Faramir wanderte gedankenverloren durch die Wälder von Ithilien. Von weitem
konnte er die Emin Arnen sehen. Er fühlte sich sehr wohl hier in der
Abgeschiedenheit, weit weg von seinem Vater und weg von seinen
Beschimpfungen. Warum konnte Denethor nicht einfach damit aufhören? Faramir
verstand, warum er Boromir bevorzugte, jedoch konnte er selbst es seinem
Vater nie Recht machen. Nie zeigte Delethor seine Liebe. Faramir hatte
Gerüchte gehört, dass sein Vater ihm keine Gefühle entgegenbringen konnte,
weil er ihn für den Tod seiner Frau, Faramirs und Boromirs Mutter Findulas
verantwortlich machte. Doch was konnte er denn dafür? Er war doch nur ein
unschuldiges Baby gewesen, und Denethor gab ihm die Schuld am Tode seiner
Mutter. Er hatte Findulas nie gekannt, nur aus den schönen Geschichten, die
Boromir, sein älterer Bruder, ihm immer erzählt hatte. Faramir vermisste
die Wärme seiner verstorbenen Mutter.
Jetzt beobachtete er zwei Vögel, die sich im Licht der untergehenden Sonne jagten, bis er wider Erwarten ein leises Lachen hörte. Leise stand er auf und schlich sich näher an die Quelle des Geräuschs heran. Erst sah er nur den Rauch eines Feuers, dann erkannte er sieben Gestalten, die um das Feuer herumkauerten. Es war nicht besonders kalt, und trotzdem sahen vier der Personen aus als würden sie frieren. Als er näher kam, fand er auch heraus, warum dies so war. Es schien, als wären diese vier Gestalten in den Fluss gefallen oder freiwillig hineingesprungen. Zu dieser Jahreszeit war das Wasser wirklich noch sehr kalt. Faramir seufzte und wünschte sich nichts sehnlicher, als solche Momente als Erinnerungen zu besitzen. Doch er war mit Soldaten und Kämpfen aufgewachsen, dort war nie Platz für Freude und Spaß gewesen.
Lange Zeit starrte Faramir auf die Gruppe und als es dunkler wurde, leuchtete das Feuer so hell, dass die Gesichter der Personen erkennbar wurde. Soweit wie Faramir es erkennen konnte, waren es vier Jungen und drei Mädchen, alle ungefähr in seinem Alter. Er war einige Jahre jünger als Boromir, doch so wie sein Bruder, hatte er nie andere Freunde als die Söhne der Krieger ihres Vaters. Plötzlich drehte sich eines der Mädchen um und schaute direkt in seine Richtung. Sie lächelte und deutete auf ihn. Die anderen drehten sich jetzt auch um. Sie zeigten keinerlei Scheu, als Faramir auf die Gruppe zuging. Das Mädchen, dass ihn im Wald entdeckt hatte, lächelte immer noch. Doch ein anderes Mädchen begann zu sprechen. „Seid uns willkommen, werter Herr. Mein Name ist Caiwhye. Dies sind meine Geschwister Lenti, Ranry und Skali."Sie zeigte auf drei der kleineren Jungen, die zu ihrer linken Seite saßen und freundlich nickten. „Und dort drüben sitzen Lyraen und Yeliath."Ein Mädchen und der vierte Junge lächelten. Nur das Mädchen, dass ihn entdeckt hatte, wurde ihm nicht vorgestellt. Sie schwieg. „Und wie ist Euer Name?"fragte Caiwhye neugierig. „Mein Name ist Faramir, ich bin der Sohn des Truchsess von Gondor." antwortete Faramir wahrheitsgetreu.
Als er nun näher trat, rutschten die Jungs näher zusammen, um ihm Platz am Feuer zu machen. Er setzte sich zwischen Lenti und Skali, und somit direkt gegenüber von dem noch unbekannten Mädchen. Sie hatte lange rotbraune Haare und dunkle Augen, die fast die ganze Zeit ihren Blick auf Faramir gerichtet hielt. Es war ihm nicht unangenehm, denn er war von dem Mädchen fasziniert. Doch warum schwieg sie? Warum nannte sie ihm nicht ihren Namen? Sie lächelte nur, während ihre Augen im Widerschein des Feuers leuchteten. „Wie heißt Ihr, gnädige Dame?"fragte Faramir. Doch er erhielt keine Antwort. Das Mädchen lächelte wieder und schaute dann Caiwhye an.
