An Romi und Trummerlotte: Danke
5. und 6. Schuljahr
Beim nächsten Klassenfoto – diesmal aus dem sechsten Jahr – verdrehte Harry die Augen. „Langsam nervt es", stellte er fest und Remus lachte: „Ich finde es eigentlich gar nicht schlecht. Da sieht man noch mal, wie man sich über die Jahre verändert hat. Sieh mal, ich glaube, dass Bild wurde kurz nach Vollmond aufgenommen. Oder kurz davor." Harry sah sofort, was er meinte. Der 15-jährige Remus auf dem Bild war blass, die silbernen Strähnen im dunkelblonden Haar zahlreicher als zuvor. Er sah müde und abgekämpft aus, aber die braunen Augen strahlten. Hätten sie das nicht getan, hätte Harry ihn für tot erklärt.
Das Bild dahinter war allerdings wieder interessanter. Es zeigte sieben Schüler, allesamt in scharlachroten Umhangen und mit Besen in der Hand. „Die Griffindormannschaft in dem Jahr, in dem deine Mutter dazu stieß. Die mit den Schlaghölzern sind – logischerweise – die Treiber. Der Junge ist Eduard Gregory, genannt Eddie. Er war ein Jahr unter uns und wurde später von Bella umgebracht. Das Mädchen hast du ja vielleicht schon als Candy erkannt. Der Typ mit dem Quaffel ist Patrick Marvelus, der Hüter. Er war ein Jahr über uns und wurde in unserem letzten Jahr durch Daniel ‚Danny' Larkson ersetzt, er war damals erst in der Zweiten. James, Lily und mich kennst du ja und das andere Mädchen ist Zarah Miller, zu dem Zeitpunkt Siebtklässlerin, deren Nachfolgerin Kathleen Johnson war. Kathy war zwei Jahre unter uns und ist die Tante von Angelina Johnson", erklärte Sirius.
Harry sah das Bild angestrengt an. Irgendetwas stimmte hier nicht, nur was? Es schien alles normal zu sein, aber irgendwie… Er entschied, zu fragen: „Was ist an diesem Bild komisch? Irgendetwas passt da nicht, aber ich komme nicht drauf, was es ist!" „Ah, ich hatte mich schon gefragt ob du es merkst", Sirius schien sehr zufrieden mit seinem Patensohn. Harry dagegen stöhnte: „Nein, jetzt fängt er wieder an in Rätseln zu sprechen. REMUS!" Der Angesprochene lacht und forderte Harry auf: „Sieh dir Lily mal ganz genau an!" Er tat wie ihm geheißen und scannte das Bild noch konzentrierter.
Annehmbare Schuhe. Klassischer, scharlachroter Quidditchumhang. Besen in der einen, Schnatz in der anderen Hand. Leuchtende, grüne Augen. Strahlendes Lächeln. Haare zu einem Pferdschwanz hochgebunden. Moment! Die Haare! Sie waren nicht rot, auch nicht dunkelrot, sondern braun. „Ähm… ihre Haare…", verkündete Harry seine Entdeckung zögernd. Sirius stolzes Grinsen wurde immer breiter: „Ja, genau." „Was ist damit passiert?", fragte Harry. Remus antwortete ihn: „Ihre echte Haarfarbe hätte sich mit dem scharlachrot den Umhangs gebissen, also hat Lily vor jedem Spiel ihre Haarfarbe verändert und den Zauber nachher wieder rückgängig gemacht. Eigentlich mochte sie ihre Haare, vor allem später, als sie nicht mehr feuer-, sondern blutrot waren, aber Lily war eitel. Fast so eitel wie James und der war wiederum nicht ganz so schlimm wie Sirius." Dafür handelte sich der Werwolf einen spielerischen Schlag ein.
Lachend wandte Harry sich dem nächsten Bild zu. Und es war – wieder ein verdammtes Klassenfoto. „Ist das Vorletzte", tröstete Sirius ihn. Harry wollte es schon wegtun, als sein Blick auf das Gesicht seiner 16-jährigen Mutter fiel. Sie starrte unbeweglich auf den Boden, die Augen verweint, das Haar hing ihr wirr ins Gesicht und verdeckte es zur Hälfte. „Was war mit ihr?", fragte er beinahe mitfühlend. Einen kurzen Moment sahen Sirius und Remus einander an, während Harry Emmy und Candy musterte. Sie sahen ihre Freundin besorgt an und auch James schien seinen Blick nicht von ihr losreißen zu können. Was war damals los gewesen?
Sirius beantwortete seine Frage, was Harry etwas wunderte. Sonst antwortete meistens Remus und Sirius gab Kommentare ab. „Zwei Tage bevor das Bild geschossen wurde kam die Nachricht vom Tod ihrer Eltern. Lily war das ganze sechste Jahr hindurch nicht sie selbst. Ende des Schuljahrs hat James es dann irgendwie – und jetzt frag bitte nicht wie, ich weiß es nicht – geschafft sie aufzubauen. Er hat sie nicht nur aus ihrem Schneckenhaus gelockt, er hat sie auch noch dazu gebracht, ihn zu mögen. In der Siebten ist sie dann mit ihm ausgegangen. War auch schwer vermeidbar für sie, ihn nicht zu sehen, immerhin waren beide Schulsprecher."
