Disclaimer: Noch immer gehört alles Prof. Tolkien bzw. seinen Erben und noch immer ist das hier reiner Spaß und nicht kommerziell motiviert.

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Kapitel 5: Helden haben's auch nicht leicht

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Die Höhe des Raumes war für den Eintretenden eine Überraschung. Vom Boden über zwei Stockwerke zogen sich die tiefen Regale, die erst vor dem offenen Dachstuhl endeten. Von dort fiel Licht durch geöffnete Dachluken und gab die vielen Ballen, Kisten und Gläser dem Blick des Besuchers preis. Eine Holzgalerie führte in halber Höhe an den Regalen vorbei. So war es einfacher, die seltsamen Dinge näher zu untersuchen, die Magol Heppelman hier aus allen Teilen Ardas hortete.

Angeblich gab es nichts, das dieser Händler nicht führte, hatte zumindest Ferlong behauptet. Wenn man nun Elrond und Varya erlebte, wie sie ihm langsam über die Galerie folgten und gelegentlich die Waren untersuchten, war man geneigt, ihm das auch zu glauben. Pflanzen, Kräuter, Mineralpulver und ausgesprochen befremdliche Utensilien, um daraus Heiltränke und Salben zu erzeugen, versetzten die beiden nun schon seit gut zwei Stunden in stilles Entzücken. Wahrscheinlich würden sie den ganzen Tag hier verbringen, ließe man sie nur. Etwas, das Thranduil ganz und gar nicht beabsichtigte.

Er schlenderte zu einem der kleinen Fenster, die an der Vorderfront den Blick auf die Straße freigaben. Glorfindel hockte dort schon eine ganze Weile auf einem großen Ballen getrockneter Pflanzen und starrte trüb auf die Straße hinaus. Thranduil folgte seinem Blick. Vor den mit Luftblasen durchsetzten Scheiben war leicht verschwommen Forlos reglose Gestalt zu erkennen. Vier weitere Wachen hatten sich vor dem Laden aufgebaut, um ihrem König und seinen Begleitern einen ungestörten Besuch zu ermöglichen.

„Ich wünschte, eine Horde Orks fiele vom Himmel und würde den Laden angreifen", seufzte Glorfindel. „Wie lange wollen die beiden noch hier rumschlendern?"

Thranduil setzte sich zu ihm. Eine Horde Orks war gar keine so schlechte Idee. Er langweilte sich, Glorfindel langweilte sich auch, sie waren in ihrem Leid vereint. „Ich gebe ihnen noch fünf Minuten."

„Fünf Minuten." Glorfindel seufzte erneut. „Gegenüber ist ein Gasthaus. Wir hätten lieber dort auf sie warten sollen. Wisst Ihr, was das Schlimmste ist?"

Thranduil schüttelte den Kopf. Hier war einiges schlimm und er schwankte noch, was er an die Spitze setzen sollte.

„Dies war nicht unser letzter Besuch hier." Glorfindels gletscherblaue Augen spiegelten tiefe Verzweiflung wieder. „Morgen wird Elrond wieder her wollen, und übermorgen...ich kenne ihn. Es ginge noch, wenn er nicht in Varya eine verwandte Seele gefunden hätte. Ihr hättet Ferlong einschärfen sollen, diesen Händler nicht zu erwähnen. Es ist Eure Schuld, Thranduil!"

Thranduil bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln. Das wusste er mittlerweile auch. Dabei hatte er der Rhûna nur einen Gefallen tun wollen. Wer konnte schon ahnen, wie teuer es ihn zu stehen kam? Er atmete tief ein und wunderte sich erneut über den seltsamen Geschmack, den die Luft in diesem hohen Raum hatte. Ganz Mittelerde schien sich hier in Erinnerung zu rufen einschließlich Mordor, wenn er den leichten Schwefelgeruch richtig identifizierte.

Vor dem Gasthaus auf der gegenüberliegenden Seite standen einige Schaulustige herum, Bierkrüge in der Hand und in eine rege Unterhaltung vertieft. Wahrscheinlich spekulierten sie darüber, was die Elben bei Heppelman für Zauberwaren zusammen kauften. Dieser ausgedehnte Besuch war wirklich rufschädigend für das Elbentum.

„Sieh nur!" Varya stürmte vor Heppelman und Elrond die steile Holztreppe herunter und schwenkte dabei eine lange Schnur mit aufgereihten, sonnengelben Pilzen. „Magol sagt, damit kann man Schlafstörungen beheben."

„In diesem Laden hat man keine", murmelte Glorfindel.

„Nett", meinte Thranduil lahm. Er hoffte nur, sie hängte sich diese Pilzkette nicht um den Hals. Zuzutrauen war es ihr. „Können wir jetzt gehen?"

„Vorerst ja", nickte Elrond, ein boshaftes Glitzern in den Augen. „Ich denke, einen ersten Eindruck haben wir nun von Meister Heppelmans großartigem Sortiment. Wir kommen morgen wieder und besprechen dann die Einzelheiten."

Ohne mich, dachte Thranduil, während er den Händler mit einem gezwungenen Lächeln bedachte. Eher besuche ich freiwillig die Minen von Moria. Glorfindel würde mich sicher begleiten.

Glorfindel sagte gar nichts mehr, sondern stieß bereits die Eingangstür auf. So blieb dem Herrn von Imladris und Varya keine andere Wahl, als sich hastig von einem freudig strahlenden Händler zu verabschieden, der nicht zu Unrecht goldene Zeiten auf sich zukommen sah.

Es war wie der Eintritt in eine andere Welt, als sie den stillen, dunklen Laden verließen und auf die belebte Hauptstraße traten, auf der die meisten Händler Esgaroths ihre Kontore unterhielten. Zurück ins Leben, so kam es Thranduil jedenfalls vor. Er ignorierte Forlos wissenden Blick und steuerte mit energischen Schritten sein ursprüngliches Ziel an, das er schon beim Frühstück geplant hatte.

