9 Ein Ausflug mit Folgen

Harry und Draco hatten die ganze Nacht auf dem Sofa verbracht. Trotz der unschönen Ereignisse des Vortages, hatten beide recht gut geschlafen und einen erholsamen Schlaf ganz ohne Alpträume gehabt.

Am nächsten Morgen erwachte Draco mit dem Gefühl, beobachtet zu werden. Als er seine Augen aufschlug, begegnete sein noch verschlafener Blick, dem seines bereits wachliegenden Freundes, der ihn tatsächlich leicht grinsend beobachtete. Der Slytherin murmelte irritiert: "Wieso beobachtest du mich und grinst? Hab ich was in meinen Haaren oder im Gesicht?"

Harry erwiderte mit immer noch leicht amüsiertem Grinsen: "Das ist so typisch für dich, Draco. Du wachst auf und bist sofort um dein Aussehen besorgt, mein kleiner Mr Lockheart."

Draco konnte sich jetzt ein leichtes Grinsen auch nicht mehr verkneifen und fuhr sich mit einer übertriebenen Geste durch die zerwuschelten, abstehenden Haare. Er setzte sein charmantestes Lächeln auf, klimperte mit den Wimpern und hauchte mit rauchiger Stimme: "Ich muss doch gut aussehen, wenn ich neben dir wach werde, mein kleines Raubkätzchen. Du sollst mich schließlich unwiderstehlich finden."

Harry zog eine Augenbraue hoch und flüsterte mit einem raubtierhaften Glitzern in den grünen Augen: "Du kannst machen, was du willst, Draco. Du siehst für mich immer unwiderstehlich aus. Und wenn du so friedlich schläfst wie eben, dann siehst du fast unschuldig aus, wie ein Engel."

Draco schmunzelte und zog seinen Freund zärtlich zu sich, um ihn sanft auf den Mund zu küssen. Harry erwiderte den Kuss ebenso sanft. Er knabberte sachte an Dracos Unterlippe, der daraufhin seine Lippen leicht öffnete und mit seiner Zungenspitze über Harrys Lippen fuhr. Ein sehr intensiver Kuss folgte. Die Zungen der beiden umschlangen einander und Harry schlang seine Arme um seinen Freund, während er ihn noch enger an sich zog.

Der Slytherin genoss die innige Umarmung und den Kuss um so mehr, da beide letzte Nacht nackt, immer noch auf dem Sofa liegend, eingeschlafen waren und nun die nackte Haut des anderen auf seiner zu fühlen,  bereitete ihm wohlige Schauer am ganzen Körper. Er konnte förmlich spüren, dass es seinem Freund nicht anders erging.

Beide nahmen klar und deutlich gegenseitig ihre Gedanken wahr, da keiner der beiden zur Zeit versuchte zu blocken, was zusätzlich eine Atmosphäre von innerer Vertrautheit und Verbundenheit schaffte, die sie alles noch viel intensiver spüren ließ. Die beiden küssten sich sanft und doch immer leidenschaftlicher, während ihre Hände auf Wanderschaft gingen, sich gegenseitig zärtlich streichelnd und liebkosend.

Ein plötzliches Klopfen an der Tür riss die beiden eng ineinander Verschlungenen, sich immer noch küssenden Turteltäubchen auseinander und holte sie jäh zurück in die Realität. Schon hörten sie jemanden rufen: "Draco, komm schon. Du musst aufstehen und Harry wecken gehen."

Die beiden grinsten, als sie Blaises Stimme erkannten und ihnen der gemeinsame Ausflug einfiel, der für heute geplant war. Harry rief schmunzelnd: "Nicht nötig, Blaise. Ich bin bereits wach."

Sie hörten Blaise vor der Tür leise lachen: "Um so besser, dann macht euch jetzt beide fertig und kommt frühstücken. Ich werde Justin bescheid sagen gehen und dann auch kommen." 

Draco und Harry zogen sich ihre Boxershorts über und beeilten sich, zu den Duschräumen zu gelangen, damit sie sich eine eigene Dusche und genügend warmes Wasser sichern konnten. Es war das Hogsmead-Wochenende. Einige Schüler der dritten Klassen besetzten bereits fast alle Duschen und redeten aufgeregt durcheinander.