Harry verschluckte sich an dem Keks, den er grade aß: „SCHULSPRECHER? Mein Vater? Sicherlich…" Remus begann zu lachen und auf Harrys irritierten Blick hin, erklärte er: „Das ist exakt Sirius Reaktion, als er davon erfahren hat. James hat Dumbledore für unzurechnungsfähig erklärt und Lily hat ernsthaft überlegt ihn in die geschlossene Anstalt einzuweißen oder zumindest auf dem Imperio-Fluch zu untersuchen." Harry lachte nun ebenfalls und auch Sirius fiel ein. Als sie sich wieder beruhigt hatten, fuhr Remus fort: „Das Lily Schulsprecherin wird haben alle erwartet, immerhin war sie vorher zwei Jahre Vertrauensschülerin und zudem Jahrgangsbeste. James war zwar nur ein wenig ‚schlechter', aber er hatte keine Ahnung, was er als Schulsprecher zu tun hatte. Alle haben erwartet, dass ich den Posten bekomme – alle außer mir selber. Malfoy war auch ein heißer Kandidat, Dracos Vater."
Da das Thema ‚Malfoy' nicht zu Harrys Lieblingsthemen gehörte, nahm er sich das nächste Bild vor. Es zeigte Lily zusammen mit einem braunhaarigen, durchaus attraktiven Jungen, mochte wohl ein Siebtklässler sein. Im Hintergrund sah er James, Sirius und Remus, jeder der drei in Begleitung eines Mädchens. „Der Typ da ist Amos Diggory. Ja, der war früher mal ganz ansehnlich. Die zwei waren über Weihnachten mal drei Monate zusammen, das Bild wurde übrigens auf dem Weihnachtsball aufgenommen, aber Lily hat ihm irgendwann den Laufpass gegeben", erklärte Sirius und es war offensichtlich, dass er wenig von Amos Diggory hielt. Harry dagegen behagte das Thema nicht. Amos war Cedrics Vater gewesen – und Cedric war tot.
„Wie kam es eigentlich, dass ihr solche ‚Herzensbrecher' wart?", fragte Harry. Diesmal kam die Antwort wieder von Remus, aber in Form einer Gegenfrage: „Willst du Lilys Theorie dazu hören?" Harry nickte nur und Remus rutschte ein Stück von Sirius weg, bevor er fort fuhr: „Sie meinte mal, dass wir alle drei auf eigene Weiße ‚anziehend' wären…" „Drei?", unterbrach Harry ihn. Sirius lachte und erklärte grinsend: „Remus hier war zwar nicht so schlimm wie James oder ich, aber… nun, sagen wir es mal so: jungfräulich war er auch nicht grade…" Jetzt war es an Remus, auf seinen Freund loszugehen. „Stopp", rief Harry, „ich will jetzt noch eine Antwort haben." „Nachher, Black", knurrte Remus, musste dann aber grinsen.
„Lily meinte also, dass es immer etwas mit der Ausstrahlung zu tun gehabt hätte, dass die Mädchen doch immer angekrochen kamen, obwohl sie wussten, dass wir uns in einer Woche nicht mehr an ihren Namen würden erinnern können…" Bis hierhin kam Sirius, dann fiel Remus ihm ins Wort: „DU! Du konntest dich nicht mehr an die Namen erinnern. James nur halbwegs – er hat dann zum Beispiel aus Angela Angelina gemacht und so – und ich wusste sie immer noch Monate nachher. Ich weiß heute noch alle." Sirius schnaubte nur verächtlich und Remus übernahm das Wort wieder: „Sirius muss, laut Lily, immer irgendwie etwas Gefährliches an sich gehabt haben und außerdem war klar, dass ihn nie auch nur Eine von ihnen würde ‚besitzen' können. James war der zum Anhimmeln: bester Schüler, Quidditchstar, hochintelligent, Anführer der Marauder, beliebt, reich und gut aussehend. Außerdem haftete an ihm der Ruf, am besten im Bett zu sein… nicht wahr, Sirileich?"
Sirius schien in seiner Ehre gekränkt und Harry musste schon wieder Lachen, dann blitzte es plötzlich in den Augen seines Paten auf. „Und Remus", begann er und grinste genüsslich, „wer der, der die Beschützinstinkte weckte. Oft krank, eher schwächlich und still. Außerdem der Geheimnisvolle und der gute Freund. Ehrlich gesagt, wenn MIR jemand das Image verpasst hätte, ich hätte mir selbst den Avada Kedavra auf den Hals gehetzt." „Seit wann kannst du DEN denn?", zog Harry ihn spöttisch auf. Sirius warf ihm einen herablassenden Blick zu und erwiderte cool: „Seit ich neun bin, wieso?" Als Harrys Unterkiefer nach unten klappte, fügte er hinzu: „Tja, da kommt man nicht drum rum, wenn man ein Black ist. Als ich nach Hogwarts kam, konnte ich andere Menschen foltern, umbringen und sonst was für dunkle Flüche wirken, aber ich konnte weder eine Feder zum Schweben bringen, noch ein Streichholz in eine Nadel verwandeln." Harry war erstmal sprachlos.