„Können wir nicht..." Glorfindel deutete hoffnungsvoll auf das Gasthof gegenüber.

„Später", knurrte Thranduil und ignorierte die Enttäuschung des Vanya.

Er hatte nicht vor, in offizieller Aufmachung, Elrond noch dazu in einer seiner auffälligen Seidenroben, Varya mit dieser entsetzlichen Pilzkette in der Hand und seiner Leibwache um sich gescharrt einen Gasthof zu betreten. Stattdessen marschierte er mit langen Schritten die Hauptstraße entlang und bog dann in eine stillere Gasse zur Linken ein. Als erstes lief er fast einen Zwerg über den Haufen, der schimpfend zur Seite sprang und in seiner harten Sprache wohl kaum eine Entschuldigung blaffte.

Vor einer massiven Eisentür an einem der wuchtigen Häuser blieb er stehen. Hier war kein Gebäude zu finden, dessen Fenster nicht durch Gitter gesichert waren. Thranduil hämmerte energisch gegen die Tür und sofort danach wurde in halber Höhe eine Klappe zurückgeschoben. Helle Augen musterten die Elben vor der Tür misstrauisch, bis Erkennen sich einstellte.

„Ihr!" Zusammen mit dem in ruppigem Sindarin ausgestoßenen Wort wurde ein Riegel auf der Innenseite gelöst, dann ein zweiter und schließlich ein dritter. Endlich schwang die Tür auf und ein rothaariger Zwerg in dunkler, metallbeschlagener Lederkleidung baute sich vor ihnen auf. „König Thranduil. Ihr seid ein seltener Gast geworden. Kommt rein."

Wie ein Verschwörer winkte er die Elben an sich vorbei. Als sich die Leibwache vor der Tür aufbauen wollte, schüttelte er heftig den Kopf. „Ihr auch. Draußen seid Ihr zu auffällig. Bewacht hier drin Euren König und wen er da noch alles mitgebracht hat. Macht schon."

Kurz darauf drängten sich alle in einem Vorraum vom Charme einer Abstellkammer. Der Zwerg schlug hinter ihnen die Tür zu, schob sorgfältig die Riegel wieder vor und warf noch einen prüfenden Blick durch die Klappe, bevor er sich ihnen zuwandte. Einen Moment maßen sich alle abwartend, dann kam Bewegung in die groben Züge des Zwergs. Unter dem wuchernden Bart verzogen sich seine Lippen zu einem breiten Lächeln. „Willkommen in meinem bescheidenen Refugium. Thranduils Freunde sind auch Noloins Freunde. Bringt Ihr jetzt Eure eigenen Juwelen mit, um mich mit Neid zu erfüllen, König Thranduil?"

Thranduil stutzte einen Augenblick, bis er bemerkte, dass Noloin Varya meinte, die ihn mit großen Augen anstarrte. „Unverkäuflich, Noloin, absolut unverkäuflich."

„Schade", grinste der Zwerg. „Dann muss ich mich damit begnügen, Euch die Goldstücke aus der Tasche zu ziehen. Ich habe sehr schöne Stücke aus Erebor erhalten. Gerade gestern ist eine bemerkenswerte Lieferung eingetroffen. Wer sind denn Eure Begleiter?"

Als hätte er das nicht längst erfahren. Thranduil stellte sie dennoch vor. Zuletzt war Glorfindel dran. „Lord Glorfindel schuldet mir einen Silberring. Einen ganz besonderen, Noloin."

„Ah, habt Ihr wieder gewettet", vermutete der Zwerg und stapfte auf seinen kurzen, stämmigen Beinen auf eine Gittertür im Hintergrund des Raumes zu. „Folgt mir. Ich denke, Ihr werdet zufrieden sein."

„Was ist das hier?" erkundigte sich Varya im Flüsterton bei Elrond.

„Ein Juwelenhändler", erklärte der Elbenlord und seine Stimme troff vor Spott. „Gewöhnt Euch daran, mein Kind. Thranduil ist sozusagen ein leidenschaftlicher Sammler."

Und das von einem Elb, der angesichts eines Kräutersträußchens in Verzückung geriet. Elrond war wirklich nicht der Richtige, um sich über die Passionen anderer zu mokieren. Thranduil knurrte nur leicht. Er folgte Noloin durch die schwere Gittertür, die in gutgeölten Angeln geräuschlos aufglitt. Der Raum dahinter unterschied sich von der Kargheit des Eingangsraumes nur dadurch, dass er einen langen Tisch enthielt, der mit einem schwarzen Samttuch bedeckt war und ausreichend Lampen für Licht sorgten.

Noloin gab einem Gehilfen ein Zeichen und kurz darauf kehrte der schweigsame Zwerg zurück, mehrere schmale Stoffbündel in der Hand. Noloin rollte sie routiniert auf dem Tisch aus und nahm dann schmunzelnd zur Kenntnis, dass sich die Elbenfürsten nun doch fasziniert über die Schmuckstücke beugten, die sich da glitzernd und schimmernd ihren Blicken darboten.

„Das wird ein teures Vergnügen", erkannte Glorfindel stirnrunzelnd.

Thranduil beschränkte sich darauf, ihn anzulächeln. „Überlassen wir Varya die Wahl."

Die Rhûna sah von einem zum anderen. „Mir? Ich habe schon Caranirs Familienring."

Sie wedelte etwas mit ihrer rechten Hand, an der das Schmuckstück aufglitzerte, das man in der Sammlung des Hexers wiedergefunden hatte. Noloin nickte anerkennend. Er hatte ein Auge für besondere Juwelen.

