Auf der Suche nach Glück Chapter 10: Fallen Angel (2) Erzählt von Draco Malfoy

Schmerz. Roter Schmerz und schwarze Dunkelheit. Farben, die mein Leben beherrschen. Für immer. Gefangen. In meiner dunklen Welt. Aus der es kein Entkommen gibt.

Das goldene Flimmern des kleinen, geflügelten, alles entscheidenden Balles hatte mich in seinen Bann gezogen. Vornüber gebeugt, sodass ich fast eins mit meinem Besen wurde und mein Körper kaum Widerstand bot, schoss ich durch den grauen Himmel.

Für einen Moment hatte ich mich so frei gefühlt, umgeben von wehenden Böen, die mir die Sorgen von der Seele peitschten, dem brausenden Wind, der alle Zweifel aus meinem Kopf fegte und nur monotone stumme Leere zurückließ. Für einen winzigen Moment.

Dann wurde ich aus meiner Freiheit gerissen, im Kampf um bedeutungslose Punkte, um Ehre, Stolz... ein Wettstreit, den ich nur bestritt, um mir selbst zu beweisen, was noch immer in mir steckte, tief verborgen, verschüttet unter Ängsten und einem verworrenen Chaos aus Gefühlen, welche der Wind durcheinander gewirbelt hatte, und die ich nun nicht mehr im Stande war zu bändigen und zu ordnen. Ich war in meinem eigenen, hinter kalten Masken verborgenen, und undurchsichtigen Inneren verloren gegangen und schwamm nun im Strom der hoffnungslosen Unwissenheit. Die Maske begann sich von innen zu zersetzen und mich mit in den unaufhaltsamen Untergang zu reißen, während meine äußere Fassade zu Eis erstarrte, welches wohl nie wieder schmelzen würde. Lebendig begraben im eigenen Körper. Tot.... tot...

So tot, wie sie. Er hatte sie umgebracht, seine eigene Frau, und gleichzeitig mich, seinen einzigen Sohn, damit vernichtet. Zwei lästige Fliegen mit einer Klappe und der Name Malfoy war wieder reingewaschen von Schande.

Die Familie ausgelöscht, den Kopf aufrecht und erhaben tragend, den Stolz unverwandt an den Kragen geheftet, ein schleimiges Lächeln auf den Lippen, keinerlei Reue in den Augen zu lesen, keinerlei Schwäche, Betroffenheit, Trauer, Verzweiflung... Nichts davon würde sich in seiner schwarzen Seele wiederspiegeln. Ein Mann, ein Monster, eine willenlose Marionette, eine Maschine.

Nein, ich brauchte ihn nicht. Nie mehr. Von nun an war ich frei, stand auf eigenen Beinen und stellte mich dem Leben in eiserner Selbstüberzeugung, Stärke und Tatenkraft. Krisen, die nicht zu lösen waren, gab es nicht.

Ich frage mich, woher ich in diesem Moment den plötzlichen Optimismus hernahm, doch sollte mir meine Unachtsamkeit zum Verhängnis werden. Meine starren Augen, noch immer voll und ganz eingenommen vom Gold des Sieges, sahen nicht die herannahende Gefahr. Der Klatscher traf mich so unvorbereitet, dass ich keine Chance hatte irgendetwas seiner gewaltigen Wut entgegen zu setzen. Alles, was meine Sinne füllte, war Schmerz, Betäubung, Entsetzen und Ohmacht. Ein roter Nebel begann mich zu umspinnen, mein Bewusstsein versank, davongezogen von verlockender tauber Schwärze, im endlosen Meer der Stille. Ich holte noch einmal tief Luft und entschwand dem Licht...

Ohnmacht. Schwarze Ohnmacht und roter Nebel. Farben, die mein Leben beherrschen. Für immer. Gefangen. In meiner stummen Welt. Aus der es kein Entkommen gibt.

Erzählt von Harry Potter

Meine Augen waren weit aufgerissen, als sie dem Fall des blonden Slytherins folgten. Ich war in der Bewegung erstarrt, unfähig mich zu rühren, noch zu reagieren. Hilflos sah ich zu, wie er Yard für Yard dem Boden näher kam und schließlich auf die kalte Erde aufschlug. Kein Schmerzensschrei drang aus seiner Kehle, kein Wimmern war zu hören. Der Klatscher musste ihn schon bewusstlos geschlagen haben, bevor die Erdanziehungskraft ihn in ihren Bann gezogen und ihm seinem Unglück entgegen geführt hatte.

