelegen ist, unabhängig von deren Ideologie." Sie spuckte das Wort richtig aus. „Und dass wir uns von einer Schule nicht vorschreiben lassen würden, wie wir uns einer anderen gegenüber zu verhalten hätten. Ich glaube, Professor Mittwinter ist dabei nicht grade diplomatisch vorgegangen. Sie war der Meinung, dass Korobushko das alleinige Recht zusteht, Russland zu repräsentieren, schon wegen der langen Traditionen, die die haben im Gegensatz zu Durmstrang."
Das war ein altbekannter Streitpunkt. Die magische Gemeinde Russlands und die Exilanten waren seit der Gründung von Durmstrang noch miserabler aufeinander zu sprechen als zuvor. Die beiden russischsprachigen Schulen für Hexerei und Zauberei versuchten, die anderen Schulen in ihre Auseinandersetzung hineinzuziehen. Nach allem, was wir gesehen hatten, konnte man wohl sagen, dass Korobushko dabei erfolgreicher war als Durmstrang. Es mochte an den feinfühligeren Methoden liegen, dachte ich sarkastisch.
„Darauf passierte erstmal gar nichts." fuhr Eliza fort. „Es kam der Schulleitung komisch vor, aber man beschloss, es zu ignorieren. Professor Mittwinter hatte am Donnerstag nach Durmstrang zurückgeschrieben und... Und am Montag... bin ich... Ich hab mich spät abends rausgeschlichen, weil ich mit einem Jungen aus dem Dorf verabredet war. Er hatte mir etwas besorgt, worum ich ihn gebeten hatte. Ein Geburtstagsgeschenk für Kathrin..." Sie brach ab. Ich vermutete, dass besagte Kathrin ihre beste Freundin gewesen war.
„Er begleitete mich dann noch zurück. Über irgendwas haben wir unheimlich gelacht – keine Ahnung mehr, was. Als wir den kleinen Pass erreichten – " Ihre Stimme war jetzt gefährlich hoch. „– sah ich den Schein am Himmel. Die Burg brannte. Ich stand auf einem Felsvorsprung, etwas erhöht und ich sah... Da war etwas um die Burg. So ein glitzernder, rötlicher Schein. Sie haben irgendeinen Zauber über die Burg geworfen, so dass niemand mehr raus konnte." Sie schluchzte trocken auf.
Ich wusste, wovon die Rede war. Ein Umkehrzauber. Wolkenkuckucksheim war gut geschützt gewesen. Wie in Hogwarts hatten sie es nicht für nötig gehalten, ein Geheimnis aus ihrem Standort zu machen. Dafür hatten sie umso bessere Sicherheitsvorkkehrungen angebracht. Der Haken ist: Schutzzauber, wie sie sie verwendeten, funktionieren in beide Richtungen. Unter normalen Umständen kann niemand herein, aber wenn es einem mächtigen Angreifer gelingt, den Zauber umzukehren... kann auch niemand mehr hinaus. Das Risiko trägt man nun einmal. Sie hatten nur noch Gelegenheit gehabt, uns um Hilfe anzurufen.
„Und dann?" fragte Albus. Eliza legte sich eine Hand um den Hals, als ob ihre Kehle schmerzte vom tränenlosen Weinen.
„Dann hat Michael mir einen Fluch auf den Hals gejagt." Sie sah in unsere perplexen Gesichter und eine wilde Energie flackerte über ihre Züge. „Um mich zurückzuhalten. Ihr glaubt doch nicht, dass ich ruhig zugesehen habe, wie meine Schule überfallen wird."
Gryffindor, konnte ich nur denken und einen Blick des vollkommenen Einverständnisses mit meinem alten Schulleiter tauschen. Aber in welchem Haus wir sie unterbringen sollten, darüber konnten wir uns später Gedanken machen. Als ich mich umdrehte, war der Blick des Mädchens direkt auf mich gerichtet. Ich hätte schwören können, dass sie unseren kleinen Gedankenaustausch mitangehört hatte. Und dass sie uns dafür verachtete, doch weswegen konnte ich nicht sagen.
Sie fuhr fort zu sprechen, bevor ich mir darüber weiter Gedanken machen konnte. „Er hat mich ins Dorf gebracht, zu seiner Familie. Sie wollten, dass ich mich von da aus mit meiner Familie in Verbindung setzte und ich hab so getan, als wär ich einverstanden. Ich hab einen Besen von ihnen gestohlen und bin – und bin hergeflogen." Ihre Stimme stockte ein klein wenig bei diesem letzten Satz. Plötzlich war ich mir sicher, dass sie bei der Geschichte irgendwas ausließ. Doch ich hielt es für besser, zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückzukommen.
Sie wirkte erschöpft. In ihren Augen jedoch hatte der Alptraum, den sie in ihrer Erzählung erneut durchlebt hatte, ein unheimliches Licht entzündet. Es sollte noch viele Jahre lang dort bleiben.
-----
Es kam, wie ich es mir gedacht hatte: Barty Crouch legte dem Kabinett einen Gesetzesentwurf vor, der den Auroren die Anwendung der Unverzeihlichen Flüche gestatten sollte. Frank erzählte mir davon, als wir uns tags darauf in den Drei Besen in Hogsmeade trafen. Er hatte Bruce und Marlene McKinnon herbegleitet, damit sie nach ihrer verlorenen Tochter sehen konnten, und hörte nun Elizas Geschichte aus meinem Mund.
Die Schule schien zu brummen vom neugierigen Geschwätz der jungen Leute. Es hatte sich herumgesprochen, dass unser Krankenflügel die einzige Überlebende des Wolkenkuckucksheim-Massakers beherbergte. Dass es sich dabei um Dumbledores Enkelin handelte, war indes noch niemandem zu Ohren gekommen und wenn Albus wirklich durchziehen wollte, was er offenbar plante, durfte auch niemand davon erfahren.
Ich stimmte ihm zu, dass Eliza hier bei uns am besten aufgehoben wäre. Nicht nur für den Fall, dass man hinter ihr her war. Es kam, so dachte ich, ganz einfach nicht in Frage, das arme Kind, nach allem, was es durchgemacht hatte, auf eine andere Schule zu schicken, die sich in einem Land befunden hätte, dessen Sprache sie erst lernen musste. In Großbritannien war sie schließlich zuhause. Ich war durchaus der Meinung, diese spezielle Situation erforderte eine Sondergenehmigung, dass sie Hogwarts besuchen durfte.
Die Weihnachtsferien kamen auf uns zu, und vorher würde sie wohl kaum in der Verfassung sein, den Unterricht besuchen zu können. Sie hatte alle Zeit der Welt sich einzugewöhnen. Frank stimmte mir da zu, wandte aber ein, dass ihre Eltern sie vermutlich eine Weile mit zu sich nach Midlothian würden nehmen wollen. Ich selbst hielt es für besser, sie für die Ferien hierzubehalten, damit sie sich an Hogwarts gewöhnen und neue Freunde finden konnte.
Ich fragte Frank, wie die Stimmung unter den Auroren bezüglich Crouchs Erlasses war und wie die Chancen standen, dass er sich durchsetzte.
Die Chancen stünden gut, meinte er, aber die Gefühle der Auroren seien sehr gemischt dabei. Es gebe nicht viele, die von der Idee, ihre Verdächtigen zu foltern, entzückt seien. Er im übrigen auch nicht, aber er habe großes Vertrauen zu Barty Crouch, und würde seinerseits nicht zögern, entsprechenden Befehlen Folge zu leisten. Ich starrte ihn an.
