4 Ein schwieriges Unterfangen

Draco erwachte mit einem bisher vollkommen unbekannten glücklichen und friedvollen Gefühl. Als er sich gähnend aufsetzten wollte, merkte er, dass jemand halb auf ihm lag und er sich nicht bewegen konnte, ohne die andere Person aufzuwecken. Er öffnete seine Augen und musste unwillkürlich lächeln, als er sah wie Harry sich an ihn geschmiegt hatte. Der Gryffindor hatte ein Bein über Dracos Oberschenkel gelegt und beide Arme um seinen Freund geschlungen, während sein Kopf auf dem Brustkorb des Slytherin ruhte. Die schwarzen, schulterlangen Haare waren vollkommen zersaust und sahen aus wie ein besonders strubbeliger Wischmop, der es unmöglich machte, das Gesicht des schlafenden Jungen zu erkennen.

Harry hatte gerade einen seiner typischen Alpträume über Voldemort und befand sich in einem Kerker, der eine düstere und beklemmende Atmosphäre ausstrahlte. Die paar Fackeln an den Wänden und ihr flackernder Feuerschein unterstrichen das Ganze nur noch. Dieses Verlies war eindeutig ein Folterkeller und er war wieder in Betrieb. An den Wänden befanden sich schwere, rostige Eisenringe.

Es waren drei Menschen dort festgekettet, drei Muggel um genau zu sein, die halb bewusstlos von den Qualen der vorhergegangenen Folter in ihren schweren Fesseln hingen. Es waren zwei Männer und eine Frau, die noch sehr jung war, fast noch ein Kind, wahrscheinlich sogar jünger als Harry.

Voldemort war in Hochstimmung und genoss die Qualen seiner Opfer, was unser träumender Gryffindor genau spüren konnte, da er mal wieder alles durch Riddles Augen wahrnahm. Voldemort hob seinen Zauberstab und sprach zischend wie eine übergroße Schlange das Wort, das Harry mittlerweile am meisten hasste: "Crucio".

Das Mädchen begann unkontrolliert zu schreien und zu zucken, als der Fluch sie in den Unterleib traf. Blut floss ihre nackten Beine herab wie ein nie enden wollendes Rinnsal. Als Voldemort sein grausames Spiel beendete, schrie das Mädchen immer weiter und krümmte sich vor Schmerz zusammen, soweit es ihre Fesseln zuließen. Tränen liefen unaufhaltsam ihre blassen Wangen herab. Sie stöhnte leise, fast kraftlos: "Mein Kind..."

Harry spürte Voldemorts grausame Zufriedenheit und seine sadistische Erregung und konnte es kaum noch ertragen.

Draco, der sonst eher morgenmuffelig war und Ewigkeiten brauchte, um richtig wach zu werden, fühlte sich hellwach und verspürte den Drang einfach loszulachen. Für den Slytherin absolut untypisch grinste er leise kichernd über das ganze Gesicht und strich vorsichtig mit seiner freien Hand über das zersauste Haar des Gryffindor. Harry stöhnte leise im Schlaf auf. Plötzlich schreckte er wild um sich guckend hoch.

Der blonde Slytherin hatte sich über die vollkommen unerwartete Situation ebenfalls erschreckt und versuchte den anderen Jungen mit sanfter Stimme zu beruhigen: "Hey Harry, alles in Ordnung. Ich wollte dich nur vorsichtig wecken, damit ich mich wieder bewegen kann."

Harry atmete tief durch und entgegnete mit nun noch heiserer Stimme als am Abend zuvor: "Tu das nie wieder, Draco. Sprich mich bitte an, bevor du mich berührst. Wenn ich schlafe, kann ich ziemlich schreckhaft sein und das kann ins Auge gehen. Ähm, 'tschuldigung falls ich nach dir geschlagen habe."

Draco versicherte sofort: "Du musst dich für nichts entschuldigen. Ist gar nichts passiert. Ich hab mich nur erschreckt, weil du so plötzlich fast senkrecht im Bett gestanden hast."

Der Gryffindor machte ein ziemlich verlegenes Gesicht und legte sich wieder neben den anderen Jungen, der ihn fragend ansah. "Hast du schlecht geträumt?"