Regungslos lag er unter mir, mit dem Rücken nach unten, der Kopf leblos zur Seite gerollt, die Arme schlaff nach beiden Seiten ausgestreckt, die Beine merkwürdig verdreht. Ich holte entsetzt Luft, als die Welt, welche mit mir inne gehalten hatte, in entsetzten Schreien explodierte. Schüler wie Lehrer sprangen von ihren Plätzen auf. Doch noch bevor irgendjemand das Spielfeld überquert und die letzte Distanz zwischen sich und den verletzten, vielleicht gar toten, Jungen gebracht hatte, war ich bereit neben ihm gelandet. Vor Besorgnis und Angst fast wahnsinnig sank ich in die Knie. Mit zitternden Händen strich ich ihm vorsichtig die wilden blonden Haare aus dem Gesicht.

„Draco?" fragte ich leise, mit bebender Stimme. „Kannst du mich hören?" Scheu begann ich an seiner Schulter zu rütteln. Es hatten mich bereits die ersten Schaulustigen umringt. Das erregte Gemurmel und Geflüster stieg allmählich zu einem beständigen Summen an, als würde ein riesiger angriffslustiger Bienenschwarm einen wilden Tanz um mich herum aufführen. Madam Pomfrey hatte sich inzwischen einen Weg durch die Reihen gekämpft und ging neben mir zu Boden. Mit fachmännischen Handgriffchen fühlte sie erst Malfoys Puls und begann dann mit weiteren Untersuchungen.

„Wie geht es ihm?" fragte ich nervös dazwischen.

Madam Pomfrey seufzte. „Einige innere Verletzungen. Zwei Rippen sind gebrochen. Möglicherweise hat er eine Gehirnerschütterung. Genaueres kann ich jetzt noch nicht sagen."

Ich nickte paralysiert, während sie einen Schwebezauber auf seinen reglosen Körper aussprach. Die Menge wich auseinander, als sie den Weg zur Krankenstation einschlug.

Ich ließ meinen Blick über die Gesichter schweifen. Ich sah Betroffenheit, Entsetzen, aber auch Gleichgültigkeit und sogar Schadenfreude. Insbesondere in den Reihen der Slytherins erblickte ich Dutzende von grinsenden Visagen, in die ich am liebsten meine Faust versenkt hätte, wäre ich nicht zu aufgekratzt gewesen. Dennoch musste ich meinem Zorn Luft machen. Entschlossen trat ich auf einen der Slytherin-Treiber zu und baute mich bedrohlich vor ihm auf.

„Habt ihr sie noch alle? Was sollte diese Aktion? Seid ihr alle blind oder zu blöd zum Quidditch spielen? Ihr habt euren eigenen Sucher abgeschossen!" Meine Stimme war von Wort zu Wort lauter geworden, bis ich all meine Wut nur noch schreien konnte. Meine Hände, welche sich zu Fäusten geballt hatten, zitterten vor Anspannung.

„Er hätte sterben können! Ihr hättet beinahe einen Menschen umgebracht. Ist euch das eigentlich bewusst? Wie könnt ihr nur dastehen und dumm grinsen? Lässt euch das völlig kalt?"

Ich schüttelte fassungslos den Kopf, da sie die Antwort wie von selbst in meinem Kopf bildete. Es war ihnen völlig egal, was mit Malfoy passierte. Sie hatten ihn absichtlich angespielt, immer und immer wieder, bis er endlich geschlagen war. Ein dreckiges Spiel.

„Seid ihr alle komplett durchgeknallt? Er ist doch einer von euch, ein Slytherin." Ich konnte nicht verstehen, was Menschen dazu trieb eine solche Abneigung gegen jemanden zu entwickeln, dass man selbst vor solch fiesen Tricks nicht zurückschreckte.

„Warum habt ihr das getan?"

„Aus einem ganz einfachen Grund", erbarmte sich Marshall nun einer Erklärung. „Er ist ein Verräter, und zudem noch vogelfrei. Er hat nur bekommen, was er verdient hat."

Rasend vor Zorn presste ich meine Kiefer aufeinander, meine Lippen verengten sich zu einem blutleeren Strich. 

„Ihr widert mich an!!!"

~*~

Unrhythmische Schritte fluteten den verlassenen Korridor.

„Was willst du jetzt tun?" Hermine, der das Schweigen wohl unangenehm geworden war, riss mich aus meinen Gedanken.

„Ich geh zum Krankenflügel", erklärte ich. „Kommt ihr mit?"

