Diclaimer: Meine Wertschätzung und auch die Rechte an allem aus Mittelerde gehört nach wie vor Prof. Tolkien bzw. seinen Erben und darin wird sich auch nichts ändern.
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A/N: Jetzt ist die Geschichte aus und ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die sie gelesen haben, mir mit ihren Reviews geholfen haben, auch von Anfang bis Ende durchzuhalten, die Fehler gefunden haben, die mir im Eifer des Gefechts durchgegangen sind. Ich hoffe, ihr hattet genauso Spaß wie ich mit diesen verrückten Elben 1 Aragorn Salamander und den anderen Figuren, die mir beim Schreiben immer mehr zu ganz vertrauten Freunden (und manchmal auch Feinden) geworden sind.
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Heute mal am Anfang:
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Ithiliell: Psst, meine eigentlich auch. Obwohl ich ja noch eine Schwäche für Forlos habe, warum auch immer. Aber Thranduil und Varya sind alter Topf und sehr junger Deckel. Ich find ja, sie passen zusammen, auch wenn Thranduil wahrscheinlich manchmal anderer Meinung ist. Ich hab nur noch keinen Schimmer, wie ich das ganze legalisiere...
Sarah: Thranduils therapeutische Gaben sollte man wohl nicht überbewerten. Sie funktionieren wohl hauptsächlich bei Varya, vielleicht auch bei Ionnin, wer weiß !grins! Vorstellungskraft ist doch eine tolle Sache, gerade bei appen Nasen und ähnlichen farbenprächtigen Aktionen.
Legolas ist der ausgeglichenste Elb, den ich mir vorstellen kann, der hat nun mal die Ruhe weg – bei den Freunden! Was die Sitzhaltung angeht, ich kann mich jetzt an keine Szene erinnern, aber irgendwann (kicher) seh ich mir die Filme ja noch mal an.
serena: Der Salamander ist echt praktisch, gelle? Funktioniert sogar als Camping-Stuhl. Legolas ist eben kein Dummer. Und da ich diesmal am Anfang antwortet: Jaha, ich lasse Elrond tatsächlich zu Lady Melina. Du wirst sehen. Und der Plot für Heiler 3? In groben Zügen, die Details kommen beim Schreiben. Es spielt in und um Bruchtal.
Airihnaa: Ist Rothenbaum Ascheplatz? Wir finden schon was. Mit einer Grasmatte siehst du bestimmt zu seltsam aus. Die Milz, äh, Milz an Kleinhirn, ich geh dann mal. Nein, ein Blick in meinen Anatomie-Atlas wäre wohl vorher sinnvoller gewesen. „Ausrede-Schild hochhalt": Der Stich war ganz nah am Rand, sozusagen nur ein Piekser durch die Haut. „Ausredschild runternehm". Ups, ich wollte doch Elrond nicht auf die Füße treten. Ist ja schon gut. Er macht das schon, glaub mir.
das Einhorn: Morgendliche Grüße zurück. Ja, jetzt ist sie zuende. Eigentlich sollten es sowieso nicht so viele Kapitel werden. Aber die Fortsetzung kommt. Nach den Sommerferien, Mitte September, versprochen
Michiru-chan1: Sayonara wünsch ich dir. Ich unterschreib die Petition zur Scarpetta-Verfilmung. Anne Granger sind ruhiger, spielen in England, irgendwie ländlich zumeist, aber sehr gut geschrieben. Wobei die Varady-Reihe in London spielt und die Titelheldin gerade mal 20 ist. Es beruhigt mich, dass du auch andere Spiele spielst !grins!
feanen: Marmeladen-Reisebericht klingt gut. Ich hoffe, sonst war es auch noch toll. Viele Geysire gesehen? !immer noch neidisch ist!.
Eowyn: Hauptsache der Urlaub war ein voller Erfolg. Stell dir vor, du hättest das mit der Nase gelesen, als du noch nicht so entspannt warst. Sehen wir uns beim dritten Teil?
Atropos: Merkt man etwa, dass ich sehr viel von Thranduil halte? Nun ja, Fairplay bei so einem Kampf? Nein, das war hier eher nach den Regeln des Marquis de Sade, das sind die gleichen, die Tyson so liebt. Elrond im Gespräch mit Melina. Du kennst mich, Atropos, Elrond ist nicht die Fledermaus.
seniwallenstein: Jeder Zoll ein Krieger und König, ja, das ist er wohl. Kein Wunder, dass Varya erst mal ein Fass Eiswein brauchte, um ihm auf den Schoß zu rücken. Wie würdest du reagieren? Aber er ist schon ein Schatz, wenn auch mit gut weggeschlossenem Herz. Für einen Unsterblichen verschwendet er allerdings nicht viel Zeit. Hättest du ihn anders vorgehen lassen? Thranduil erträgt kein Leid bei denen, die ihm nahe sind und das ändert er dann, aber ruckzuck.
Elrond wird wohl mit den Mädels fertig. Der Elb ist steinalt und hat Erfahrung. Ja, ich hoffe, die hilft ihm hier auch. Ehrlich gesagt, wollte ich es erst ganz weg lassen, aber wart mal ab. Die Jungs verdienen sich langsam eine Ruhepause. In der Zwischenzeit lass den unsterblichen Bart wachsen. Wenn du die richtige Mischung hast, sag Bescheid.
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20. Kapitel: ...und Schweigen ist Gold
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„Als erstes haben sie sämtliche Köderfische aufgefressen!"
Galen hatte keine Mühe, eine kummervolle Miene aufzusetzen, während Ailindal düster auf ihn herabstarrte und ihm Vorhaltungen machte.
„...und kaum waren die ersten auf Carag angekommen, haben sie die Holzspeere genommen, die wir ihnen zum Fischfang mitgaben und sind damit aufeinander losgegangen."
„Gab es Verletzte?" Galen hoffte nur, Ailindal drehte sich jetzt nicht um und erspähte den letzten Rest der Nârandir, den man um sein Boot versammelt hatte. Einer davon verrichtete gerade seine Notdurft gegen die polierten Schiffsplanken.
„Ein paar, aber leider keine Toten", bellte der Fischer erbost. „Was hast du dir dabei gedacht, Galen?"
„Ich kann doch gar nichts dafür!"
„Lady Indaris sagt aber, du hattest die Idee mit Carag. Sie lobt dich über alle Maßen für deine geschickte Lösung des Problems." Ailindal beugte sich vor, bis seine Nase fast die Galens berührte. „Das ist diesmal bittere Medizin, Galen. Glaub bloß nicht, dass wir sie alleine schlucken werden. Du wirst bis Jahresende hier bleiben. Vorher haben diese Kreaturen nämlich keinesfalls gelernt, sich selber zu versorgen, ohne einander zu verspeisen. In der Zwischenzeit kannst du hier beim Aufbau unseres Dorfes helfen, das deine stinkenden Schützlinge bei der Jagd auf euch in Trümmer gelegt haben."
„Das wird er sicherlich machen", ließ sich Legolas hinter Galen vernehmen. „Aber erst, nachdem er uns zurück nach Ilegond begleitet hat und sofern man danach seine Dienste nicht in der Quellstadt benötigt."
Galen war bereit, dem Waldelb erleichtert um den Hals zu fallen. Unauffällig wich er vor Ailindal zurück, der Legolas aus schmalen Augen ansah. Legolas wirkte nicht sonderlich beeindruckt. Das Kinn leicht angehoben, die Fäuste in die Seiten gestemmt erwiderte er den Blick so hochmütig, dass Galen ihn kaum wiedererkannte. Ein echter Prinz und noch dazu einer in Begleitung eines recht großen Salamanders. Selbst Ailindal kam nicht dagegen an. Mit einem leisen Fluch senkte er kurz den Blick, um dann nochmals Galen anzustarren.