Elrond erstickte ein Lachen in einem kurzen Husten und warf Thranduil einen amüsierten Blick zu.

„Such einen aus", befahl der König und schob sie an den Tisch. „Und sei nicht zu bescheiden. Glorfindel hat die Wette mit dem Labyrinth verloren."

„Das Labyrinth..." Ihr Gesichtsausdruck änderte sich. Rache, besagte der neue Zug um ihren Mund, der kurz vor purer Mordlust anzusiedeln war. Sie streckte die Hand aus und wanderte mit dem Zeigefinger die aufgereihten Ringe entlang. Der Gesichtsausdruck des Zwergs blieb dabei zwar ausdruckslos, doch immer wenn sie verharrte, verengten sich seine Augen mal mehr mal weniger. Als ihr Finger über einem einfachen Silberring schwebte, der einen rechteckig geschliffenen, großen Diamanten mit winzigen Blätterranken umfasste, trat ein zufriedener Schimmer in die dunklen Augen.

„Den", entschied Varya dann auch prompt.

Glorfindel ächzte etwas. „Bescheidenheit ist eine Zier, Lady Varya."

„Und Schönheit ein fast unbezahlbarer Schatz", ergänzte Thranduil äußerst zufrieden mit ihrer Wahl. Der Stein war nicht nur groß, sondern auch noch lupenrein und von perfektem Schliff. „Ich leihe Euch die Summe solange, Glorfindel."

„Jetzt habe ich auch noch Schulden in Düsterwald", schmunzelte der Elbenfürst. Er nahm Noloin den Ring ab und schob ihn auf Varyas linken Mittelfinger. „Passt wie für Euch gemacht."

Forlos bewegte sich unruhig. „Vielleicht sollte sie ihn jetzt noch nicht tragen. Er wird Gesindel anziehen. Ich will nicht unseren Weg zurück in die Große Halle freikämpfen müssen, weil man ihre Ringe haben will."

„Dann müsstet Ihr sie ganz wegschließen", explodierte Noloin vor Charme. „Keine Schatzkammer der Welt wäre mir sicher genug für ein Juwel wie Eure Begleiterin, Herr Elb."

„Ein gutes Geschäft weckt ungeahnte Talente in Euch", sagte Thranduil und bedeutete Varya, den Ring wieder abzulegen. Forlos hatte trotz allem Recht. Auch Esgaroth mit seinen friedliebenden Händlern zog die eigentümlichsten Gestalten an. Die Waren, die regelmäßig nach Düsterwald geschickt wurden, hatten nicht ohne Grund immer eine starke Eskorte bei sich.

„Sollen wir auf dem Rückweg nochmals kurz bei Heppelman reinschauen?" erkundigte sich Varya und nahm Aufstellung neben Elrond, ihrem stärksten Verbündeten.

„Nein!" fauchten Thranduil und Glorfindel gleichzeitig.

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***

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Irgendwo gab es einen Berechnungsfehler. Legolas beugte sich tiefer über den Hals seines Pferdes, das in gestrecktem Galopp quer über die Grasebene raste, genau auf die beiden Rhûna zu, die mit unverkennbarer Todesangst vor der durchgehenden Rinderherde flüchteten. Sie hätten sie längst erreicht haben sollen. Längst...

Legolas sah an Estel vorbei auf die geschlossene Front viel zu großer Rinder mit noch viel größeren Hörnern, langen, spitz zulaufenden Hörnern. Hörner, die Elben und Menschen aufspießen, sie dann hoch in die Luft werfen konnten und mitten hinein in diese Herde, die ohne auch nur einen Moment zu zögern über sie hinwegtrampeln würde. Legolas sah schon Estels Überreste tief und sehr tot in den Grasboden gestampft. Elrond würde unglaublich wütend sein und Thranduil mit Sicherheit auch, schließlich war es sein eigener Sohn, der gerade neben Estel herritt und vor dem die Rinderhufe auch nicht Halt machen würden. So hatte er sich seinen Abschied aus dieser Welt nicht vorgestellt. Ein derartiges Ende war einfach nur peinlich. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass es sich hier um die legendären Araw-Rinder handelte, die angeblich Oromë selber ausgesetzt hatte, um eine angemessene Jagdbeute zu haben. Legolas hätte sie auch liebend gerne weiter dem Valar überlassen. Sie waren einfach nur groß und wild.

Die beiden Rhûna rannten immer noch, auch wenn sie sich jetzt immer wieder zu den beiden Reitern umdrehten, die in einem spitzen Winkel auf sie zu hielten. Jetzt wusste Legolas auch, wo der Denkfehler gelegen hatte. Sie waren einfach davon ausgegangen, dass sie in gerader Linie vor der nahenden Herde herreiten und die beiden Elben auflesen würden. Doch da die beiden flüchteten, mussten sie schräg anreiten und außerdem bewegte sich die Herde hinter den Rhûnar her. Soviel zu dem Thema ‚Eine Gerade ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten'.

Wer hatte doch gleich diese glorreiche Idee gehabt? Legolas Miene verdüsterte sich unwillkürlich. Es gab nur einen unter ihnen, der auf solche völlig schwachsinnigen Pläne kam. Er würde Elladan erwürgen, wenn er diesen Ritt überleben sollte. Elladan, der jetzt auf einem felsigen Hügel am Rande der Grasebene stand und schön sicher beobachten konnte, wie sein genialer Plan mal wieder gründlich daneben ging.

„Zurück können wir nicht mehr!" rief Estel ihm nach einem besorgten Blick auf die Welle von Hörnern zu, die immer näher kam. „Wir müssen auf die andere Seite."