Hermine zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Das scheint ja langsam zur Routine zu werden." Ron rollte bloß mit den Augen und murmelte etwas von „So ein Aufstand wegen einer Schlange", woraufhin Hermine ihm einen Klaps gegen den Hinterkopf verpasste und einen fiesen Blick schenkte. Ron war somit belehrt und wir setzten unseren Weg wortlos fort.

Doch unser Vorhaben scheiterte bereits an der Tür zur Krankenstation, denn Madam Pomfrey wollte niemanden in ihr geheiligtes Reich lassen, um nicht bei der Arbeit gestört zu werden. Und stand ihre Entscheidung erst einmal fest kannte sie keine Gnade. Seufzend wandten wir uns Richtung Gryffindor-Turm. Die meisten Schüler hatten sich bereits wieder im Gemeinschaftsraum eingefunden und waren in heftige Diskussionen verstrickt. Hier und da schnappte ich ein paar Gesprächsfetzen auf. Ich vernahm geteilte Meinungen. Einige bedauerten den Vorfall und machten sich Sorgen um den gefallenen Slytherin. Andere jedoch kannten kein Mitleid. Sie freuten sich sogar über Malfoys plötzlichen Autoritätsverlust. Mit diebischer Genugtuung begrinsten sie seine ausweglose Situation. War seine Isolation bisher noch nicht allzu deutlich gewesen verbreitete sich nun die Neuigkeit von Malfoys Vogelfreiheit wie ein Lauffeuer und ließ ihn dem allgemeinem Spott verfallen.

Wütend stapfte ich die Treppen zum Jungen-Schlafsaal der fünften Klasse hinauf und schmiss die Tür ins Schloss. Ich wollte diesen Unsinn nicht hören. Ich konnte nicht verstehen, wie man sich über einen Schüler, der beinahe gestorben wäre, nun auch noch lustig machen konnte. Von den Slytherins hätte ich dieses Verhalten erwartet, aber nicht von den Gryffindors, meinen eigenen Freunden und Mitschülern. Es hatte schon oft Zwistigkeiten gegeben und mehr als einmal hatten meine Hausbewohner und der Rest der Schule mir den Rücken gekehrt und ich hatte allein dagestanden. Im zweiten Schuljahr hatte man Angst vor mir, weil ich Parsel beherrschte und man dichtete mir an, der Erbe von Slytherin zu sein. Im vierten Jahr waren sie alle böse auf mich, weil irgendjemand meinen Namen in den Feuerkelch geworfen hatte und ich ungewollt am Trimagischen Turnier teilnehmen musste, welches letztendlich in einer Katastrophe geendet hatte. Aber wie groß all meine Probleme auch immer waren. Sie alle haben sich in Luft aufgelöst. Die Missverständnisse wurden aufgeklärt, die Vertrauensbrüche gekittet und die Freundschaften durch engere Bande aneinandergekettet als je zuvor.

Und nun war es Malfoy, der im Kreuzfeuer gelandet war und dass ohne sich irgendetwas zuschulden kommen zu lassen und ohne optimistische Aussichten je wieder heil aus dem ganzen Schlamassel herauszukommen. Vier Häuser standen gegen ihn...

Erzählt von Draco Malfoy

Als ich meine Augen wieder öffnete begann der Schmerz von neuem. Mein gesamter Körper schien in Flammen zu stehen. Scharf sog ich die Luft durch meine zusammengepressten Zähne, um einen gepeinigten Schmerzenslaut zu unterdrücken.

„Ssssh!" Eine angenehm kühle Hand legte sich auf meine Stirn und strich mir die verschwitzten blonden Haare aus den Augen. „Bleib ruhig liegen. Deine Knochen heilen gerade. Du hast mehrere gebrochene Rippen und einen ziemlich lädierten Arm. Ich hab dir einen Heiltrank verabreicht. Die Schmerzen werden in der nächsten halben Stunde wieder nachlassen. Dann bist du so gut wie neu." Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln, wurde jedoch bald wieder ernst. „Du kannst von Glück reden, dass du noch lebst, mein Junge. Bei einem Sturz aus solch einer Höhe hättest du dir mit Leichtigkeit das Genick brechen können."

Ich starrte ausdruckslos an die Decke. Ich lebte also noch. Immer noch. Ich seufzte lautlos.

„Was ist nur in deine Mitschüler gefahren?" fuhr die Krankenschwester fassungslos fort. „Diese Kinder heutzutage werden immer brutaler." Sie schüttelte missbilligend den Kopf. „Ihr Slytherins wart schon immer ein komischer Verein, aber das hat es noch nie gegeben." Sie schüttelte erneut den Kopf. „Aber das wäre alles gar nicht passiert, wenn du auf mich gehört und erst gar nicht an dem Spiel teilgenommen hättest. Aber du bist ja genauso ein Dickkopf wie Harry Potter. Ständig glaubt ihr alles besser zu wissen, dabei bin ich diejenige mit der medizinischen Ausbildung."