„In zwei Wochen erwarte ich dich zurück und dann kümmerst du dich persönlich um dieses unsägliche Binter-Geschöpf, das uns auch noch heimsucht und sämtliche Weinvorräte plündert." Ailindal drehte sich auf dem Absatz um und steuerte sein Boot an. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper und er stieß einen Wutschrei aus. „Du dreckiges Stück Orkgezücht! Was machst du da mit meinem Boot?"
Damit stürzte er auf einen Nârandir zu, der unter seinem Lendenschurz rumnestelte, um es dem anderen gleichzutun, den Galen zuvor beobachtet hatte.
„Er nimmt es wirklich nicht leicht", murmelte Legolas kopfschüttelnd. „Ein sehr reizbarer Elb, ganz erstaunlich."
„Ailindal liebt ein ruhiges Leben", erklärte Galen mit einem schiefen Lächeln. „Er-…"
Hinter ihm kreischte der Nârandir auf, den Ailindal am Hals gepackt und vom Boot weggerissen hatte. Der Fischer schüttelte ihn kurz, dann holte er aus und der völlig verängstigte, kleine Sterbliche flog in hohem Bogen durch die Luft. Mit einem lauten Platschen landete er im Wasser, wo er prustend und mit verlaufender Körperbemalung wieder auftauchte. Seine Freunde am Ufer schnatterten schadenfroh, bevor sie sich Ailindal zuwandten und ihn bewundernd musterten.
„Aber er versteht es, Freunde zu gewinnen", sagte Legolas mit einem boshaften Grinsen. „Na komm jetzt, Galen. Wir müssen langsam aufbrechen, wenn wir rechtzeitig in der Quellstadt sein wollen."
„Und ihr wollt wirklich nach dem Fest schon abreisen?" erkundigte sich Galen unglücklich.
„Es ist besser so", bestätigte Legolas. „Ihr habt eine Menge vor euch mit diesen Wilden."
Galen schlurfte bedrückt hinter Legolas her, der im Gegensatz zu ihm in der ihm eigenen Beschwingtheit den schmalen Weg ansteuerte, über den man den Strand verlassen konnte. Oben auf der Klippe warteten die anderen bereits. Galen konnte ihre Silhouetten vor der Sonne ausmachen. Er würde sie wirklich vermissen. Als er vor Monaten aus Rhûnar aufgebrochen war, hätte er sich nicht träumen lassen, dass er ausgerechnet in Düsterwald und Imladris so gute Freunde finden würde.
Seine Schritte verlangsamten sich noch weiter. Natürlich war es kein Abschied für ewig, das hatten die vier jetzt immer wieder beteuert, doch Galen würde in den Jahren, die bis zu ihrer nächsten Begegnung sicherlich vergangen sein würden, noch häufig an sie denken und sich die Zeit zurückwünschen.
Unwillkürlich hob er die Hand und winkte seinen Freunden oben auf der Klippe zu, die ungeduldig in seine Richtung und dann nach oben gestikulierten. Jetzt übertrieben sie wirklich mit der Eile. Natürlich wurde es bald dunkel, aber da die Nârandir im Wald nicht mehr ihr Unwesen trieben, konnten sie beruhigt den Weg zurück in die Quellstadt antreten. Außerdem war es ja schließlich nicht seine Idee gewesen, schon heute wieder heim zu wandern.
„Galen!" brüllte Ailindal so laut, dass der Ithildrim erschrocken zusammenzuckte.
Wahrscheinlich hatten die Nârandir jetzt einen erneuten Frevel begangen, zumindest in den Augen des Fischers. Galen beschloss, Ailindal einfach zu überhören und ging wieder etwas schneller hinter Legolas her. Der Waldelb hatte sich bei Ailindals Ruf umgedreht. Seine Augen weiteten sich und verhießen nichts Gutes.
Ignorier es einfach, dachte Galen angestrengt, lächelte harmlos und ging auf Legolas zu.
„Elbereth…" hauchte Legolas, den Blick an Galen vorbei gerichtet.
Eindeutig nichts Gutes, eher eine mittlere Katastrophe. Galen konzentrierte sich so sehr darauf, sich bloß nichts anmerken zu lassen, dass ihm schon das Blut in den Ohren rauschte. Er verstand keine einziges Wort mehr, sah nur, dass oben auf der Klippe die Gesten immer hektischer wurden und Legolas einige Schritte rückwärts machte, während er gleichzeitig zu seinem Bogen griff.
Legolas würde nie auf Ailindal anlegen. Galen wurde schlagartig klar, dass hier etwas anderes im Gange war. Mitten in diese Überlegung hinein spürte er die Luftwirbel, stellte fest, dass das Rauschen nicht von seinem Blutdruck kam und hörte einen nur allzu vertrauten Schrei dicht hinter sich. Einen Lidschlag später schlossen sich stahlharte Krallen um seine Schultern und sein Stab fiel ihm vor Schreck aus den Händen. Er wurde über den Strand ein Stück mitgerissen, bevor er schwungvoll in die Luft gehoben wurde.
Galen brauchte gar nicht nach oben sehen, um zu wissen, dass ihn ein Fischfänger erwischt hatte. Er machte es natürlich trotzdem. Weiße Federn mit blaugrauen Sprenkeln bedeckten einen mächtigen Rumpf, der in einen langen Hals überging, an dessen Ende wiederum der typische, wenn auch sehr große Kopf eines Raubvogels mit einem ebenso typischen, rötlichen Schnabel war. Galen war diesen Tieren noch nie so nah gewesen, er hätte auch jetzt gerne darauf verzichtet.
Zu seinen Seiten bewegten sich die meterlangen Flügel, um endlich wieder Höhe zu gewinnen. Galen mochte nicht so schwer wie einer der Rhûn-Fische sein, aber er strampelte verzweifelt und schlug auf die Krallen ein, die sich langsam in sein Fleisch bohrten. Mit wachsendem Entsetzen bemerkte er, dass der Strand unter ihm immer kleiner wurde und der Fischfänger ansetzte, auf das Meer hinaus zu fliegen. Wenn er es erst bis nach Carag schaffte und ihn dort in einem der Horste absetzte, war der Ithildrim verloren.
Legolas lief über den Strand, noch immer den Bogen erhoben und schien nach einer Möglichkeit zu suchen, den Fischfänger abzuschießen, ohne dass Galen sich bei dem folgenden Sturz sämtliche Knochen brach. Ailindal watete ins Meer hinaus und von der Klippe stürmten bereits die anderen wieder heran.
Ich ende als Vogelfutter. Zusammen mit diesem Gedanken überkam Galen eine befremdliche Verärgerung. Nach allem, was ihm in den letzten Monaten zugestoßen war, was er überlebt hatte, sollte ein Geschöpf aus Federn und Knochen, dessen gesamte Intelligenz nur ums Jagen und Fortpflanzung kreiste, den Triumph haben, ihm doch noch Zugang zu Mandos' Hallen verschafft zu haben?
Das ist nicht gerecht und außerdem ein sehr unehrenhafter Tod!
Galen begann umso heftiger, sich in den Klauen des Fischfängers zu winden. Die Krallen hatten zwischenzeitlich die Schichten seiner widerstandsfähigen Kleidung durchbohrt und drangen nun langsam tiefer in seine Haut. Es war ihm egal.