"Oh natürlich. Entschuldigt, mein Herr. Dies ist Sebring, Tochter des Ryldor. Sie kommt aus Anfalas am Fluss Lefnui." „Anfalas? Das ist ziemlich weit weg von hier..."murmelte Faramir und sah Sebring an. Er hatte noch nie Menschen aus Anfalas gesehen oder etwas von Ryldor gehört. Sebring nickte, sagte jedoch nichts.
Sie hatte den Kopf schiefgelegt und beobachtete Faramir, der leicht rot wurde. Durch die herrschende Dunkelheit und den Schein des Feuers bemerkte es nur das stumme Mädchen. Mit einem Mal standen Lenti und Ranry auf. Caiwhye sprach: „Wir müssen jetzt gehen. Es ist schon spät." „Wo wollt Ihr hin? Ich kann euch begleiten."sagte Faramir und stand auf. Doch Sebring schüttelte den Kopf und Caiwhye meinte: „Danke, werter Herr Faramir. Doch unsere Wege müssen sich jetzt trennen. Wir werden morgen zur gleichen Zeit wieder an diesem Ort sein." Die vier Jungen und die drei Mädchen packten ihre Sachen und nachdem Skali das Feuer gelöscht hatte, verschwanden die Sieben wieder. Sebring drehte sich noch einmal um und lächelte. Faramir hob die Hand zum Gruss, doch da waren sie alle schon verschwunden.
Langsam ging Faramir in Richtung Minas Tirith zurück und fand sein Pferd, dass er völlig vergessen hatte. Der graue Wallach hatte sich losgerissen und war einige Schritte weiter wieder stehen geblieben um zu grasen. Faramir begriff erst jetzt, wie spät es eigentlich schon war und wusste, dass er sich beeilen müsste, um vor dem Morgengrauen in der weißen Stadt zu sein. Denethor würde sehr wütend sein. Er tätschelte seinem Pferd den Hals nachdem er aufgestiegen war, dann trieb er den Grauen vorwärts und im gestreckten Galopp erreichten sie das Tor in die Stadt. Die Wachen ließen ihn passieren, doch als er in den Stallungen ankam, trat ihm Boromir entgegen. „Warum bist du nicht..."begann sein älterer Bruder, doch führte den Satz nicht zuende. Der Ausdruck in Faramirs Gesicht sagte ihm, dass etwas passiert sein musste. Und Faramir konnte es auch nicht zurückhalten. „Ich habe im Wald Menschen aus Anfalas getroffen. Junge Menschen..."brach es aus ihm heraus. Boromir lächelte. „Menschen? Mädchen? Ich kenne diesen Ausdruck..."lachte er. Faramir wurde rot. „Also doch ein Mädchen."
"Sie hat gar nichts gesagt..." „Nichts gesagt? Kennst du wenigstens ihren Namen?"fragte Boromir. „Die anderen haben gesagt, ihr Name sei Sebring." Das Lächeln verschwand aus Boromirs Gesicht. „Sebring sagst du? Die Tochter von Ryldor?" „Ja, woher kennst du sie?"fragte sein jüngerer Bruder verwirrt. „Ach nichts, Bruderherz, es ist nichts. Du solltest jetzt wirklich in dein Zimmer gehen, es wird gleich hell. Vater wird bestimmt bald nach dir schauen." „Nach mir schauen...ja um seine schlechte Laune an mir auszulassen."murmelte Faramir. Boromir sagte nichts mehr, er umarmte seinen kleinen Bruder nur kurz und ging dann über den Hof zu seinem eigenen Raum. Faramir starrte ihm hinterher. Er liebte Boromir über alles und war sehr froh, dass ihn sein Bruder immer gegen seinen Vater verteidigte.