 So blieb unserem Pärchen nichts anderes übrig, als schnurstracks die letzte freigebliebene Dusche für sich zu beanspruchen. Draco und Harry beschlossen kurzerhand, zusammen unter die Dusche zu springen, was ihnen um ehrlich zu sein gar nicht so ungelegen kam. Die beiden kümmerten sich nicht um die leicht verlegen dreinschauenden Drittklässler und begannen damit, sich gegenseitig einzuschäumen. Ihr Vorhaben endete damit, dass sie engumschlungen unter dem warmen Wasserstrahl standen und ihre Zungen sich gegenseitig sanft liebkosten. Das mittlerweile nur noch lauwarme Wasser perlte von ihnen ab und wurde langsam immer kälter. Harry lief ein Schauer über den Rücken. Er war sich nicht sicher,  ob er nun begann zu frieren oder ob es ein wohliger Schauer war, ausgelöst durch die enge Umarmung und den überaus zärtlichen Kuss, der immer intensiver wurde.

Ein lautes Krachen riss die beiden Küssenden ein zweites Mal an diesem Morgen aus der innigen Umarmung. Sie lösten ihre Lippen voneinander und sahen irritiert Richtung Tür. Dort bot sich ihnen ein amüsantes Schauspiel. Offensichtlich hatte es dort einen kleinen Zusammenstoß gegeben.

Angus Mc Nair, ein grobschlächtiger Erstklässler, lag mit verdutztem Blick auf dem Boden und rieb sich den Hinterkopf, während Gregory Goyle vergeblich versuchte gleichzeitig der zurückschwingenden Tür auszuweichen und seine Duschutensilien sowie frischen Anziehsachen auf seinen Armen zu balancieren. Das ging selbstverständlich schief. Greg wich der Tür mit einer schnellen Bewegung aus, ließ aber dafür die Sachen, die er gerade auf seinen Armen trug, im hohen Bogen fallen. Handtücher, diverse Kleidungsstücke, Duschgel und Shampoo landeten rund um den Erstklässler, der noch verdutzter aus der Wäsche schaute, als er plötzlich nichts mehr sehen konnte.

Überdimensionale, silberfarbene Boxershorts mit kleinen sich windendenden grünen Schlangen verziert waren auf seinem Kopf gelandet, über seine Augen gerutscht und verdeckten sein Gesicht. Greg sah ein wenig verlegen zu Harry und Draco, murmelte einen schnellen Gruß in ihre Richtung, während er seine heruntergefallenen Sachen aufsammelte und Angus von seinem seidenen Schleier befreite.

Der Erstklässler war knallrot angelaufen und stammelte Entschuldigungen. Er vermied, in Dracos Augen zu sehen, der ihm augenscheinlich den größten Respekt einflößte und ihn mit seinen eisblauen Augen durchdringend ansah. Draco und Harry lösten sich aus ihrer Umarmung und das Wasser nach Verlassen der Duschkabine mit einem simplen Zauberspruch ab. Schnell trockneten die beiden sich ab und kleideten sich an. Dann gingen sie gemeinsam zum Frühstück und küssten sich nochmals innig, bevor sie auseinander gehen mussten, um an ihren Haustischen Platz zu nehmen.

Hermine lächelte Harry freundlich zu und deutete mit einem Nicken an, dass er sich neben sie setzen sollte. Er ließ sich auf den freien Stuhl fallen und begrüßte das Mädchen fröhlich. Sie strahlte ihn förmlich an: "Guten Morgen. Endlich bist du mal wieder gut gelaunt und lachst. Hast Du die Nacht bei Ma... Draco verbracht?"

Harry nickte und begann, sich eine Scheibe gerösteten Toast zu buttern, während er nach der Marmelade Ausschau hielt. In diesem Moment erreichten die Eulen mit der Post die Große Halle. Es brach das übliche Flattern und Fiepen über die Schülerschar her. Eine ziemlich zerrupft aussehende, graue Eule flog auf den Tisch der Gryffindors zu und legte eine spektakuläre Bruchlandung in der Schüssel mit den Cornflakes hin.