Harry hingen schon wieder die Haare in die Augen, so dass man den Ausdruck in seinem Gesicht nicht richtig deuten konnte, als er sich räuspernd antwortete: "Nein, es war gar nichts weiter. Ich bin nur schreckhaft, wenn ich schlafe."

Draco war die ganze Angelegenheit ziemlich suspekt. Er zweifelte daran, dass Harry ihm die ganze Wahrheit erzählte. Wenn er die ganzen Gerüchte über Gryffindors Wunderknaben und seine Alpträume über den Unnennbaren mit in Betracht zog, dann lag er mit seiner Vermutung gar nicht mal so falsch.

Draco gab sich nicht so leicht geschlagen und bohrte hartnäckig weiter: "Aber du hast im Schlaf gestöhnt, bevor du wie von tausend Furien gehetzt aufgeschreckt bist. Du solltest wirklich mit jemandem reden, wenn du Albträume hast."

Harry seufzte entnervt und gab gereizt zurück: "Ich komme schon damit klar. Ich habe keine Lust mehr, ständig darüber zu reden. Alle wollen immer nur wissen was Voldemort plant und was passiert ist. Oh ich bin es so leid darüber zu reden. Ich bin nur ein Mensch und keine Präzisionsmaschine, die immer gerade die gewünschte Auskunft geben kann."

Draco sah den anderen Jungen sowohl besorgt als auch erstaunt an und konnte sich nicht verkneifen zu fragen: "Soll das heißen, du träumst, was Du-Weißt-Schon-Wer plant?"

Harry zuckte abwehrend mit den Schultern und sagte mit einem sarkastischen Unterton: "Nein, lediglich das, was er gerade in dem Moment tut und auch nur wenn er zu beschäftigt ist sich abzuschirmen oder es mir zeigen will. Wenn er ganz gut drauf ist, dann macht er mir auch was vor, um mich zu täuschen und zu manipulieren."

Der Slytherin pfiff durch die Zähne und hauchte: "Das hört sich ganz nach Legilmentik an. Lucius hat mal so was erwähnt."

Harry starrte einen Augenblick lang vollkommen abwesend ins Leere und Draco fiel auf wie blass er war und dass er ganz verschwitzt aussah, als hätte er Fieber. Der Slytherin fragte Harry: "Fühlst du dich krank?" Dieser antwortete mit leicht gepresster Stimme: "Mir ist schlecht und ich habe Kopfschmerzen."

Harry rieb sich müde über die Augen und massierte anschließend vorsichtig seine Schläfen, während er bewusst tief einatmete, um seine Übelkeit zu vertreiben. Er kämpfte mit aller Macht gegen den Impuls an, aufzuspringen und zum Waschbecken zu laufen, um seinen Mageninhalt dort auszuleeren. Nein, er würde sich jetzt nicht übergeben und damit seine Schwäche demonstrieren, auf gar keinen Fall. Ganz langsam ebbte die übliche Übelkeitswelle, die einem solchen Traum folgte, wieder ab.

Harry begann sich besser zu fühlen. Plötzlich wurde ihm bewusst, wo er war und vor allen Dingen neben wem er soeben nackt aufgewacht war. Die ganze Situation wurde ihm erst jetzt richtig klar. Er errötete angesichts seiner Nacktheit ein wenig.

Draco hatte Harry die ganze Zeit über genauestens beobachtet und fühlte in sich einen Anflug von aufsteigender Panik. Was, wenn es sich der andere Junge nun anders überlegte? Wenn es ihm peinlich war oder noch viel schlimmer: Er ihn immer noch hasste und nur, weil er so niedergeschlagen gewesen war, auf dieses Spiel eingegangen ist?

Aber dies war kein Spiel und Harry machte auch keine Anstalten zu fliehen. Als hätte er seine Gedanken gelesen, flüsterte Harry: "Wir müssen noch eine Menge zwischen uns klären. Es ist viel passiert in den letzten Jahren, aber lass uns einfach noch mal von vorne anfangen." Draco atmete erleichtert auf und blickte ihm fest in die Augen: "Ich bin so froh darüber, dich getroffen zu haben. Ich war ein ziemlicher Idiot dir gegenüber. Mein Vater hat mein ganzes Leben für mich verplant. Dieses ständige Verstellen und Kämpfen um das kleinste bisschen Aufmerksamkeit..."