Er hielt meinem Blick stand, fühlte sich aber dennoch aufgefordert, sich zu rechtfertigen. „Du weißt nicht, was ich gesehen habe, Alastor. Mir ist klar, dass das unmöglich klingt, schließlich trennen uns so viele Jahre und so viele Erfahrungen, aber eine Tatsache ist nun mal: du warst nicht dort. Du hast Wolkenkuckucksheim nicht gesehen." Er nahm einen Schluck von seinem Butterbier. „Ich glaub, ich werd bis ans Ende meines Lebens davon träumen."
Manchmal denke ich, wir alle haben diese spezielle Erinnerung, die wir mit dem Verlust unserer Unschuld gleichsetzen. Wir Auroren, meine ich. Sie begleitet einen ein Leben lang, manchmal ist man sich ihrer bewusst, manchmal nicht. Ich kenne meine. Frank hatte seine gerade erhalten. Im zarten Alter von 20. Es war zum Verzweifeln.
„Verstehst du das?" flüsterte Frank. „Nach dem hier bin ich zu vielem bereit – nein, entschlossen – was ich früher nicht mal ansatzweise für denkbar hielt."
Das Gefühl, das sich in mir festsetzte bei diesen Worten, kannte ich viel zu gut. Das Gefühl, dass alles dabei ist, den Bach runterzugehen. Crouch würde den Erlass durchbringen. Die Unverzeihlichen Flüche würden angewendet werden. Und mit jedem „Crucio!" würden wir uns etwas tiefer reinreiten, bis wir dann letztlich auf dem Niveau der anderen angekommen waren. Wie lange würde dieser Konflikt noch dauern? Fünf Jahre? Zehn Jahre? Oder war das eine zu optimistische Rechnung? Und wie tief wollten wir sinken in der Zeit, die wir dafür hatten?
„Du weißt, was das bedeutet, nicht wahr, Alastor?"
Ich schreckte aus meinen finsteren Gedanken auf. „Was sagst du?"
„Wenn die Unverzeihlichen Flüche für Auroren legalisiert werden? Du weißt, was es bedeutet. Für dich."
Merlin, so weit hatte ich noch nicht gedacht. Wenn das Töten im Beruf mithilfe eines Unverzeihlichen Fluchs zur Regel werden durfte – dann konnte einem verdienten Auror wie mir aus einem Dienstunfall, der im Gegensatz zu Avada Kedavra ja noch nicht einmal die Absicht zu töten vorausgesetzt hatte, kein Strick gedreht werden. Sie konnten mich zurückholen. Sie würden mich zurückholen.
„Grübelst du immer noch darüber nach?" fragte ich gedehnt, als hätte ich mir meinerseits nicht seit dem berühmten Vorfall, der mich meinen Job gekostet hatte, praktisch Tag und Nacht den Kopf zerbrochen, was sich da abgespielt hatte.
Frank hob den Kopf. „Tristan Malfoy stand unter dem Imperiusfluch, als wir in sein Haus kamen und er hatte es gerade geschafft, ihn abzuschütteln, als er zu uns ins Zimmer kam. Ich werde das beweisen und wenn es zehn Jahre meines Lebens kostet!"
Ich blinzelte ihn einen Augenblick schweigend an. Imperius. Das knallte er mir nun vor die Füße. Nicht, dass mir der Gedanke nicht auch schon gekommen wäre. Allerdings hatte ich dieses Vorgehen für zu aufwendig gehalten. Was hatte Lucius davon? Es gab einfachere und sicherere Methoden, seinen Alten Herrn aus dem Weg zu räumen.
Was wussten wir? Tristan Malfoy war derselbe Jahrgang wie meine Schwester, er hatte also Tom Riddle noch als Schulsprecher in Hogwarts erlebt. Tom Riddle aka Lord Voldemort suchte eine Allianz mit der Schwarzhundertschaft. Tristan schickte seinen Sohn nach Durmstrang, wo die Schwarzhundertschaft sehr aktiv war. Tristan wurde mit Antonin Dolohov gesichtet. Auf offener Straße, das warf Fragen auf. Wir rückten in Malfoy Manor an und wollten die Bude auf den Kopf stellen, wobei wir auf Lucius, der sich sehr sicher fühlte, und einen vollkommen verunsicherten Tristan trafen. Ich wurde provoziert und verlor die Nerven und Lucius machte gerade im richtigen Moment einen Schritt auf die Seite –
Stop! rief ich mich energisch zur Ordnung. Es war Irrsinn. Viel zu kompliziert, als dass irgendwer es planen konnte. Nicht einmal Lucius. Und dann das Motiv: welchen Grund konnte er gehabt haben, seinen Vater nicht nur umbringen zu lassen, sondern ihm auch noch das andere anzutun? Wozu Imperius? Ich schüttelte den Gedanken ab, ich hatte ihn bereits zu oft verfolgt.
„Gleich zehn? Geh lieber etwas vorsichtig um mit deinen Lebensjahren." riet ich Frank und ließ meinen Feuerwhiskey im Glas kreisen. „Du weißt nie, wieviele du noch zur freien Verfügung hast."
Er lächelte plötzlich mit Wärme. „Du wirst's nicht glauben. Eben das hab ich mir auch gesagt."
„Oh?"
„Und ich werd das beste aus dieser gewonnenen Erkenntnis machen. Ich hab Alice gefragt, ob sie mich heiraten will."
„Deine Freundin?"
„Mmh, seit acht Jahren schon."
„Ihr hab ja früh angefangen. Und sie hat ja gesagt?"
„Natürlich!" strahlte er. „Du kennst sie nicht, oder? Sie hat diesen Herbst erst mit der Ausbildung als Auror begonnen."
Ich lächelte schwach zurück. Es waren gefährliche Zeiten für einen Auror, eine Familie zu gründen. Wenn man jedoch einen anderen Auror heiratete, verdoppelte sich das Risiko, von einer Katastrophe heimgesucht zu werden.
„Wer noch begeisterter ist als wir, sind unsere Eltern." fuhr Frank fort. „Sie wollen uns unbedingt ein großes Fest mit allem nötigen Trara ausrichten. Und du musst natürlich auch kommen, Alastor..."
Ich lächelte über seinen Stimmungsumschwung. Aber der war das einzige, was mir ein Lächeln entlockte. Ich fühlte mich so alt, wie ich mich seit einer Ewigkeit nicht gefühlt hatte – alt und beladen mit krankmachenden Erinnerungen, ohne einen geliebten Menschen zu haben, der die Bürde mit mir tragen konnte. Die einzige Frau, die ich je geliebt hatte, hatte mir den jungen Lord Voldemort vorgezogen und ein unheilbareres Trauma davongetragen, als selbst der Aurorenberuf es verursachen konnte, so dass sie jetzt unerreichbar für mich war. Es sollte eben nicht sein. Neidisch schaute ich in Franks leuchtende Augen, hinter denen sein zukünftiges Glück bereits Bestand hatte.
Es war besser so für alle Beteiligten, das wusste ich. Ich war kein Mann, der für die Ehe oder auch nur für eine feste Beziehung geschaffen war. Schon als Hogwartsabgänger war ich zu hartgesotten und einzelgängerisch in meinen Gewohnheiten gewesen, um mich an jemand anders anpassen zu können. Und dann hatte ich mein Leben mit lauter gefahrvollen Schlachten verschwendet – ebenfalls keine gute Grundlage, glücklich zu werden.
Emmeline... Lass den Quatsch! rief ich mich energisch zur Ordnung. Sie hat ihr Leben, du hast deins und was könnte sie überhaupt von einem alten Knacker wie dir wollen? Wir schrieben uns hin und wieder, und sie war freundlich und lustig und schaffte es, mich aufzumuntern. Und das alles wäre gut und schön zu ertragen gewesen, wenn ich nicht in diesem Kasten festgesessen hätte, wenn die Sonne nicht so früh untergegangen und der Winter 1974/75 nicht so kalt gewesen wäre.
