11 Ron kommt zur Vernunft

Seit dem Ereignis in den „Drei Besen" hatte sich das Verhältnis zwischen Harry und Ron etwas beruhigt. Fast schien es, als hätte der Rotschopf ein schlechtes Gewissen und wisse nun nicht, wie er das wieder ausbügeln kann. Er hatte wieder begonnen Harry, zu grüßen. Seamus hatte auch endlich aufgehört zu sticheln. Allerdings verfolgte er Draco und Harry sobald sie sich irgendwie in seiner Gegenwart berührten mit pikierten Blicken. Ginny hatte sich sogar nach dem Heuler an Ron und der an sie gerichteten Eule von ihrer Mutter bei Harry entschuldigt. Es wurde also endlich etwas ruhiger um unser berühmtes Pärchen. Die beiden konnten jetzt ihre Energie in die Übungsstunden mit Snape stecken.

Draco war immer noch beschäftigt mit seinen Träumen und Gedanken an dieses „Feuerspiel". Er konnte sich einfach nicht davon lösen. Es war als sei er besessen. Fieberhaft überlegte er, wo diese Erinnerungen wohl herkamen. Es war, als müsse er erst alle Puzzleteile finden, um sie dann zu einem Gesamtbild zusammen setzen zu können. Ein düsterer Kindervers begann sich in seinen Gedanken zu formen und geisterte ihm ständig durch den Kopf. Die Worte kamen ihm nach und nach in den Sinn. Draco war sich ziemlich sicher, sie von seinem Großvater gelernt zu haben.

Oder kannte jedes Kind diesen alten Reim? Draco wusste es nicht. Er hatte die Worte vergessen bis zu dem Tag, als seine Mutter das „Feuerspiel" erwähnte. Er war nie auf die Idee gekommen, jemanden zu fragen. Doch nun ging ihm dieses Lied seiner Kindertage nicht mehr aus dem Sinn. Es war wie der berühmte „Ohrwurm", der einen den ganzen Tag verfolgt. Harry schauderte es, wenn er seinen Freund unbewusst die dazugehörige Melodie summen hörte. Draco hatte ihm den Text bereits öfter rezitiert und er hörte ihn auch oft genug in den Gedanken des Slytherins:

„Spielst du gerne mit dem Feuer, kleiner Mann?

Der Flammengefrierzauber legt die bösen Feuergeister in den Bann.

Gib acht, dass du dein zartes Händchen nicht verbrennst!

Du entkommst der Flammenfee niemals, auch wenn du schnell rennst.

Bist du nicht artig, nützt der Zauber nichts und heiße Kohlen tun dir weh.

Einen schlechten Bub oder das Plappermaul holt sich die dunkle Todesfee!"

An mehr Zeilen konnte sich der Slytherin nicht erinnern. Überhaupt waren seine Erinnerungen mehr wie ein Blitzlichtgewitter. Es waren kurze Szenen, Einblendungen, fast wie unterschwellige Botschaften. Ein paar der Bilder blieben präsent. Doch waren sie nicht besonders aussagekräftig und erschienen eher wie die Erinnerung an einen fernen Traum. Selten verband Draco mit diesen gedanklichen Images irgendwelche Gefühle. Die dazugehörigen Emotionen schienen einfach verschwunden zu sein. Oder waren sie gar nicht erst vorhanden?

Das alles beschäftigte den Slytherin beständig. Harry half ihm so gut er konnte, aber er hatte ja auch noch seine eigenen düsteren Gedanken. Die Schuldgefühle und seine niedergedrückte Stimmung waren immer noch präsent. Draco war die letzten Tage ebenfalls ziemlich niedergeschlagen gewesen. Er stocherte bei den Mahlzeiten ziemlich lustlos in seinem Essen herum. Irgendwie hatte es ihm den Appetit verschlagen. Sein abwesender Blick hätte fast dem von Luna Konkurrenz machen können, wenn da nicht dieser düstere Gesichtsausdruck gewesen wäre.

Dieses passive Verhalten kannte man an ihm sonst gar nicht. Nachts wälzte er sich schlaflos in seinem Bett hin und her. Tagsüber war er müde und gereizt. Der fehlende Schlaf zeichnete sich deutlich in seinem blassen Teint ab. Harry spürte genau wie deprimiert sein Freund war. Hinzu kam, dass dieser keinen greifbaren Grund für diese düstere Stimmung vorweisen konnte. Sie war einfach nur da. Der Gryffindor konnte das nur zu gut verstehen. Auch er kannte diese beklemmende Traurigkeit, die ganz von einem Besitz ergreifen konnte. Ähnlich wie er, versuchte der Slytherin sich nach außen nichts anmerken zu lassen. Lediglich Harry und, durch ihre Übungsstunden auch Snape, wussten, wie schlecht es Draco zur Zeit ging.

Draco und Harry saßen gerade zusammen in der Schulbücherei an einem Aufsatz für Zaubertränke, als plötzlich ein nervöser kleiner Federball um die beiden herumflog. Bei näherem Hinsehen konnte man ausmachen, dass es ein kleiner Kauz war, der es irgendwie geschafft hatte, in die Bibliothek zu gelangen. Das winzige Tier hatte einen Brief am Bein und flog aufgeregt um Harrys Kopf herum. Draco blickte stirnrunzelnd auf und fragte irritiert: „Was ist das denn? Ein Mini-Federknäuel, das fliegen kann?"