Er rieb den Schweiß aus dem Fell seines Pferdes und gab ihm eine Extraportion Heu. Firion, so hieß der Graue, versenkte seine schwarze Nase sofort in das duftende Heu und begann zu fressen. Faramir runzelte die Stirn und seufzte. Schnell lief er über den Hof und verschwand in seinem Raum. Dort lehnte er sich gegen die Tür und atmete tief durch. Hatte Boromir Recht? Konnte es sein, dass er so wegen eines Mädchens fühlte? Nein, dass konnte nicht sein...oder doch? Faramir war verwirrt, zu verwirrt, um klar denken zu können. Als er sich auf das Bett legte, konnte er schon die schweren Schritte seines Vaters hören. Schnell stand er wieder auf und legte die braunen Manschetten seiner Rüstung um seine Arme. Bevor Denethor die Tür aufwerfen konnte, hatte Faramir seine langen rötlichen Haare nach hinten gestrichen und die Tür geöffnet. „Vater..."sagte er mit einem Lächeln. Doch Denethor erwiderte dieses Lächeln nicht. Er sagte überhaupt nichts. Faramir wunderte sich immer wieder, warum sein Vater jeden Morgen in sein Zimmer kam. Er wusste doch genau, dass er schon vor Sonnenaufgang wach war. Ohne etwas zu sagen, verschwand Denethor auch wieder. Anscheinend hatte er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, seinem jüngsten und zweitgeborenen Sohn das Leben zur Hölle zu machen. Als Denethor gegangen war, atmete Faramir tief durch. Er konnte einfach nicht das Gesicht des Mädchens vergessen. Und warum war Boromir so merkwürdig gewesen, als er ihm den Namen des Mädchens genannt hatte. Sebring. Es war ein wunderschöner Name.
Nach dem Frühstück machte er sich sofort wieder auf den Weg zu der Stelle, an der er die Gruppe getroffen hatte. Doch dort fand er nicht einmal Spuren des Feuers von letzter Nacht. Waren die Sieben etwa während der Morgenstunden zurückgekehrt, um die Spuren zu beseitigen? Er suchte überall, doch er fand nichts. Überhaupt nichts. Nicht einmal Fußspuren. Er war ziemlich verzweifelt, als er nun am Waldrand entlang ritt und sich nach dem Mädchen Sebring sehnte. Den ganzen Tag ritt er hin und her, und mehrere Male dachte er, er hätte Lenti oder Skali gehört, doch es stellte sich immer als Täuschung heraus. Als die Sonne am Höchsten stand, drehte er um und ritt heim nach Minas Tirith. Er beschloss jedoch, an diesem Abend wieder hier herzureiten um zu schauen, ob die Gruppe wieder am Fluss sein würde. Doch er hatte kein Glück. Faramir bemerkte mit grosser Traurigkeit, dass er auch in der späten Abendstunde nicht das fand, was er so sehnlichst suchte.
Bei Anbruch der Nacht entschied er sich, zurückzureiten. Es hatte keinen Sinn. Er würde Sebring wahrscheinlich nie wieder sehen.
Mit traurigem Gesichtsausdruck trieb er Firion an und trabte in Richtung Osgiliath. Eventuell konnte er mit Boromir sprechen, wenn sein Bruder mit Madril, dem Kommandanten, noch beim Wiederaufbau der Stadt half. Durch wiederholte Angriffe von Orks kam es immer wieder zu Zerstörungen. Doch er hatte auch hier kein Glück. Er traf auf Dremor und Findil, zwei der Wachen, die ihm erzählten, dass Boromir in die Stadt zurückbeordert wurde. Sein Vater Denethor hatte ihn sprechen wollen. Warum nur? Höchstwahrscheinlich um seinem Unmut über Faramir Luft zu machen. Warum hasste sein Vater ihn nur so. Er versuchte immer, alles zu tun, um ihn glücklich und freundlich zu stimmen, doch nie erhielt er den ihm gebührenden Respekt oder die Liebe, die er sich so wünschte.