Ich schwieg. Der Vergleich mit Potter passte mir überhaupt nicht. Doch was sollte ich schon sagen? ‚Ich musste spielen, weil ich sonst als Feigling dagestanden hätte, der aus Angst vor dem Gespött seiner Mitschüler lieber vom Besen stürzt, als gefahrlos im Bett zu liegen und den Tod seiner Mutter zu betrauern?' Nein, das klang nicht sehr überzeugend. Also schwieg ich weiterhin.

„Junge", versuchte Madam Pomfrey wieder zu mir durchzudringen. „Möchtest du mir irgendetwas sagen?"

Ich löste meinen Blick von der weißen Decke über mir und ließ meine Augen zu der kleinen pummeligen Krankenschwester mit dem milden Lächeln wandern. Meine Augen verengten sich misstrauisch. Ich schüttelte wortlos den Kopf.

Sie seufzte wissend, als habe sie keine andere Antwort erwartet. „Keine Angst, ich verfüge über die ärztliche Schweigepflicht. Wenn du es nicht willst verlässt kein Wort diesen Raum."

Noch immer drang kein Wort über meine Lippen. Worauf spielte sie an? Sollte ich ihr mein totes Herz ausschütten? Was sollte das schon bringen? Weder verschaffte es mir Milderung noch Trost. Niemand konnte meine Mutter zurückholen, aus meinem Vater wieder einen Menschen machen und meine Stellung in Slytherin zurückgewinnen. Ich war ein gefallener Engel, der sich ohne Flügel nicht den Rückweg in den Himmel erkämpfen konnte.

Die kleine Hexe seufzte erneut. „Nun gut, ich verstehe es, wenn du nicht mit mir darüber reden möchtest. Aber könntest du mir dann wenigstens erklären, wer das hier getan hat?" Und mit diesen Worten zog sie mein silbergrünes Quidditch-Shirt nach oben und entblößte meinen nackten, von Flüchen mit schwarzen Blutergüssen und Striemen geschundenen, Bauch. Ich war zu geschockt, um zu reagieren. Mein Kopf war leer, die sonst so schnippigen ausweichenden Antworten alle verschwunden. Schutzlos drehte ich meinen Kopf zur Seite und starrte an die nächste weiße Wand. Weiß war so eine beruhigende Farbe, die eigentlich gar keine Farbe war. Hell, wie das Licht und unscheinbar wie das Nichts. Irgendwie nichtsaussagend und dennoch heilig versprach sie Ruhe und Geborgenheit.

„Also gut. Ich werde keine weiteren Fragen stellen, wenn du es nicht willst. Aber wann immer du reden willst kannst du zu mir kommen. Ich höre gerne zu."

Mit diesen Worten verließ sie den Raum und die Stille und der Schmerz brachen wieder über mir zusammen.

Erzählt von Harry Potter

Es war kurz nach zehn, als ich den Gryffindor-Turm verließ, um etwas völlig sinnloses zu tun.

Es sprachen hundert Gründe gegen meinen Plan und weitere hundert Gründe wären mir eingefallen, wenn ich mir weiterhin den Kopf über mein Vorhaben zerbrochen hätte, anstatt ihn in die Tat umzusetzen.

Der Gemeinschaftsraum war von einem warmen flackernden Kaminfeuer erhellt. Kleine Grüppchen hatten sich darum versammelt und unterhielten sich, während andere in einer ruhigen Ecke saßen und sich ihren Hausaufgaben widmeten.

Unbemerkt verließ ich die heimische Atmosphäre und schlich durch die Dunkelheit Richtung Krankenflügel. Warum ich dies tat, wusste ich nicht. Wahrscheinlich schlief Malfoy ohnehin. Und wenn er es nicht tat war ich wohl der letzte Mensch, den er sehen wollte. Wahrscheinlich gab es in ganz Hogwarts keinen einzigen Menschen, den er im Moment sehen wollte. Aber das war mir egal.

Lautlos betrat ich die, in Finsternis getauchte, Station. Das sanfte Licht des Halbmondes erleuchtete meinen Weg ein wenig, so dass ich wenigstens nicht vollkommen blind voranstolperte. Ich hielt nach dem Bett des Slytherins Ausschau, in dem er noch heute Nachmittag gelegen hatte, als wir Madam Pomfrey und Professor Dumbledore unter dem Tarnumhang belauscht hatten.

