Disclaimer: ...
Author's Note: Tausend Dank an alle Reviewer!
Maia: Ja, nur noch ein Kapitel und der Epilog. Aber es gibt ja bald eine neue Geschichte :) Voraussichtlich Mitte August.
Amelie: freut mich, dass es überraschend kam. Ich hab lange überlegt, ob ich diese Nebenhandlung bereits hier enthüllen soll oder erst in der Sirius- Story. Ein bisschen davon kommt aber auch in „Fixsterne" vor.
Arwen: Danke, mach ich! Weißt du, es kommt ja noch der ganze Krieg – da hat das Verhältnis zwischen Severus und Alastor noch viel Zeit, so richtig schön frostig zu werden. Ich wollte auch Alastor noch nicht ganz so zeichnen, wie er in OotP drauf ist (oder sein Doppelgänger in GoF). Das muss sich erst über ein paar Jahre hinweg entwickeln.
Sepia: Ja, der Gute hat's nicht leicht, gell? Ich bin neugierig, was Du nach diesem Kapitel sagen wirst...
Cara: LOL Da soll noch einer sagen, beten bringt nix :):):) Hab ich Dir schon mal gesagt, dass ich auf Deine reviews fliege? Jetzt weißt Du's. Du stehst um 2 Uhr morgens auf zum Kirschenpflücken? Das ist allerdings heftig. Weißt Du, wie ich darauf gekommen bin? Nicht etwa, weil das logisch oder interessant wäre, sondern weil ich mal ein Foto von Christian Coulson (dem Tom-Riddle-Darsteller)irgendwo gesehen hab auf dem er die Augen so halbgeschlossen hat – das ist die Art, wie Bellas immer beschrieben werden, schwerlidrig. Und da fing ich an zu denken/fantasieren/spinnen und das ist das Ergebnis. Du, kritisier ruhig alles, was Du willst -nimmt reißaus vor der plötzlichen Lawine- ich kann mit konstruktiver Kritik leben. Das mit der Grippe denk ich mir nur so, wie sie damals bei den südamerikanischen Ureinwohnern zugeschlagen hat, die hatten auch keine Abwehrkräfte dagegen. Und hast Du schon mal mitgekriegt, dass in Hogwarts jemand krank wäre (also muggelmäßig krank)? Eben ;) ich auch nicht. Übrigens: aus Rücksicht auf Deine Reisepläne, werd ich den Epilog dann schon Mittwoch ins Netz stellen :)
Loony: Wie ich Sev zum Todesser werden lasse? Der ist schon fast dort. Abgesehen davon, dass es dort alles gibt, was er sich wünscht (Macht, seine Freunde, intellektuelle Herausforderungen) würde er sich jedem anschließen, der ihm die Wahrheit sagt über einen ganz bestimmte Sache - und das passiert in diesem Kapitel.
So. -blickt sich strahlend in der Runde um- Dieses ist der letzte Streich. Alles wird aufgeklärt in diesem Kapitel: was es mit Wicken Fen auf sich hat, warum es keine Fotos von Ada gibt, warum Sander Selbstmord begangen hat, und was Alastor denn nun eigentlich verbrochen hat, das er Sev nicht erzählen möchte. Ich kann's kaum erwarten, zu hören, was ihr denkt! Ich hoffe, Moodys Erinnerungen sind nicht so sehr wie eine Achterbahn geraten oder wenn doch, dass man ihnen trotzdem folgen kann. Man muss es wahrscheinlich sorgfältig lesen, um alles zu verstehen.
Übrigens: in diesem Kapitel wird die Szene aus OotP verarbeitet, die mich zu dieser ganzen Story inspiriert hat – und zwar die, wie Snapes Vater seine Mutter anschreit, während der kleine Severus weint. Alle gehen immer davon aus, dass sein Vater ein Psychopath war, der Mutter und Sohn gleichermaßen misshandelt hat, aber ich seh das etwas anders. In meiner Geschichte hatte er einen Grund auszurasten :) Seht selbst. Es ist schrecklich lang geworden.
17. Kapitel: Der dunkelste Tag
I'll protect you from the hooded claw, keep the vampires from your door... -- Franky Goes to Hollywood, The Power of Love
Ob nun zum Glück oder zum Unglück: wir waren noch nicht sehr weit fortgeschritten mit der Flasche, als wir gestört wurden. Der gesunde Menschenverstand sagte mir, dass ich mit zwei drei Gläschen intus Schritte von draußen hätte hören müssen oder das Klopfen an der Tür – oder die Tür selbst, die geöffnet worden war. Aber nichts da.