Als er in der weißen Stadt ankam, rüstete sich sein Bruder für eine Reise. Er hatte seinen braunen Hengst Luran gesattelt und eine junge Frau brachte ihm eine Tasche mit Verpflegung. „Wo willst du hin, Boromir?"fragte Faramir. „Ich muss nach Westen reiten, kleiner Bruder, Vater hat mich gesandt." Boromir versuchte ihm auszuweichen. Er zäumte Luran auf und verstaute die Nahrungsmittel in der Satteltasche. „Ja aber wohin? Darf ich dich begleiten?"fragte Faramir begeistert. „Nein, du musst hierbleiben. Und versprich mir, dass du nicht wieder nach Süd-Ithilien reitest, bis ich wieder hier bin." Faramir schüttelte den Kopf. „Was redest du da? Warum darf ich dich nicht begleiten und warum verbietest du mir, in den Wald zu reiten?"Er verstand die Welt nicht mehr. „Bitte, liebster Bruder, versprich es mir. Ich werde bald wieder da sein, und dann werde ich es dir erklären."Er sprang auf den Rücken seines Hengstes und lenkte Luran aus dem Stallgebäude. Er trieb ihn vorwärts, doch Faramir stellte sich ihm in den Weg. „Nein, Boromir, du musst es mir jetzt sagen."Verlangte der Junge. „Es ist zu deinem Besten. Geh hinauf in Vater's Halle und leiste ihm Gesellschaft. Ich werde übermorgen Abend wieder zurücksein."Er drängte den Hengst gegen seinen Bruder, um durch die Stallgasse hinaus auf den Hof zu gelangen. Sobald er draußen war, drückte er seinem Pferd die Hacken in die Flanken und galoppierte den steinernen Weg hinunter bis zum großen Tor. Ihm folgen vier weitere Männer, bewaffnet und in Rüstung. Faramir stand oben und schaute durch die Zinnen auf die weite Ebene vor den Toren Minas Tirith's.
Doch er konnte nicht in der Stadt bleiben. Es war fast so, als würde ihn eine fremde Macht hinauslocken, hinaus nach Süd-Ithilien. Dorthin, wo er Sebring getroffen hatte und an die Stelle, die ihm sein Bruder verboten hatte zu besuchen. Doch sein Pferd bestimmte selbst, welchen Weg es beschreiten wollte, und Faramir hielt den Wallach nicht zurück. Firion trabte ohne Mühe dahin, bis er plötzlich stehen blieb. Der junge Mann war nicht darauf vorbereitet und wäre fast vom Pferd gefallen. Vor ihm standen Yeliath und Lyraen, die beiden jüngsten aus der Gruppe, die er zwei Tage zuvor im Wald getroffen hatte. „Du darfst nicht weiterreiten."Sagten sie zusammen. „Was?"Faramir verstand nicht. Warum wollte ihn jeder davon abhalten, in den Wald hineinzureiten, bis zu der Stelle, an der er hoffte, das Mädchen Sebring wiederzutreffen. „Bitte reite heimwärts."Sprach das kleine Mädchen und Faramir sah, wie eine glitzernde Träne an seiner Wange herunterlief. „Warum weinst du?"fragte er. Doch er erhielt keine Antwort. Die beiden Kinder sahen sich an, dann liefen sie davon. Faramir sprang von seinem Pferd und versuchte, ihnen zu folgen, doch die beiden waren zu schnell. Schon bald waren sie verschwunden, und Faramir wusste nicht, wie er die beiden je finden sollte.
Unverrichteter Dinge musste er umkehren. Er verspürte Hunger, doch das war ihm nicht wichtig. Er wollte Sebring unbedingt wiedersehen. Faramir fand sein Pferd unweit einer Quelle mit frischem Wasser, und während Firion trank, stillte auch Faramir seinen Durst. Er setzte sich auf den kühlen Boden und starrte hinauf in den Himmel. Warum hatten Lyraen und Yeliath ihm den Weg versperrt und ihm verboten, weiterzureiten? Es war alles sehr merkwürdig. Und was hatte Boromir vor? Vielleicht sollte er wirklich auf seinen großen Bruder hören. Boromir hatte vielleicht Recht. Faramir stand wieder auf, und klopfte sich den Schmutz von der Hose, bevor er sich in den Sattel schwang und sich auf den Heimweg machte. Als er den Blick gen Westen wandte, entdeckte er einen roten Schein oberhalb des südwestlichen Ende des Gebirges. Was war dort los? Es war so weit weg, hinter den Dor-En-Ernil und wahrscheinlich auch hinter dem Fluss Blackroot. Er erinnerte sich an eine Karte, die ganz Gondor zeigte. Boromir hatte sie benutzt, um seinem Bruder das Land und die Wälder bekannt zu machen. Lag dort im Südwesten nicht Anfalas? Sah er dort am Horizont den Widerschein eines Feuers?