Gerade als der Fischfänger den mächtigen Kopf wandte, um seine unwillige Beute aus knopfrunden gelblichen Augen erbost anzusehen, durchschnitt ein Pfeil mit vertrauten gelb-braunen Federn die Luft und bohrt sich von unten in den Ansatz des rechten Flügels. Der Fischfänger stieß einen wütenden Schrei aus, der so schrill war, dass Galen schon dachte, ihm würden die Trommelfelle platzen. Das große Geschöpf kam einen Moment ins Trudeln und verlor an Höhe.
Galen suchte den Boden unter sich ab. Sie waren bereits über dem Wasser, aber noch nicht so weit vom Strand entfernt. Legolas legte eben einen neuen Pfeil an und zielte wieder auf den Vogel.
Er ist ein guter Schütze, beruhigte sich Galen. Der beste elbische Bogenschütze unter Erus Himmel.
Galen sah den Pfeil kommen. Er war genau auf ihn gerichtet. Legolas musste einen akuten Sehschaden haben. Galen kniff die Augen zusammen und überlegte unwillkürlich, ob dies eher als Gnadentod gedacht war. Immer noch besser mit einem Pfeil in der Brust zu sterben als von einem Fischfänger und seinen Jungen in Stücke gerissen zu werden. Das war eine Denkweise, die einem Krieger wie Legolas durchaus zuzutrauen war. Es zischte und knapp über ihm schlug etwas in das Bein des Fischfängers. Das nächste war erneut ein lauter Schrei und dann lösten sich die Krallen aus den Schultern der Beute.
Ich bin frei! jubilierte Galen einen Atemzug lang.
Er riss die Augen auf und sah die Wasseroberfläche auf sich zurasen. Ich bin tot!
Wasser war weich und fließend, vorausgesetzt, man stürzte nicht aus großer Höhe völlig unkontrolliert auf seine Oberfläche. Der Aufprall nahm Galen den Atem, sein ganzer Körper schien zusammengepresst zu werden. In dem kurzen Moment, bevor sich gnädige Schwärze um ihn senkte, hoffte er nur noch, dass nicht gerade alle Knochen gebrochen waren, sondern nur ein paar Rippen.
Die Schwärze hielt nicht sehr lang an. Sie entließ Galen in eine Wirklichkeit, die sich nicht unbedingt sehr von der zuvor unterschied. Der Fischfänger war scheinbar nicht bereit, seine Beute auf Dauer loszulassen. Wieder war Galen unter den Armen gepackt worden und wurde schmerzhaft und unnachgiebig hochgezogen.
„Galen!"
Mühsam blinzelte Galen gegen das Sonnenlicht an und rang dabei nach Luft, um seine zusammengepresste Lunge zu füllen. Eine Silhouette schob sich vor die Sonne. Die vertrauten Züge Ailindals entwirrten sich schließlich Galens noch immer benommenem Verstand.
Der Fischer war über ihn gebeugt, während er ihn gleichzeitig mit einem Arm unter seinen Schultern über der Wasseroberfläche hielt. Er musste Galen ins seichtere Wasser gezogen haben, bevor dieser ertrinken konnte.
„Kannst du mich verstehen?" Nicht nur in Ailindals Stimme war Sorge, auch sein Gesicht war unter der Sonnenbräune irgendwie blässlich vor gerade überstandener Angst. „Junge, solchen Schrecken verkrafte ich auch nur einmal alle tausend Jahre."
„Entschuldigung", keuchte Galen, der es als überaus angenehm empfand, seinen schmerzenden Körper einfach nur im Wasser treiben zu lassen.
„Schon gut", brummte Ailindal und strich ihm etwas zittrig die langen Haare aus dem Gesicht. „Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, dass du eine Weile hier an der Küste bleibst."
Bei den letzten Worten hatte er Galen endgültig auf den Strand gehievt und sackte erschöpft neben ihm auf die Knie. Von oben schob sich ein anderes vertrautes Gesicht in Galens Blickfeld. Sein Retter mit dem Bogen hatte sich über ihn gebeugt.
„Du hast tatsächlich gedacht, ich würde dich treffen", sagte Legolas, dem man trotz der seltsamen Perspektive die pure Belustigung deutlich anmerkte.
„Das stimmt nicht." Galen richtete sich vorsichtig auf die Ellbogen auf. Eru, er fühlte sich wie von einem Buchtkrokodil durchgekaut und wieder ausgespuckt.
„Lügner", tadelte Legolas grinsend. Mit Schwung half er Galen wieder auf die Beine. „Deine Augen haben vor Angst geleuchtet wie Signalfeuer."
„Der Fischfänger war ein schlechtes Ziel", verteidigte sich Galen lahm.
Thranduils Sohn lachte laut auf und legte ihm einen Arm um die Schultern. „Er ist mindestens so groß wie ein Fischerboot. Wenn das kein gutes Ziel ist, dann gibt es überhaupt keines auf dieser Welt."
„Ist die kleine sportliche Darbietung vorbei?" erkundigte sich Elladan, der zusammen mit seinen Brüdern nicht weit von ihnen entfernt stand und Galens Stab hielt. „Fliegende Elben sind mir auch noch nicht begegnet. Ihr seid hier in Rhûnar wirklich was Besonderes."
Galen winkte nur ab. Mit steifen Knochen ließ er sich von Legolas über den Strand führen.
„Nehmt ihn ruhig mit", rief ihnen Ailindal nach. „Ich schätze, er ist bei Euch besser aufgehoben, Prinz Legolas."
„Das hatte ich vorhin gemeint", erwiderte Legolas über die Schulter. „Ihr werdet zwar mit den Nârandir fertig, Meister Ailindal, aber mit ihnen und Galen habt Ihr Euch eindeutig zuviel vorgenommen."
„Es war ein Unfall", grollte der beste Heiler Rhûnars unterdrückt.
„Trotzdem ist es Zeit, abzureisen", grinste ihm Elladan entgegen. „So viele Heiler habt ihr hier nicht mehr, dass ihr welche an die Vögel verfüttern solltet."
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Das arme Pferd wich in Panik zur Seite aus und Glorfindel rettete sich mit einem Sprung aus dem Sattel. Während das verängstigte Geschöpf Richtung Sonnenuntergang galoppierte, baute sich der Vanya breitbeinig vor seinem Kontrahenten auf. Er stemmte die Fäuste in die Seiten und runzelte drohend die Stirn.
„Du gehst jetzt sofort zu den anderen zurück!" knurrte er böse. „Sofort und wag es nicht noch einmal, mein Pferd zu erschrecken."
Der andere senkte angriffslustig den Kopf und musterte ihn aus großen, dunklen Augen. Ein Schnauben war die Antwort.
„Willst du dich wirklich mit mir anlegen?" Glorfindel machte einen Schritt auf den anderen zu. „Mit MIR?"
Glorfindel gewann das Augenduell. Mit einem verlegenen Kopfschütteln wandte sich sein Gegenüber ab und trottete wieder zurück.
„Dein Glück!" schrie Bruchtals oberster Krieger dem Araw-Rind hinterher.
Spöttischer Beifall ließ ihn herumwirbeln. Thranduil hatte hinter ihm gestoppt, die Zügel von Glorfindels noch immer leicht unruhigem Pferd in der Hand.
„Ich bin beeindruckt", meinte er mit einer leichten Verbeugung. „Hast du so auch den Balrog getötet?"
„Das war einfacher", fauchte Glorfindel und schwang sich wieder in den Sattel. „Sag mir, was wir hier machen, denn ich habe in den letzten zwei Tagen irgendwie den Überblick verloren."