Die Art, wie Severus mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte, legte im Gegenteil nahe, dass er schon eine Weile da stand. Keiner von uns wartete ihm mit einer Begrüßung auf – Albus nicht, weil er vermutlich klüger war als ich und sofort verstand, was los war, und ich, weil ich zu beschäftigt war, das erste auszusprechen, was mir in den Sinn kam: „Wie kommst du hier herein?" Ich wäre doch bass erstaunt gewesen, wenn er das Passwort gekannt hätte oder die Sicherheitsmechanismen versagt hätten.
„Eine wirklich interessante Frage, Onkel Alastor. Die hätte von mir sein können." Eine blasse Hand griff in die schwarzen Untiefen seiner Schuluniform und förderte eine zerknitterte Fotografie zu Tage, die er mir umstandslos in den Schoß warf.
Ich hatte vergessen, wie niedlich er gewesen war als Kleinkind.
Auf dem Foto hatte er eben laufen gelernt. Sein seidiges schwarzes Haar, welches sich so sehr von dem fettigen Gestrüpp unterschied, das er heutzutage auf dem Kopf hatte, fiel mit jedem wackligen Schritt über den heimischen Holzfußboden in seine Stirn. Seine kleinen Arme reckten sich in die Luft, vermutlich noch einem Erwachsenen, der seine Gehversuche beobachtete. Daran war eigentlich noch nichts seltsames.
Und dann schwebte er. Es war kein Zauber, so viel würde jeder, der das Bild betrachtete mit einem Schauder vermerken. Jemand hatte ihn aufgefangen und hochgenommen, seine Ärmchen schlangen sich um eine andere Person. Eine Person, die auf dem Foto nicht zu sehen war.
„Warum musste ich es von ihm erfahren?"
Warum? fragte er. Wie ich es vorhergesehen hatte, dachte ich verschwommen. Immerhin, nun wussten wir, wie Voldemort die Zeit genutzt hatte, bevor er sich zu seinen Schergen gesellte. Tom hatte es ihm also gesagt. Und jetzt kam er zu mir und fragte warum...
„Alastor?"
Ich wandte mich um, nur um festzustellen, dass ich hinter der Sessellehne seinen Zauberstab entlangblickte. Eberesche, richtig. Schutz vor dem Bösen, wenn das nicht makaber war –
„Legilimens!"
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Severus' Griff war konzentriert und kraftvoll – als ob die Legilimentik ein Kunststück sei, das er zwar perfektioniert, aber nie ausgeführt hatte. Es ist typisch für Anfänger, das war mir in dem Moment klar, als die ersten Bilder vor meinem inneren Auge flimmerten: die frühen Erinnerungen sind am leichtesten zugänglich. Und je stärkeren Eindruck sie auf den gemacht haben, dem sie gehören, desto leichter ist es, sie herauszugreifen. Warum zum Teufel konnte ich, der ich doch erprobt war mit solchen Dingen, mich dann nicht befreien?
Genügt es, wenn ich sage, dass Severus Snape ein mächtiger Zauberer ist?
Ich war 10. Mein Vater platzte ins Kinderzimmer, eines schönen Frühlingstages kurz vor meiner Einschulung, als Ada und ich dort spielten. „Le diable est de retour!" stammelte er, besann sich dann jedoch darauf, dass wir wieder Englisch sprechen sollten, wenn wir Frankreich verlassen und nach Hause zurückkehren mussten, weil Grindelwald und seine Horden im Anmarsch waren. „The devil is back! We are going home!" So begann das Leben.
Der Hogwartsexpress rauschte durch die herrliche Landschaft des Lake District.
„Mein Name ist Tom."
„Mein Name ist Alastor."
Ich saß unter dem Sprechenden Hut und hörte gebannt zu, wie er mir erzählte, es gäbe nur ein Haus, das mir gerecht würde.
Nathan Potter hielt die Willkommensrede im Gemeinschaftsraum. „Ihr wisst, der Dunkle Lord Grindelwald... Aber solange wir Dumbledore hier haben..."
Mein Finger schlossen sich um den Quaffel, als ich zu dem Wurf ausholte, der mich in die Gryffindorhausmannschaft bringen sollte.