Es war Eroll, die Eule der Weasleys. An ihrem Fuß war ein leuchtend roter Umschlag befestigt, der schon von Weitem unheildrohend seinen Sinn und Zweck erfüllte, ohne bereits geöffnet worden zu sein. Ron sah nervös zu der Eule, die nun kläglich piepste und auf ihn zuhüpfte.

Offensichtlich hatte der Rotschopf einen Heuler von seiner Mutter bekommen. Am anderen Bein prangte noch ein weiterer Brief, der für Ginny bestimmt war. Sie band ihn mit hochrotem Kopf von Errols Bein los und sah ihren Bruder verlegen an. Ron schaute mit schreckensbleichem Gesicht auf den roten Umschlag. Seine Augen weiteten sich, als er langsam und mit leicht zittrigen Händen den Briefumschlag öffnete und der Heuler mit einer gewaltigen Lautstärke auf ihn niederdonnerte, während die magisch verstärkte Stimme von Molly Weasley in der gesamten Großen Halle widerhallte:

"Ronald Weasley, wie kannst Du es wagen, so mit Deinem besten Freund umzuspringen? Du bist voller Neid, obwohl Du gar keinen Grund dazu hast. Du nimmst es nur nicht wahr, wie gut es Dir eigentlich geht im Gegensatz zu anderen. Was bildest Du Dir eigentlich ein, darüber zu urteilen, ob jemand nun homosexuell, bisexuell oder heterosexuell orientiert ist? Selbst wenn jemand fetischistisch veranlagt ist, braucht es Dich nicht zu interessieren. Das ist reine Privatsache. Weder Du noch ein anderer Mensch hat das Recht, sich derartig über andere zu stellen und durch seine Intoleranz und Sturheit nicht einmal vor seinem besten Freund halt zu machen und diesen derart zu verletzen. Habe ich nicht immer versucht, Dich zu lehren. wieviel Wert wahre Freundschaft besitzt? Uns gefällt es auch nicht, dass es ausgerechnet Draco Malfoy sein muss, mit dem Harry nun glücklich ist, aber wenn er mit diesem jungen Malfoy glücklich ist, dann ist es das allein was zählt.. Und Ginny, Schatz, vor Liebe kann man sich weder verstecken noch kann man sie erzwingen."

Es war mucksmäuschenstill in der Großen Halle. Die ganze Aufmerksamkeit wandte sich Ron und dem berühmtesten Pärchen Hogwarts zu. Der rothaarige Gryffindor schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Er war puterrot angelaufen. Harry hätte sich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen und wagte kaum aufzusehen, da er sich dessen bewusst war, dass ihn nun ebenfalls alle anstarrten. Er fühlte sich, wie auf einem silbernen Präsentierteller.

Als sein Blick Draco begegnete, konnte er in dessen eisblauen Augen lesen, dass es ihm nicht anders erging. Der Slytherin sah allerdings nach außen mal wieder vollkommen ruhig und unbeteiligt aus. Das für ihn typische, arrogante Lächeln umspielte seine Lippen, während er seelenruhig mit seinem Frühstück fortfuhr und Harry kurz aufmunternd zuzwinkerte.

Harry mühte sich ebenfalls, möglichst nichts von seiner Unsicherheit nach außen dringen zu lassen und schmierte sich einen weiteren Toast.

Beide Jungen spürten selbst über diese nicht unbeträchtliche Entfernung hinweg, wie unangenehm ihnen diese ganze Aufmerksamkeit momentan war und ihnen zusätzlich noch ihr ohnehin schon nicht ganz einfaches Coming out erschwerte. Als wenn es nicht schon schwierig genug gewesen wäre, erst mal selbst die neue Situation für sich auf die Reihe zu bringen. Nein, dadurch dass sie beide auch noch zu den populärsten Schülern der Schule gehörten, mussten sie dies auch noch im ständigen Rampenlicht und unter andauernden beobachtenden Blicken tun, die alle Geschehnisse neugierig aufzusaugen schienen. Das würde dann mal wieder bedeuten, dass erneut die Gerüchteküche von Hogwarts einen Grund hatte überzukochen und zu brodeln, wie ein viel zu heiß gewordener Schwelltrank.