Legolas sparte sich eine Bemerkung. Die beiden Rhûna waren nur noch wenige Meter entfernt. Der größere der beiden war nun endlich stehen geblieben, rief dem anderen etwas zu und streckte bereits die Hand zu Legolas aus. Legolas nahm kurz ein sehr ruhiges, gesammeltes Antlitz mit hellblauen Augen und dunklen Haaren wahr, dann zog sich der Elb zu ihm hinauf, ohne dass er auch nur einen Moment sein Pferd verlangsamen musste. Das Tier wusste ohnehin sehr gut, was hier erwartet wurde, damit seine Reiter auch heil aus diesem Unfug wieder herauskamen.

Wir hätten dem Pferd die Planung überlassen sollen, überlegte der Waldelb. Sein Plan wäre sicherlich durchdachter als der von Elladan. Jeder macht bessere Pläne als Elronds ältester Sohn. Sogar der riesige Stier, der von rechts auf sie zugedonnert kam und dabei wild mit den Augen rollte, würde einen besseren Plan zuwege bringen.

Sie kamen den am äußeren Rand der Herde laufenden Tiere so nahe, dass Legolas sich fast sicher war, ihren Herzschlag hören zu können und den Luftzug zu spüren, mit dem die massigen Tiere an ihnen vorbeistürmten. Sicherheitshalber legten sie fast fünfzig Meter zurück, bis sie anhielten und blass, aber erleichtert den Zug dieser Tiere weiter beobachteten.

Schließlich glitt erst der Elb hinter Legolas vom Pferd.

„Bist du unversehrt?" wandte er sich zuerst an den Rhûna, der immer noch hinter Estel kauerte und am ganzen Körper zitterte. „Leiloss, es ist vorbei."

Langsam hob sich der Kopf und Legolas glaubte einen Moment, Varya vor sich zu haben, bis er die sehr viel weicheren, noch jüngeren Züge bemerkte. Eine Elbin, so jung, dass sie noch einiges vom Erwachsenenalter entfernt sein musste und eine Ithildrim mit silbernen Haaren und grünen Augen, die nun immer noch vor Angst weit aufgerissen waren. Der Rhûna hob sie vom Pferd und nickte dann Estel dankend zu, der sich ebenfalls zu Boden gleiten ließ.

„Ich kenne Euch nicht, doch mein Dank ist Euch gewiss", erklärte der Rhûna.

Estel wollte sich gerade vorstellen, als die Ithildrim ihm unvermittelt um den Hals fiel und kaum verständliche Dankesworte hervorsprudelte. Legolas biss sich auf die Lippen, um nicht spöttisch zu grinsen und womöglich den anderen Rhûna damit zu beleidigen. Estels hilfloser Gesichtsausdruck und die Art, wie er etwas hölzern den Rücken der Elbin tätschelte, die ihn gar nicht mehr loslassen wollte, entschädigte für einiges.

„Leiloss, es reicht", sagte der andere Rhûna verlegen. Nichts geschah. „Leilo, lass den Mann los!"

„Er hat mein Leben gerettet!" Das Mädchen strahlte Estel an, der sofort tiefrot anlief und etwas von Selbstverständlichkeit murmelte.

Ihr Begleiter räusperte sich unbehaglich und wandte sich an Legolas. „Sie beruhigt sich gleich wieder."

Hoffentlich noch in Estels Lebensspanne, dachte Legolas nicht ohne Bosheit. „Ich bin mir sicher. Nennt Ihr mir Euren Namen?"

„Amonir o Rhûnar." Der andere neigte nochmals den Kopf. „Ich weiß nicht, was Euch so weit nach Osten geführt hat, doch ich danke Eru dafür von ganzem Herzen."

„Ich auch", rief seine Begleiterin, unfähig sich von Estel zu lösen.

Amonir schloss einen Moment gequält die Augen, ignorierte sie aber. „Erfahren wir auch die Namen unserer Retter?"

„Estel aus Imladris", sagte Legolas und deutete auf seinen Freund. „Und ich bin Legolas Thrandulion."

Der Rhûna betrachtete ihn einen Augenblick nachdenklich. „Hoher Besuch, sehr hoher. Vor einiger Zeit brachen Angehörige meines Volkes nach Westen auf."

Legolas lächelte. „Ich weiß. Wir haben einen davon wieder nach Hause begleitet."

„Galen?" fragte die Ithildrim und nahm eher unwillig zur Kenntnis, dass Estel ihre Hände von seinem Mantel löste und sie einen großen Schritt von sich weg schob, bevor er zu Legolas flüchtete, misstrauisch den Blick auf das Mädchen gerichtet.

Legolas zeigte auf die andere Seite der Grasebene, über die nur noch wenige Tiere rannten. Zu seinem Erstaunen verstreute sich die Herde nun wieder ruhiger weiter westlich. Was immer sie in Panik versetzt hatte, schien nicht mehr länger eine Bedrohung zu sein. Auf dem Hügel gegenüber machten sich die Reiter inzwischen bereit, zu ihnen zu kommen.

„Ich kann nur einen der unsrigen erkennen", sagte der Rhûna gedehnt. „Wir erwarten drei. Zwei davon mit Freude und einen voller Abscheu."

„Varya Ithilfin ist in Düsterwald verblieben", erklärte Legolas. Die Einzelheiten würde er sicher nicht hier auf dieser Wiese abklären. Die überraschende Verbrüderung der beiden, die wohl im Weinkeller des Palastes begonnen und im Schlafgemach seines Vaters geendet hatte, würde er überhaupt mit niemandem diskutieren. „Und Enach befindet sich nicht mehr unter uns."

„Geschieht ihr recht!" meinte Leiloss nur und pirschte sich bereits wieder an Estel heran.

Hilf mir! besagte der Blick seines Freundes, während er unauffällig vor ihr zurückwich.