„Kein Kontakt zum Kontinent seit Wochen... Lage offenbar verzweifelt... schlimmstes Massaker seit Kriegsbeginn..."
„Feinde des Erben, nehmt euch in Acht!"
„Es war nicht Aragog! Er würde nie..."
„La-Roche-des-Fées letzte Nacht... 38 Tote... unsere letzte Bastion in Nordfrankreich..."
„Ach und, Alastor? Wir haben deine Schwester in der Siedlung gefunden. Sie lebt."
Noch einmal schoss die trunkene Euphorie, die ich bei diesen Worten empfunden hatte, durch meine Nerven, und ich wusste, dass Tränen in meinen Augen standen.
„Du hast mir gar nichts zu sagen, du dreckiges Halbblut!"
„Ich habe wohl tatsächlich ein Auge für Familienähnlichkeit. Manchmal erschreckt es mich sogar, wenn sich herausstellt, dass ich mit einer Ahnung recht hatte."
Der Nachthimmel über Hogwarts glühte, widerstrahlte vom scharlachroten Schein des Feuers, das den Verbotenen Wald heimsuchte, und wir, die wir mit gezückten Zuaberstäben an den Zinnen standen, wusste, jetzt war der Krieg da.
Tom nahm Minnies Gesicht in die Hände und küsste sie rasch und zärtlich auf den Mund. Schneeflocken schmolzen in ihrer beider dunklem Haar. „Wir haben Hogwarts, das wir verteidigen – und die haben nichts als Hass."Grindelwald richtete den Zauberstab auf Tom. „Würdest du ihn opfern, Albus?"
Minnie schrie meinen Namen, als Teile der Hallendecke auf uns herunterfielen. Meine Ohnmacht war wie der Tod.
Meine Finger schlossen sich mit eisernem Griff um Dumbledores, als Elisabeth Grindelwalds Urteil vor dem Wizengamot verkündet wurde. „Lasst mich," flüsterte unser stellvertretender Schulleiter und presste die Augen zusammen. „Ich darf nicht schwach werden."
„Hier schon." versicherte Minnie und legte die Arme um ihn.
Ich fühlte seine stolzen Augen auf mir, als ich den Eid ablegte, der mich in die Aurorenakademie aufnahm, und wünschte, meine Eltern wären dagewesen, um es zu sehen.
Niemand außer mir hätte es so einfach fertiggebracht, die Hochzeit seiner Schwester fast zu verschlafen. Niemand außer einem überarbeiteten, unterbezahlten Auror, der sich schon 1958 den Mund fusselig redete, dass die Vampire eine Bedrohung darstellten, und dessen Vorgesetzte nicht auf ihn hören wollten.
„Ich, Alexander, nehme dich, Ada..."
„Tom!"
„Ella!" Eine einarmige Umarmung unter alten Schulfreunden. „Wir hörten, du wärst in Indien gewesen oder sonstwo." Sie hielt seine Hände in ihren. Die langfingrigen Hände, die ihre Tochter später haben sollte.
„Vampirjägerin?" fragte ich. Es war der letzte Beruf, in dem ich mir Ada vorstellen konnte.
„Wieso nicht?" Sie verputzte noch ein Stück von der Hochzeitstorte. „Ihr könnt mich doch gebrauchen, ich weiß so viel darüber, schließlich habe ich Vampire jahrelang studiert."
Sie war die Beste von uns allen. Furchtlos und schnell, eine wandelnde Enzyklopädie des Vampirismus. Das Land ertrank in Blut damals, aber ich konnte sehenden Auges in die Gefahr laufen, weil ich wusste, dass meine Schwester immer einen Schritt hinter mir war. Später – viel später – kam mir der Gedanke, dass ihrer Faszination für ihre Studienobjekte etwas Ungesundes anhaftete.
Ich kämpfte. Vergebens. Er war stärker als ich. Die Zeit in meiner Erinnerung raste auf den Punkt zu, der Sev interesierte.
Und da waren wir. 10. Februar 1966.
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Der Westen war befriedet. Nach Jahren der blutigen Auseinandersetzung glaubte ich endlich zu sehen, dass wir Fortschritte machten und unsere Arbeit tatsächlich einen Sinn hatte. Das Hochgefühl verließ mich, als ich erfuhr, wem unsere Schreibtischermittler in der Zwischenzeit auf der Spur waren.