Nach dem Frühstück waren Draco und Harry froh, dass sie sich sofort mit Blaise und Justin nach Hogsmead begeben konnten. Dort angekommen entschieden sie sich für einen Besuch im "Drei Besen". Sie waren nicht unbedingt erpicht darauf, in einer zwielichtigen Spelunke wie dem "Hog´s Head" abzusteigen.

Die vier Schüler waren früh dran und hatten deshalb die Möglichkeit, sich einen Tisch in der hintersten Ecke auszusuchen. Der stand in einer kleinen Nische und konnte daher nicht von überall sofort eingesehen werden. Blaise ging zu Madame Rosmerta an den Tresen und bestellte die erste Runde Butterbier für alle. Als er zurückkam, nahmen alle dankend das dampfende Gebräu entgegen.

Sie waren doch noch recht durchgefroren von ihrer Wanderung. Die vier Jungen hatten den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt, weil sie es vermeiden wollten, an der Kutschenhaltestelle so lange rumzustehen und schon wieder neugierige Blicke zu ernten. Auch Blaise und Justin ertrugen immer noch ständig solche neugierigen Blicke und die vier unterhielten sich darüber, wie lange es wohl dauern mochte, bis die Situation normalisierte und alle wieder zur Tagesordnung übergehen würden.

Justin holte die zweite Runde Butterbier und langsam begann sich der Schankraum mit anderen Schülern von Hogwarts zu füllen. Nun waren die beiden Pärchen zwar nicht ganz dem Alltag entflohen, da sie auch hier immer noch den ein oder anderen Blick zugeworfen bekamen. Aber es war von der Atmosphäre her nicht ganz so gespannt und wenigstens mal so etwas Ähnliches wie ein Tapetenwechsel.

Schon bald lockerte sich auch die Stimmung der vier jungen Männer. Sie begannen, sich langsam etwas entspannter zu fühlen. Draco hatte seinen Arm um Harry gelegt und dieser lehnte sich leise seufzend an seinen Freund und kraulte dessen Nacken. Blaise lächelte Justin verliebt an und die beiden küssten sich sanft auf die Lippen, was den beiden Pärchen einen entzückten Blick von der mit einem Tablett beladenen, vorbeihuschenden Bedienung einbrachte. Sie lächelte den Jungen zwinkernd zu. Es gab also auch noch Leute, die vollkommen normal reagierten und sich einfach nur über so viel offensichtliche Verliebtheit freuten. Harry merkte bereits etwas von der Wirkung des Butterbieres und entschuldigte sich leicht lächelnd bei den anderen, um dem Bedürfnis eine Toilette zu benutzen nachzukommen.

Harry zupfte sich seinen Pferdeschwanz zurecht und schlenderte durch den Gastraum Richtung Toiletten. Da bemerkte er plötzlich Hermine. Sie winkte ihm lächelnd zu. Er nickte und lächelte zurück. Er setzte seinen Weg fort, hier und da ausweichend, um nicht ständig mit irgendwem zu kollidieren. Es war mittlerweile richtig voll dort geworden. Das eisige Wetter schien alle Schüler dazu zu animieren, sich lieber in den "Drei Besen" zu treffen und dort gemütlich ein paar von innen wärmende Butterbiere zu trinken, als draußen in der Kälte herumzulaufen.

Harry hatte sich mittlerweile auch das letzte Stück erfolgreich durch das Gedrängel gekämpft und betrat den hinten gelegenen Herrenwaschraum. Nachdem er erleichtert wieder aus einer der abgetrennten Kabinen trat und sich am Waschbecken die Hände wusch, vernahm er eine ihm wohlbekannte Stimme hinter sich. Ron hatte sich zu ihm gesellt und sprach mit leicht frostiger Stimme: "Wieso musste es ausgerechnet Malfoy sein?"

Harry blinzelte verwirrt und entgegnete kühl: "Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Ron."

Der entgegnete nun bereits etwas hitziger: "Na wenn du schon unbedingt schwul sein musst, hättest du dich nicht in jemand anderes verlieben können? Dean zum Beispiel."