Legolas schüttelte kaum merklich den Kopf. Estel würde seinen Horizont erweitern in diesem sehr ungleichen Kampf. Bei Arwen konnte ihm das nur nützlich sein. „Geschehen solche Dinge hier öfter, Amonir?"

„Ihr meint die Rinder? Nein, eigentlich nie. Araw-Rinder sind gewöhnlich sehr gelassen, da sie keine wirklichen Feinde haben. Aber seit einigen Wochen zeigen viele der Tiere hier ein seltsames Verhalten. Nicht zuletzt deswegen schickte man mich Richtung Ilegond, um mich dort umzuhören. Die Menschen erfahren viel von den Händlern, die dort Halt machen."

„Ilegond fanden wir verlassen vor." Estel ließ Leiloss nicht aus den Augen und bewegte sich vorsichtig rückwärts.

„War es gefährlich?" fragte sie atemlos und machte wieder einen Schritt auf ihn zu. „Ich wette, Ihr erlebt dauernd Abenteuer."

„Selten, eigentlich nie", log Estel hastig.

Wenn sie nicht alle damit beschäftigt gewesen wären, ihn und Leilo zu beobachten, hätten sie es vielleicht gemerkt. So jedoch tauchte das versprengte Rind wie ein Geist neben dem Menschen auf. Es war so verzweifelt bemüht, den Anschluss zu seiner Herde nicht zu verpassen, dass Estel gleichbedeutend mit einem Grashalm auf dem Weg war.

Leilo schrie, stürzte mit ausgestreckten Armen auf Estel zu, woraufhin der sich von ihr bedroht fühlte und einen Satz zurück machte, direkt vor den mächtigen Schädel des Tieres. Legolas schrie ebenfalls, Amonir stöhnte auf und beide sahen sie hilflos zu, wie der Mensch hoch in die Luft geschleudert wurde und ein gutes Stück entfernt mit einem unheilvollen Laut im Grasboden landete.

„Er ist tot!" kreischte Leilo und schien sich nicht entscheiden zu können, ob sie nun zu ihrem Helden eilen oder zuerst das bedauernswerte Tier mit bloßen Händen umbringen sollte.

Zum Glück kamen beinahe gleichzeitig die anderen auf ihrer Seite an. Galen hielt sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern stürzte sofort zu Estel, der beunruhigend leblos   auf dem Rücken lag. Legolas war in diesem Moment egal, ob Galens Heilmethoden Anflüge von Folter hatten. Wenn einer dem Menschen helfen konnte, dann der Rhûna. Estels Lippen liefen bereits blau an. Galen holte eine winzige Phiole aus seiner Tasche, zog den Stöpsel ab und hielt ihn unter Estels Nase. Der Mensch holte beinahe sofort mit einer Grimasse tief Luft.

„Bleib liegen!" befahl Galen und begann, ihn überraschend sanft nach Knochenbrüchen zu untersuchen. Schließlich lächelte er etwas. „Nichts passiert. Du hattest Glück, mein Freund. Außer einer Menge Prellungen ist alles in Ordnung."

„Du hast keine Ahnung", murmelte Estel, den Blick an Galen vorbei auf das Mädchen gerichtet, das sich gerade in Amonirs festem Griff wand.

„Oh doch", erklärte Galen sehr leise. „Ich habe schließlich Augen im Kopf und ich kenne Leilo. Du solltest aufpassen, sie ist in einem komischen Alter."

„Galen, bitte", stöhnte Estel auf. „Lasst mich hier zurück."

Lächelnd schüttelte der Rhûna den Kopf und wandte sich an die Umstehenden. „Helft ihm auf die Füße. Menschliche Körper sind ein bisschen zerbrechlich. Lass ihn jetzt zufrieden, Leilo, er braucht Ruhe."

Legolas und Elrohir gehorchten grinsend. Übertrieben behutsam halfen sie ihm dabei, aufzustehen und fingen sich erboste Blicke des Menschen ein.

„Ihn hast du nicht mit diesem Zeug gequält", beschwerte sich Elladan währenddessen bei Galen.

„Er blutet nicht."

„Sicher ist sicher."

„Elladan!" zischelte Estel empört.

Galen winkte nur ab und begrüßte Amonir mit großer Freude. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich alle miteinander bekannt gemacht hatten. Sogar Estel hatte Glück im Unglück. Leilo war so fasziniert von Binter, dass sie ihn erst einmal in Ruhe ließ.

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***

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Er war allein, verlassen von seinen verräterischen Begleitern, die unter den fadenscheinigsten Gründen aus dem großen Bankettsaal verschwunden waren. Gerade eben schob sich Forlos durch eine Seitentür hinaus. Er würde Glorfindel und Varya folgen, die schon vor einigen Minuten den gleichen Weg genommen hatten. Thranduil, in gewohnt unanfechtbarer Königsmanier hatte schlicht und ergreifend verkündet, ermattet zu sein und sich durch den Haupteingang davongemacht.

Ermattet! Elrond unterdrückte einen ironischen Ausruf. Für diese Flüchtlinge fing der Abend jetzt erst richtig an. Auch wenn alle vier meinten, er wäre auf dem besten Wege in die totale Vergeistigung, funktionierte sein gesunder Elbenverstand mit der üblichen Schärfe.  Er sah sie förmlich vor sich, wie sie sich mit den Uniformen der Leibwachen tarnten und dann durch Esgaroth schwärmten. Bis auf Varya natürlich, bei der jede Art der Tarnung zwecklos war.

„Schmeckt Euch das Essen nicht, Lord Elrond?" erkundigte sich Ferlongs Gemahlin mit einem besorgten Blick auf das üppige Mahl auf seinem Teller. Sie hatte geradezu beängstigende Ähnlichkeit mit dem Bürgermeister. Zum Glück waren ihre Haare länger und sie trug ein bunt, wirklich bunt verziertes Kleid, sonst hätte er jedes Mal überlegen müssen, wer von beiden nun wer war.