Oh, sie kamen nicht einfach auf mich zu und sagten: Pass mal auf, Alastor. Wir haben begründeten Verdacht, dass deine Schwester eine von ihnen ist. Sie zählten mir die nüchternen Fakten auf. Sie entwickelten eine Beweiskette vor meinen Augen, bis ich von allein den einzig möglichen Rückschluss ziehen konnte.
Ada.
Es war als wäre ich einen dunklen Gang entlanggekrochen, die Augen so stur auf das Licht an seinem Ende gerichtet, dass ich meine Schwester, die in einer Seitennische kauerte und meine Anstrengungen belächelte, übersehen hatte. Seltsam, dass ich nicht auf alle logischen Schlussfolgerungen pfiff und sie verteidigte. Aber ich kannte ja den Grund.
Slytherin. Die verdammte Unsterblichkeit. Wenn Menschen zu Vampiren werden, werden sie untot, und wenn sie untot sind – sind sie unsterblich. Und sie hatte tagtäglich mit ihnen zu tun gehabt, sie genau studiert, sie vermutlich besser gekannt, als sie sich selbst. Was lag näher, als die Vereinigung ganz zu vollziehen. Alles im Sinne der Wissenschaft natürlich. Ich hatte keinen Zweifel. Genau der richtige Kick für meine Schwester...
„Gehen wir." sagte ich, ohne meine Kollegen aus meinen brennenden, trockenen Augen anzusehen.
Schnee lag auf den Feldern von Wicken Fen. Niemand hatte gewagt, mir zu widersprechen, mich von dem wahnwitzigen Vorhaben abzubringen, direkt in die Kolonien vorzudringen. Ich war nicht bei mir, das würde mich teuer zu stehen kommen. Der Schock machte mich blind und taub für alles, was um mich vorging. Die Mühle lag kalt und dunkel vor uns im Licht des Wintermorgens, doch ich wusste einfach, dass sie da drinnen waren und –
– etwas geschah in diesem Moment mit dem Fluch, den er mir aufgebürdet hatte. Vielleicht war es der starke Eindruck der von uns geteilten Erinnerung. Unser Eindringen in sein Elternhaus, da musste sich etwas mit seinen eigenen Erinnerungen, die so lange verschüttet gewesen waren, überschneiden. Ich kam nicht dazu, darüber nachzudenken, was sie wiederbelebt hatte. Ich sah Sevs Schwarzaugen sekundenlang vor meinem inneren Auge aufblitzen und dann... tauchte ich ein in eine Erinnerung, die nicht die meine sein konnte.
Ich hörte meine eigene Stimme – „Alohomora!" – aber mit seinen Ohren und von der anderen Seite der Tür, die uns damals getrennt hatte. Der Raum war dunkel. Ich sah Sander mit dem Rücken zu besagter Tür stehen, wie er es getan haben musste, als wir hereinkamen. Von offensichtlicher Erregung getrieben, machte er einen Schritt auf Ada zu, die vor ihm am Boden kauerte. „War es das, was du wolltest?" schrie er sie an. Sie bedeckte das Gesicht mit der Hand. Nun konnte ich Sev sehen, der mit angezogenen Knien in einer Ecke des Zimmers hockte, ganz zitternde Glieder und tränenüberströmtes Gesicht. Er riss die Augen angstvoll auf –
– als ich mich vor der Tür wiederfand und meinen Kollegen Anweisungen gab, den Verschlusszauber auszuschalten, da ich mich selbst im Moment außerstande sah, professionell vorzugehen. Meine Hände zitterten zu stark –
– Severus blickte verstört auf seine Eltern. Sander hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Ada kniete vor ihm, blutige Tränen standen in ihren Augen. „Dein Leben lang wirst du gegen die Netze aus Pflicht und Unterdrückung ankämpfen, die dich gefangenhalten, und nie etwas damit erreichen. Aber du wirst leben, alle fallen zu sehen, die dich je gequält haben." Sie streckte die Hand aus, um ihren Sohn ein letztes Mal zu berühren, doch Sander schrie sie an „Geh doch endlich!" und –