Harry holte tief Luft und erklärte um Beherrschung bemüht: "Das soll jetzt wohl nicht ganz dein Ernst sein, oder? Was denkst du dir eigentlich dabei ständig an mir herum zu kritteln? Ich kann mir meine Gefühle nicht aussuchen und wenn es dir nicht gefällt, dann ist das dein Problem und nicht meines."

Ron schnappte wütend nach Luft und warf seinem ehemals besten Freund vor: "Das hältst du also von unserer Freundschaft? Schön! Du hast ja schon immer versucht, Problemen und Diskussionen mit Freunden einfach aus dem Weg zu gehen, aber das setzt dem Ganzen nun wirklich die Krone auf. Du schiebst das einfach von dir, als ginge es dich gar nichts an und tust so, als sei es dir egal wie deine Freunde damit klar kommen."

Nun war es an Harry, langsam wütend zu werden. Er funkelte den anderen Gryffindor mit vor Wut glitzernden Augen an, während er nun auch lauter wurde: "Bei Merlin, Ron! Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Wäre es vielleicht für dich angenehmer, wenn ich sofort mit Draco Schluss mache und mir einen anderen Freund suche, nur weil du ihn nicht akzeptieren willst? Ich liebe Draco und er liebt mich ebenso. Daran ist nichts zu rütteln. Durch ihn bin ich endlich wieder glücklich und fühle mich lebendiger als je zuvor."

Ron schnaubte verächtlich und schimpfte zurück: "Pah! Wie kannst du da von Liebe sprechen? Mensch, wach auf! Wir sprechen hier von Draco Malfoy! Du erinnerst dich? Der Draco Malfoy, der dir deine ganze Schulzeit lang das Leben zur Hölle gemacht hat. Derselbe Draco Malfoy, der bald ein Todesser sein wird, was ihn zu unserem Feind macht. Es sei denn, du möchtest nun plötzlich auch die Seite wechseln und lieber für Du-Weißt-Schon-Wen kämpfen." 

Die beiden standen sich gegenüber und taxierten sich mit giftigen Blicken, während die Diskussion oder eher das Streitgespräch immer lauter wurde und die gegenseitigen Vorwürfe nur so durch die fast schon elektrisch aufgeladene Luft hagelten.

Plötzlich fühlte sich Harry einfach nur noch erschöpft. Da war es wieder, dieses altbekannte Gefühl, als sei sämtliche Energie aus ihm entwichen und mit der Energie auch die Wut und der Ärger, die seine vorher so aufputschenden Energiequellen gespeist hatten. Für einen kleinen Moment war es ihm nicht mehr möglich, alles zu blocken und die restliche Rage verpuffte förmlich aus seinem Geist, um wieder seiner Traurigkeit Platz zu machen.

Ron wurde von etwas in der Luft flirrendem, gestaltlosem getroffen, dass aus purer Energie zu bestehen schien. Er blickte bleich und erschrocken auf Harry, als er eine unfreiwillige Landung auf seinem Allerwertesten hinlegte und schmerzhaft auf den Fliesen der Herrentoilette aufkam.

Harry war totenblass und griff sich an die Schläfen, da er einen stechenden Schmerz in seinem Kopf fühlte, der ihm schier die Tränen in die Augen trieb. Dann spürte er den kalten Schweiß aus allen Poren ausbrechen und eine Übelkeit stieg in ihm auf, die ihn mit sofortiger Wirkung seinen kompletten Mageninhalt in das nächstbeste Waschbecken entleeren ließ.

In dem Moment wurde die Tür geöffnet und Draco stürmte, ebenfalls ungewöhnlich blass, in den Waschraum. Er ging mit schnellen Schritten zu Harry und stütze diesen, damit er sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnte. Draco warf Ron einen sehr finsteren Blick zu. Dieser fühlte sich fast schon von diesem Ausdruck in des Slytherins eisigen Augen durchbohrt und suchte lieber schnell das Weite, bevor es zu einem Kampf käme, der für ihn wahrscheinlich wenig glorreich ausgehen würde. 