„Es ist delikat", erklärte er und verschwieg, dass derart scharf gewürzte, vor Fett triefende Speisen nicht unbedingt den Gaumen eines Elben erfreuten.

„Euer erster Besuch in Esgaroth?" erkundigte sich sein Tischnachbar zur Rechten. Der Mann hatte eine angenehm warme und sanfte Stimme. Zwar beherrschten viele in Esgaroth die Elbensprache zumindest in den Grundzügen, was am stetigen Handel mit den Waldelben liegen musste, doch kaum einer sprach es so akzentlos wie dieser hier.

Als er Elronds leichtes Erstaunen bemerkte, lächelte er etwas. „Mein Besitz liegt einige Meilen stromabwärts. Wir treiben sehr viel Handel mit allen Völkern Mittelerdes. Ich verbrachte in meiner Jugend einige Zeit in Ilegond und handelte mit dem Volk Eurer leider bereits verschwundenen Begleiterin. Es ist eine sehr schöne Sprache."

Elrond betrachtete ihn etwas näher. Jung war er nach menschlichen Maßstäben nicht mehr. Er schätzte ihn in den Fünfzigern, das Leben hatte jedes einzelne Jahr in sein gebräuntes Gesicht gezeichnet und seine schulterlangen Haare bereits mit dem Schnee des Alters überzogen. Als Inmer von Talbruch hatte ihn Ferlong vorgestellt, und damit ein Schmunzeln bei den elbischen Gästen hervorgerufen ob der Ähnlichkeit des Nachnamens mit dem Elronds. Er war ein einflussreicher Gutsherr, der fast den Rang eines bescheidenen Menschenfürsten einnahm.  „Ihr kennt Rhûnar?"

„Nein, leider nicht", antwortete Inmer kopfschüttelnd. „Nur Ilegond, die Handelsstation am Celduin. Niemand reist bis nach Rhûnar selbst. Die Elben, die mit Ilegond Handel treiben, sind zwar stets freundlich, doch sie lassen keinen Zweifel, dass sie niemals Besuch in ihrem Reich dulden werden."

„Sie sind etwas besonderes", erklärte Elrond unverbindlich.

„Oh, das sind sie wohl." Inmer drehte nachdenklich sein Weinglas. Ein unerklärlicher Schatten glitt über sein Gesicht. Elrond erkannte Leid, wenn er es vor sich hatte, doch eine Frage erschien ihm nicht angemessen, zumal der Mensch bereits weiter sprach. „Zu schade, dass der Handel zurzeit ruht."

Nein, das hatte er nicht hören wollen. Elrond spürte, wie sich in seinem Innern ein ungutes Gefühl meldete. Es waren nur Worte, nichts besonderes. Wahrscheinlich war es am besten, er beließ es einfach dabei. „Ruht?"

„Seit einigen Wochen schon", nickte Inmer bekümmert. „Die Bewohner haben die Stadt verlassen. Sie berichteten, dass es zu Überfällen auf Reisende und die äußeren Gehöfte kam. Auch aus Dorwinion kam kein Nachschub mehr, weder über das Meer von Rhûn und den Celduin hinauf noch über die Landwege entlang seiner Ufer. Wenn ihr mich fragt, handelt es sich um Räuberbanden, die dort ihr Unwesen treiben. Es wird vergehen, so ist es immer."

„Und welche Antwort erhalte ich, wenn ich die Ilegonder frage?"

Der Sterbliche lächelte und rollte etwas mit den Augen. „Geister, Zauberwesen… Gestalten aus Rauch, die in der Dunkelheit wie ein Schatten über ihre Opfer kommen und sie verspeisen. Geschichten, die man sich an Winterabenden am warmen Feuer erzählt. Meine Art neigt zur Übertreibung, Lord Elrond."

Damit lenkte er das Gespräch auf unverfängliche Themen, doch Elrond war nicht wirklich bei der Sache. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er ihm zugestimmt, doch nicht jetzt. Seine Söhne und Thranduils Sohn weilten dort unten, es war keine Übertreibung sondern eher das Gegenteil. Das war einfach so, Elrond hatte schon vor langer Zeit aufgegeben, nach Mitteilungen wie diesen noch auf eine glückliche Fügung zu hoffen, die alles zum Guten wendete. In Rhûnar ballte sich großes Unheil zusammen und ihre hoffnungsvollen Abkömmlinge befanden sich wie immer mitten im Zentrum.

Sobald es die Gebote der Höflichkeit zuließen, zog er sich aus den Festlichkeiten zurück und wanderte gedankenverloren in seine Unterkunft zurück. Nur nebenbei bemerkte er, dass sich zwei Mitglieder der Leibgarde an seine Fersen hefteten, kaum verließ er den Festsaal. Er wünschte, sie wären alle ähnlich vorausschauend gewesen, als sie ihre Söhne nach Osten schickten. Hauptmann Caeril genoss Thranduils vollstes Vertrauen und auch Elrond hatte keinen Grund an ihm zu zweifeln. Doch sie hätten ihm mehr Krieger als nur zehn mitgeben sollen. Vielleicht hundert oder besser noch tausend…

Elrond seufzte und nickte den beiden Wachen noch einmal zu, bevor er sein recht prunkvoll ausgestattetes Gemach betrat. Prunkvoll, wenn auch nicht sehr geschmackvoll. Er verzichtete darauf, die diversen Kerzenleuchter zu entzünden, um seinen Augen Erholung von dem farbenfrohen Zierrat zu gönnen, mit dem er hier umgeben war. Während seine Gedanken immer wieder um Inmers Worte kreisten, ließ er sich in einem der dick gepolsterten Eichensessel nieder und starrte abwesend in die Dunkelheit, die vor seinen Augen keine wirkliche war.