– sie war fort, das war mir augenblicklich klar, als ich das Haus betrat. „Fort, Moody." sagte Sander leise. Seine gefasste Stimme stand in einem seltsamen Gegensatz zu der schmerzhaften Erregung in Sevs Erinnerung. Meine Kollegen suchten das Haus ab und wir waren alle so konzentriert darauf, Sander in Schach zu verhalten, falls er irgendwas versuchen sollte, dass wir die kleine dunkelhaarige Gestalt, die sich an uns vorbeischlängelte und zur Tür hinauswitschte, zu spät bemerkten. „Severus!" wollte Sander rufen, doch es kam als ein Krächzen heraus –
– aber Sev hatte ihn trotzdem gehört. Seine kleinen, leichten Füße trugen ihn rasch über die verschneiten Felder. Er kam viel besser voran als ich, der hinter ihm herkeuchte –
– „Ihr werdet immer erst klug, wenn ihr eure eigenen Eingweide oder die eurer Kinder im Dreck liegen seht!" zischte ich Sander an. Ich hielt ihn beim Kragen gepackt, bevor ich ihn angewidert von mir schleuderte und meinem Neffen aus der Tür folgte. Ich war überrascht, was für eine Strecke er bereits zurückgelegt hatte. Er wandte sich um –
– das Blut donnerte in seinen Ohren. Er wusste nicht, wohin er lief. So viel entnahm ich jetzt seiner Erinnerung, aber damals war ich ganz und gar nicht überzeugt, dass er nicht ein ganz bestimmtes Ziel hatte. Wohin ich ihm nicht folgen konnte. Aber er hatte wirklich nicht gewusst, was ihn erwartete, als den kleinen Hain erreichte –
– und auf dem schneebedeckten Hügel verhielt. Ich holte ihn ein, schlang einen Arm um ihn und hob ihn hoch. Der zarte kleine Körper wog nicht schwer. Und dann sah ich, was ihn gestoppt hatte.
Von der erneut durchlebten Panik, verstärkt durch die Angst und das Entsetzen in Sevs Erinnerung, trat mir der kalte Schweiß auf die Haut. Sie standen in einem Halbkreis unter den Bäumen, in ihre dunklen Kapuzengewänder gehüllt. Die fahle Haut und die glühenden Augen waren nicht zu sehen, ebensowenig die knochigen Gliedmaßen und die spitzen Zähne unter den blassen Lippen. Sev hing reglos in meinen Armen.
Ich war nicht einmal in der Lage, meinen Zauberstab zur Hand zu nehmen, als der Anführer der... Wesen eine knochenbleiche, zum Verhungern schlanke Hand hob wie in einer einladenden Geste. Die an das Kind gerichtet war. Ich verstärkte meinen Griff um meinen Neffen. Der Vampir nahm es mit Missfallen zur Kenntnis.
„Gib uns das Kind!" zischelte er. „Es ist unser!"
„Nein!" keuchte ich und hob endlich meinen Zauberstab, auch wenn ich wusste, dass er wenig von Nutzen sein würde. Sie machten jedoch keine Anstalten, auf uns zuzukommen und mir das Kind mit Gewalt wegzunehmen. Wie auf ein geheimes Signal hin richteten sie ihre Blicke unter den schwarzen Kapuzen hervor auf etwas links hinter mir, das ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.
Der Sprecher bewegte die noch immer ausgestreckte Hand als wenn er etwas streicheln wolle. Und die Art wie Sev zusammenzuckte, ließ mich denken, dass er das auf irgendeine Art spüren konnte.
„Wir sehen uns wieder – Halbblut!"
Sie disapparierten von einem Moment auf den anderen. Halbblut, dachte ich, während hinter mir die anderen Auroren nach mir brüllten. Das konnte nicht sein.
Ich wusste nicht, wie lange meine Schwester bereits eine von ihnen war – sie sah nicht wesentlich anders aus als früher. Adas Verwandlung war ein Experiment gewesen, sie hatte sie dahingehend beeinflusst, dass ihr ihr menschliches Äußeres erhalten geblieben war. Aber auf keinen Fall war sie vor der Geburt ihres Sohnes ein Vampir geworden. Vampire können nicht empfangen und gebären. Es musste später gewesen sein, es sei denn... Ich fasste Sev etwas bequemer und trug ihn zurück zur Mühle.