Draco hatte bisher noch fast alle Gegner im Duellieren geschlagen. Als Ron draußen war, benetzte der Slytherin das Gesicht seines Freundes mit dem eiskalten Wasser, dass er aus dem magischen Wasserhahn fließen ließ und fragte besorgt: "Was ist passiert? Ich spürte plötzlich deine Wut und dann diesen Wechsel zu Trauer und mir war, als fehle mir jeglicher Antrieb, als sei die Energie aus mir entwichen. Fast fühlte es sich wirklich so an, als würde etwas aus meinem Geist entweichen und durch den Raum Richtung Toilette schweben."

Harry stöhnte leise auf und flüsterte: "Ich habe mit Ron gestritten und dann spürte ich das Gleiche wie du gerade beschrieben hast. Draco, irgendwie hat eine Art Energiebündel Ron getroffen und umgeschmissen."

Die beiden sahen sich nachdenklich an und kommunizierten automatisch, ohne es zu merken, in ihren Gedanken weiter Das ermöglichte ihnen,  sich gegenseitig an ihren Gefühlen teilhaben zu lassen und so Dinge zu erklären, für die ihnen schlicht und ergreifend sonst die Worte gefehlt hätten.

Dieses Ereignis machte den beiden klar, wie wichtig es war, schnell die Okkulmentik-Stunden mit Professor Snape aufzunehmen, da ihre neuen Fähigkeiten bereits ein wenig aus der Bahn geraten waren und sie dringend lernen mussten, sie zu kontrollieren, Sie wären sonst sowohl für sich als auch für die anderen eine permanente Gefahr.

Draco umschlang den sich immer noch kraftlos am Waschbecken abstützenden Gryffindor von hinten mit seinen Armen und küsste sanft seinen Nacken. Dann flüsterte er ihm ins Ohr: "Wir werden das schon schaffen, Harry. Wir helfen uns einfach gegenseitig und sind füreinander da. Ich liebe Dich so sehr."

Dann spürten die beiden wieder, wie eine Art silbriger Nebel in ihren Gedanken auftauchte und sie wie ein mentaler Patronus von innen her aufwärmte und ihnen etwas positive Energie zurückbrachte.

Nun waren sie wieder in der Lage, ihren inneren Fokus zu finden und ihre Gedanken gegen andere empathisch begabte Zauberer abzuschirmen. Die beiden verließen zusammen den Waschraum,  nachdem Harry sich ordentlich den Mund ausgespült und Draco ihm ein Immer-Frisch-Pfefferminz gegeben hatte.

Blaise und Justin warteten schon besorgt schauend auf ihre Begleiter. Beide verschwiegen jedoch, was genau auf der Herrentoilette geschehen war, um nicht die gerade erst beginnende entspannte Stimmung zu zerstören. Sie hätten es sowieso nicht erklären können.

Den weiteren Nachmittag verbrachten sie scherzend und vertieft in ihre Gespräche mit dem anderen Pärchen, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Sie würden nach ihrer Rückkehr ins Schloss wohl Professor Snape einen Besuch abstatten müssen. Möglichst noch vor dem Abendessen. Deshalb brachen die beiden schon etwas früher als die anderen auf und machten sich, die Arme liebevoll umeinander gelegt, auf den Rückweg.

Sie redeten unterwegs nicht viel. Das war auch nicht mehr nötig, da sich die beiden mittlerweile sehr gut ohne Worte verständigen konnten, was manchmal auch ein ziemlicher Vorteil sein konnte. Draco zog ab und an seinen Freund näher an sich und die beiden küssten sich leidenschaftlich, während ihre Zungen sich gegenseitig sanft umschlangen. Sie blieben dann jedes Mal einen kleinen Moment stehen und genossen es einfach, sich während ihrer innigen Küsse eng aneinander zu schmiegen und sich gegenseitig Nähe und Geborgenheit zu vermitteln. So wurde ihnen auf dem Rückweg gar nicht mehr so kalt wie auf dem Hinweg. Viel zu schnell kamen sie im Schloss an und machten sich gedankenverloren auf den Weg in die Kerker zu Professor Snapes privaten Gemächern, um ihn noch vor dem Abendessen zu informieren und genug Zeit für die notwendigen Erklärungen zu haben.