Schnell ritt er zurück und als er den Steinweg hinauf zu den Stallgebäuden ritt, sah er, wie die Männer seines Vaters ihre Pferde bestiegen und ohne ein Wort zu verlieren, zum Tor hinunterritten und über die Ebene in Richtung Losarnach ritten. Sie überquerten den Fluss Erui und waren bald nichts weiter als winzige Punkte, die sich vom Grau der Ebene abhoben. Noch bevor sie den Fluss Sirith erreichten, konnte Faramir sie nicht mehr sehen. Für ihn war alles sehr verwirrend. Er schaute nach oben und sah seinen Vater, wie er sich über die Mauer gelehnt hinabstarrte. Um seine Lippen spielte ein verzweifeltes Lächeln. „Vater!"rief Faramir zu ihm hinauf. Doch er erhielt keine Ahnung. Er sah wie Denethor sich umwandte und zurück in die große Halle ging, vorbei an dem weißen Baum, dem Wahrzeichen Gondors. Faramir rannte so schnell er konnte hinterher, doch er sah, wie sich die Türen der Halle schlossen, noch bevor er sie erreichte. Hatte sein Vater ihn einfach nicht gesehen? Faramir setzte sich vor den weißen Baum und starrte hinauf. Er konnte es einfach nicht verstehen. Er war eine derartige Behandlung von Seiten Denethors gewöhnt, aber heute war einfach alles merkwürdig.
Langsam ging er wieder hinunter zu den Stallungen, um sich um Firion zu kümmern. Der graue Wallach stand immer noch vor der verschlossenen Stalltür, verschwitzt und hungrig. Als Faramir seinen Hald streichelte, schlug der Wallach unwillig mit dem Kopf.
"Ja, ich weiß. Du würdest auch viel lieber Nachforschungen anstellen als hierzubleiben. Doch du hast Boromir gehört, wir sollen nicht dorthin reiten. Wir sollen hier bleiben und warten." Der Gedanke, noch einen Nachmittag, einen Abend, eine Nacht und einen ganzen Tag auf Boromir warten zu müssen, war unerträglich. Er fragte sich, warum er am Himmel über Anfalas den roten Schein eines Feuers gesehen hatte. War etwas vorgefallen von dem er nichts wusste? Langsam wurde er sehr unruhig.
Zwei Tage später kehrte Boromir zurück. Er ritt ein fuchsfarbebes Pferd, eine schon recht alte Stute, die auf der Hinterhand lahmte. Faramir war extra lange aufgeblieben, um die Ankunft seines Bruders abzuwarten. Doch er hatte nicht damit gerechnet, auf abgekämpfte und verwundete Soldaten zu treffen. „Boromir!"rief er entsetzt, als er seinen Bruder sah. „Was ist geschehen? Und wo ist Luran?" Boromir antwortete nicht sofort. Er führte die Stute hinüber zum Stallgebäude und überliess sie einem Jungen, der sich sofort um sie kümmerte. Als er sich dann umdrehte, erblickte Faramir Tränen in seines Bruders Augen. Er ging zu ihm hinüber und umarmte ihn, wie ein großer Bruder seinen kleinen Bruder umarmen würde, in einer stürmischen Nacht mit Unwetter und lautem Donner. Faramir riss sich los und schaute Boromir an. „Du musst es mir sagen, ich bin schließlich kein kleines Kind mehr!"rief er. „Ich werde es dir sagen, doch nicht jetzt. Ich muss erst mit Vater sprechen."Antwortete Boromir kurz. Er ging ein paar Schritte zurück und beobachtete seinen Bruder. Faramir sah sehr traurig aus, traurig und verzweifelt. Dann drehte er sich um und wollte die Treppe hinaufgehen „Ich war im Wald..."begann Faramir. Boromir wandte sich langsam um und starrte seinen Bruder an. „Aber ich habe niemanden getroffen...nur zwei der kleineren Kinder."
„Was haben sie gesagt?"fragte Boromir mit leiser Stimme. Faramir bekam es mit der Angst zu tun.