Es sei denn, sie hatte die Bluttaufe während ihrer Schwangerschaft vollzogen. Und das Kind hatte durch irgendein seltsames Geschick den traumatischen Eingriff überlebt. Wenn das stimmte, war Severus Snape das Ergebnis der vermutlich ersten Kreuzung zwischen Mensch und Vampir. Und das wäre ein Grund, erkannte ich augenblicklich, für die letzte verbleibende Vampirkolonie, ihn unbedingt haben zu wollen.
Bei der Mühle führten sie Sander gerade fort und bei dem Anblick kam Leben in das kleine Bündel auf meinem Arm. Er wehrte sich gegen meinen Griff und kämpfte um freizukommen. „Dad!"
Seine Augen trafen Sanders für einen zeitlosen Moment, dann zogen sie seinen Vater fort. Ich musste Sev auf den Boden stellen, als er begann mich zu treten, ließ ihn jedoch nicht gehen.
„Ich will zu meinem Vater!" schrie er mich an. Unerbittlich hielt ich seinen Arm gepackt. Seine Augen bohrten sich in meine. Tiefschwarz und furchtlos. Unergründlich. Andersweltlich.
Und da begriff ich, dass er damals mit sechs Jahren meine Gedanken hatte lesen können, als sei ich ein offenes Buch für ihn. Er hat gesehen, dass ich für den Bruchteil einer Sekunde dachte, er sei vielleicht doch den anderen zuzurechnen. Dass die Vampire mehr Anrecht auf ihn hatten als wir.
Ich fühlte erneut Severus' Griff um meine Erinnerungen. Er suchte etwas Bestimmtes. Die Geschichte war hiermit noch nicht zuende, er wusste das. Ich wehrte mich. Er durfte das nicht sehen. Ich war so erleichtert gewesen, dass er das nicht hatte mitansehen müssen. Aber jetzt...
Es war später an jenem Tag. Ich saß in der Aurorenzentrale, unruhig wie eine Katze, der die Maus geradenoch entwischt ist. „Es hat keinen Sinn mehr, Alastor." sagte Algie leise. „Sie ist vermutlich bereits außer Landes."
Ich glaubte das nicht. Wir hatten zwei Dinge hier, die sie wollte. Sie wollte diese beiden ebenso sehr wie ihr Unsterblichkeitsexperiment, das bewies die Tatsache, dass sie alles getan haben musste, um das Kind in ihrem Leib durch die Bluttaufe hindurch am Leben zu halten. Und Sander... Ja, ich kannte meine Schwester. Sie war nur gegangen, um ihn nicht in Gefahr zu bringen.
Mit diesem Gedanken reifte der Plan in mir. Was hatte ich in meinem Herzen, als ich mich über den Tisch beugte und begann: „Hört zu –"
Und sie taten es. Zu unser aller Unglück hörten sie auf mich.
Am nächsten Tag war in allen Zeitungen zu lesen, dass Alexander Snape zum Kuss des Dementors verurteilt worden war und dass die Strafe innerhalb der nächsten drei Tage vollzogen werden sollte. Ich wusste, wenn Ada das hörte, würde sie sich stellen. Und dann würden wir mit ihr machen, was wir mit so vielen von ihnen während dieses Krieges gemacht hatten und was die althergbrachte und tatsächlich einzige Methode war, mit einem Vampir fertig zu werden. Meine Schwester wissentlich zu diesem Schicksal zu verurteilen, mit einem solchen Winkelzug auch noch, durch Erpressung, das Leben meines Schwagers bedrohend – was hatte ich in meinem Herzen? Ich kannte die Antwort nicht und Sev würde sie in meiner Erinnerung nicht finden.
Nur eins hatte ich nicht miteinkalkuliert: dass Sander etwas von unserem Plan erfahren könnte. Er wusste, dass wir ihn nicht so einfach von einem Dementor küssen lassen konnten. Es musste also eine List sein, um Ada einzufangen. Und aus diesem Dilemma sah er nur einen Ausweg.
Vage wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass Severus mich anschrie.
„Weil er sie geliebt hat! Weil er sie so sehr geliebt hat, dass er sein eigenes Leben geopfert hat, um sie zu beschützen!"
Ja, Sev, jetzt weißt du's. Kein Nachtschattengewächs, keine Missgeburt, sondern der Spross von tapferen Menschen bist du, die stur waren und wussten, was sie taten – bis in den Tod.
„Du hast gedacht, meine Eltern wären berechenbar, nicht wahr? Dass du nur Sander mit dem Kuss bedrohen müsstest, damit Ada sich freiwillig stellt."