Ich starrte in mein Whiskeyglas und wünschte mir, ich würde mir nicht lauter unmögliche Dinge wünschen.
Author's Note: Merkt Euch diesen Satz von Minerva über Bellatrix: „Genügt es, wenn ich sage, der familiäre Hintergrund lässt ein wenig zu wünschen übrig?" Der wird noch wichtig! Umkehrzauber halte ich für eine immens bedeutsame Sache. Habt Ihr Euch nicht auch schon mal gefragt, warum Lily damals nicht einfach mit Harry übers Flohnetzwerk die Kurve gekratzt hat? Ist für mich die einzige Erklärung.
Nächstes Kapitel: Elterntag in Hogwarts, Sev und Alastor bekommen sehr angenehmen Besuch :), der Duellierclub veranstaltet ein Turnier und wir stolpern über einen alten Bekannten aus dem „Stein der Weisen", den ich persönlich immernoch für die faszinierendste Gerätschaft der ganzen magischen Welt halte.
Author's Note: Ist das geil, wenn vor der Anzahl der Reviews mal so eine nette 6 steht... Heißen Dank an Bele, Cara, Maia, Loony, Zwerg, Dream und Cessilie!!
Cara: Bin flugs in letzter Zeit mit Updaten, gell? Es fällt mir immer ein bisschen schwer, Sev so als bedauernswertes, gebeuteltes Menschenkind darzustellen – aber das muss er nun mal gewesen sein, sonst wär er nicht so geworden wie wir ihn kennen und lieben. Es ist eine Menge von Vampiren die Rede in dieser Story, nicht wahr? Das ist mir auch schon aufgefallen. Was Moodys Version der berühmtberüchtigten Nacht angeht und ob das stimmt: über diese Vorkommnisse werd ich noch sehr oft berichten – aus drei weiteren Perspektiven mindestens (Sevs, Sirius' und James'). Ich fürchte, Du musst Dich noch ein bisschen gedulden. Und drück mir lieber die Daumen, dass viele die Bella fic nicht nur lesen sondern auch reviewen :)
Maia: Danke!! Ich rette Dir selbstverständlich gern den Tag -lacht- Der Informant wird in Kapitel 2 meiner noch nicht geposteten Geschichte „Alles wird gut"enthüllt. Und es ist nicht Lucius :)
Loony: ganz wie du möchtest -smile- Du hast's erfasst! (mit dem Zitat) Genau das hab ich gemeint. Sevs zukünftige Diejenige-Welche ist schon ein paarmal erwähnt worden, aber erst in diesem Kapitel tritt sie richtig auf. Wer diese (meine einzige) Liebesgeschichte erzählt, kann ich jetzt noch nicht verraten :) Igor Karkaroff ist übrigens bloß Alexandras Neffe, nicht ihr Sohn. Alexandra ist für die Karkaroffs was Sirius für die Blacks ist: das schwarze (weiße?) Schaf! Dickes großes Dankeschön übrigens fürs reviewen von „So wie wir waren"!!
Dream: naja, ich hätts eher verstanden wenn Draco gesagt hätte: dein Vater wusste auch nicht, was gut für ihn ist, schließlich hat er dieses Schlammblut da geheiratet. Aber es kommt kein Wort dagegen, dass Lily muggelstämmig ist. Im Gegenteil, sie wird sogar miteinbezogen. Ich leg das so aus, dass die Gegenseite Harrys Eltern ein Angebot machen wollte, das sie nicht ablehnen konnten ;) Nicht wahr, Suspendierung für einige Zeit hätt ich in Sirius' Fall auch für angebracht gehalten. Vor allem, wenn man miteinbezieht, wie er und James Sev immer rumschikaniert haben. Dumbledore, der das Gras wachsen hört, muss das doch gewusst haben! JKR hat übrigens ne Website, da kann man glaub ich Fragen stellen. Es war hoffentlich schön auf der Klassenfahrt? :)
Cessilie: Tapferes Mädchen -grinst- ist ja keine Kleinigkeit, so viel Zeug am Stück am Computer zu lesen. Es zieht sich hin mit der Auflösung meiner Geschichte, nicht wahr? Aber wenn das letzte Kapitel draußen ist, wird offensichtlich, warum Alastor nichts sagen kann. Ansonsten: die Hintergrundgeschichten machen mir Spaß, ich kann nichts dafür wenn sie in bisschen überhand nehmen! Mehr über Emmeline und Bellatrix gibt es in Kapitel 13. Zu den Russen: Es ist nicht meine Schuld, dass Voldemort Anhänger mit russischen Namen hatte. Ich hab für meine Geschichte so was wie ein magisches Äquivalent zur UdSSR schaffen wollen. Grindelwald, Voldemort und die ganzen Reinblutfanatiker sind für mich die Rechtsradikalen, die Entsprechung zu den Linksradikalen müsste also eine Zauberergemeinschaft sein, in der per staatlicher Doktrin auf die Herkunft keinerlei Rücksicht mehr genommen wird. Was liegt da näher, als die Russen zu nehmen? Dolohov und Karkaroff als Voldemortanhänger wären da die Antwort auf die reaktionären, zaristischen Emigranten. Freut mich, dass das so gut rübergekommen ist mit der Ermordung des Ministers (da hab ich lange drangesessen).
Ganz allgemein: Wenn das hier manchmal so wirkt, als ob es eine Menge „unnötiger" Nebenhandlung gäbe, dann liegt das daran,... tja, dass es so ist. Ich schwafle gern –g- habe aber immer was im Hinterkopf dabei. Alles was hier erwähnt wird und mit Sev und Alastor nur indirekt zu tun hat, wird später in anderen Geschichten wiederaufgegriffen.
Ok, weiter geht's...
Kapitel 12: Eliza
Die Ruhe, die nach dem Vorfall mit dem Werwolf einkehrte, war fast schon gespenstisch zu nennen. Keine Reibereien mehr, keine Zusammenstöße, keine Duelle in verlassenen Korridoren. Die Vier - zwischen denen der Haussegen im übrigen so schief hing, dass es dem Rest der Schule nicht verborgen bleiben konnte – gingen Sev aus dem Weg und er tat seinerseits, als wären sie Luft. Was er natürlich schon immer getan hatte, doch im Gegensatz zu früher ließen sie ihn jetzt auch in Frieden. Die Gerüchteküche brodelte wohl und Lily Evans verfolgte das seltsame Treiben aus schmalen Jadeaugen, aber niemand sagte ein Wort.
Sev war fleißig in diesem Winter. Er lernte, soweit ich es mitbekam, praktisch Tag und Nacht und erzielte sehr gute Leistungen – außer in Zaubertränke natürlich, wo kein Mensch gute Leistungen erzielte. Man konnte sich wirklich nur wundern, wie Sev und Florence Wilkes bei den ZAG- Prüfungen Os geschafft hatten, wenn sie sich nach wie vor von Prewett anhören mussten, wie unfähig sie wären. Florence war es, die mir das erzählte. Während seine Clique sich mir gegenüber sehr aufgeschlossen zeigte, herrschte zwischen Sev und mir weitgehend Stille. Ich rief mir noch oft die Unterredung ins Gedächtnis, die wir in jener Nacht vor Dumbledores Büro geführt hatten und überlegte, was ich wie hätte anders machen können. Seine Einsicht in die Ministeriumsakten und die Schlussfolgerungen, die er daraus gezogen hatte, sollten jedoch für lange Zeit nicht wieder zur Sprache kommen.