„Wir treiben diese beeindruckenden Geschöpfe wieder auf die andere Seite des Celduin", erklärte Thranduil sanft. „Du solltest es am besten wissen, schließlich stammt die Idee von Elrond und du bist nicht nur sein Freund sondern auch sein Berater."
Glorfindel sah weiter nach vorne zu besagtem Freund, in dessen Umkreis diese fürchterlichen Rindviecher mysteriöser Weise so friedlich wie Lämmer waren. Jeder andere, der freiwillig oder unfreiwillig zu diesem Viehtrieb gehörte, hatte immer wieder mit der Sturheit der zentnerschweren Geschöpfe Oromes zu kämpfen. Nur Elrond natürlich nicht! Glorfindel korrigierte sich, als Varya ganz in der Nähe vorbeiritt, drei fröhliche Kälber im Schlepptau, die von ihren Müttern getrennt worden waren. Die Ithildrim war genauso beliebt bei den Vierbeinern. „Die Araws lieben Heiler."
„Sieht so aus", nickte Thranduil. „Na komm schon, Balrogtöter, wenn wir sie erst durch die Furt haben, ist das Schlimmste vorbei."
„Habe ich in deinen Augen eigentlich Ähnlichkeit mit einem Viehhirten? Ich bin Krieger."
Thranduil zuckte mit den Schultern. „Und ich König. Hat es mir etwa geholfen?"
„Du hattest nicht einmal Einwände", erinnerte ihn Glorfindel ärgerlich. „Und erzähl mir jetzt nicht, dass es die reine Hilfsbereitschaft war, die dich dazu trieb."
„Ilegond lag schließlich schon halb in Trümmern. Diese Geschöpfe sind wirklich beeindruckend in ihrer Kraft. Die Sterblichen wären niemals mit ihnen fertig geworden."
„Diese Worte solltest du dir für Tuva aufsparen, mein Lieber. Du sprichst hier mit mir."
„Dann glaub einfach, dass ich die Herausforderung liebe." Thranduil scheuchte eines der monumentalen Rinder wieder zurück zu den anderen.
„Das ganze Unternehmen bringt uns noch näher nach Rhûnar", behauptete Glorfindel.
Jeder Spott war aus Thranduils Gesicht verschwunden, als er sich ihm wieder zuwendete. „Du hast gleich mir gesehen, dass sie in Ilegond übergesetzt haben. Tuva hat bestätigt, dass sie das Fährseil bei ihrer Flucht gekappt haben und nun war es wieder gespannt. Ich weiß, dass es unsere Söhne erneuert haben. Ich weiß es einfach und Elrond auch. Sie sind also in Galens Heimat weitergereist. Und nicht nur sie, Glorfindel. Diese blutgierigen Geister sind auch dort."
„Elrond und du seid euch ähnlicher als euch beiden lieb ist", murmelte Glorfindel mit einem ergebenen Kopfschütteln. „Bis in das Herz Mordors würdet ihr eilen, um Schaden von euren Söhnen abzuhalten."
„Du etwa nicht, mein Freund?"
Die Frage war so rhetorisch, dass Glorfindel ihm nicht einmal ein Nicken gönnte. Natürlich würde er das, doch brauchte er nicht diesen abwegigen Vorwand, den Ilegondern einen kleinen Gefallen zu erweisen und die Herde Araw-Rinder wieder auf die andere Seite des Celduin zu bringen. Die Rinder waren ohne fremde Hilfe auf das Westufer gekommen, sie würden es genauso alleine auch wieder auf das Ostufer schaffen. Natürlich waren die Ilegonder zu bedauern. Eine solche Herde in und um die eigene, vor allen Dingen unbefestigte Stadt grasen zu haben, war nicht unbedingt erfreulich. Aber unter den Ilegondern gab es schließlich auch genug Männer, die sich damit befassen konnten. Einige von ihnen begleiteten sie schließlich jetzt auch.
„Warum hast du schlechte Laune?" erkundigte sich Varya am späten Abend, als sie bereits in Sichtweite der Furt lagerten.
Sie reichte ihm einen Teller mit einem recht schmackhaften Eintopf, der von ihrem sterblichen Koch zubereitet war. Der Mann begleitete sie in einem einfachen Karren und bemühte sich, die Dankbarkeit der Sterblichen aus Ilegond durch wahrhaft begnadete Kochkunst zu demonstrieren. Es verband Elben und Sterbliche, wenn sie abends am Feuer zusammen saßen. Die Sterblichen zu Tode erschöpft, die Elben zurückhaltend. Still waren diese Stunden, aber zugleich friedlich.
„Ich habe keine schlechte Laune", antwortete Glorfindel gedämpft.
„Hast du wohl", behauptete sie und ließ sich neben ihm nieder. „Also, erzähl es mir."
„Vielleicht mag ich keine Araw-Rinder", schlug er vor.
„Sie mögen dich auch nicht", kicherte sie kurz und schüttelte dann den Kopf. „Das ist eine Ausrede. Du machst dir Sorgen."
„Tatsache? Liebes Kind, warum sollte ich mir denn Sorgen machen? Eine Ansammlung blutrünstiger Geister rauscht über diesen Landstrich, in dem zufällig die Abkömmlinge guter Freunde herumwandern."
„Die Rhûna werden sie schützen."
„Und wenn sie es nicht mehr können?" Glorfindel hätte sich am liebsten geohrfeigt. Jetzt verdüsterte sich ihre Miene. Ihre Augen, die nun schon einige Tage nicht mehr den Schrecken von Inmers Misshandlungen widergespiegelt hatten, waren groß und Angst lauerte in ihren Tiefen. „Die vier ziehen Unheil an, Varya, das ist einfach so. Und wenn die Bemerkung erlaubt ist, dein Freund Galen ist auch nicht gerade ein Quell meditativer Ruhe. Da seid ihr euch leider sehr ähnlich."
„Wie soll ich das denn verstehen?"
Gut, sie war empört. Immer noch besser als verängstigt. Thranduil würde ihn in Scheiben schneiden, wenn Varya wieder anfing, sich in Dauerpanik an ihn zu klammern. „Ich sag nur LILA."
„Das war ein Unfall."
„Ich wette, das war der erste Satz, den du als Kind aussprechen konntest."
„Du bist wie er."
Glorfindel hatte keinen Zweifel, wer mit Er gemeint war. „Er kennt dich eben."
„Das kann er gar nicht nach so kurzer Zeit", widersprach sie überzeugt. „Er macht sich auch Sorgen. Um Legolas natürlich. Ihr solltet euch beide etwas entspannen. Ihnen passiert nichts."
Mit einem sonnigen Lächeln zog sie wieder ab, um nun auch noch Thranduil aufzuheitern, dessen gelegentlich aufblitzende Anspannung nicht nur mit Legolas zu tun hatte. Glorfindel beneidete ihn nun wahrlich nicht. Wenn sie das Ostufer erreichten, waren sie nur noch vier Tagesreisen von Rhûnar entfernt, von Varyas Heimat. Wie tief war ihre Bindung an ihr Volk und den Ort, an dem sie bis auf wenige Monate ihr ganzes Leben verbracht hatte?
Auf der anderen Seite des Feuers drängelte sich Varya zwischen Thranduils angezogene Beine. Der Waldelb schloss die Arme um sie und über den langsam herabbrennenden Flammen begegnete sein nachdenklicher Blick dem Glorfindels.
„Seine Befürchtungen sind unbegründet", erklang hinter Glorfindel eine Stimme aus dem Schatten.