Harry hatte sofort Rons Kauz Pigwidgeon erkannt und gab zurück: „Nein, das ist Pig, Rons Kauz. Irgendwie muss er an Mme Pince vorbeigekommen sein, um mir einen Brief zu liefern."

Zielsicher langte er nach dem herumschwirrenden Kauz und schnappte ihn vorsichtig, um ihm nicht weh zu tun. Dann murmelte er leise: „Schon gut, Pig. Das hast du ja brav gemacht und jetzt halt mal kurz still."

Harry streichelte beruhigend über das Gefieder des winzigen Kauzes und

nestelte den Brief von seinem Bein. Dann begann er zu lesen:

Harry,

es hat mich ziemlich getroffen, dass du dich ausgerechnet mit diesem Schleimbeutel Draco zusammengetan hast.

Ich kann nicht begreifen, was in dich gefahren ist.

Jahrelang hat dieser Wicht uns fertig gemacht. Sein Vater ist schon gemein zu meinen Eltern gewesen und hat sie gedemütigt wo er nur konnte und Draco hat das gleiche mit uns gemacht.. Hast du vergessen, dass sein Vater Ginny Riddles Tagebuch zugesteckt hat? Sie wär fast gestorben. Hast du vergessen, was er dir und deinen Eltern mit seiner Verbindung von ... du weißt schon... angetan hat?

Ich kann nicht glauben, dass du ihn... ich kann nicht mal glauben, dass du... wirklich schwul bist.

Ich habe Angst, er benutzt dich nur. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er wirklich was für dich empfindet. Wahrscheinlich ist er jetzt ganz zahm und hinterrücks sticht er dir ein Messer rein. Denk dran wir reden hier über Malfoy.

Mag er überhaupt noch jemand anderen als sich selber?

Wie blind bist du eigentlich?

Und dann hängst du ständig bei den Slytherins rum, wo du dich am Anfang so gegen die gewehrt hast. Du hast dich von uns immer mehr zurückgezogen und mit denen redest du jetzt mehr als mit Hermine oder mir.

Ich kenne dich gar nicht wieder!

Aber ich vermiss dich und ich bin weiterhin dein Freund. Wenn du reden willst oder ein Problem hast, kannst du immer zu mir kommen und auch meine Eltern nehmen dich auf, wenn du es bei diesen Schleimbeutel-Muggeln nicht aushältst.

Ron

Einerseits war Harry ja froh, dass Ron scheinbar wirklich bemüht war, die Freundschaft wieder herzustellen. Aber seine Meinung über Draco schien sich in keiner Weise geändert zu haben. Er reichte Draco den Brief, da dieser ihn fragend ansah. Er hätte es jetzt nicht übers Herz gebracht, seinem Freund ins Gesicht zu sagen was über ihn in diesem Brief stand. Draco las ruhig zu Ende und händigte wortlos den Brief wieder an Harry aus. Dieser sah ihn an und fragte leise: „Du bist betroffen, von dem was er über dich sagt."

Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Draco nickte und gab leise zurück: „Du weißt wie sehr ich dich liebe. Ich könnte dir nie etwas antun und meine es absolut ehrlich. Ich könnte ohne dich nicht mehr sein."

Harry strich mit seiner Zeigefingerspitze sanft über Dracos Wange und versicherte: „Ich liebe dich auch. Vergiss nicht, dass wir uns gegenseitig spüren können. Du brauchst gar nichts zu sagen, um dich zu verteidigen oder zu rechtfertigen. Ich weiß, dass dich Rons Worte verletzen. Mach dir keine Sorgen. Unser Verhältnis wird sich nicht ändern, nur weil er schlecht über dich denkt. Aber er ist auch mein bester Freund, Draco. Ich habe ihn auch vermisst und ich hoffe, dass diese Freundschaft noch zu retten ist. Hermine akzeptiert unsere Beziehung, obwohl du sie früher arg beleidigt hast. Ron wird es auch tolerieren müssen. Ihr müsst euch ja nicht lieben. Es reicht, wenn ich dich liebe. Aber vielleicht könnt ihr so was wie einen Burgfrieden schließen?"

Der Slytherin sah seinen Freund nachdenklich an und dann antwortete er nach einer kurzen Pause entschlossen: „Ich für meinen Teil werde es versuchen. Ich spüre wie wichtig es für dich ist und ich werde mich bemühen. Schau, es tut mir wirklich leid, wie ekelhaft ich früher zu euch allen war. Ich kann das nie wieder gut machen."

Draco blickte betrübt zu Boden. Harry fühlte wie der andere von echten Schuldgefühlen geplagt wurde. Die beiden sahen sich an und Harry lächelte aufmunternd. In Gedanken gab er seinem Freund zu spüren, dass er ihm verziehen hatte.