Derweil hatten wir andere Sorgen.
So friedlich wir es mittlerweile drinnen hatten, so wüst ging es nämlich in der Welt draußen zu. Der Terror hatte in der kurzen Zeit, die ich in Hogwarts verbracht hatte, bemerkenswerte Fortschritte gemacht. In diesem wie bereits im letzten Schuljahr hatten Mitglieder der Schülerschaft von Hogwarts Verwandte und Freunde verloren in dem Konflikt, der unsere Welt in Atem hielt. Voldemort gewann Anhänger, zumindest konnte man davon ausgehen – eine Eigenart von Geheimgesellschaften ist, dass die Zahl ihrer Mitglieder geheim ist, wie Dumbledore – ein halbes Leben schien es herzusein – ganz richtig gesagt hatte. Und es waren ja nicht nur die Aktiven unter seinen Anhänger, die, die bereit waren, tatsächlich etwas in seinem Sinne zu unternehmen, die uns Sorgen bereiteten. Viel schlimmer schien die stillschweigende Zustimmung eines großen Teils der reinblütigen Bevölkerung. Wobei stillschweigend ein gutes Stichwort abgab: Zu diesem Zeitpunkt wagte bereits niemand mehr, den Namen unseres Feindes auszusprechen. Man sagte „Du-Weißt-Schon-Wer"oder „Er, Dessen Name Nicht Genannt Werden Darf".
Im November 1974 hörten wir dann zum ersten Mal den Namen Todesser. Albus und ich in unserem angeschlagenen Elfenbeinturm von Schule vermuteten, dass es sich tatsächlich um die wiedergegründete oder neu zum Leben erweckte Organisation der Ritter von Walpurgis handelte. Ein Jahr lang war ich nun bereits aus dem Verkehr gezogen, doch den mittlerweile wöchentlichen neuen Schreckensmeldungen aus der Zeitung konnten wir uns hier in Hogwarts nicht verschließen. Es war offensichtlich, dass uns noch gefahrvolle Zeiten bevorstanden.
Nach Minister Derwents Ermordung hatte man auf die Wahl eines neuen Minsters verzichtet. „Ein Interregio." schnaubte Barty Crouch in einem seiner Briefe. „Wie sollen wir mit der Situation fertigwerden ohne ein Oberhaupt der magischen Gemeinde, das alle Zügel in der Hand hält?" Und du würdest dieses Oberhaupt gern sein, dachte ich ironisch. Ich konnte natürlich verstehen, um was es ihm ging. Es war nicht leicht, schnelle Entscheidungen zu treffen, wenn alles erst von einem Kabinett bestehend aus den Leitern der verschiedenen Abteilungen und ihren Stellvertretern abgesegnet werden musste. Mir persönlich grauste jedoch davor, was passieren konnte, wenn in der jetzigen Situation einem Einzelnen die ganze Macht übertragen wurde.
Das Ausland betrachtete die britische Zauberergemeinde schon seit geraumer Zeit mit hochgezogenen Augenbrauen. Es war ihnen nicht begreiflich zu machen, dass wir mit unserem eigenen Kram nicht fertig werden konnten und wir sanken in ihrer Achtung. Sie kamen mir reichlich selbstgerecht vor – schließlich hatten sie seinerzeit auch nicht rechtzeitig Grindelwald Einhalt geboten. „Sie sollten sich an die eigene Nase fassen", meinte Minnie trocken, und ich war ganz ihrer Meinung. Die Länder wie Frankreich und Deutschland, in denen sich (zum Verdruss der jeweiligen Ministerien) eine große Zahl von russischen Emmigranten und sonstigen Anhängern der Schwarzhundertschaft herumtrieb, freuten sich, glaube ich, sogar insgeheim über unsere Schwierigkeiten – sie rechneten sich aus, dass diese unbeliebten Zeitgenossen womöglich über den Ärmelkanal zu uns abwandern würden.
Eine Allianz zwischen Voldemort und der Schwarzhundertschaft befürchtete auch Alexandra Karkarova. Sie erzählte mir einmal von ihrer Familie, mit der sie sich überworfen hatte, als sie in Paris an die Aurorenakademie gegangen war: da gab es ihre Eltern, die Russland nachweinten, ihre älteren Brüder, die von einer Machtübernahme der Reinblütigen träumten, und „mein Neffe Igor, der ja auch nichts ist." Er unterrichtete seit kurzem in Durmstrang, sagte sie, und ich musste lachen, weil sie bei dem Namen den Mund so verzog.
Die Beziehungen zwischen den magischen Schulen waren nicht immer gut, das wusste ich noch aus meiner eigenen Schulzeit. Immerhin saßen wir friedlich auf unserer Insel – auf dem Kontinent, wo alles mehr oder weniger dicht gedrängt saß, gingen sich die Leute öfter an die Kehle. Wie gefährlich die Lage außerhalb Großbritanniens jedoch wirklich war, das konnte ich mir nicht ausmalen – bis uns in der Woche vor Weihnachten das Notsignal aus Wolkenkuckucksheim erreichte.
Albus und Alexandra brachen ohne zu zögern auf, um zusammen mit einigen unserer Auroren in Deutschland nach dem Rechten zu sehen. Auch wenn er bemüht war, es nicht zu zeigen, war er in heller Aufregung. Seine jüngste Enkelin Eliza ging in Wolkenkuckucksheim in die sechste Klasse. Wir hatten keinen Kontakt in die Schule und niemand wusste, was unsere Leute erwartete, wenn sie dort hinkamen.
Die Stimmung in Hogwarts war gedrückt am Tag ihres Aufbruchs. Zwar hatten die wenigsten Verbindungen nach Deutschland, doch die Furcht vor einer ähnlichen Attacke saß allen in den Knochen. Ich konnte es spüren während meiner Unterrichtsstunden: die Kinder stürzten sich mit neuer Entschlossenheit in die praktische Verteidigung.
Ich war nicht recht bei der Sache an jenem Tag. Ich glaubte zu wissen, dass Amelia Mitglied der Abordnung war und dass sie Frank mitnehmen würde. Deshalb hoffte ich auf einen haarkleinen Bericht, wenn sie zurück waren. Sie verhielten sich nach wie vor sehr kollegial zu mir. Ich brannte darauf, zu ihnen zurückzukehren und wieder aktiv am Geschehen teilzuhaben. Es machte mir zwar mehr Spaß zu unterrichten, als ich mir hätte träumen lassen. Doch mein Platz war draußen bei meinen Kollegen, die im Kampf gegen die Finsternis ihr Leben riskierten.
So viel in etwa sagte ich zu Minnie, als wir am Abend dieses Tages durch die hermetisch abgeriegelte Schule patrouillierten. Sie sah mich seltsam von der Seite an und meinte nach leichtem Zögern: „Der Kampf gegen die Finsternis wird vielleicht näher an dir ausgetragen, als du glaubst, Al."
„Bis jetzt rückt mal noch keine Armada von Todessern vor unsere Tore, das ist fürs erste sicher." frotzelte ich.
„Das ist nicht witzig!" wies sie mich zurecht. „Ich meinte – "
„Ich weiß, was du gemeint hast." wurde ich ernst. „Stete Wachsamkeit gegenüber dem Feind im Innern – das ist es ja, was ich auch immer predige. Alexandra hat vermutlich recht, wenn sie uns so hartnäckig darauf aufmerksam machen will, dass ein paar unserer jungen Slytherins dabei sind, vom Weg abzukommen. Ich für meinen Teil mach mir aber mehr Gedanken über die erwachsenen Slytherins, die draußen ihren Weg sehr zielstrebig verfolgen, wenn's recht ist." Ich dachte an Lucius Malfoy, glücklich verwaist und am Aufsteigen in der Abteilung für Internationale Beziehungen, und hatte gleichzeitig Sevs anklagende Stimme im Ohr, die es für ein Gerücht hielt, dass alle Dunklen Hexen und Zauberer in Slytherin gewesen sein sollten.