Der Vanya zuckte leicht zusammen und unterdrückte einen Fluch, weil ihm das heiße Essen von seinem Teller auf die Hände schwappte. „Forlos!" fauchte er dann unterdrückt. „Müsst Ihr Euch so anschleichen?"
„Seid Ihr so arglos gewesen?" amüsierte sich Thranduils Hauptmann und setzte sich an die Stelle, an der zuvor Varya gesessen hatte.
Glorfindel stellte seinen Teller zur Seite und wischte sich die Hände im Gras ab, das so nah am Celduin grüner und weicher war als im Rest der Ebene. „Wie meintet Ihr das eben?"
„Sie ist eine Ithildrim", lächelte Forlos. „Und wenn ich eines festgestellt habe, seit ihre Art unter uns geboren wurde, dann ist es die Eigenschaft, dass sie alles immer mit ganzem Herzen machen."
„Alles?"
„Alles."
Glorfindels Blick schweifte erneut zu Thranduil, in dessen Armen besagte Ithildrim selig schlief. Thranduil würde sich den Rest der Nacht nicht rühren, um ihren Schlaf nicht zu stören. Er schien meilenweit weg mit seinen Gedanken. „Er sollte mir wohl Leid tun."
„Irgendwie schon." Forlos' Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Er wird Euch noch oft genug verfluchen, dass Ihr Euch dieses Spielchen mit dem Weinkeller ausgedacht habt."
„Ihr wisst davon?"
„Ich habe geschworen, sie zu schützen", meinte Forlos nur halb im Scherz. „Und wenn dazu gehört, sie Euren übermäßig erfahrenen Händen zu entreißen, dann eben auch vor Euch. Nach Eurer Ankündigung dieser Weinprobe habe ich sie nicht mehr aus den Augen gelassen."
„Ich hätte niemals..."
„Das weiß ich jetzt auch. Aber es sah trotzdem sehr merkwürdig aus, wie Ihr hinter ihr her Richtung Weinkeller geschlichen seid."
Glorfindel zog eine Grimasse. „Ich bin nicht geschlichen. Wie klingt das denn?"
„So wie es aussah."
„Und warum habt Ihr dann nicht sofort die Tür wieder entriegelt?"
„Weil Ihr den Schlüssel mitgenommen habt."
„Berelion hat einen Ersatzschlüssel. Das wusste sogar ich."
Forlos nestelte angelegentlich an den Verschlüssen seiner Stiefel. „Den hatte sich Thranduil schon vorher geholt, erklärte er mir."
„Bei welcher Gelegenheit?" bohrte Glorfindel nun sehr interessiert.
„Berelion kam kurz vorbei", murmelte Forlos unbehaglich.
„Ach?" machte Glorfindel mit hochgezogenen Brauen. „Und da habt Ihr beide natürlich keine Notwendigkeit gesehen, sie Thranduils nicht weniger erfahrenen Händen zu entreißen. Und mir wirft man vor, ein Kuppler zu sein? Berelion und Ihr könnt Euch sofort einreihen."
„Thranduil ist etwas anderes."
Eine Weile schwiegen sie, während das Feuer herunterbrannte und Stille über diese nächtliche Welt kam. Plötzlich blitzte ein Gedanke in Glorfindels schläfrigem Verstand auf. „Forlos..."
„Hm?" Der Hauptmann, der sich bereits zum Schlafen ausgestreckt hatte, richtete sich etwas auf.
„Habt Ihr die ganze Zeit vor dem Weinkeller gewartet?"
„Ja, wieso?"
„Was machten die beiden für einen Eindruck als sie wieder rauskamen?"
„Also, ich weiß nicht, ob..."
„Forlos!" zischte Glorfindel erbost. „Ich hab es auf den Weg gebracht. Jetzt steht mir diese Information zu."
„Mein König war stocknüchtern und höchst irritiert. Varya war hingegen voll wie eine Kerkerwache und selig noch dazu. Mir hat es als Antwort gereicht und ich bin Schlafen gegangen. Das würde ich im Moment übrigens auch ganz gerne."
„Ein Literat ist nicht gerade an Euch verloren gegangen."
„Wollt Ihr im Kampf einen Literaten neben Euch oder einen Krieger?"
„Schon gut, dann hol ich mir die Details irgendwann von Thranduil."
„Viel Glück."
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...
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Es war schon seltsam, wie sich die selbe Landschaft veränderte, wenn man Abschied nahm. Vor wenigen Wochen war ihm die Ebene – abgesehen von dem kurzen Zusammenstoß mit den Araw-Rindern – so verheißungsvoll erschienen. Sie waren auf dem Weg nach Rhûnar und seine Neugierde unbeschreiblich gewesen.
Jetzt waren es nur noch wenige Stunden und sie hatten das Ostufer des Celduin erreicht. Leichte Melancholie überfiel Legolas. Er bedauerte, dieses ganz besondere Elbenvolk für eine lange Zeit hinter sich zu lassen. Ganz besonders bedauerte er, nicht mehr Zeit gehabt zu haben, den Wald kennen zu lernen, der so vor Leben gesprüht hatte. Trotz der dunklen Geschehnisse war ihm noch niemals ähnliches begegnet.
Irgendwann würde er zurückkehren, um mehr zu erfahren. Höchstwahrscheinlich brauchte er nicht alleine zu reisen. Legolas' Blick wanderte zu Elladan, der schräg vor ihm ritt und sich mit Indaris unterhielt. Die beiden sprachen sehr leise und wie sie einander die Köpfe zuneigten sprach Bände. Der Waldelbenprinz hatte die Veränderung bereits bemerkt, als sie wieder in der Quellstadt eingetroffen waren. Elladan war fasziniert von dieser Elbin und sie wohl auch von ihm. Elrohir drehte sich leicht zu Legolas um und wackelte bedeutungsvoll mit den Augenbrauen. Ihm war die Vertrautheit der beiden also auch nicht gegangen.
„Das wird Ärger geben."
Legolas richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Caeril zu seiner Linken. „Warum sollte es? Er ist doch kein Kind mehr und kann machen, was er will."
„Er ist noch ein Baby", brummte sein Hauptmann.
„Elladan?"
„Wieso Elladan?" wunderte sich Caeril. „Ich meine ihn da."
Die Geste des Waldelben deutete in die Richtung, in der das hohe Gras von einem geschmeidigen schwarz-roten Körper wie Wasser vor dem Bug eines Schiffes geteilt wurde.
„Ach Ionnin", grinste Legolas. „Ich habe ihm gesagt, er kann nicht mit."
„Mir scheint nicht, dass er auf Euch hört, Hoheit."
„Nein." Legolas Grinsen vertiefte sich. „Adar wird begeistert sein."
„Und wie!" grollte Caeril. „Ich dachte, diese Salamander ziehen sich nach einer Woche wieder in ihre Höhlen zurück, Meister Galen."
„Er scheint ein wenig aus der Art geschlagen", erklärte Galen nachdenklich von Legolas' anderer Seite aus. „Ich hörte, dass dies vorkommen kann. Selten zwar, aber es kommt vor."
„Er wird sich einsam fühlen."
Legolas unterdrückte ein lautes Auflachen bei Caerils verzweifeltem Versuch, die Einquartierung des Salamanders im Palast doch noch irgendwie zu verhindern. „Keine Sorge, Hauptmann."
„Nein, keine Sorge", strahlte Galen. „Salamander reifen sehr langsam. Es wird Jahre dauern, bis er sich eine Gefährtin wünscht. Ich denke, wir lassen uns dann schon etwas einfallen."
„Das befürchte ich auch." Caeril versank in dumpfes Brüten. Wahrscheinlich überlegte er, wie er seinem König dieses neue Haustier plausibel machen sollte.