Eine ganze Weile musste er bereits so gesessen haben und war wohl letztendlich doch in eine Art Halbschlaf verfallen, als es leise an der Tür klopfte und sofort Hauptmann Forlos auf Elronds Aufforderung in den Raum glitt.

„Ich bedaure die Störung", erklärte der Waldelb leise und nestelte etwas an einem ausgerissenen Verschluss seiner Jacke. „Es besteht kein Grund zur Beunruhigung, aber…"

Elrond erhob sich. Das hatte ihm jetzt noch gefehlt. „Wen hat es erwischt?"

Forlos lächelte schwach, sagte aber nichts.

„Etwa alle drei?" Natürlich, es mussten alle drei sein, sonst hätte Varya die Spuren des nächtlichen Ausflugs klammheimlich beseitigt. „Schlimm?"

„Nein, eigentlich nicht", antwortete Forlos unbehaglich unter Elronds ärgerlichem Blick. „Eher etwas zu auffällig."

Stumm bedeutete ihm Elrond, seine abgewetzte Ledertasche zu nehmen, ohne die er eigentlich nie Bruchtal verließ und folgte ihm die wenigen Schritte zu Thranduils Gemach, in dem sich offensichtlich das Lazarett befand. Unterwegs hatte er Visionen. Keine wichtigen, aber dafür ausgesprochen scheußliche von tiefen Schnittwunden, die perfekte Elbengesichter zerstört hatten. Blut in rauen Mengen, zersplitterte Knochen... Elrond war zu sehr an die Abenteuer seiner Söhne gewöhnt, um nicht mit dem Schlimmsten zu rechnen.

„Wie gesagt, nur etwas auffällig." Mit diesen Worten öffnete Forlos die Tür des Gemachs und trat einen Schritt zur Seite.

Elrond brauchte einen Moment, um sich in diesem noch etwas prächtigeren, überfüllteren und bunteren Raum zu orientieren. Aber nachdem sich seine Augen an die Reizüberflutung gewöhnt hatten, entdeckte er sie. Er erstarrte.

Sie saßen alle drei auf einer großen Deckeltruhe am Fußende von Thranduils Bett. Varya in der Mitte hielt einen silbernen Wasserkrug auf dem Schoß, in den Glorfindel und Thranduil jeweils ihre rechte Hand versenkt hatten. Über Glorfindels Gesicht hatte eine geplatzte Augenbraue einen bereits eingetrockneten Blutstrom verteilt und sein Auge war zugeschwollen. Thranduil wies ähnliche Merkmale auf, nur war bei ihm statt des Auges die Unterlippe geschwollen und mit einem tiefen Riss versehen. Und Varya...Elrond blinzelte etwas. Sie hielt den Fuß eines goldenen Kerzenleuchters gegen ihr linkes Auge gedrückt.

Alle drei blickten gleichzeitig in seine Richtung und ihre Augen, soweit sichtbar,  leuchteten schuldbewusst im Schein der vielen Kerzen. Zusammenhanglos dachte Elrond an Noloin. Ein Aquamarin, ein Smaragd und zwei Saphire, daraus ließe sich sicherlich ein wundervolles Schmuckstück für Arwen machen. Die Kombination hatte es in sich.

„WAS-?" Elrond rang die Hände. Er musste einfach ruhiger werden. „Wie ist das passiert?"

Warum fragte er eigentlich? Sie waren so offensichtlich in eine Schlägerei geraten, dass Leugnen zwecklos war. Soviel Verstand hatten sie sich zumindest bewahrt und verfielen zum Glück nicht noch in die gleichen, haarsträubenden Ausreden, die besonders Elladan immer vorbrachte in Momenten wie diesen.

„Elrond, könnt Ihr nicht schlafen?" fragte Thranduil harmlos und zuckte zusammen, als seine Unterlippe wieder aufplatzte.

„Ihr seid der König der Tawarwaith!"

„Und er hat sich wahrhaft königlich geschlagen", meinte Glorfindel.

„Es ist meine Schuld", erklärte Varya und das eine seegrüne Auge strahlte Elrond treu an. „Ich wollte in dieses Gasthaus."

Thranduil und Glorfindel schüttelten bei der bloßen Erwähnung leicht den Kopf.

„Es hieß ‚Das Haus zur roten Rose von Esgaroth'", erklärte sie weiter. „In Ilegond gibt es ‚Lady Melinas Haus der tausend Freuden', aber Forlos und Galen haben mich dort nie reingelassen."

„Warum bloß?" murmelte Forlos.

„Deswegen wollte ich eben in das ‚Haus der roten Rose von Esgaroth'."

„Ich hasse diesen Namen", sagte Glorfindel. Er zog seine Hand aus dem Wasserkrug und betrachtete die blutigen Knöchel.

„Wenn du etwas freundlicher zu diesem Mann vor der Tür gewesen wärst, würden wir jetzt nicht hier sitzen", beschwerte sie sich bei ihm. „Wie konntest du ihm nur sagen, dass dies eine miese Absteige ist und du es für die Anlehnung an deinen Familiennamen dem Erdboden gleichmachen wirst?"

Oh ja, das war genau das, was von Glorfindel zu erwarten gewesen war. Es klang wirklich etwas wie ‚Haus der Goldenen Blume von Gondolin', selbst Elrond konnte nur mühsam ein Schmunzeln unterdrücken.

„Er hat ihn niedergeschlagen." Varya nahm langsam den Kerzenleuchter von ihrem Gesicht. Sie hatte, wie die Menschen es so äußerst poetisch ausdrückten, ein kapitales Veilchen. „Dann kamen leider seine Freunde. Glorfindel war richtig gut."