Ein paar Tage vergingen. Tatsächlich brachte Draco es sogar zustande, während des Zaubertrankunterrichts eine angeregte Diskussion mit Hermine zu führen und dabei ganz nebenbei Ron einen versteckten Hinweis zu geben, der ihn vor einem explodierten Zaubertrank und mächtigem Ärger mit Professor Snape bewahrte. Ob der allerdings bemerkte was Draco da gerade für ihn getan hatte, war nicht auszumachen. Der Slytherin lieh Hermine seinen letzten Aufsatz, über den sie ganz begeistert zu sein schien. Harry stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass Draco ziemlich leicht verlegen wurde, wenn ihn jemand lobte. Verunsichert reichte er der Schulsprecherin seinen Aufsatz und murmelte nur: „So besonders ist es gar nicht was ich geschrieben habe."

Sie bedankte sich kurzerhand und rauschte geschäftig davon. Blaise gesellte sich fröhlich grinsend zu Draco und Harry. In Gedanken ließ Draco seinen Freund wissen, dass Blaise mit Justin die letzte Nacht verbracht hatte. Harry wurde fast ein wenig rot, als ihm klar wurde, was dann wohl dieses entrückte Lächeln von ihm zu bedeuten hatte. Er schwärmte in einem fort von seinem Justin, als seien sie frisch verliebt und gerade erst zusammengekommen. Draco jedoch schien schon den ganzen Tag irgendwie bedrückt zu sein. Er ließ sich nach außen nichts anmerken. Aber Harry spürte, dass es hinter seiner Fassade bedenklich brodelte. Als nächstes hatten sie zusammen Geschichte der Zauberkunst bei Professor Binns. Harry setzte sich auf seinen üblichen Platz nach vorne neben Hermine, die dafür sorgte, dass er nicht einschlief. Draco gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, bevor sie sich trennten.

Der Slytherin nahm seinen Platz zwischen Blaise und Goyle ein. Der Geisterprofessor hielt eine Endlosrede über die Zusammenfassung aller geschichtlichen Ereignisse des späten Mittelalters. Obwohl er mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass dieses Thema prüfungsrelevant sein würde, sanken immer mehr Köpfe auf die Bänke. Auch Draco legte irgendwann sein Gesicht auf die verschränkten Arme.

Er fühlte sich unwohl. Blaise hatte ihm in einem fort von Justin vorgeschwärmt. Es war anstrengend ihm zuzuhören und ständig zu lächeln, aber eigentlich mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Trotz seiner Müdigkeit schlief er nicht ein und versuchte weiterhin, den Ausführungen des Geschichtsprofessors zu folgen. Dieser referierte nun über Wendeline die Ulkige und den Flammengefrierzauber.

Das brachte Draco erneut auf düstere Gedanken und der Kinderreim begann wieder in seinem Kopf herumzuspuken. Eine Woge von Bitterkeit und tiefer Traurigkeit überkam ihn. Abermals konnte er diese Gefühle nicht wirklich zuordnen. Verzweifelt schossen ihm Tränen in die Augen. Ein eisiger Schreck durchfuhr ihn ohne Vorwarnung. Er konnte doch jetzt nicht mitten im Unterricht anfangen zu weinen. Was wenn es jemand bemerkte? Er schämte sich. Draco blockte seine Gedanken schon die ganze Zeit, um Harry nicht abzulenken. Er hatte einen Kloß im Hals. Es tat regelrecht weh zu schlucken. Hinter seinen geschlossenen Lidern brannten seine Augen. Er konnte es nicht verhindern, dass in ihm Tränen hochstiegen. Eisern bemühte er sich um Beherrschung. Doch es war zu spät.

Es war hoffnungslos. Für die anderen musste es so aussehen als schliefe er im Unterricht. Blaise stieß ihm unsanft seinen Ellenbogen in die Seite und flüsterte eindringlich: „Draco, er gibt jetzt Hinweise auf die Prüfungen."

Doch Draco reagierte nicht. Der Slytherin atmete betont flach, während er versuchte, sich ein Schluchzen zu verkneifen. Mühsam unterdrückte er das leichte Beben seiner Schultern. Tränen rannen ihm über das Gesicht und tropften an seinem Kinn herunter. Er gab keinen Laut von sich. Blaise beobachte seinen Banknachbarn eingehend und ihm entging nicht das kaum merkliche Zittern seiner Schultern.

Gregory Goyle feixte auf Dracos anderer Seite und gab einige halblaute Schnarchlaute von sich, während er seine Wange auf seine Handfläche legte, um so zu tun als schlafe er. Blaise seufzte leise, da  Greg manchmal echte Zweifel aufkommen ließ, ob er tatsächlich einen Verstand hatte oder so etwas wie Feingefühl besaß. 

Blaise jedenfalls wies beides auf und er hatte eine besondere Antenne dafür zu spüren, wenn es jemandem schlecht ging. Unauffällig legte er eine Hand tröstend auf Dracos Arm, so dass es aussah, als versuche er ihn zu wecken. Zum Glück dauerte die Stunde nicht mehr so lange. Draco gelang es, sich wieder zu fangen. Zumindest so weit, dass er aufhören konnte zu weinen. Harry hatte ihm gedanklich mitgeteilt, dass er nach dem Unterricht erst mal ein Bad im Vertrauensschülerbad nehmen wolle. Danach würde er dann zu Draco kommen, der ihm telepathisch antwortete, dass er in seinem Zimmer warten wolle.