„Nichts...nur dass ich wieder umkehren soll..." „Ich habe am Himmel über Anfalas Feuer gesehen..."flüsterte der Junge. Boromir schwieg und presste die Lippen zusammen. Faramir sah Schmerz und Wut im Blick seines Bruders. Er senkte den Blick und schaute auf seine Stiefelspitzen. War er nicht den Anordnungen Boromirs gefolgt? Warum war er jetzt so wütend auf ihn?
Doch Boromir hatte etwas anderes im Sinn. Er blickte erst kurz auf Faramir und dann über die weiße Mauer hinaus auf die weite Ebene vor der Stadt. Auf halbem Wege nach Osgiliath erspähte er ein dunkles Pferd mit einem Reiter, der ebenfalls in schwarz gekleidet war. Während Faramir noch nach Entschuldigungen suchte, hob Boromir seinen Arm und winkte zu dieser Figur auf dem weiten Feld zu. Wie als Bestätigung trieb die Person ihr Pferd an und galoppierte auf die Tore der Stadt zu. Ein kühler Wind hob sich und wehte über die steinernen Wege. Faramir wusste nicht, was er sagen sollte. Er schaute seinen Bruder an und erstarrte. Boromir hatte seine Aufmerksamkeit auf einen Reiter gerichtet, der jetzt gerade durch die Tore auf den Hauptplatz kam. Das dunkelbraune Pferd war schweißnass und hatte weißen Schaum vor dem Maul. Boromir eilte den Weg hinab auf den Hof und begrüßte den Reiter. Faramir folgte ihm, mit gebührendem Abstand. Und erst als er näher kam, erkannte er, wer da überhaupt angekommen war. Es war Oro, eine Freundin seines Bruders, deren vollständigen Namen niemand kannte, außer Boromir selber und der hüllte sich in Schweigen. Sie war vollständig in schwarzes Leder gekleidet. Faramir wusste, dass es einen besonderen Grund haben musste, wenn Oro auf so schnellem Wege nach Minas Tirith kam. Ob es auch etwas mit den Vorfällen in Anfalas zu tun hatte? Langsam näherte er sich seinem Bruder. Boromir hatte die junge Frau umarmt und die Zügel ihres Pferdes einem seiner Männer in die Hand gedrückt.
Faramir hielt sich im Hintergrund und lauschte den hastigen Erzählungen. Die junge Frau schien genau zu wissen, was geschehen war, denn Boromir hatte ihr nur wenig erzählt. Jetzt sprach sie, jedoch zu leise als dass Faramir alles verstehen konnte. Er wusste nur, dass es um einen Kampf ging. War es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, während sein Bruder unterwegs war? Es sprach sehr viel dafür, die verletzten und müden Krieger, der Verlust Lurans und Boromirs negative Stimmung. Doch warum hatte er selbst dann hier zurückbleiben müssen? Normalerweise war auch er bei Kämpfen und Schlachten dabei. Doch er wagte es nicht, näher zu treten und zu fragen. Der traurige Blick auf Boromirs Gesicht hatte Bände gesprochen. Irgendetwas musste vorgefallen sein, irgendetwas Schlimmes. Faramir war so in Gedanken verloren, dass er nicht mitbekam, wie sein Bruder Oro bei der Hand nahm und wen Weg ganz nach oben zur großen Halle seines Vaters geleitete. Die Türen schlossen sich hinter den beiden und Faramir war wieder allein mit seinen Gedanken.
Es vergingen mehrere Stunden, bis Faramir einen der beiden wiedersah. Es war Oro, die sich derweil umgezogen hatte. Jetzt trug sie ein langes orangefarbenes Kleid, das sie mit einem Band aus blauem Stoff um ihre Hüften geschlungen am Platz hielt. Sie war sehr schön und er konnte seinen Bruder gut verstehen, warum er sie so sehr mochte. Faramir selbst war immer neugierig gewesen, wie der vollständige Name der Frau war, doch nie hatte sie es ihm gesagt. Boromir hatte auch geschwiegen, und von seinem Vater Denethor hätte Faramir sowieso nichts erfahren. Der Wind wurde immer stärker, und das blaue Band von Oro's Kleid wehte hinter ihr. Boromir trat an sie heran und wollte ihr eine wärmende Decke über die Schultern hängen, doch sie wandte sich Faramir zu. Der Junge lächelte leicht, doch Oro sah, dass er nicht fröhlich war. Sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm und seufzte. „Du wirst schon bald erfahren, was du so sehnlichst wissen willst. Doch gedulde dich noch etwas..."sagte sie mit sanfter Stimme. Faramir schaute zu ihr auf. Er hatte Tränen in den Augen. „Verbietest du mir auch, in den Wald zu reiten?"fragte er und versuchte gar nicht erst, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Sie strich ihm über das lange rotblonde Haar. „Nein, ich werde dir nichts verbieten. Doch du solltest wissen, dass jetzt nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Du wirst an den Zeichen erkennen, dass auch du dich geändert hast."Sie sprach schon immer in Rätseln, daran hatte sich in den letzten Jahren nichts geändert.