„Du bist Lehrer an dieser Schule, da sollten deine Schüler deine Hauptsorge sein." erinnerte Minnie mich. „Gerade du hast allen Grund, ihnen auf die Finger zu schauen."
„Meinen nichtsnutzigen Neffen und seine Gang meinst du?" forschte ich.
Minnie presste die Lippen zu einem Strich zusammen. „Du weißt, ich würde so was nicht leichtfertig sagen – aber dieses Mädchen Bellatrix Black, die macht mir wirklich... Also, mit der stimmt einfach was nicht."
„Erklär dich näher." ermunterte ich sie. Mir persönlich schien Bellatrix noch die geistig Gesündeste aus dem ganzen Haufen. Wenn man sie mit den Lestrangekindern verglich oder mit diesem Kauz Avery mit seinem Fanatikerblick oder meinem eigenen Nachtschattengewächs, Merlin steh mir bei!
Aber Minnie wedelte nur ungeduldig mit der Hand und zog ihr Schultertuch fester um sich. „Ach, vergiss am besten, dass ich was gesagt hab. Reden wir von was anderem." Doch die nächsten Minuten vergingen in beiderseitigem Schweigen.
„Minnie," begann ich sinnend. „Weißt du etwas über Bellatrix Black, was du mir nicht sagen willst oder kannst?"
Sie sah mich nicht an, als sie antwortete. „Genügt es, wenn ich sage, der familiäre Hintergrund lässt ein wenig zu wünschen übrig?"
Dem konnte man nichts entgegensetzen. Wir hatten es nicht geschafft, Elladora Black auch nur zu befragen, obwohl Borgins Zeugenaussage ihre Verbindung zu Tom mehr als nur nahelegte. Ihr Geld und ihr Status machten die Blacks unangreifbar. Jeder wusste, dass die Familie verrottet war. Elladora hatte vor dem Wizengamot gestanden wegen ihrer in „Die Entwicklung der Unverzeihlichen Flüche" schriftlich fixierten Weltanschauung – und meinte doch, die Nase höher tragen zu können als jeder andere Mensch in der magischen Gemeinde. Sie meinte es nicht nur, sie tat es auch. Und ich war mir sicher, dass Bellatrix all die Geschichten über ihre Mutter kannte und gerne hörte. Sie war stolz auf ihre Familie, das hatte sie bei mehr als einer Gelegenheit unter Beweis gestellt.
Minnie sprach aus, was ich dachte, während wir die Eingangshalle durchquerten, bereit, uns der eisigen Nachtluft auszusetzen: „Elladora wird es nicht versäumt haben, an ihre Töchter weiterzugeben, dass man mit absolut allem durchkommt – wenn man nur dreist genug vorgeht und selbstbewusst genug auftritt."
„Und ihre Neffen hat sie wohl dasselbe gelehrt." konnte ich mir nicht verkneifen. Sirius Black war nach wie vor ein sensibles Thema zwischen meiner alten Freundin und mir. Ich hatte dem Jungen bereits deutlich gesagt, was ich von ihm hielt, und er machte seitdem einen riesigen Bogen um mich, aber Minnies Haltung kränkte mich. Ich sah ein, dass sie als Hauslehrerin von Gryffindor auf seiner Seite sein musste, soweit es möglich war. Und ich hatte ihr nicht von meinen Befürchtungen Sevs Rolle in dieser Angelegenheit betreffend erzählt, weil ich das einfach nicht fertig brachte (und es außerdem nicht beweisen konnte).
Minnie machte sich reichlich brutal am Eingangstor zu schaffen und wollte mir gerade kontra geben, als wir beide von dem Anblick abgelenkt wurden, den die kleine Treppenstufe vor der Tür bot.
Vor uns standen zwei äußerst echauffiert wirkende Schwarzköpfe und guckten uns mit einer eigentümlichen Mischung aus Entsetzen und Erleichterung an. Während ich mir die Erleichterung im ersten Moment nicht erklären konnte, war das Entsetzen leicht einzuordnen. Wir hatten sie erwischt – draußen, um elf Uhr nachts – und sie hatten noch bis zum Frühling Ausgehverbot, zumindest einer von ihnen.
„Was hat das hier zu bedeuten? Mr. Black – " Minnie traf das hohe C.
„Hast du noch nicht genug?" fuhr ich Sev an.
Wir brachen gleichzeitig ab, als wir die Gestalt bemerkten, die Sev in den Armen trug, als sei sie dort ohnmächtig zusammengebrochen. Ich konnte nicht glauben, was ich sah.
„Miss Eliza!" entfuhr es Minnie.
„Miss Eliza?" wiederholten Sev und Sirius unisono. Sie wussten augenscheinlich nicht, wen sie da aufgegabelt hatten. Minnie und ich wechselten einen Blick.
„Folgen Sie mir, Mr. Snape." ordnete sie kurzentschlossen an. „Mr. Black, Sie gehen zurück in Ihren Schlafraum, wo Sie hingehören."
„Aber, Professor..."
„Keine Widerrede" (als ob dieser Ton welche geduldet hätte) „und seien Sie dankbar, dass Sie keine Punkte abgezogen bekommen."
Sirius sah äußerst unwillig drein, als er davonkrauchte. Sev würdigte ihn keines Blickes, als er Minnie und mir mit Eliza McKinnon in den Armen in Richtung Krankenflügel folgte.
Nun, das war eine Wendung in diesem Drama, die ich nicht erwartet hatte. Albus war unterwegs, um sein jüngstes Enkelkind zu retten, doch dieses hatte die Rettung mirnichtsdirnichts selbst in die Hand genommen. Merlin allein wusste, wie sie es vom Vorarlberg bis hierher geschafft hatte. Was für ein Mädchen! Man musste Bruce und Marlene benachrichtigen, dachte ich. Sie waren bestimmt ganz krank vor Sorge um ihre Jüngste.
Doch zunächst brauchten wir Madam Pomfrey. Es war sinnlos, die McKinnons herzurufen, bevor wir wussten, wie ernst der Zustand der Kleinen war. Ich öffnete die Tür zum Krankenflügel und wir traten ein.
Minnie winkte Sev zu einem der freien Betten hinüber, von dem sie die Decke zurückgeschlagen hatte, während ich an die andere Seite herantrat, so dass ich einen exzellenten Blickwinkel auf die kleine Szene hatte, die sich nun vor mir entspann. So behutsam er konnte, ließ Sev Eliza auf das Bett sinken, und als er ihren Kopf auf das Kissen bettete, kam sie für einen Moment wieder zu sich. Ich konnte sehen, wie sich ein Paar große, kristallblaue Augen öffneten und wie Sev noch über sie gebeugt erstarrte. Ihre Blicke fielen kurz ineinander. Elizas Lippen bewegten sich, als ob sie etwas sagen wollte, doch die Erschöpfung nach ihren Strapazen war zu groß. Gleich darauf verlor sie wieder das Bewusstsein.
Poppy scheuchte Sev beiseite und so blieb er etwas unentschlossen im Zimmer stehen, ehe Minnie ihn in die Slytheringemächer zurückschickte. Er ging, nicht ohne sich noch einmal umzudrehen.