Die beiden sahen sich immer noch in die Augen und spürten dabei, dass es dem Anderen vollkommen ernst war: Sie würden sich dem was jetzt folgt stellen, auch wenn das keine leichte Aufgabe sein wird. Nach einem Moment des Schweigens brach Harry schließlich die Stille und fragte mit einem schüchternen Lächeln: "Kannst du mir eure Duschräume und die Toiletten zeigen?"

Draco grinste über diese irgendwie gar nicht zu seinem Heldenimage passende Schüchternheit. "Zieh dir schnell was über und lass uns gehen. Das war sowieso mein Plan für die nächste halbe Stunde. Die Duschen sind jetzt um diese Zeit noch relativ leer. Man schafft es tatsächlich, bis zum Schluss noch warmes Wasser zu haben."

Das Grinsen erwidernd richtete sich Harry auf, angelte nach seinen Boxershorts und seiner Schlafanzughose, während Draco bereits seine Boxershorts überzog, nach einem riesigen grünen Handtuch mit dem Slytherinsymbol darauf griff und es sich um die Hüften wickelte.

Harry stand nun in seidener Pyjamahose neben dem Bett und suchte ziemlich erfolglos sein Oberteil. Draco zog ihn auf: "Aha, unser Wunderknabe ist schüchtern. Geh doch ohne Oberteil. Spätestens in der Dusche musst du dich sowieso ausziehen."

Der Gryffindor seufzte spielerisch und entgegnete mit einem erneuten Anflug von Sarkasmus: "Du übernimmst die Verantwortung, wenn alle vor einem halbnackten Gryffindor davonlaufen und den Schock fürs Leben bekommen."

Draco kicherte und prustete belustigt: "Nicht so viel Optimismus, mein mutiger Löwe. Ich wette, die meisten würden dich am liebsten ganz nackt sehen und dich anspringen."

Harry zog eine Grimasse und konterte: "Wann denkst du mal nicht an Sex? Ich hatte eher auf die Tatsache angespielt, dass es ein wenig ungewöhnlich sein könnte, mich hier morgens wie selbstverständlich herumlaufen und duschen gehen zu sehen, obwohl ich das eigentlich eher im Gryffindorturm tun sollte."

Draco grinste weiterhin anzüglich und beide nahmen ihre Duschutensilien, bevor sie das Zimmer gemeinsam verließen. Der Slytherin sollte Recht behalten, denn es waren noch nicht viele Schüler auf den Beinen. Allerdings waren die meisten der jüngeren Slytherins nicht auf den ungewöhnlichen Anblick von Draco Malfoy friedlich mit Harry Potter flirtend vorbereitet, da der Schulball nur für die älteren Schüler ab dem vierten Schuljahr zugänglich gewesen war. Es sei denn, einer der älteren Schüler hatte einen jüngeren Partner mitgebracht, und so kam es, dass die meisten noch nichts von dieser neuen Verbindung wussten.

Draco war seit dem fünften Schuljahr Vertrauensschüler. Als Malfoy hatte er sowieso von Beginn an eine ganz besondere Rolle, was im Klartext bedeutet, dass ihm, sobald er auftauchte, die ganze Aufmerksamkeit gewidmet und er von den meisten wie der Prinz von Slytherin behandelt wurde.

Harry war die sensationslüsternen Blicke durchaus gewohnt, da ihm als dem berühmten Jungen, der Voldemorts Angriff überlebt hatte, ständig irgendwelche Leute hinterher sahen oder ihn neugierig beobachteten und jede seiner Handlungen mit großer Wahrscheinlichkeit in der Öffentlichkeit breitgetreten wurde.

Beide Jungen reagierten also ziemlich gelassen und fast gelangweilt auf die neugierigen Blicke und das Tuscheln, das jedem ihrer Schritte folgte, sobald sie das Zimmer von Draco verlassen hatten.