Der Slytherin ließ erst mal die anderen Schüler nach Beendigung der Stunde durch Professor Binns aus dem Raum strömen bevor er hochblickte. Blaise musterte ihn besorgt und fragte leise: „Geht es wieder? Soll ich Harry holen gehen?"

Draco schüttelte den Kopf und gab nach einem kurzen Schniefen zurück: „Er wird gleich sowieso kommen. Ich gehe lieber in mein Zimmer und warte dort."

Draco setzte noch fast im Flüsterton nach: „Ich muss jetzt ein bisschen allein sein."

Blaise strich sich seinen Pferdeschwanz zurecht und gab zurück: „Verstehe. Wenn du doch Gesellschaft willst, dann klopf ruhig bei mir. Ich begleite dich in die Kerker und bin dann auch in meinem Zimmer."

Die beiden gingen schweigend nebeneinander her. Draco hatte seinen Kopf gesenkt,  damit er niemanden direkt ansehen musste. In den Kerkern angekommen, stoppten sie vor dem Portraitloch zu den Gemeinschaftsräumlichkeiten der Slytherins. Blaise wisperte leise das Passwort. „Vipernnest" und sie betraten die Slytherinkerker.  Die beiden gingen sofort in Richtung Jungenschlafsäle und trennten sich dann. Blaise warf Draco noch einen besorgten Blick hinterher doch der verschwand schnell in seinem Zimmer.

Als Draco endlich allein war, perlte seine ganze Selbstbeherrschung von ihm ab. Er machte sich nicht mal die Mühe, seine Schuhe auszuziehen oder den Umhang. So wie er war, ließ er sich auf sein Bett sinken und blieb bäuchlings darauf liegen. Er vergrub sein Gesicht im Kissen, dass sein aufsteigendes Schluchzen erstickte. Jetzt konnte er endlich seinen Tränen freien Lauf lassen.

Er hatte schon eine ganze Weile so dort gelegen und versucht, seine wirren Gedanken zu ordnen. Er konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Es schien sich einiges aufgestaut zu haben und strömte nun auf ihn ein, da der Damm endlich gebrochen war. Doch er wurde ziemlich jäh in die Realität zurückgerufen, denn ein lautes Pochen erklang an der Tür. Ehe er antworten konnte, öffnete sich die Tür und jemand rauschte in sein Zimmer. Der Besucher schien schon vorher leiser geklopft zu haben und hatte keine Antwort erhalten.

„Malfoy, ich will nicht wissen was du nachts tust, dass du tagsüber so müde sein kannst.", bemerkte der ungebetene Gast ungehalten.

Dann setzte er noch nach: „Ich glaube ich will´s gar nicht wissen. Wie kann man nur mitten am helllichten Nachmittag so fest schlafen?"

Draco stockte vor Schreck der Atem. Es war Ron, der jetzt unschlüssig in seinem Zimmer stand.  Draco raffte sich auf und rieb sich über die Augen als sei er gerade erst erwacht. Dann sprach er mit betont unbeteiligt wirkender Miene: „Tag, Ron. Komm doch herein."

Ron stand immer noch unschlüssig mitten im Raum und dann wurde ihm wohl bewusst, dass er einfach ohne auf Antwort zu warten in ein fremdes Zimmer gestürmt war. Noch dazu das Zimmer von Draco Malfoy, der bestimmt nicht zimperlich im Gebrauch von unschönen Flüchen war, wenn ihn ein ungebetener Gast aus seinem Nachmittagsnickerchen weckte.

Ron sah den Slytherin ungläubig an, als dieser ihm nur bedeutete sich hinzusetzen. Draco sah wirklich aus, als wäre er aus einem tiefen Schlaf geholt worden. Er wirkte blass und müde. Seine Augen waren noch ganz gerötet.

Ron setzte sich auf das Sofa am Kamin und blickte sich mit unverhohlener Neugier im Zimmer des Slytherin um. Dann entsann er sich warum er eigentlich hier war und fragte: „Wo ist Harry? Ich wollte mit ihm reden."

Dabei wanderten seine Augen immer noch ziellos im Raum des Slytherin herum. Draco räusperte sich als sei seine Stimme vom Schlafen noch belegt und antwortete: „Harry nimmt ein Bad und er wird gleich herkommen. Willst du hier warten?"

Ron musterte sein Gegenüber misstrauisch, als fürchte er, gleich von ihm hinterrücks erdolcht zu werden. Sein Blick fiel auf den Schreibtisch und dort erkannte er den Brief, den er Harry geschrieben hatte. Um die betretene Stille nicht ertragen zu müssen, versuchte der Rotschopf eine leichte Konversation einzuleiten und fragte sich währenddessen, ob Draco wohl den Inhalt des Briefes kannte.

Es fiel ihm nichts Gescheites ein, über das er mit Draco sprechen könnte, also fragte er frei heraus: „Habt ihr alle Einzelzimmer hier in Slytherin?"