„Die Ilegonder scheinen bereits zu wissen, dass ihnen keine Gefahr mehr droht", meinte Estel plötzlich.
„Und was verleitet dich zu dieser Annahme?" wollte Elrohir wissen.
„Sie haben wohl ihre Herdfeuer wieder angezündet", erklärte ihr sterblicher Freund. Er zeigte nach Südwesten.
„Sehr schön", freute sich Galen ahnungslos. „Dann braucht Indaris niemanden den Celduin hinaufschicken, der ihnen die gute Nachricht überbringt, dass die Ebenen wieder sicher sind."
Legolas betrachtete den Qualm der angeblichen Herdfeuer aus leicht zusammengekniffenen Augen. Bei Estel wunderte er sich ja nicht unbedingt, der Sterbliche besaß eben nur eine begrenzte Sehkraft, aber Galen hätte es besser wissen müssen. Galen war wirklich ein Optimist und damit unter den Eldar völlig aus der Art geschlagen.
„Das sind keine Herdfeuer", erklärte Elladan dann auch, der sich aus seinem Gespräch mit Indaris losgerissen hatte. „Das ist eine Staubwolke."
„Eine sehr große Staubwolke", bestätigte Elrohir.
„Und irgendwie sehr bekannt", sagte Legolas mit sinkender Laune.
Endlich hatte auch Estel die richtige Schlussfolgerung gezogen. Er gab einen dumpfen Laut von sich. „Nicht schon wieder!"
Mit einem Fluch richtete sich Elladan leicht im Sattel auf und sah sich hektisch nach einem erhöhten Fluchtpunkt um. „DA hinauf!" befahl er dann und deutete auf eine kleine Felsgruppe. „Besser als gar nichts. Indaris, beeil dich, die Biester gehen wieder durch."
Die Rhûnar-Älteste öffnete den Mund zu einer Bemerkung, aber Elladan hatte sich schon abgewandt und stürmte auf die rettende Felseninsel zu.
Gleichzeitig setzte sich der Rest der Gruppe in Bewegung, um den herannahenden Araw-Rindern zu entgehen. Legolas brüllte den arglosen Ionnin an, ihm zu folgen, was der Salamander nach dem ersten Schrecken über den rüden Tonfall seines geliebten Elben dann auch machte. Sie hetzten über die Ebene, den Blick immer wieder auf die näher kommende Staubwolke gerichtet, die jeden Moment den letzten Hügelkamm erreichen musste.
„Was haben die Viecher jetzt schon wieder?" beschwerte sich Estel unterwegs etwas atemlos. „Die Nârandir sind doch weg. Oder machen die das mit Absicht?"
„Ich bleib nicht stehen, bis ich sie fragen kann", fauchte ihn Legolas an. „Und wehe, du stellst dich wieder einem davon in den Weg."
„Das war ein Unfall!" empörte sich sein Freund.
Legolas warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Estel verbrachte eindeutig zuviel Zeit mit Galen. Jetzt benutzten sie schon die gleichen Ausreden.
„Wartet!" rief hinter ihnen Galen.
Er ist vom Pferd gefallen, dachte Legolas mit Schrecken und riss sein Reittier herum, um den Ithildrim vor dem drohenden Tod zu retten.
Galen saß jedoch noch immer gemütlich auf einem ebenfalls recht gelassenen Pferd, das nach ein paar weiteren Schritten ganz stehen blieb und an den Grashalmen zu rupfen begann.
„Bist du wahnsinnig!" schrie Legolas in dem dringenden Bedürfnis, den Heiler ein klein wenig zu erwürgen.
„Sie fliehen diesmal nicht", verkündete Galen und lächelte zufrieden. „Schau doch, wie langsam sie unterwegs sind. Die Herde wandert einfach nur."
„Zu langsam für eine Flucht", ließ sich Indaris von weiter vorne vernehmen. Auch sie hatte angehalten und kam nun zu Galen zurück. „Vertraut uns bitte. Diese Staubwolken legen sich immer über die Ebene, wenn die Araw wandern. Sie kommen gleich über den Hügel, dann werdet Ihr es auch erkennen."
So nach und nach trudelten alle wieder ein. Gleichzeitig trottete beinahe gemütlich in lockerer Formation die Araw-Herde über den Hügelkamm. Sie wirkten äußerst entspannt, sofern man das bei so massigen Geschöpfen feststellen konnte.
„Was ist denn hier los?" Elladan kehrte ebenfalls zurück, gefolgt von seinem Bruder. Legolas erklärte es ihm, worauf Elronds Erbe einen bösen Blick in Richtung der Rhûna abschoss.
„Du hast mich nicht ausreden lassen", kam Indaris seiner Anklage mit einem Achselzucken zuvor.
„Da stimmt trotzdem was nicht." Estel blieb hartnäckig. „Was sind das für Silhouetten am Rande der Herde?"
„Bei unserem Glück Orks", murmelte Hauptmann Caeril.
Im nächsten Moment wehte ihnen einen begeisterter Schrei entgegen und eine dieser Silhouetten begann, heftig zu winken, bevor sie ihr Pferd antrieb und ihnen entgegen galoppiert kam. Klein, zierlich und lange, silberne Haare, die hinter ihr her wehten... Legolas brauchte keine Elbenaugen, um Varya zu erkennen.
„Was in Erus Namen..." Elladan brach ab, als auch noch weitere Reiter erkennbar wurden.
„Euer Vater, Hoheit", knirschte Caeril in Legolas Richtung. „Hoffentlich hat er gute Laune."
Die Eldar waren für ihre angemessene Ruhe bekannt. Ihr langes Lebensalter brachte es mit sich, nicht in Überschwang zu geraten und ihre dennoch große Freude über das Wiedersehen in wohlgesetzte Worte und Gesten zu kleiden. Das war zumindest die Theorie. In der Praxis versagte Ruhe und Angemessenheit, besonders in Gegenwart von Ithildrim. Galen und Varya liebten offenbar Begrüßungen und das war wie immer ansteckend.
Legolas kam fast nicht rechtzeitig vom Pferd herunter, bevor die kleine Heilerin an seinem Hals hing und ihn mit ihrer Begeisterung überschüttete. Danach ging es Estel an den Kragen und schließlich den Zwillingen. In der Zwischenzeit waren auch Varyas Begleiter herangekommen. Elrond, Glorfindel, Forlos und schließlich der König selbst standen hier auf einer nur von Araw-Rindern bevölkerten Ebene und taten so, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt. Alle redeten durcheinander, Indaris und ihre Begleiter wurden den Neuankömmlingen vorgestellt, Fetzen von Informationen klangen in der Luft.
„Wieso seid ihr hier?" war von Elladan zu hören, der seinen Vater aus einer kräftigen Umarmung entließ.
„Wir waren sozusagen schon auf halber Strecke", erklärte stattdessen Glorfindel mit einem harmlosen Grinsen.
„Halber Strecke?" fragte Estel verwirrt.
„Das ist meine Schuld", rief Varya dazwischen. „Ich wurde nämlich entführt."
„Entführt?" Legolas warf über ihren Kopf hinweg seinem Vater einen fragenden Blick zu. Thranduils Miene verdüsterte sich prompt. Was in den Tiefen seiner Augen zu lesen war, verhieß mehr als eine harmlose kleine Geschichte.
„Entführt?" echoten auch Indaris und Galen.
„Nur ein paar Tage", meinte Varya sofort beschwichtigend und wich gleichzeitig gegen Thranduil zurück, als befürchtete sie, die Rhûnar-Älteste würde sie sofort wieder in die Sicherheit der Quellstadt befehlen. „Kein Grund zur Sorge. Es war beinahe ein Unfall."