Und so war es auch. Ich wusste nicht, wo oder wie sie davon erfahren hatte, aber sie kehrte um. Sie setzte alles aufs Spiel, um ihren Mann zu retten und kam zu spät. Aber wir hatten sie trotzdem erwischt. Und sie hatte das für Vampire typische Ende gefunden. Ich hatte es nicht mit angesehen. Dazu fehlte mir der Mut. Aber ich hatte es mir vorgestellt. Ich wusste, wie es passiert war, als wäre ich dabei gewesen.
Ich hörte Ada in meiner Erinnerung schreien. Ihre fassungslosen Schwarzaugen, denen von Severus so ähnlich, als ihr klar würde, dass ich es wirklich übers Herz brachte. Dass ich wirklich meine kleine Schwester, das letzte noch lebende Mitglied meiner Familie, solch einem grauenvollen Tod ausliefern würde. Ich sah mich selbst, durch meine oder Sevs Augen, wie ich mich von meiner Schwester abwandte. Weil ich das nicht länger mitansehen konnte. Weil ich schwach war. Weil ich feige war.
Ihren Blick hatte ich verdrängt, aber jetzt – elf Jahre später – loderte mir der gerechte Zorn aus den Augen ihres einzigen Kindes entgegen. Und es gab nichts, was ich sagen konnte zu meiner Verteidigung, außer –
„Aus Liebe," hörte ich meine eigene Stimme wie ein weitentferntes Echo. „Um dich zu beschützen. Ich habe alles aus Liebe getan."
Das tat's augenscheinlich.
„Crucio!"
Ich hätte den Fluch nicht abwehren können, selbst wenn ich es gewollt hätte, aber das stellte sich sowieso als überflüssig heraus. James Potter hatte sich keine Sekunde zu früh dazwischengeworfen und als der Fluch an einem Bücherregal unmittelbar links von mir abprallte, konnte ich sehen, dass er Severus' Arm abgelenkt hatte und ihn immer noch fest umklammert hielt. Mein Neffe starrte mich unverwandt an, doch seine Worte richteten sich an den Jungen, der ihn festhielt.
„Könntest du mich ein einziges Mal meine Angelegenheiten selbst regeln lassen, Potter?"
„Es könnten mal jemand ernsthaft zu Schaden kommen, wenn ich dich das tun lasse."gab der Angesprochene zurück. „Bin ich nicht verantwortlich für das, was du tust, weil du ohne mich längst tot wärst?" Ich fragte mich, wann er herein gekommen war, wieviel von den Erkenntnissen dieser Nacht wir laut ausgesprochen hatten und was er nun wusste. Doch was immer es war, dachte ich, es ließ ihn nicht vor Severus zurückschrecken. Natürlich nicht. Wer einen Werwolf zu seinen engsten Freunden zählt, kommt auch mit einem Halbvampir als Lieblingsfeind zurecht.
Severus' Augen brannten mir ein Loch in die Stirn. Ich konnte sehen, wie er zitterte und wie James seinen Griff verstärkte, als befürchtete er einen neuerlichen Anschlag auf meine Sicherheit. Ich wusste es besser. Als er sprach, war Severus' Stimme leise und eisig, vollkommen im Gegensatz zu dem weißglühenden Zorn von vorhin.
„Du hast sie ermordet, als hättest du selbst Hand an sie gelegt. Stirb, Moody, ich verdamme dich! Ich will, dass du verreckst!" Er drehte sich zu Dumbledore um. „Und dich verdamme ich auch, du sadistischer alter Mann! Du hast mich ihm gegeben, obwohl du genau wusstest, was er mir angetan hat."
Ich sog entsetzt den Atem ein, als ich Albus anschaute. Die aschgraue Erschöpfung auf seinem Gesicht setzte mir mehr zu als alles andere. Er war so still gewesen während dieser Unterredung (wenn man sie als solche bezeichnen konnte), hatte nicht einmal versucht, Severus davon abzubringen, in meinem Erinnerungen herumzustochern. Oder ihn daran zu hindern, mir einen Unverzeihlichen Fluch auf den Hals zu jagen.
Ich war deswegen nicht wütend, ich konnte es nachempfinden. Wenn es irgenwie möglich gewesen wäre, hätte ich es ihm erspart, das hier mitzuerleben. Er hätte das nicht mitansehen sollen. Und er hätte nicht hören sollen, wie Severus im Zorn von ihm sprach... oder vielleicht war es wirklich das, was der Junge von uns dachte. Ich wusste es nicht.