Man konnte einen leicht eifersüchtigen Unterton wahrnehmen. Ron konnte sich schlecht verstellen und meist machte er sich auch über sein Tun nicht allzu viele Gedanken. Draco indes war bemüht, seine Fassung zu wahren. Ron hätte in keinem ungünstigeren Augenblick in sein Zimmer kommen können.

Wieder breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus, da beide nicht recht wussten was sie sagen sollten. Rons Blick flackerte nervös immer wieder zu dem Brief auf dem Schreibtisch. Draco rieb sich über die immer noch geröteten Augen, als sei er schlaftrunken. Ron nahm das aus den Augenwinkeln wahr. „Typisch Slytherin. Alles etwas...spezieller....slytherinmäßig halt.", bemerkte der Rotschopf mit einem weiteren Blick durch den großzügig eingerichteten Raum.

Er überlegte für einen kurzen Moment, ob es vielleicht besser sei, Draco allein zu lassen, da er wirklich nicht nur müde, sondern ziemlich ungesund aussah mit seiner blassen Gesichtsfarbe und den kaum noch zu vertuschenden Ringen unter den Augen. Doch dann entschied er sich aus einem Impuls heraus, doch zu bleiben und sein Vorhaben jetzt durchzuziehen. Draco runzelte seine Stirn und hakte betont beiläufig nach: „Was genau meinst du mit slytherinmäßig?"

Der Gryffindor hüstelte und gab zurück: „Nun eure Räumlichkeiten... es ist privater als bei uns. Wir haben Gemeinschaftsschlafsäle."

Draco nickte und folgte dem Blick des anderen Jungen, der wieder zu dem Brief wanderte. Für einen kurzen Augenblick trat ein verletzter Ausdruck in Dracos Augen. Doch so schnell er erschienen war, war er auch wieder weg. Der Slytherin blickte wieder undurchsichtig wie sonst auch. Ron nahm seinen ganzen Mut zusammen und fragte geradeheraus: „Du hast ihn gelesen?"

Draco nickte und bestätigte kurzangebunden: „ Ja, habe ich."

Ron begann sich äußerst unwohl zu fühlen. Diese Unterhaltung verlief gerade in eine recht unangenehme Richtung. Der Slytherin streifte ihn mit einem seiner undurchsichtigen Blicke und erklärte mit betont ruhiger Stimme: „Du hast deine Meinung zu mir. Das wusste ich ja schon vorher."

Seine Stimme war rau und kratzig. Ron überlegte nicht lang und entgegnete mit einer Spur von Wut: „Du hast auch deine Meinung zu mir und meiner Familie. Das hast du oft genug öffentlich kundgetan, Malfoy. Was erwartest du eigentlich?"

Bevor Ron weiter aufbrausen konnte, nahm ihm Draco den Wind aus den Segeln, indem er sachlich erwiderte: „Ich habe nichts anderes erwartet und es ist mir klar, dass ich dazu beigetragen habe, diese Meinung zu bilden."

Für eine kurze Zeit sagte keiner der beiden etwas, dann brummte Ron zustimmend vor sich hin. Draco rang kurz mit sich selbst, bevor er ehrlich zugab: „Aber es hat mich trotzdem getroffen. Irgendwie."

„Die große Liebe also, ja? Draco Malfoy  wird plötzlich sentimental. Tut mir leid, aber das kann ich dir nicht abkaufen. So wie du dich immer verhältst, wirkst du eher wie ein berechnender Geschäftsmann als wie ein hoffnungsloser Romantiker."

Ron verkniff sich die Bemerkung, dass Draco ungefähr so gefühlvoll wie ein Eisklotz auf ihn wirkte und setzte nach: „Lust und Liebe sollte man nicht verwechseln und wenn du Harry fallen lässt dann..."

Rons Stimme bekam einen drohenden Unterton. Draco fixierte ihn und fragte: „Was passiert dann?" Müde setzte er hinzu: „Ich könnte Harry gar nicht fallen lassen. Ich wäre ohne ihn gar nichts."

Irgendetwas an Dracos Mimik sagte Ron, dass dieser es wirklich ernst meinte. So unverständlich es für den Gryffindor war, es war kein Scherz. Ohne darüber nachzudenken stellte er die nächste Frage: „Wieso liebst du ihn?"

Ron fiel es immer noch schwer, in Zusammenhang mit Draco das Wort Liebe zu gebrauchen. Der Slytherin erklärte schlicht: „Harry lässt mich wieder fühlen. Durch ihn lebe ich. Er ist etwas ganz besonderes. Meine Gefühle für ihn sind ehrlich."

Ron schob dazwischen: „Er ist mein bester Freund."

Draco nickte und gab ungerührt zurück: „Ich weiß und daran muss sich auch gar nichts ändern. Er braucht seine Freunde. Aber du hast ihn ganz schön verletzt."

Ron schnaubte sofort wütend: „Wieso habe ich ihn bitteschön verletzt?"