Im Hinblick auf alles, was später geschehen sollte, finde ich es ziemlich prophetisch, dass sich mir dieser flüchtige Augenblick, dieser kurze Blickwechsel derart ins Gedächtnis eingebrannt hat. Ein bisschen, als hätte ich etwas geahnt, als hätte ich da schon gesehen... Aber es gab nichts zu sehen. Sie würden mir beide recht geben, wenn ich sie danach fragen könnte (was ich aus unterschiedlichen Gründen nicht kann). Jahre später, als es etwas gab, das verständigere Menschen als wir vielleicht benennen konnten, waren sie kaum in der Lage, es zu erkennen, und sie waren weit entfernt davon, als sie noch Kinder waren.
Aber was rede ich. Sie waren Kinder bis zum Schluss.
-----
„Elisabeth!" sagte Albus und ließ sich mit einer fließenden Bewegung am Krankenbett seiner Enkelin nieder, während er gleichzeitig ihre Hand ergriff. Er hatte sozusagen auf dem Absatz kehrtgemacht, als unsere Eilige Eule ihn in Deutschland erreicht hatte, um an die Seite des jüngsten McKinnonsprosses zu eilen. Ich belauschte die Szene ungeniert von einem Stuhl neben der Tür aus.
„Großvater, es tut mir so schrecklich Leid..." stöhnte sie.
Ihre hellblauen Augen, exakte Kopien derer ihres Großvaters, waren von Kummer und Schrecken erfüllt und ihre Unterlippe zitterte.
Jäh wurde mir bewusst, dass ich der Enkelin von Elisabeth Grindelwald gegenübersaß, deren Portrait ich in Albus' Büro so oft betrachtet hatte. Selbst in ihrem aufgelösten Zustand war die Ähnlichkeit bemerkenswert: dieselben hohen Wangenknochen, die auch ihr Gesicht schmaler erscheinen ließen, als es in Wirklichkeit war, dieselben kräftigen, gebogenen Brauen, dieselbe lange, schmale Nase und dieselbe milchglasblasse Haut. Das einzige, was den Eindruck vollkommener Perfektion trübte, war das Haar. Sie trug es nicht lang wie ihre Großmutter, sondern kurzgeschnitten, es fiel in wirren, ungebändigten, leuchtengoldenen Fransen um ihr Gesicht. Aber in gewisser Weise machte sie dieser Gegensatz nur noch reizvoller.
„Was wird dir denn Leid tun?" fragte Albus sanft und streichelte ihre zerzausten Haare.
„Ich hätte auf dich warten sollen, jetzt bist du ganz umsonst dahin – "
Er schüttelte den Kopf. „Spielt das noch eine Rolle? Du bist hier bei uns. In Sicherheit."
„Großvater, Wolkenkuckucksheim..." begann sie erneut, und in ihrer Stimme schwang so viel Bangen mit, dass ich meinem Schöpfer auf den Knien danken wollte, dass nicht ich es war, der in diese Kristallaugen blicken und ihr erzählen musste, dass niemand überlebt hatte.
Ich hörte nicht, was Albus zu ihr sagte, aber dem erstickten Aufschrei des Mädchens konnte ich meine Ohren nicht verschließen. Als ich wieder hinsah, hielt Albus seine Enkelin an sich gedrückt. Ihr goldener Wuschelkopf ruhte an seiner Schulter, jedoch wirkte es auf mich mehr, als kämpfte sie gegen den Trost, den die Umarmung bot. Ihre Lider waren fest zusammengepresst.
Die junge Generation von Hexen und Zauberern in Mitteleuropa war praktisch ausgelöscht. Wolkenkuckucksheim war der Anlaufpunkt für die Jugend mehrerer Länder gewesen, so dass sie alle darunter zu leiden hatten. Albus hatte nicht viel darüber gesprochen, was sie in der Schule vorgefunden hatten, doch das wenige, was ich wusste, hatte genügt, in mir den leidenschaftlichen Wunsch zu entfachen, jeden, der an dem Gemetzel beteiligt gewesen war, zu Tode zu foltern. Mit einemmal schien mir Barty Crouchs Forderung, die Anwendung von Cruciatus müsse den Auroren gestattet werden, weit weniger verbrecherisch als noch in der Woche zuvor. Und ich vermutete, dass es vielen anderen ebenso gehen würde.
Die Schatten wurden länger, und Madam Pomfrey zündete ein paar Lampen an, die den Krankenflügel in ein warmes, beruhigendes Licht tauchten. Eliza saß, den Kopf in ihr Kissen zurückgelehnt, aufrecht im Bett und starrte vor sich hin, ohne etwas zu sehen. Sie schüttelte unwirsch den Kopf, als Albus fragte, ob sie etwas zu essen wolle.
Er beugte sich vor, um ihren Kristallblick mit seinem eigenen einzufangen. „Willst du mir erzählen, was vor dem Angriff passiert ist?"
„Albus," wandte ich ein. „Sie wird den Auroren noch alle möglichen Fragen beantworten müssen. Soll sie wirklich zweimal dadurchgehen müssen?"
„Du bist doch hier." erwiderte mein alter Schulleiter. „Das ist wie eine offizielle Aussage."
Ich wollte ihn darauf aufmerksam machen, dass ich nicht mehr zu den Auroren gehörte, aber etwas in seiner Stimme verriet seine Besorgnis, dass dieser anscheinend günstige Moment verstreichen könnte. Ich zuckte die Achseln, er kannte sein kleines Mädchen schließlich besser als ich.
Und tatsächlich – ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber als sie einmal angefangen hatte zu sprechen, war es, als hätte man eine Schleuse geöffnet.
„Wir wussten, dass wir in Schwierigkeiten waren, schon lange bevor sie wirklich einsetzten." sagte sie mit einer ganz kleinen Stimme, die jedoch zunehmend an Festigkeit gewann. „Von Durmstrang kam die Aufforderung, wir sollten uns etwas zurückhaltender gegenüber Korobushko benehmen. Sonst könnten ernsthafte Zweifel an unserer Ideologie aufkommen." Sie putzte sich geräuschvoll die Nase. „Du weißt ja, Professor Mittwinter ist gut befreundet mit ein paar von Korobushkos Lehrern. Ich meine, sie war es."
Ihr Großvater murmelte seine Zustimmung.
„Jedenfalls haben wir der Leitung von Durmstrang ausrichten lassen, dass uns an gut funktionierendem Austausch mit allen magischen Schulen gelegen ist, unabhängig von deren Ideologie." Sie spuckte das Wort richtig aus. „Und dass wir uns von einer Schule nicht vorschreiben lassen würden, wie wir uns einer anderen gegenüber zu verhalten hätten. Ich glaube, Professor Mittwinter ist dabei nicht grade diplomatisch vorgegangen. Sie war der Meinung, dass Korobushko das alleinige Recht zusteht, Russland zu repräsentieren, schon wegen der langen Traditionen, die die haben im Gegensatz zu Durmstrang."
Das war ein altbekannter Streitpunkt. Die magische Gemeinde Russlands und die Exilanten waren seit der Gründung von Durmstrang noch miserabler aufeinander zu sprechen als zuvor. Die beiden russischsprachigen Schulen für Hexerei und Zauberei versuchten, die anderen Schulen in ihre Auseinandersetzung hineinzuziehen. Nach allem, was wir gesehen hatten, konnte man wohl sagen, dass Korobushko dabei erfolgreicher war als Durmstrang. Es mochte an den feinfühligeren Methoden liegen, dachte ich sarkastisch.