Nicht nur Legolas stöhnte bei diesen Worten unwillkürlich auf.
„Und was ist das?" Glorfindel stand mit hochgezogenen Brauen direkt vor Ionnin. „Muss ich mein Schwert ziehen oder überlebe ich es einfach so?"
„Das ist ein Bergsalamander", erklärte Varya und runzelte nachdenklich die Stirn. Sie sah wirklich wie Galens Zwillingsschwester aus. „Was macht er denn so weit draußen?"
„Er folgt Legolas", verkündete Galen laut und ahnungslos. „Überallhin. Seltsam, was?"
„Allerdings", nickte sie und kratzte sich zeitgleich mit Galen an der Schläfe.
„Ohja", kam es von Thranduil. „Er folgt dir also überall hin, mein Sohn?"
Legolas breitete mit einem unschuldigen Lächeln die Arme aus. „Ich kann nichts dafür."
„Hm", machte sein Vater und baute sich vor dem Bergsalamander auf.
Ionnin musste spüren, dass es hier um seine Zukunft ging, denn er stand ganz still. Legolas hätte schwören können, dass sein Zögling ein harmloses Lächeln versuchte.
„Pflanzenfresser", erklärte Galen hastig. „Er ist sanft wie ein Lamm."
„Und wird wahrscheinlich so groß wie ein Warg", kommentierte Elrond nicht ohne Spott.
„Ionnin mag Höhlen", ergänzte Legolas unschuldig.
Thranduils Mundwinkel zuckten, als er den Namen hörte. „Sei es drum. Kann er eigentlich Wände hochklettern?"
„Er übt noch", erklärte sein Sohn und grinste ihn an. Das hatte er gewusst. Wer versuchte, einen Warg zu zähmen, der konnte einfach nichts gegen einen Bergsalamander haben.
„Im Palast hat er genug Übungsfläche", schmunzelte Thranduil.
„Das glaubt mir später wieder keiner", war von Caeril zu hören.
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Elrond schlenderte entspannt den Uferweg Richtung Fähre entlang. Die Umrisse der königlichen Barke waren bereits zu erkennen. An Bord brannte Licht und Gestalten bewegten sich umher. Offenbar setzte man die Feier der Ilegonder nun auf Thranduils Boot in kleinerem Kreis noch etwas fort. In zwei Stunden ging die Sonne auf und dann würde das Schiff wieder ablegen, den Celduin hinauf, bis zu den Ausläufern des Düsterwalds, um dort auf den verzauberten Fluss zu wechseln und weiter bis in den Palast zu reisen.
„Wie sagt man doch gleich unter den Sterblichen?" überlegte Elrond stirnrunzelnd.
„Ende gut, alles gut", antwortete ihm seine Begleiterin mit leiser Stimme.
Elrond mochte diesen dunklen Klang, in dem so vieles mitschwang, das er wohl nie verstehen würde. „Nur vier Worte. Ihr Menschen besitzt die große Gabe, eine ganze Ewigkeit in ein Stundenglas zu fassen."
„Vielleicht liegt es daran, dass wir so wenig Zeit haben", lautete die kaum weniger treffende Antwort.
Elrond sah hinunter auf die schlanke Frauenhand, die ganz selbstverständlich auf seinem Arm lag. Blütenmuster aus dunkelroter Farbe waren auf die helle Haut gezeichnet. Nicht nur auf ihre Hand, sie zogen sich über ihren Arm, die Schulter und andere Teile ihres Körpers, die nicht wirklich durch die wenigen Kleidungsstücke verhüllt waren. „Bedauert Ihr es, von dieser wenigen Zeit eine ganze Nacht an ein Gespräch mit einem alten Mann verschwendet zu haben, Lady Melina?"
Wirklich große Augen, die in ihrem Schiefergrau seinen gar nicht so unähnlich waren, leuchteten vor spöttischer Heiterkeit auf. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein so perfektes Wesen wie Ihr noch die Bestätigung anderer ergaunern muss."
„Ich bin sehr alt, Lady Melina."
„Das mag sein, Lord Elrond, doch bin ich das auch. Es ist doch wohl eher selten eine Frage der Jahre sondern eher eine, womit diese Jahre gefüllt waren." Sie seufzte leise und tätschelte seinen Arm. „Das Gespräch mit Euch hat mir das wieder sehr deutlich gemacht."
Bedauernd neigte er den Kopf. „Ich wollte Euch nicht mit meiner Neugierde an schwere Zeiten erinnern."
„Das habt Ihr nicht", widersprach sie und lächelte ihn an. „Es interessiert sich nur selten jemand für mich, ohne dass er meinen Körper oder meine Dienste damit haben will. Eure Worte galten meiner Seele und das war ein überaus großzügiges Geschenk."
„Ganz begreife ich immer noch nicht, was Euch antreibt", seufzte er.
„Das ist mir klar. Es entspricht nicht Eurer Natur. Belasst es dabei, Lord Elrond. Auf meine Art habe ich auch meinen Platz in dieser Welt gefunden." Plötzlich blinzelte sie ihm zu. „Auch wenn ich es sehr bedaure, dass Ihr nicht eine Kostprobe meiner Begabungen genießen wolltet. Das Angebot ist noch da. Wollt Ihr es Euch nicht nochmals überlegen?"
Am Anlegesteg blieben sie beide stehen. Elrond blickte auf die schwarzhaarige Schönheit hinunter, in deren Gesicht bereits Alter und Vergangenheit ihre Spuren zu zeichnen begannen. Sie war erst in der Mitte ihrer Dreißiger, aber wie Melina deutlich gemacht hatte, zählten die Jahre in ihrem Gewerbe schwerer als die anderer Sterblicher.
„Das Angebot ehrt mich, doch deswegen hatte ich nicht Eure Nähe gesucht."
„Meine Nähe gesucht?" lachte sie fröhlich auf. „Elbenlord, Eure Zurückhaltung hat mir fast den Mut genommen, Euch anzusprechen. Ihr Elben seid wirklich etwas ganz besonderes. Ich bedaure, dass wir uns wohl in meiner Lebensspanne nicht mehr wiedersehen werden."
„Schreibt mir", schlug er aus einer Eingebung heraus vor. „Und ich schreibe Euch."
„Ich beherrsche zwar Eure Sprache, aber nicht Eure Schrift."
„Dann lernt sie", wischte er ihren Einwand beiseite. „Ich weiß, dass Ihr klug genug dazu seid."
Sie runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich könnte Hallewin fragen. Der Apotheker kann es und er hat eine Vorliebe für eines meiner Mädchen. Ein Tauschgeschäft ist für den alten Knauser genau das richtige."
„Zumindest seid Ihr geschäftstüchtig."
„Auch wenn Ihr meine Profession nicht billigt."
„Das kann ich nicht."
„Ich weiß." Sie deutete mit einer Kopfbewegung Richtung Barke. „Besser, unsere Wege trennen sich nun. Für Euren Ruf ist es sicherlich nicht gut, in meiner Begleitung gesehen zu werden."
Die Warnung, wenn er sie überhaupt ernst genommen hätte, kam sowieso zu spät. Melinas menschliche Ohren mochten es nicht wahrnehmen, aber Elrond hatte schon längst das Geflüster im Bug des Schiffes, der ihnen am nächsten war, vernommen. Offenbar hatte Thranduil gerade einige Mühe, seine aufgebrachte Heilerin davon abzuhalten, sich auf den Anleger zu schwingen und Elrond den verzierten Händen Lady Melinas zu entreißen.