Ein besonders vorwitziger Drittklässler mit dunkelbrauner Igelfrisur und abstehenden Ohren, die aussahen, als würde er bei Wind damit jederzeit vom Boden abheben können, musterte sie mit verschlagenen, fast schwarzen Augen und bemerkte spöttisch: "Welch süßes und bezauberndes Pärchen unser silberner Prinz von Slytherin und der goldene Junge von Gryffindor doch abgeben. Wer hätte das gedacht, dass unser guter alter Draco auf Helden steht."

Draco starrte den Jungen mit stechenden, eisblauen Augen an und zischte den Zauberstab schon bedrohlich erhoben: "Lestrange, halt dich lieber zurück, wenn du keinen plötzlichen Todeswunsch verspürst!"

Harry zuckte bei der Erwähnung des Namens zusammen. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, während er mit aller Mühe versuchte, sich unter Kontrolle zu halten. Der Name Lestrange rief bei ihm immer noch äußerst unangenehme Erinnerungen an den Beginn des zweiten Krieges gegen Voldemort am Ende seines fünften Jahres in Hogwarts wach. Er musste mit ansehen, wie Bellatrix Lestrange seinen Paten Sirius Black im Laufe eines heftigen Duells umbrachte. Er hatte nichts tun können. Bis heute nagten die Schuldgefühle an ihm, da sein Pate ohne seinen Fehler nicht dort gewesen wäre, um seine Haut zu retten. Draco schien genau zu wissen, was er in diesem Moment dachte und wurde ebenfalls blass, da ihn die Geschichte an seinen Vater erinnerte, der bei diesem Angriff auf das Zaubereiministerium ebenfalls dabei gewesen war.

Lucius Malfoy und die anderen Todesser, unter ihnen Mc Nair, Rookwood und Lestrange, hatten versucht Harry eine Falle zu stellen und ihm die Prophezeiung abzunehmen, die Voldemort für sich haben wollte. Einige Mitglieder des Orden des Phönix' waren damals Harry und den anderen Mitgliedern der Armee Dumbledore's, wie sich genannt hatten, zu Hilfe gekommen. Ginny, Ron und Hermine waren verletzt bzw. von Flüchen außer Gefecht gesetzt worden. Neville hatte sich bis zum Schluss gewehrt. Luna hatte sich um die verletzte Ginny gekümmert und letztendlich war die Prophezeiung im Getümmel des Kampfes zerstört worden, so dass Voldemort sie nie komplett hören würde. Die Todesser wurden besiegt und Lucius Malfoy musste nach Askaban.

Draco sah die Angst in den Augen des Drittklässlers aufblitzen, dem wohl soeben klar geworden war, dass er sich besser nicht mit zwei wütenden Siebtklässlern anlegen sollte. Lestrange stotterte: "tschuldigung, das war bloß ein schlechter Scherz. Ich wollte dir deine Sticheleien heimzahlen, Draco und es ist mit mir durchgegangen. Was hat denn Potter, äh, ich meine natürlich Harry?"

Der blonde Slytherin herrschte den jüngeren Schüler ungeduldig an: "Wie kann man nur so hohl sein? Lestrange, erinner dich mal an deine geliebte und genauso verrückte Tante Bellatrix. Na, klingelts bei dir?"

Der mittlerweile total eingeschüchterte Drittklässler machte ein Gesicht als hätte er Zahnschmerzen, bis er plötzlich zusammenzuckte und hauchte: "Er kannte Black, nicht wahr?"

Harry schien aus seiner Trance zu erwachen und entgegnete mit vor unterdrückter Wut zitternder Stimme: "Ja, ich kannte Sirius Black. Er war mein Pate."

Die beiden Slytherins sahen ihn vorsichtig an und Harry murmelte: "Ich brauche jetzt erst mal eine Dusche, bevor ich mich über irgendwas weiter ärgere. Ich hab die Nase gestrichen voll, das könnt ihr mir glauben."

Draco warf dem nun nervös zappelnden jüngeren Hausgenossen, der auch noch entfernt mit ihm verwandt war, einen eisigen Blick zu und wedelte mit seinem Zauberstab, was den Jungen dazu brachte, panisch die Flucht zu ergreifen.

Draco nahm Harry beruhigend an der Hand und führte ihn in das Badezimmer der Jungen. Harry blickte Draco tief in die Augen und flüsterte: "Du hast mir damals gedroht mich umzubringen, weil dein Vater nach Askaban musste."