Draco versuchte, ganz sachlich zu bleiben. Diese Unterredung kostete ihn sehr viel Mühe und Kraft, die er kaum aufbringen konnte. Er wollte sich nichts anmerken lassen, obwohl er immer noch mit den Tränen, die immer wieder in ihm aufsteigen wollten, zu kämpfen hatte.  

Draco sprach leise und mit einem müden Unterton: „Es hat Harry verletzt, wie du mit seinem Coming Out umgegangen bist. Du hast ihn beleidigt. Es war so schon schwer genug für ihn und er hätte deine Unterstützung gebraucht."

Ron funkelte Draco wütend an und entgegnete schroff: „Ich habe nur gesagt, was ich denke. Wenn er schon schwul sein muss, dann hätte er ja mit Dean anbandeln können. Aber ausgerechnet mit dir. Du hast ihn in den letzten Jahren auch immer wieder beleidigt und versucht, ihm eins auszuwischen."

„Das versuche ich auch gar nicht zu leugnen oder zu beschönigen.", gab der Slytherin zurück. Dann versuchte er einzulenken: „Hör mal, ich weiß, dass ich euch alle genervt habe. Ich habe euch... dich beleidigt und auch mehr als einmal getroffen mit meinen Aktionen. Es tut mir leid."

Hatte sich Draco Malfoy etwa gerade bei Ron Weasley entschuldigt? Ron konnte es gar nicht glauben. Aber der Slytherin machte nicht den Eindruck, dass er zu Scherzen aufgelegt sei. Ron fragte erstaunt: „Malfoy entschuldigt sich?"

Verblüfft sah er den Slytherin an, der nur langsam nickte: „Ja und ich meine es ernst."

Ron schüttelte ungläubig mit dem Kopf und murmelte halblaut: „Bist du es wirklich oder hat einer Vielsafttrank aus deinen Haaren gemacht?"

Draco lag immer noch erschöpft auf seinem Bett. Er nickte nur müde. Sein Umhang sah ganz zerknittert aus und er hatte sich vom Bauch auf die Seite gedreht, um Ron ansehen zu können. Dem fiel es nicht weiter auf oder er schob es auf die Müdigkeit, dass der silberblonde junge Mann vollkommen kraftlos kaum den Kopf anhob, während er mit dem Gryffindor sprach.

Ron war immer noch unsicher, ob er glauben sollte was er da eben gehört hatte. Auch auf die Gefahr hin sich zu wiederholen, begann er noch mal von Neuem: „Du sagst also, du liebst Harry. Eines ist sicher: Harry liebt dich aufrichtig. Wenn du ihn fallen lässt dann..."

Draco gab mit letzter Beherrschung leise aber mit leicht zitternder Stimme zurück: „Was ist dann?"

Ron sah sein Gegenüber ernst an, lehnte sich an den Kamin und verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte sich jetzt richtig in Stimmung geredet und hielt einen Monolog zur Verteidigung Harrys: „Wenn du ihn fallen lässt, dann brichst du ihm das Herz. Soviel ist klar. Er wird daran kaputt gehen und wir haben niemanden mehr, der es mit Du-weißt-schon-wem aufnimmt. Ich verliere dann meinen besten Freund. Und Hermine auch. Und Ginny. Er ist für sie wie ein weiterer Bruder."

Der Slytherin sah seinen Besucher ruhig an und sprach beherrscht: „Ich wäre ohne Harry gar nichts und kann ohne ihn gar nicht...Er ist mir wichtiger als alles andere!"

Ron kam langsam sichtlich ins Schwanken, denn Draco brachte das alles ziemlich glaubhaft rüber. Der Slytherin fuhr leise fort: „Ich liebe ihn mehr als mein Leben!"

Der Blick des Gryffindors schweifte wieder zu dem Brief auf dem Schreibtisch. In der Zwischenzeit ließ der andere schnell ein paar Taschentücher unter dem Bett verschwinden, die er gebraucht hatte, bevor Ron sein Zimmer betrat.

Draco massierte sich die Schläfen, damit es so aussah als schließe er seine Augen kurz, weil ihm der Kopf schmerzt. In Wirklichkeit hatte er Tränen in den Augen und ihm wurde verzweifelt klar, wie wichtig ihm Harry wirklich war und wie sehr er ihn brauchte gerade jetzt. Erschöpft und mit leicht zitternder Stimme fügte er hinzu: „Ohne Harry wäre ich rein gar nichts und könnte nicht existieren."

Ron musterte ihn eindringlich und bemerkte jetzt, dass der Slytherin nicht nur müde sondern irgendwie traurig wirkte. „Besonders glücklich wirkt ihr aber beide nicht. Ich dachte, Liebe macht glücklich?"

Draco sog kurz etwas Luft ein und antwortete dann: „Das hat nichts damit zu tun."

„Womit denn dann?", wollte Ron wissen.

Der Slytherin seufzte leise und nahm sich wieder zusammen. Er erklärte schlicht: „Das sind äußere Einflüsse, die man leider nicht ändern kann."

Der Gryffindor sah Draco neugierig an und fragte: „Und was für welche sind das?"

Der Slytherin murmelte: „Du bist sein Freund. Du weißt doch sicher wie sehr ihn diese ganzen Sachen mitnehmen: Voldemort, seine Eltern, Sirius Blacks Tod und was da noch so alles war."