Doch jetzt war es leer. Ich schlich weiter und untersuchte auch die anderen Betten, jedoch mit dem gleichen Ergebnis. Sie alle waren leer.

War er etwa schon wieder entlassen worden? Hatten sie ihn wirklich wieder zu den Slytherins zurückgeschickt, in die Höhle des Löwen? Nein, so blind konnten sie doch nicht sein. Sie mussten doch gesehen haben, dass er ein Ausgestoßener war, gegen den sich die ganze Slytherin-Brut verschworen hatte. Er würde diese Nacht wahrscheinlich nicht überleben, wenn er in seine Gefilde zurückkehren und so tun würde, als wäre nichts geschehen.

Verdammt, ich musste ihn da rausholen. Aber wo war dieser verdammte Gemeinschaftsraum? Ich erinnerte mich nicht mehr genau daran, da ich nur ein einziges Mal in der Gestalt von  Goyle dort gewesen war. Doch unter dem Einfluss des Vielsafttranks hatte ich nicht sonderlich viel mitbekommen, weil ich viel zu sehr mit meinem plötzlich so tollpatschig und schwerfälligem Körper zu kämpfen hatte. Aber ich wusste immerhin noch soviel, dass er sich in der Nähe der Kerker befand.

Ich wollte schon losstürmen, als ich ein leises Geräusch vernahm, gefolgt von der allzu bekannten schnarrenden Stimme.

„Was willst du hier?"

Ich zuckte erschrocken zusammen und stolperte gegen eines der leeren Betten, wobei es mich beinahe hingelegt hätte. Mein Herz sprang, durch den plötzlichen Schreck aufgescheucht, aufgeregt in meiner Brust auf und ab. Ich seufzte leise und richtete mich wieder auf.

„Malfoy?" fragte ich leise in die Düsternis und folgte der verklungenen Stimme in die Stille hinein. „Bist du das? ... Wo bist du?"

„Warum kann man nur nirgends in diesem verdammten Klotz von einem Schloss seine Ruhe haben?" Ein leises Seufzen ertönte.

Ich stolperte weiter, folgte der Stimme, bis ich einen schwachen Schemen auf dem Fensterbrett entdeckte, welcher fast gänzlich mit dem Schatten verschmolz, weswegen ich ihn wohl nicht schon im ersten Moment, als ich die Station betreten hatte, gesehen hatte.

Er saß mit angewinkelten Beinen auf der breiten Fensterbank, auf welcher Madam Pomfrey meist Heilkräuter (in Töpfen °^^) anzupflanzen pflegte. Den Kopf seitlich gegen das kühle Fensterglas gelehnt verfolgte er jeden meiner Schritte. Zwar konnte ich seine Augen nicht erkennen, doch spürte ich seinen intensiven Blick fast körperlich auf meiner Haut.

Ich blieb stehen. Erst jetzt, da ich nach endlosem Stolpern und Tasten mein Ziel erreicht hatte, kam mir der Gedanke mittels meinem Zauberstab Licht zu machen. Ich schüttelte über meine eigene Dummheit den Kopf und kramte ihn aus meiner Tasche. Ein geflüsterter Lumos, und mein Gegenüber tauchte in mein Blickfeld ein. Ich zuckte leicht zusammen. Er sah schwach aus. Er hatte seinen Quidditch-Umhang abgelegt und war nur noch mit dem ärmellosen silberschwarzem Shirt und einer langen schwarzen Hose bekleidet. Seine Körperhaltung wirkte verkrampft, seine, um die Knie geschlungenen, Armen waren angespannt, seine Hände ineinandergekeilt. Ich spürte, wie er das Zittern seiner Hände zu unterdrücken versuchte, welches seit dem Schock seinen ganzen Körper befallen hatte und einfach nicht mehr enden wollte.

Trotzdem er versuchte eine seiner Masken überzustülpen, welche sich in seinem spöttischen Lächeln und dem schwachen Glitzern in seinen Augen äußerte wusste ich, dass er innerlich zerbrochen war.

Erzählt von Draco Malfoy

Ich spürte seine grünen Augen auf mir, wie sie mich musterten und in mein Innerstes eindrangen, die Fassade durchbrachen und den gebrochenen Mann in mir erkannten.

Ich fühlte mich seltsam schutzlos unter seinem Blick.

„Was willst du hier?" wiederholte ich meine Frage, um die gespenstige Stille zu unterbrechen und um mich seines Blickes zu befreien, der jetzt meine Augen suchte.

Er lächelte scheu. Was hatte das zu bedeuten?