Der Slytherin erwiderte den Blick und antwortete mit mühsam zurückgehaltenen Tränen: "Nein, ich wollte dich vor meiner Mutter und meinem Vater warnen. Ich war innerlich froh endlich frei zu sein, aber das hätte ich mir niemals selbst eingestanden. Ich war doch nur eine Marionette meines Vaters."

Über diesen plötzlichen Gefühlsausbruch und die Ehrlichkeit des Slytherin überrascht, umarmte Harry den anderen Jungen zärtlich und Draco entspannte sich fast augenblicklich. Er blinzelte ein paar mal, um seine brennenden Augen wieder unter Kontrolle zu bekommen und schloss seine Lider für einen kurzen Moment.

Genau in diesem Augenblick wurde die Tür des Badezimmers aufgestoßen und ein fröhlich vor sich hinpfeifender Blaise Zabini schlenderte herein. Als er die beiden Jungen sah, grüßte er gut gelaunt: "Morgen, ihr beiden. Schon wach?"

Die Frischverliebten lösten sich unwillig aus der innigen Umarmung und grüßten zurück. Weder Draco noch Harry war anzumerken, was ein paar Minuten zuvor passiert war und die drei Jungen duschten sich gegenseitig neckend und lachend.

Frisch geduscht und fertig angezogen, machten die beiden "Rivalen" sich auf, um für das Frühstück in die Große Halle zu gehen. Draco hatte seinen Arm um den etwas kleineren Gryffindor gelegt. Diese Geste wirkte auf Außenstehende irgendwie zugleich beschützend als auch auf gewisse Weise besitzergreifend. Der blonde Slytherin blickte stolz lächelnd um sich und bemerkte, wie Harry sich an ihn zu schmiegen schien, als wolle er sich vergewissern, dass er zu ihm halten würde.

Draco zitterte innerlich vor Aufregung, denn er wollte auf keinen Fall einen weiteren Vorfall, der seinem Freund den Tag verderben würde. Er beobachtete gespannt die Reaktionen um ihn herum. Harry legte nun entschlossen seinen Arm um Dracos Hüfte und hauchte ihm einen schnellen Kuss auf den Mundwinkel. Draco merkte, wie er sich zusehends sicherer fühlte. Sein berühmtes, selbstsicheres Grinsen umspielte seine Lippen, als er feststellte, dass sämtliche Gespräche an den Haustischen verstummt waren und alle sie mit gespannter Faszination abwartend beobachteten.

Der Slytherin merkte, wie der andere Junge leicht zögerte und fragte leise: "Was ist los?"

Harry lächelte sein schüchternes Lächeln und wollte wissen: "Wie machen wir das denn jetzt?"

Draco blickte ihn verständnislos an und antwortete mit einer Gegenfrage: "Was denn?"

Der Gryffindor schnaubte mit einem Anflug von Ungeduld: "Na, eigentlich sitzen wir an zwei unterschiedlichen Tischen, oder?"

Der Malfoyspross hätte sich wegen seiner Unbedachtheit am liebsten selbst geohrfeigt. Natürlich hatte er die Sitzordnung komplett vergessen. Er lächelte entschuldigend und flüsterte: "Das hatte ich ganz vergessen. Schätze, wir müssen uns wohl kurz trennen."

Harry nickte und die beiden küssten sich leidenschaftlich, bevor sie sich zu ihren Haustischen begaben und dort niedersetzten, nicht ohne sich verlangende Blicke zuzuwerfen.

Hermine sah von ihrem Buch hoch, als Harry sich neben sie setzte und begrüßte ihn herzlich: "Morgen, Harry. Hast du gut geschlafen?"

Harry lächelte ihr freundschaftlich zu: "Morgen, Hermine. Danke für deine Nachfrage. Es war mal wieder das Übliche."

Das Mädchen blickte ihren besten Freund besorgt an: "Wieder ein Alptraum von Voldemort?"

Harry nickte düster vor sich hinblickend und schnitt ihr das Wort ab: "Ja, verdammt, und ich will nicht darüber reden."