„Ein toller Faustkämpfer", lobte Thranduil. „Er ist natürlich ausgewichen, aber Varya stand unglücklicherweise hinter ihm."

„Tatsächlich?" machte Elrond und trat noch etwas näher. Schlägereien schienen offenbar das Band der Freundschaft ungeahnt zu vertiefen. Die Verletzungen waren wirklich harmlos. Es würde nur etwas Mühe machen, sie bis zum Frühstück halbwegs zum Verschwinden zu bringen. „Was Euch natürlich dazu bewogen hat, umgehend in den Kampf einzugreifen, Thranduil."

„Er hat sie geschlagen!"

Elrond war alt, weise und ein äußerst beherrschter Charakter. „Ich könnte euch alle drei erwürgen und zwar jetzt gleich und hätte nicht den Deut eines schlechten Gewissens dabei. Ihr seid UNMÖGLICH!"

„Soll das heißen, du hilfst uns etwa nicht?" erkundigte sich Glorfindel.

„Warum fragst du nicht Varya?" brüllte ihn Elrond an.

Die Rhûna zuckte die Achseln. „Die Risse würde ich ja weg bekommen, aber bei Prellungen bin ich ratlos. Wir behandeln so was nicht."

Elronds Zorn verpuffte irgendwie. Es brachte auch nichts, sie würden ohnehin nicht auf ihn hören. Ergeben drehte er sich zu Forlos um. „Solltet Ihr nicht auf sie aufpassen?"

„Das hat er", rief Thranduil. „Forlos hat alleine drei von diesen Kerlen fertig gemacht."

Der Hauptmann hielt eisern Elronds anklagendem Blick stand und streckte die Hand mit der Tasche vor. „Wollt ihr sie haben, Lord Elrond?"

„Habe ich eine Wahl?"

*

***

*

tbc

@auxia: Ich hab ja gar nix dagegen, wenn du dich zurücklehnst. Aber so ein klitzekleines Review erfreut das Autorenherz doch ungemein *flöt*

@Shelley: Tiefstaplerin! Alle drei Stunden? Hm, die Leibwachen sind ja schließlich nicht auf einer Erholungsreise. Die sollen arbeiten, die Jungs. Faule, verweichlichte Bande. Riechdings *kicher*

@Ithiliell: Verärgere nie den Heiler, dachte ich mir so. Esgaroth ist wirklich ein interessantes Pflaster *g*, auch wenn Elrond sich wohl wünscht, nie aus Bruchtal abgereist zu sein.

@Little Lion: Gute Frage. Da merkt man dann, dass man in der Beschreibung wieder an der falschen Stelle gespart hat *seufz*. Ich hatte so vor Augen, wie Legolas Winnetou-mäßig die Hand am Boden hat und die Vibrationen prüft und alle sehen ihm zu. Und Aragorn ist der einzige, der statt der wundersamen Elbensinne mächtig einfach nur noch nach vorne schaut.

@Dani G: Ha, Recht hast du. Galen musste ran und Elladan hat ein dummes Gesicht gemacht. Bätsch, Mystic! Und Glorfindel versteht sich immer besser mit Thranduil *fg*.

@feanen: Mir persönlich wäre der Nachbar ja auch egal, wenn ich dafür Thranduil ins Haus bekomme *strahl*

@Amélie: findel-Städtetouren, Sie bekommen, was Sie nicht erwarteten. Wahrscheinlich umklammert er während der Überfahrt nach Valinor die ganze Zeit den Mast und singt traurige Lieder. Ich schätze, er hat sich dem Balrog HINTER die Füße geworfen, worauf der zurückgestolpert und gefallen ist. (feanens Theorie ähnlich, wenn mich nicht alles täuscht). Und Glorfindel ist mit dem Zopf am Balrog-Stiefel hängen geblieben und das war's dann *gg*. Initialen? *kreisch*

@seniwallenstein: Jetzt hast du aber die geheimen Ermittlungen in diesen dreisten Kronenklau echt sabotiert. Die Diebe sind gewarnt. Sowas aber auch. Ja, Edelsteine mag er und diesmal lässt er sie sogar noch von anderen bezahlen. Dieser König ist ein echter Geschäftsmann.

@Eowyn: Iieck! PC-Zusammenbruch ist gemein. Meiner hat letztes Jahr so den Löffel abgegeben, dass ich einen neuen brauchte. Hat aber auch seine Vorteile, so ein flatschneues Gerät *hüstel*.

@Airihnaa: *Sehr misstrauischer Blick* Du hast doch wohl keine Noldo-Gene, so mit Gedankenlesen oder so? Letztes Wochenende grübelte ich so vor mich hin und stellte nämlich selbiges fest. Ursprünglich war es keine Absicht, aber vielleicht hat mir mein Unterbewusstsein einen fetten Streich gespielt.

Thranduil ist uns also zuvor gekommen, der alte Geldhai. Hätte ich mir ja denken können. Uhu? Da war doch noch das Rücklicht meines Autos, an dem ich eine Weile festklebte. Und Sennesblätter ist notiert, für später mal. Jawollja, die werde ich irgendwo irgendwie reinbasteln. Vielleicht in ein Sequel *wackel mit den Augenbrauen*

Wegen Mordor-Paste... Gibt es eigentlich so einen pharmazeutischen Kleber? Ich meine, mal was davon gehört zu haben.

Und Daumendrück für Klausur. Lass dir doch von den ratiopharm-Zwillingen helfen, den Nimmermüden *hüstel*

@Loriel: Hi *wink*. Ja, manchmal liegen unerwartete Hindernisse auf dem Weg. Freut mich aber, wenn es dir gefallen hat. Die Vorstellung mit den Teesäcken hat was von Bettlern im Winter, schönen Bettler, aber irgendwie seltsam. Ich kann Erestor verstehen.