„Ich möchte dir einen Vorschlag machen", erklärte er sanft.

Ich runzelte misstrauisch die Stirn. „Was für ein Vorschlag?"

Ich hab es noch nicht mit Professor Dumbledore besprochen, weil ich erst dich fragen wollte. Aber ich bin sicher er wäre damit einverstanden."

„Komm auf den Punkt, Potter", unterbrach ich ihn ungeduldig. Der alte herausfordernde Ton war in meine Stimme zurückgekehrt und verlieh ihr Kraft und Stärke.

Er trat näher auf mich zu. Seine Hände suchten das marmorne Fensterbrett, auf dem ich saß, und klammerten sich daran fest. Er sah zu mir auf, der ich sonst ein wenig kleiner war, aber durch meinen erhöhten Sitzplatz über ihn hinausschoss.

„Komm mit mir nach Gryffindor."

...

Schweigen. Geschockte Stille. Ich konnte nicht glauben, was er da eben gesagt hatte. ICH sollte nach Gryffindor? Das konnte doch nur ein übler Scherz sein, doch die Ernsthaftigkeit in den Augen meines Gegenübers zerstörte diese Vermutung.

Ein entsetztes „Was?" war schließlich alles, was über meine Lippen trat.

Ein verdammter Gryffindor. Das konnte doch nicht wahr sein. Das konnte er unmöglich ernst meinen. 

„Ich weiß, dass wir nicht immer einer Meinung waren..."

„Wir waren NIE einer Meinung", unterbrach ich seinen Vortrag aufgebracht.

„... aber", fuhr er unbeeindruckt fort, „... ich hab in den letzten Wochen gemerkt, dass du alles andere als dieser verwöhnte, arrogante, reiche Sohn eines Malfoys bist."

Ich wollte ihn erneut unterbrechen, doch er ließ mich erst gar nicht zu Wort kommen.

„Ich weiß jetzt, dass dein Leben nicht halb so schön ist, wie du es immer allen vorspielst. Du hast Angst vor deinem Vater, auch wenn ich den Grund dafür nicht kenne und es mich ja eigentlich auch nichts angeht. Aber ich sehe, dass du Probleme hast, die du keinem anvertrauen kannst. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man es sehr schwer hat, wenn man mit niemandem seinen Kummer teilen kann. Wenn die Last einen immer tiefer in den Abgrund drückt. Und gerade weil ich weiß, wie du dich fühlen musst, will ich dir helfen. Auch wenn du ein Slytherin bist und ich ein Gryffindor, und wir beide eigentlich Erzfeinde sind, es eigentlich sein sollten."

Ich starrte ihn aus aufgerissenen Augen an. Eine unbekannte Verwirrung hatte sich in mir breit gemacht, füllte mich aus wie eine wabernde Nebelwolke, die sich vor meine Augen schob und meine sonst so klare Sicht von richtig und falsch verklärte.

Dieser verdammte Harry Potter, den ich stets gehasst hatte, für alles was er hatte, alles was er besaß und alles, was er mir einst ausschlug, als ich ihm im ersten Schuljahr meine Freundschaft anbot.

Nun war er so dreist und wollte all dies plötzlich wieder gut machen? Nur weil er erfahren hatte, dass mein Leben eine einzige Katastrophe war? Dieser elendige Samariter, der sich doch immer nur selbst als Retter der Schwachen ins positive Licht rücken wollte. Aber nicht mit mir. Ich würde nicht eine seiner Trophäen werden. Ich würde mich selbst retten. Retten vor dieser Welt...

Erzählt von Harry Potter

Ich beobachtete ihn schweigend. Ich hatte ihm meinen Plan vorgebracht. Hatte ihm meine Hilfe, ja gar meine Freundschaft angeboten. Nun lag es an ihm, seinen Stolz einmal zu vergessen und dieses Angebot anzunehmen. Was hatte er sonst für eine Wahl? Keines der Häuser würde ihn akzeptieren, denn sie alle verachteten ihn. Doch in Gyffindor könnte sich dies ändern. Er stand unter meinem persönlichen Schutz. Ich würde ihn langsam integrieren, bis auch die anderen Gryfindors lernten, mit ihm klarzukommen. Und sie würden merken, dass er in seinem Inneren ebenso unsicher und verletzlich war, wie jeder einzelne von ihnen. Dass er auch nur ein verlorenes Schaf war, welches einen Hirten wie Dumbledore brauchte und Freundschaft, wie er sie in Gryffindor erhalten könnte.

Es lag nur an ihm...

„Nein!"