„Darauf passierte erstmal gar nichts." fuhr Eliza fort. „Es kam der Schulleitung komisch vor, aber man beschloss, es zu ignorieren. Professor Mittwinter hatte am Donnerstag nach Durmstrang zurückgeschrieben und... Und am Montag... bin ich... Ich hab mich spät abends rausgeschlichen, weil ich mit einem Jungen aus dem Dorf verabredet war. Er hatte mir etwas besorgt, worum ich ihn gebeten hatte. Ein Geburtstagsgeschenk für Kathrin..." Sie brach ab. Ich vermutete, dass besagte Kathrin ihre beste Freundin gewesen war.
„Er begleitete mich dann noch zurück. Über irgendwas haben wir unheimlich gelacht – keine Ahnung mehr, was. Als wir den kleinen Pass erreichten – " Ihre Stimme war jetzt gefährlich hoch. „– sah ich den Schein am Himmel. Die Burg brannte. Ich stand auf einem Felsvorsprung, etwas erhöht und ich sah... Da war etwas um die Burg. So ein glitzernder, rötlicher Schein. Sie haben irgendeinen Zauber über die Burg geworfen, so dass niemand mehr raus konnte." Sie schluchzte trocken auf.
Ich wusste, wovon die Rede war. Ein Umkehrzauber. Wolkenkuckucksheim war gut geschützt gewesen. Wie in Hogwarts hatten sie es nicht für nötig gehalten, ein Geheimnis aus ihrem Standort zu machen. Dafür hatten sie umso bessere Sicherheitsvorkkehrungen angebracht. Der Haken ist: Schutzzauber, wie sie sie verwendeten, funktionieren in beide Richtungen. Unter normalen Umständen kann niemand herein, aber wenn es einem mächtigen Angreifer gelingt, den Zauber umzukehren... kann auch niemand mehr hinaus. Das Risiko trägt man nun einmal. Sie hatten nur noch Gelegenheit gehabt, uns um Hilfe anzurufen.
„Und dann?" fragte Albus. Eliza legte sich eine Hand um den Hals, als ob ihre Kehle schmerzte vom tränenlosen Weinen.
„Dann hat Michael mir einen Fluch auf den Hals gejagt." Sie sah in unsere perplexen Gesichter und eine wilde Energie flackerte über ihre Züge. „Um mich zurückzuhalten. Ihr glaubt doch nicht, dass ich ruhig zugesehen habe, wie meine Schule überfallen wird."
Gryffindor, konnte ich nur denken und einen Blick des vollkommenen Einverständnisses mit meinem alten Schulleiter tauschen. Aber in welchem Haus wir sie unterbringen sollten, darüber konnten wir uns später Gedanken machen. Als ich mich umdrehte, war der Blick des Mädchens direkt auf mich gerichtet. Ich hätte schwören können, dass sie unseren kleinen Gedankenaustausch mitangehört hatte. Und dass sie uns dafür verachtete, doch weswegen konnte ich nicht sagen.
Sie fuhr fort zu sprechen, bevor ich mir darüber weiter Gedanken machen konnte. „Er hat mich ins Dorf gebracht, zu seiner Familie. Sie wollten, dass ich mich von da aus mit meiner Familie in Verbindung setzte und ich hab so getan, als wär ich einverstanden. Ich hab einen Besen von ihnen gestohlen und bin – und bin hergeflogen." Ihre Stimme stockte ein klein wenig bei diesem letzten Satz. Plötzlich war ich mir sicher, dass sie bei der Geschichte irgendwas ausließ. Doch ich hielt es für besser, zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückzukommen.
Sie wirkte erschöpft. In ihren Augen jedoch hatte der Alptraum, den sie in ihrer Erzählung erneut durchlebt hatte, ein unheimliches Licht entzündet. Es sollte noch viele Jahre lang dort bleiben.
-----
Es kam, wie ich es mir gedacht hatte: Barty Crouch legte dem Kabinett einen Gesetzesentwurf vor, der den Auroren die Anwendung der Unverzeihlichen Flüche gestatten sollte. Frank erzählte mir davon, als wir uns tags darauf in den Drei Besen in Hogsmeade trafen. Er hatte Bruce und Marlene McKinnon herbegleitet, damit sie nach ihrer verlorenen Tochter sehen konnten, und hörte nun Elizas Geschichte aus meinem Mund.
Die Schule schien zu brummen vom neugierigen Geschwätz der jungen Leute. Es hatte sich herumgesprochen, dass unser Krankenflügel die einzige Überlebende des Wolkenkuckucksheim-Massakers beherbergte. Dass es sich dabei um Dumbledores Enkelin handelte, war indes noch niemandem zu Ohren gekommen und wenn Albus wirklich durchziehen wollte, was er offenbar plante, durfte auch niemand davon erfahren.
Ich stimmte ihm zu, dass Eliza hier bei uns am besten aufgehoben wäre. Nicht nur für den Fall, dass man hinter ihr her war. Es kam, so dachte ich, ganz einfach nicht in Frage, das arme Kind, nach allem, was es durchgemacht hatte, auf eine andere Schule zu schicken, die sich in einem Land befunden hätte, dessen Sprache sie erst lernen musste. In Großbritannien war sie schließlich zuhause. Ich war durchaus der Meinung, diese spezielle Situation erforderte eine Sondergenehmigung, dass sie Hogwarts besuchen durfte.
Die Weihnachtsferien kamen auf uns zu, und vorher würde sie wohl kaum in der Verfassung sein, den Unterricht besuchen zu können. Sie hatte alle Zeit der Welt sich einzugewöhnen. Frank stimmte mir da zu, wandte aber ein, dass ihre Eltern sie vermutlich eine Weile mit zu sich nach Midlothian würden nehmen wollen. Ich selbst hielt es für besser, sie für die Ferien hierzubehalten, damit sie sich an Hogwarts gewöhnen und neue Freunde finden konnte.
Ich fragte Frank, wie die Stimmung unter den Auroren bezüglich Crouchs Erlasses war und wie die Chancen standen, dass er sich durchsetzte.
Die Chancen stünden gut, meinte er, aber die Gefühle der Auroren seien sehr gemischt dabei. Es gebe nicht viele, die von der Idee, ihre Verdächtigen zu foltern, entzückt seien. Er im übrigen auch nicht, aber er habe großes Vertrauen zu Barty Crouch, und würde seinerseits nicht zögern, entsprechenden Befehlen Folge zu leisten. Ich starrte ihn an.
Er hielt meinem Blick stand, fühlte sich aber dennoch aufgefordert, sich zu rechtfertigen. „Du weißt nicht, was ich gesehen habe, Alastor. Mir ist klar, dass das unmöglich klingt, schließlich trennen uns so viele Jahre und so viele Erfahrungen, aber eine Tatsache ist nun mal: du warst nicht dort. Du hast Wolkenkuckucksheim nicht gesehen." Er nahm einen Schluck von seinem Butterbier. „Ich glaub, ich werd bis ans Ende meines Lebens davon träumen."
Manchmal denke ich, wir alle haben diese spezielle Erinnerung, die wir mit dem Verlust unserer Unschuld gleichsetzen. Wir Auroren, meine ich. Sie begleitet einen ein Leben lang, manchmal ist man sich ihrer bewusst, manchmal nicht. Ich kenne meine. Frank hatte seine gerade erhalten. Im zarten Alter von 20. Es war zum Verzweifeln.
„Verstehst du das?" flüsterte Frank. „Nach dem hier bin ich zu vielem bereit – nein, entschlossen – was ich früher nicht mal ansatzweise für denkbar hielt."