Ron nickte kurz und fuhr dann fort nachzubohren: „Das ist schon klar, aber wo ist dein Problem? Ich dachte immer du hättest gar keine."

Der Vertrauensschüler von Slytherin brummte ohne wirklich zu antworten: „Jeder hat welche oder kennst du jemanden, der keine hat?"

Ron schüttelte den Kopf: „Nee, ich dachte, du wärst so jemand."

Draco blickte ihn betrübt an und sprach dann leise:  „Da hast du leider falsch gedacht. Auch wenn es mir natürlich lieber wäre, du hättest recht."

Der Slytherin klang traurig und Ron nahm nun das erste Mal wahr, dass der andere nicht müde, sondern eher niedergeschlagen aussah. Er beobachtete ihn genauer und fragte sich, ob er bisher vielleicht wirklich ein falsches Bild von ihm gehabt hatte. Aber so gut konnte sich doch niemand verstellen. Er, Ron, trug jedenfalls meist das Herz auf der Zunge und es fiel ihm schwer, sich zu verstellen. War dadurch etwa sein Blick auf andere unscharf geworden, weil er nur auf deren Oberfläche geachtet hatte, ohne hinter die Fassade zu schauen? Seine Mutter hatte früher schon häufiger solche Bemerkungen gemacht wie: Lass dich vom jungen Malfoy nicht provozieren, denn er reizt dich aus purem Selbstschutz. Jetzt wurde ihm langsam klar, was damit gemeint gewesen sein könnte. Ron fragte noch mal nach: „Was ist los? Ich dachte, du hättest alles."

Draco erwiderte leise und diesmal nahm Ron das leichte Zittern in der Stimme des anderen wahr: „Geld allein macht nicht glücklich."

Der Slytherin bemerkte die Wandlung in Rons Gesichtszügen und wich dessen Blick aus, da er fürchtete, er könne jetzt doch merken was los war.

Ron beharrte auf seiner Meinung, da er sein Leben lang etwas neidisch gewesen war auf die reicheren Familien und deren Sprösslinge, die nicht ständig Second Hand Schulutensilien kaufen mussten und schicke Kleidung tragen konnten. Er murrte: „Unglücklich aber auch nicht."

Draco entgegnete: „Nicht das Geld, mhhh..."

Der Slytherin schien zusehends blasser zu werden. Ron fiel auf, dass Draco auffällig häufig blinzelte, als sei es ihm zu hell und seine Augen würden brennen oder tränen. Dann schlich sich ein unangenehmer Gedanke bei dem Gryffindor ein: Dem anderen Jungen schien es wirklich nicht sehr gut zu gehen und er war ohne Rücksicht zu nehmen, einfach unüberlegt hier hereingeplatzt. Er fixierte Draco und diesmal mischte sich eine leichte Besorgnis in seine Züge. Dann hakte er nach: „Du bist ziemlich mies drauf, was?"

Draco versuchte schnell abzuwiegeln: „Das sind bloß harmlose Schlafstörungen nichts weiter."

Doch  Ron sah ihn durchdringend an und schnaubte: „Ja, so schaust du aus! Und wegen harmloser Schlafstörungen bleibt Harry ständig bei dir, alles klar."

Wieder hatte der Gryffindor ohne zu Überlegen einfach ins Blaue geschossen und damit einen Nerv getroffen. Draco indes wollte sich immer noch keine Blöße geben und erklärte betont unbefangen: „Er bleibt hier, weil wir uns lieben und gern zusammen sind."

Ron sah ihn nur ungläubig an und gab zurück: „Ach komm!!"

Man konnte klar und deutlich erkennen, dass Ron dem anderen kein Wort von seinen Verharmlosungen glaubte: „Weißt du, ich bin nicht blöde! Und so wie du ausschaust, ist das nichts Harmloses mehr! Du schleichst seit ein paar Tagen wie ferngesteuert durch die Gänge, bist bleich, isst nichts und Snape fasst dich mit Samthandschuhen an."

Jetzt war es heraus und Draco fühlte sich in die Ecke gedrängt. War er etwa so leicht zu durchschauen, obwohl er sich alle Mühe gegeben hatte, sich nichts anmerken zu lassen? Er kämpfte weiter verzweifelt gegen die Tränen an, die immer noch in ihm hochsteigen wollten und murmelte leise: „Ich habe ein ziemliches Schlafdefizit und es gibt ein paar familiäre Probleme. Mehr nicht."

Ron musterte sein bleiches Gegenüber: „Ich glaube, du wärst am Ende, wenn Harry dich fallen lassen würde und..."

Er stutzte plötzlich und überlegte, was er da jetzt eigentlich gesagt hatte. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte recht. Ron sah wieder auf den Brief auf dem Schreibtisch, schlechtes Gewissen keimte in ihm auf. Er hatte tatsächlich Draco mit seinen Worten hart getroffen, denn dieser schien Harry ebenso zu brauchen und zu lieben wie der ihn. Als ihn endlich die Erkenntnis traf murmelte er leise vor sich hin: „Scheiße. Hey, es tut mir leid!"