„Vielleicht doch", meinte er mit einem mutwilligen Grinsen. „Aber belassen wir es dabei. Ich wünsche Euch ein friedliches und langes Leben, Lady Melina."
„So wie ich Euch, Lord Elrond." Sie zögerte einen Moment, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen, drückte ihm einen Kuss auf den Mund und war dann auch schon in der Dunkelheit verschwunden.
„Hast du das gesehen?" zischte es hinter ihm auf der Barke. „Sie hat ihn fast aufgefressen!"
„Varya." Thranduil klang irgendwie ermattet. „Das war ein völlig harmloser Kuss, mehr nicht. Elrond wird deswegen nicht 100 Jahre länger in Mandos Hallen seine Sünden absitzen müssen."
„Hah! Jetzt bist du zufrieden, was? Ich sag nur, 1. Zeitalter. Alle von da sind irgendwie seltsam."
Elrond blickte unauffällig in ihre Richtung, um gerade noch mitzubekommen, wie die Ithildrim mit der Faust auf Thranduils Oberarm einschlug. Nicht, dass der Waldelb sonderlich beeindruckt wirkte. Er hatte sogar genug Ruhe, zu Elrond zu schauen und etwas mit den Augen zu rollen.
Elrond schmunzelte leicht. Thranduil würde Varya im Augenblick beinahe alles gestatten, so erleichtert war er, dass sie keinerlei Anstalten machte, mit Indaris und Galen wieder nach Rhûnar abzureisen. Sie bedauerte zwar, dass sie sich so schnell von ihrem wohl besten Freund Galen trennen musste, aber so schlimm war der Schmerz der Trennung nicht, dass sie ihn für Thranduil nicht ertragen konnte. Seine Zweifel waren völlig überflüssig gewesen, das hätte ihm Elrond auch schon vorher sagen können. Andererseits war Thranduil Unsicherheit ansonsten fremd und die Erfahrung tat ihm wohl ganz gut.
Noch ein anderer bedauerte die schnelle Abreise der Rhûnar-Elben ebenfalls. Elrond hatte ein Blick in die Augen seines Ältesten genügt, um zu erkennen, dass Elladan wohl mehr als nur ein paar wenn auch haarsträubende Abenteuer erlebt hatte. Es blieb abzuwarten, was sich daraus entwickelte. In Indaris' Seele kämpften noch immer dunkle Schatten einer lange zurückliegenden Erinnerung mit der Gegenwart.
„Wir haben sie also alle heil zurück", erklang Glorfindels leise Stimme.
Der Vanya lehnte am einfachen Holzgeländer des Anlegers und wirkte so entspannt wie lange nicht mehr. Mit einer knappen Geste winkte er Elrond neben sich.
„Ich hätte dich eher unter den Feiernden vermutet", spottete Elrond freundschaftlich. „Und zwar besonders bei den weiblichen davon."
„Nur eine Ruhepause", lachte Glorfindel unterdrückt. „Wir haben sie uns wohl alle verdient."
Elrond seufzte und seine Augen wanderten hoch zu Elbereths Geschenken, die am klaren, samtschwarzen Himmel funkelten. „Mal sehen, wie lange sie dauert."
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A/N: Ich hätte niemals Erestor erwähnen dürfen. Er spukt mir im Kopf herum und ich kann jetzt nicht anders. Wenn ihr wollt, lernen die Jungs den immer so ernsten Seneschall Elronds nach den Ferien etwas näher kennen. Ein bisschen hab ich schon zusammen, also hier eine Kostprobe:
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Diese Orks hatten Angst. Hunger und Furcht stritten sichtbar in ihnen. Sie wagten nicht einmal, ihm ins Gesicht zu sehen, sondern blickten fast durchgehend auf einen Punkt zu Aragorns Linken. Dabei knurrten sie zumeist leise, ab und zu hob einer von ihnen drohend sein Schwert.
Ahnungsvoll drehte Aragorn den Kopf nun ebenfalls in diese Richtung. Er sah ihn sofort. Auf einem Felsen, übergossen mit Mondlicht stand ein Bogenschütze. Reglos wie eine Statue stand er da, den Bogen erhoben, einen Pfeil in der gespannten Sehne. Aragorn kannte diese Bogen aus dem sanft geschwungenen Holz. Wer sie spannen wollte, musste besondere Kräfte haben. Der Schütze dort oben auf dem Fels jedenfalls hatte keinerlei Mühe, die Sehne weiter dicht neben seinem Ohr zu halten. Er konnte wohl noch lange so verharren, beinahe eine Ewigkeit.
Erleichterung überkam Aragorn, auch wenn er den Elb nicht kannte, der ihm gerade Rettung brachte. Die sechs Orks waren verloren, wenn sie nun noch weiter versuchten, ihn zu töten. Niemand würde ihm mehr zu nahe kommen, solange der Elb mit dem Bogen dort wachte.
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„Was hat er sich denn dabei gedacht?" murmelte Hauptmann Forlos verwundert. „Und warum sind sie alle ohne Pferde? Der Junge kann unmöglich den ganzen Weg von Rhûnar gelaufen sein, das dauert doch ewig."
„Wir werden unsere Antworten wohl gleich erhalten", meinte Legolas versonnen und stieg langsam von seinem Pferd. Es beruhigte ihn zumindest, dass keiner der drei Rhûna verletzt schien. Verwirrt, ja, zumindest Gilnín, der Doppelgänger von Erestor, aber jedenfalls nicht verletzt.
„Legolas!" freute sich Galen und stob an Caeril vorbei, um den Kronprinzen erfreut zu umarmen. „Dann hast du also die Nachricht erhalten."
„Vor zwei Tagen", bestätigte Legolas lachend und drückte den zierlichen Rhûna kurz an sich. „Du hättest besser den gleichen Weg wie dieser Brief nehmen sollen, dann wärst du bereits im Palast."
Augenblicklich wanderte ein Schatten über Galens feingezeichnete Züge. „Das ging nicht."
„Was ist passiert, Galen?"
„Leiloss ist weg!" platzte der Rhûna heraus. „Schon seit drei Monaten und wir haben es nicht bemerkt. Sie ist nicht zufällig hier?"
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Elronds Blick glitt prüfend über Erestors unbewegliche Gestalt auf der Suche nach einem Anzeichen für die Art und den Ort der Verletzung. Nur mit halber Konzentration begrüßte er auch die übrigen Lossidil und sehnte einfach nur den Moment herbei, dass endlich alle im Haus verschwunden waren. Einschließlich seiner Söhne natürlich, die jetzt gemütlich auf dem Treppenabsatz herumlungerten, um mit ihm und Glorfindel den Einzug der Lossidil zu beobachten und womöglich noch von ihrer Zeit mit ihnen zu berichten.
Und in der Zwischenzeit stand sein Seneschall einfach nur da, das ihm eigene sparsame Lächeln auf den Lippen und verblutete langsam. Denn genau das tat er wohl gerade. Elrond erstarrte, als er an Erestors linkem Fuß eine sich langsam vergrößernde Blutlache auf dem hellen Steinboden entdeckte. Und wieder eilte Glorfindel zur Rettung. Er trat neben Erestor, drapierte dabei mit einem eleganten Schwung seine damit endgültig ruinierte Robe über dem Blutfleck und legte dem schwarzhaarigen Noldo scheinbar kameradschaftlich den Arm um die Schultern.
„Na, hast du die Pflanzen gefunden, die du so dringend gesucht hast?" erkundigte er sich bei seinem Freund. „Du warst reichlich lange weg."