Das Gefühl, das sich in mir festsetzte bei diesen Worten, kannte ich viel zu gut. Das Gefühl, dass alles dabei ist, den Bach runterzugehen. Crouch würde den Erlass durchbringen. Die Unverzeihlichen Flüche würden angewendet werden. Und mit jedem „Crucio!" würden wir uns etwas tiefer reinreiten, bis wir dann letztlich auf dem Niveau der anderen angekommen waren. Wie lange würde dieser Konflikt noch dauern? Fünf Jahre? Zehn Jahre? Oder war das eine zu optimistische Rechnung? Und wie tief wollten wir sinken in der Zeit, die wir dafür hatten?
„Du weißt, was das bedeutet, nicht wahr, Alastor?"
Ich schreckte aus meinen finsteren Gedanken auf. „Was sagst du?"
„Wenn die Unverzeihlichen Flüche für Auroren legalisiert werden? Du weißt, was es bedeutet. Für dich."
Merlin, so weit hatte ich noch nicht gedacht. Wenn das Töten im Beruf mithilfe eines Unverzeihlichen Fluchs zur Regel werden durfte – dann konnte einem verdienten Auror wie mir aus einem Dienstunfall, der im Gegensatz zu Avada Kedavra ja noch nicht einmal die Absicht zu töten vorausgesetzt hatte, kein Strick gedreht werden. Sie konnten mich zurückholen. Sie würden mich zurückholen.
„Grübelst du immer noch darüber nach?" fragte ich gedehnt, als hätte ich mir meinerseits nicht seit dem berühmten Vorfall, der mich meinen Job gekostet hatte, praktisch Tag und Nacht den Kopf zerbrochen, was sich da abgespielt hatte.
Frank hob den Kopf. „Tristan Malfoy stand unter dem Imperiusfluch, als wir in sein Haus kamen und er hatte es gerade geschafft, ihn abzuschütteln, als er zu uns ins Zimmer kam. Ich werde das beweisen und wenn es zehn Jahre meines Lebens kostet!"
Ich blinzelte ihn einen Augenblick schweigend an. Imperius. Das knallte er mir nun vor die Füße. Nicht, dass mir der Gedanke nicht auch schon gekommen wäre. Allerdings hatte ich dieses Vorgehen für zu aufwendig gehalten. Was hatte Lucius davon? Es gab einfachere und sicherere Methoden, seinen Alten Herrn aus dem Weg zu räumen.
Was wussten wir? Tristan Malfoy war derselbe Jahrgang wie meine Schwester, er hatte also Tom Riddle noch als Schulsprecher in Hogwarts erlebt. Tom Riddle aka Lord Voldemort suchte eine Allianz mit der Schwarzhundertschaft. Tristan schickte seinen Sohn nach Durmstrang, wo die Schwarzhundertschaft sehr aktiv war. Tristan wurde mit Antonin Dolohov gesichtet. Auf offener Straße, das warf Fragen auf. Wir rückten in Malfoy Manor an und wollten die Bude auf den Kopf stellen, wobei wir auf Lucius, der sich sehr sicher fühlte, und einen vollkommen verunsicherten Tristan trafen. Ich wurde provoziert und verlor die Nerven und Lucius machte gerade im richtigen Moment einen Schritt auf die Seite –
Stop! rief ich mich energisch zur Ordnung. Es war Irrsinn. Viel zu kompliziert, als dass irgendwer es planen konnte. Nicht einmal Lucius. Und dann das Motiv: welchen Grund konnte er gehabt haben, seinen Vater nicht nur umbringen zu lassen, sondern ihm auch noch das andere anzutun? Wozu Imperius? Ich schüttelte den Gedanken ab, ich hatte ihn bereits zu oft verfolgt.
„Gleich zehn? Geh lieber etwas vorsichtig um mit deinen Lebensjahren." riet ich Frank und ließ meinen Feuerwhiskey im Glas kreisen. „Du weißt nie, wieviele du noch zur freien Verfügung hast."
Er lächelte plötzlich mit Wärme. „Du wirst's nicht glauben. Eben das hab ich mir auch gesagt."
„Oh?"
„Und ich werd das beste aus dieser gewonnenen Erkenntnis machen. Ich hab Alice gefragt, ob sie mich heiraten will."
„Deine Freundin?"
„Mmh, seit acht Jahren schon."
„Ihr hab ja früh angefangen. Und sie hat ja gesagt?"
„Natürlich!" strahlte er. „Du kennst sie nicht, oder? Sie hat diesen Herbst erst mit der Ausbildung als Auror begonnen."
Ich lächelte schwach zurück. Es waren gefährliche Zeiten für einen Auror, eine Familie zu gründen. Wenn man jedoch einen anderen Auror heiratete, verdoppelte sich das Risiko, von einer Katastrophe heimgesucht zu werden.
„Wer noch begeisterter ist als wir, sind unsere Eltern." fuhr Frank fort. „Sie wollen uns unbedingt ein großes Fest mit allem nötigen Trara ausrichten. Und du musst natürlich auch kommen, Alastor..."
Ich lächelte über seinen Stimmungsumschwung. Aber der war das einzige, was mir ein Lächeln entlockte. Ich fühlte mich so alt, wie ich mich seit einer Ewigkeit nicht gefühlt hatte – alt und beladen mit krankmachenden Erinnerungen, ohne einen geliebten Menschen zu haben, der die Bürde mit mir tragen konnte. Die einzige Frau, die ich je geliebt hatte, hatte mir den jungen Lord Voldemort vorgezogen und ein unheilbareres Trauma davongetragen, als selbst der Aurorenberuf es verursachen konnte, so dass sie jetzt unerreichbar für mich war. Es sollte eben nicht sein. Neidisch schaute ich in Franks leuchtende Augen, hinter denen sein zukünftiges Glück bereits Bestand hatte.
Es war besser so für alle Beteiligten, das wusste ich. Ich war kein Mann, der für die Ehe oder auch nur für eine feste Beziehung geschaffen war. Schon als Hogwartsabgänger war ich zu hartgesotten und einzelgängerisch in meinen Gewohnheiten gewesen, um mich an jemand anders anpassen zu können. Und dann hatte ich mein Leben mit lauter gefahrvollen Schlachten verschwendet – ebenfalls keine gute Grundlage, glücklich zu werden.
Emmeline... Lass den Quatsch! rief ich mich energisch zur Ordnung. Sie hat ihr Leben, du hast deins und was könnte sie überhaupt von einem alten Knacker wie dir wollen? Wir schrieben uns hin und wieder, und sie war freundlich und lustig und schaffte es, mich aufzumuntern. Und das alles wäre gut und schön zu ertragen gewesen, wenn ich nicht in diesem Kasten festgesessen hätte, wenn die Sonne nicht so früh untergegangen und der Winter 1974/75 nicht so kalt gewesen wäre.
Ich starrte in mein Whiskeyglas und wünschte mir, ich würde mir nicht lauter unmögliche Dinge wünschen.
Author's Note: Merkt Euch diesen Satz von Minerva über Bellatrix: „Genügt es, wenn ich sage, der familiäre Hintergrund lässt ein wenig zu wünschen übrig?" Der wird noch wichtig! Umkehrzauber halte ich für eine immens bedeutsame Sache. Habt Ihr Euch nicht auch schon mal gefragt, warum Lily damals nicht einfach mit Harry übers Flohnetzwerk die Kurve gekratzt hat? Ist für mich die einzige Erklärung.
Nächstes Kapitel: Elterntag in Hogwarts, Sev und Alastor bekommen sehr angenehmen Besuch :), der Duellierclub veranstaltet ein Turnier und wir stolpern über einen alten Bekannten aus dem „Stein der Weisen", den ich persönlich immernoch für die faszinierendste Gerätschaft der ganzen magischen Welt halte.