Hermine bedachte ihn mit einem ihrer strengen Blicke und fügte bestimmt hinzu: "Du ziehst dich mal wieder in dich selbst zurück, Harry. Das ist nicht gesund und das weißt du sehr genau." Unvermittelt wechselte sie das Thema: "Sag mal, was hat es eigentlich mit dir und Malfoy auf sich?"

Harry wurde puterrot und stotterte: "Das, ähm, das be... bedeutet, dass w...wir jetzt zu... zusammen sind." Hermine hob eine Augenbraue und fragte mit einen undeutbaren Gesichtsausdruck: "Wie kam es denn so plötzlich dazu?"

Harry nestelte nervös mit seinen Fingern an der Tischdecke und erklärte: "Na ja, ich hatte da so ein Gefühl, dass ich vielleicht eher auf Männer stehe und..."

Das braunhaarige Mädchen strich sich eine Strähne ihrer buschigen Haare aus dem Gesicht und ermutigte den nervös umherschauenden Jungen zum Reden: "Und dann?"

Der schwarzhaarige Gryffindor zupfte eine widerspenstige, lockere Haarsträhne zurück in seinen Pferdeschwanz und sprach heiser weiter: "Ich habe Draco in der Nacht vor dem Schulball zufällig getroffen und wir haben uns unterhalten. Dann haben wir uns geküsst... den Rest kannst du dir ja denken."

Hermine sah ihren Freund nachdenklich an und sagte mit einem geduldigen Gesichtsausdruck: "Ihr habt euch also zufällig getroffen und unterhalten. Das klingt ziemlich seltsam, Harry. Wo habt ihr euch getroffen?"

Harry war das Thema offensichtlich unangenehm, da er nicht zugeben wollte was er an diesem Abend auf dem Dach des Westturmes getan hatte. Er antwortete ausweichend: "Ich habe auf dem Dach des Westturmes die Sterne beobachtet, weil ich nicht schlafen konnte. Du weißt ja wie ich bin, wenn ich nachts keine Ruhe finde. Draco kam dorthin, um exakt das Gleiche zu tun und anstatt uns wie sonst zu streiten, haben wir uns unterhalten, was dann zu diesem besagten Kuss geführt hat."

Das Mädchen murmelte vor sich hin: "Denk ja nicht, dass ich nicht weiß, warum du dich so zurückziehst, mein Lieber."

Harry sah betreten auf seinen immer noch leeren Teller herunter und stellte fest: "Vor dir kann man nichts geheim halten, oder?"

Sie sah ihn warm lächelnd an und flüsterte, damit es niemand außer ihm hören konnte: "Harry, die Einsamkeit und die Traurigkeit spiegeln sich in deinen Augen wider und jeder mit auch nur einem Hauch von Menschenverstand würde das merken und deinen Rückzug richtig interpretieren. Du schämst dich deiner Tränen und du hast dich von Ron und mir abgekapselt, weil wir nur noch Augen füreinander und neben unseren Pflichten als Schulsprecherpaar für dich keine Zeit mehr hatten. Ich bin froh, dass du jemanden gefunden hast, der sich um dich zu sorgen scheint. Dann rede wenigstens mit ihm und friss nicht alles in dich rein."

Harry war erleichtert, dass Hermine nicht versuchte, ihn weiter zu analysieren und sie trotzdem zu ihm hielt. Er blickte hinüber zum Slytherintisch und sah Dracos besorgte Blicke zu ihm herüberwandern. Der Gryffindor lächelte seinem Freund schüchtern zu und dieser gestikulierte ihm er solle endlich etwas essen.

In diesem Moment kamen Ron und Seamus zum Frühstück, die beide ihren Hausgenossen nicht beachteten, sich demonstrativ auf Hermines anderer Seite niederließen und das Mädchen betont freundlich grüßten. Hermine warf Harry genervte Blicke zu, die dieser augenrollend erwiderte. Na schön, Ron wollte mal wieder beleidigt spielen und ihn ignorieren, bevor er sich dafür entschuldigen würde, dass sein Temperament mit ihm durchgegangen war.

Harry schüttelte den Kopf und begann zu frühstücken. Die nächsten Tage verliefen relativ ruhig und bis auf einige wilde Gerüchte über das berühmteste Pärchen Hogwarts, schienen sich die Schüler und Lehrer allmählich an den seltsamen Anblick zu gewöhnen.