Draco konnte sich nun nur noch mühsam beherrschen. Er konnte Ron gar nicht in die Augen sehen, da dieser dann das feuchte Schimmern seiner Tränen wahrgenommen hätte. Draco nickte:  „Dann sind wir jetzt quitt."

Jetzt plagte Ron das schlechte Gewissen so richtig, da ihm langsam dämmerte,  wie egoistisch er sich verhalten hatte. Seine Eifersucht war ihm mal wieder zum Verhängnis geworden wie so oft. Hermine hatte ihn gewarnt, aber er war beleidigt gewesen und hatte ihr nicht zugehört. Jetzt war es zu spät und er konnte es nicht mehr rückgängig machen. Da würde er sich auch bei Harry noch mal entschuldigen müssen. Draco schien es wirklich ernst mit Harry zu meinen und er würde das wohl akzeptieren müssen, auch wenn es schwer fiel, die beiden jetzt als Paar zu sehen. Draco versuchte das Gespräch wieder auf Harry zu lenken: „Hauptsache du verträgst dich wieder mit Harry."

Doch Ron merkte jetzt ganz deutlich, dass mit dem Slytherin etwas nicht stimmte: Ron sagte nachdenklich: „Hm... Harry ist, glaub ich, nicht das Problem."

Draco ging gar nicht auf diese Feststellung ein und murmelte: „Ich werde froh sein, wenn Harry wieder alle seine Freunde zurück hat. Er braucht euch."

In seiner Stimme war ein besorgter Tonfall auszumachen und Ron fragte: „Du sorgst dich um ihn, was?" Dann setzte er mit ernstem Gesichtsausdruck nach: „Dann haben wir was gemeinsam."

Draco nickte und sprach leise, wieder mit diesem heiseren Unterton, als würde ihm seine Stimme nicht mehr ganz gehorchen: „Ja, denn ich will, dass er glücklich ist."

Ron lächelte leicht und erwiderte: „Ich auch."

Draco lächelte zurück, obwohl er immer noch Tränen in den Augen hatte und stellte simpel fest: „Dann kann ja nichts mehr schief gehen."

Ron, der langsam die ganze Tragweite zu begreifen begann und merkte, dass der andere sich nicht gut fühlte, fragte urplötzlich: „Willst du alleine sein?"

Draco schüttelte matt den Kopf und erklärte: „Harry wird gleich kommen, dann kannst du direkt auch mit ihm reden."

Er straffte sich, weil es ihm sehr wichtig war, dass Harry sich wieder mit seinem besten Freund vertragen konnte. Er wollte da kein Hindernis darstellen und würde sich halt etwas zurücknehmen. Ron fixierte Draco aufmerksam und diesmal entging ihm nicht, dass dieser immer noch ganz gerötete Augen hatte, die im Kerzenschein verdächtig glitzerten, als würde er nur mühsam seine Tränen zurückhalten. Draco zwang sich ruhig zurückzublicken, sah Ron aber nicht direkt an. Der Slytherin war sich bewusst, dass seine Augen immer noch rot waren vom Weinen. Sie glänzten, da ihm neue Tränen hinter den halbgeschlossenen Lidern brannten. Deshalb hielt er den Blick halb gesenkt. Ron fragte sich, wieso ihm das nicht schon lange aufgefallen war, dass Draco als er reinkam gar nicht geschlafen hatte, sondern es ihm ernsthaft schlecht ging.

In dem Moment kam Harry zur Tür herein und blickte überrascht auf, als er Ron am Kamin stehen sah. Dann blickte er zu Draco und nahm sofort wahr, dass dieser mit den Tränen kämpfte. Er funkelte Ron wütend an und fragte schroff: „Was ist denn hier los?"

Ron lächelte schief und erklärte verlegen: „Ich wollte eigentlich dich besuchen, um mit dir zu reden. Dann hab ich hier gewartet und mit Draco geredet. Wir reden ein anderes Mal, ja? Geh jetzt zu ihm und kümmer dich um ihn. Er braucht dich."

Ron ging an Harry vorbei und klopfte ihm im Vorbeigehen freundschaftlich auf die Schulter. Harry war ziemlich perplex ,diese ganze Situation verwirrte ihn zutiefst. Was war hier nur geschehen? Er vermutete, die beiden hatten gestritten, doch passte Rons Reaktion nicht dazu und auch Draco schien nicht sauer auf Ron zu sein. Draco sah besorgniserregend blass aus, er hatte gerötete, verquollene Augen, die feucht schimmerten. Der Slytherin schirmte noch alle seine Gefühle ab, um, wie Harry sicher war, ihm das Gespräch mit Ron zu ermöglichen. Er war ergriffen über das, was sein Freund hier gerade für ihn tat und umarmte ihn mental. Ron  drehte sich an der Tür noch mal um, nickte Draco zu und lächelte ermutigend in Harrys Richtung. Dann verließ er das Zimmer. Dracos Fassade begann bereits zu bröckeln. Harry ging sofort zu ihm, nahm ihn in den Arm und gab ihm den Raum, den er nun für seine Trauer brauchte.