Ich schrak aus meinen Gedanken.

„Was?" Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Nein? Wieso willst du diese Chance wegwerfen. Du könntest neu beginnen. Das sechste Schuljahr ist doch bald vorbei und das siebte wirst du wohl auch noch aushalten. Sie werden dich akzeptieren."

„Darum geht es nicht", meinte er trotzig. „Ich bin ein Slytherin, mit Herz und Seele. Ich bin nicht der brave Kämpfer für Gerechtigkeit, wie du es bist. Ich halte nichts davon gut und gerecht zu sein. Ich könnte niemals einer von euch werden, denn euer Haus stinkt zum Himmel!"

Ich wusste, dass er das nur sagte, um mich zu beleidigen. Er hatte nichts gegen Gryffindor an sich, sondern gegen mich. Er hasste mich noch immer, der ich einst seine Freundschaft ausschlug. Nun war es um so schwerer sein Vertrauen zurückzugewinnen, ein Vertrauen, was er nach dem heutigen Tag wohl niemandem mehr schenken würde.

Aber eines wusste ich mit Sicherheit. Malfoy hatte sich verändert. Er war nicht länger der brave Sohn seines Vaters, der ihn zum Todesser erziehen wollte. Ich glaubte nicht an seine Worte, an seine Behauptung niemals gut und gerecht sein zu können. Er hatte mit der dunklen Seite seines Vaters längst abgeschlossen. Er würde sich gegen seine Bestimmung wehren. Seine Schicksal einst ein Todesser, ein Sklave unter Voldemort, zu werden.

„Was willst du dann tun? Du kannst nicht nach Slytherin zurückkehren? Sie werden dich sonst noch umbringen. Du weißt, dass das heute nicht ohne Grund geschah. Sie haben es auf dich abgesehen, auch wenn ich nicht verstehe, warum."

„Das ist nicht länger von Bedeutung", gab er knapp zurück.

Ich verstand nicht ganz. „Wie meinst du das?"

Er zuckte mit den Schultern, blieb mir jedoch eine Antwort schuldig, denn im nächsten Moment betrat eine weitere Person den Krankenflügel und unterbrach unser Gespräch.

„Mr. Potter", ermahnte mich die pummelige Krankenschwester. „Können Sie mir mal erklären, was Sie hier zu suchen haben? Noch dazu mitten in der Nacht, wo sie schon längst in ihrem Bett liegen sollten?"

Ich stolperte, erschrocken und ertappt zugleich, einige Schritte zurück und brachte wieder etwas Distanz zwischen mich und den gefallenen Slytherin.

„Und auch Sie, Mr. Malfoy, haben außerhalb ihres Bettes rein gar nichts verloren. Sie müssen sich noch ausruhen. Ihre Knochen sind erst vor wenigen Stunden wieder zusammengewachsen und ihr Körper braucht Ruhe."

Ich sah, wie der angesprochene Patient genervt die Augen verdrehte und grinste leicht. Madam Pomfrey war trotz ihrer Größe eine Frau, deren Anweisungen man sich nur sehr schwer widersetzen konnte. Da half kein nörgeln, flehen oder drohen. Und auch Malfoy schien sich dessen bewusst zu sein, denn er sprang etwas ungelenk von der Fensterbank und schlurfte zu seinem Bett, auf dessen Kante er sich resigniert nieder ließ und Madam Pomfrey einen giftigen Blick zuwarf, die diesen jedoch gekonnt ignorierte.

„Nun, Mr. Potter?" Sie warf mir einen fragenden und zugleich fordernden Blick zu. „Sie sollten sich langsam verabschieden und in ihren Turm zurückkehren. Es ist schon spät."

Ich nickte leicht und drehte mich zur Tür, hielt jedoch noch einmal inne und wandte mich zu dem silberblonden Jungen um. „Überleg es dir noch einmal."

Der junge Slytherin schüttelte den Kopf. „Das ist nicht nötig."

Ich seufzte resigniert und verließ den Krankenflügel, überließ ihm seinem eigenen Schicksal.

Der Gedanke, ihm nicht helfen zu können zerriss mich fast innerlich.

Er war wie ein gefallener Engel, dem der Aufstieg in den Himmel für immer verwehrt blieb.

Erzählt von Draco Malfoy

Ich starrte auf den leeren Fleck, den der Gryffindor soeben zurückgelassen hatte. Er hatte mir helfen wollen. Er war der erste Mensch, der sich, neben meiner Mutter, je um mich Sogen gemacht hatte. Doch ich hatte ihn enttäuscht, hatte ihn grob zurückgewiesen und beleidigt.