Ich war so entsetzlich müde. Der Angriff auf meine Erinnerungen hatte mich kraftlos zurückgelassen. Ich hatte diesen Tag so lange gefürchtet, mein Leben war so lange darauf ausgerichtet gewesen. Es kam mir völlig unwirklich vor, dass ich mich jetzt mitten in diesem Geschehen befand.
Ich versuchte es mir bildlich vorzustellen. Severus und der Dunkle Lord. Ein finsterer Raum mit einem Kaminfeuer. Voldemort sitzt und Severus steht. Und sie reden über alte Zeiten.
Du weißt, dass deine Eltern in ihrem Testament jemanden vermerkt haben, der sich um dich kümmern soll. Und dass es nicht Alastor Moody war, wird Voldemort gesagt haben.
Meinen Paten, wird Severus geantwortet haben. Thomas Riddle.
Ja.
Severus wandte den Kopf, so dass er James Potter direkt ins Auge sah, und der ließ ihn gehen, ohne dass er ihn dazu auffordern musste. Er verstaute seinen Zauberstab mit einer fließenden Bewegung. Seine Selbstkontrolle schien den Ausbruch von vorhin Lügen zu strafen.
Aber man hat seit vielen Jahren nichts von ihm gehört, wird es weiter gegangen sein. Er soll im Ausland leben, ich weiß nicht, was er macht. Ichhab ihn nie kennengelernt.
Voldemort wird gelächelt haben. Vielleicht. Oh, er hat lange Zeit im Ausland gelebt. Vor ein paar Jahren jedoch ist er zurück nach England gekommen, das weiß ich sicher. Er hat hier zu tun.
An der Tür standen sie sich einen Moment gegenüber und ich konnte Severus' Worte mitanhören. „Willst du wirklich verantwortlich zeichnen für alles, was ich in meinem Leben noch tun werde?"
James Potter nickte bloß. „Das ist keine Frage des Wollens. Ich bin an meine Taten gebunden, genauso wie du."
Und er hat nach dir gesehen, an jedem Tag, seit er wieder zurück ist. Er hat von fern über dich gewacht.
Severus lachte hässlich. „Du wirst beschäftigt sein in den nächsten Jahren, Potter."
Mit diesen Worten war er aus der Tür. Unterwegs in die Kerker, in den Slytheringemeinschaftsraum, zu Bellatrix, zu Voldemort, zur Hölle? Ich wusste es nicht.
Severus. Ich bin Tom Riddle.
James stand einen Moment da und schüttelte nur den Kopf, als könnte er nicht glauben, was er da alles am heutigen Abend gehört hatte, bevor er Severus zur Tür hinaus folgte. Was immer er hier gesucht hatte, es war vergessen. Oder war er überhaupt nur deswegen hier aufgekreuzt, um Severus vor einer Dummheit zu bewahren? Ich wusste zu wenig über die Gesetze einer Lebensschuld, um das Phänomen, dessen ich eben Zeuge geworden war, zu erklären.
Willkommen daheim.
Ich wusste nur, alles hatte sich entwickelt, wie ich es immer befürchtet hatte. Und heute Abend hatte Severus schließlich den letzten Schritt getan auf dem Weg, den ich ihm vorgezeichnet hatte, ohne es zu wollen, das erkannte ich in diesem Moment. Ohne es zu wollen, hatte ich in mit meinen Ängsten, meinen Befürchtungen, meinem Misstrauen, meiner Geringschätzung genau an diesen Punkt gebracht. Self-fulfilling prophecy.
Ich könnte nicht sagen, wie lange wir so dasaßen, Albus und ich. Ohne uns anzusehen, ohne zu sprechen. Jeder in seine eigenen Gedanken verstrickt. Ich weiß nur, es dauerte sehr lange, bis ich die Kraft fand, von meinem Sessel aufzustehen, zur Tür hinübergehen und sie zu schließen.
Author's Note: Feedback in jeder Form erwünscht :) Wir sehn uns Mi für den Epilog.
Übrigens: wenn sich jemand wundert, warum Ada blutige Tränen weint - das hab ich aus dem ganz tollen Vampirroman "Nachtblau" von Kester Schlenz. Absolut lesenswert.