Aber es ging nicht anders. Es musste sein. Ich konnte ihn nicht noch tiefer in den ganzen Schlamassel mit hineinziehen. Und ich würde es ihm nicht zumuten Anteil an meinem Leben und der Dunkelheit darin zu haben...

Madam Pomfrey war inzwischen näher getreten. Ihr sanfter Blick ruhte auf mir, während ich an ihr vorbei ins Leere starrte. Sie machte sich mit Sicherheit auch Sorgen. Aber das gehört auch zu ihrem Beruf.

Milde lächelnd reichte sie mir eine kleine Dose. „Ich hab Ihnen eine Salbe angerührt, die das Massaker auf Ihrem Bauch und Ihrem Rücken mildert", erklärte sie.

„Da sie mir nicht sagen wollten, was es damit auf sich hat, ich die Narben aber auch nicht heilen konnte, gehe ich davon aus, dass es sich um Fluchnarben handelt."

Sie sah mir tief in die Augen, um irgendeine Regung auf diese Worte zu erkennen. Als jedoch keine Reaktion folgte, fuhr sie fort.

„Solche Verletzungen brauchen ihre Zeit, um auszuheilen. Deshalb sollten Sie jetzt aufhören sich zu widersetzen und Ihrem Körper endlich Ruhe gönnen." Sie drückte mich unsanft in die Kissen, schob mein schwarzes Shirt in die Höhe und rieb, ungeachtet meiner Proteste, meine geschundene Brust mit der kühlen, wohl riechenden Salbe ein. Dann löschte sie das Licht.

„Schlafen Sie gut, Mr. Malfoy", waren ihre letzten Worte, ehe wieder Einsamkeit in mein kleines Reich einkehrte. Ich schloss die Augen, verdrängte den Schmerz in meiner Brust und rief mir die beruhigende Leere in den Kopf. Doch es gelang mir nicht. Eine bekannte Bilderflut, alter und neuer Qualen, strömte auf mich ein. Leere rote Augen getöteter Menschen, Ströme von Blut, Wellen von Schmerz und Pein, Flüche, Schläge, Worte, Klatscher drangen in mein Bewusstsein, breiteten sich unaufhaltsam aus, rissen mich von meinem hohen Ross, zogen mich in die Tiefe... ich fiel und fiel, bis es keinen Boden mehr gab, und selbst das Fallen nichtig wurde....

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Es tuuuuuuuuuuuuut mir Leid, dass dieses Chap solange auf sich warten lassen hat und dennoch scheiße geworden ist *sigh* Da wartet ihr so ewig und das kommt raus. Da soll noch mal einer sagen, was lange währt wird gut = alles Lüge *gg* Naja, ich war in letzter Zeit echt unkreativ, hab nicht gewusst, wie und was ich schreiben soll. Alle Ideen waren aufgebraucht, mein Konzept kam mir irgendwie sinnlos vor und wurde umgekrempelt, bis mir überhaupt nichts mehr sinnvoll daran erschien und ich, am Rand der Verzweiflung angekommen, einfach blind drauf losgeschrieben hab ohne auf irgendein Konzept oder einen Sinn zu achten °^^ ich hab meine Charas verflucht, weil sie so verweichlicht sind – ich habe meinen geliebten Malfoy zum Luschi gemacht *heul* - und die ganze FF beschimpft *gg* Das war das krasseste kreaTief überhaupt, was ich bisher hatte *lol* Aber ich denke das ist jetzt überwunden *hoff*

Ich hab eigentlich vor die FF in den nächsten Kapiteln abzuschließen. Es werden also nur noch ein oder zwei Chaps folgen. Danach seid ihr mich los ^^ na ja, nicht ganz, denn ich schreib ja noch an meinem Mammutprojekt „Das 5. Schuljahr". Im Gegensatz zum 1.Part gefällt mir hierbei der 2. richtig gut *sich mal selbst lobt* Also schaut mal rein und schreibt ein nettes Review ^^ und seid auch so gnädig und hinterlasst hier auch gleich eins! Ich würd mich freuen ^^

PS: Nachdem ich diese FF abgeschlossen habe, hab ich dann auch endlich Zeit, mich um meine neue Geschichte zu kümmern, die mir schon etwas länger im Kopf rumspukt. Es dreht sich natürlich mal wieder um das Harry Potter Universum, doch worum genau es geht und welche meine Hauptcharaktere sind, wird an dieser Stelle noch nicht verraten. Ich wollte euch nur schon einmal seelisch und moralischen darauf vorbereiten *eg*

Man liest sich

Eure Feary