Er erinnerte sich immer noch an das erste gemeinsame Gespräch mit Oro, als er sie ganz offen nach ihrem Namen fragte. Ihre Antwort brachte Denethor und Boromir zum Lachen, und Faramir hatte sich sehr traurig und verlassen gefühlt. Sie hatte gesagt: „Wenn Ihr unbedingt für alles und jedermann Namen braucht, um Herr der Lage zu werden und um es zu einem Teil Ihrer Welt zu machen, um es euch einzuverleiben, dann nennt mich Oro. Dieser Name kann euch genau so wenig über mich erzählen wie ihr erfassen könnt, wer ich wirklich bin."Das Gelächter seines Vaters hatte ihn damals stark getroffen, doch in Oro's Stimme hatte er keinerlei Belustigung oder Hochmut gehört. Faramir hatte damals ihre Antwort ohne Fragen hingenommen, da er dieses Rätsel nie hatte lösen können. Er bewunderte sie und fürchtete sich zur gleichen Zeit vor ihr. Alles was er über sie wusste, war dass sie aus einem Land im Meer kam und eine gute Kämpferin war. Auch er hatte bei Spielen gegen sie gekämpft, doch immer aufgrund seiner Unerfahrenheit verloren. Trotzdem hatte er viel von ihr und auch seinem Bruder gelernt.
Als er darüber nachdachte, wurde ihm schlagartig bewusst, warum Denethor ihn damals, als er gerade 13 Jahre alt war, mit totaler Nichtachtung für mehrere Wochen gestraft hatte. Es war eines dieser Spiele gewesen, und Faramir musste gegen Boromir antreten. Normalerweise war es für beide ein großer Spaß, aber aus Versehen hatte der Junge seinen älteren Bruder so stark verletzt, dass Boromir am darauffolgenden Tag nicht mit seinem Vater nach Osgiliath reiten konnte, um dort für Ordnung und Ruhe zu sorgen. Denethor hatte Faramir damals angeschaut als hätte er seinen Bruder mit voller Absicht verletzt oder gar töten wollen. Es war auch zu dieser Zeit, als Faramir die alten Räume aufsuchte und die Bücher der Altheiligen Könige las. Schon in diesem Alter wusste Faramir, dass er anders war als Boromir, und es auch immer sein würde. Er wusste ebenfalls, dass sein Vater dies genauso sah. Boromir war der geborene Kämpfer und Sieger, Faramir stand immer im Hintergrund. Und trotzdem liebte er seinen Bruder, so wie Boromir auch Faramir liebte.
Seit Oro da war, hatte Denethor manchmal den Kontakt zu seinem jüngsten Sohn gesucht, und war mit ihm zusammen über die weite Ebene geritten, doch es war immer offensichtlich, dass er Faramir für minderwertig hielt. Er machte daraus kein Geheimnis. Doch der Junge genoss die Zeit mit seinem Vater. Die Frau war ebenso spontan in ihr aller Leben getreten wie sie zu Anfang wieder verschwunden war. Erst lange Monate nach ihrem ersten Auftreten kam Oro wieder und brachte Luran mit, den schwarzen Hengst, den sein Bruder von diesem Zeitpunkt an ritt. Woher sie das Pferd hatte, wollte sie nicht sagen, und weder Boromir noch Faramir versuchten, ihr diese Antwort zu entlocken. Manchmal saßen Oro und der junge Faramir auch gemeinsam auf den Mauervorsprüngen des weißen Turms und redeten oder lasen, oder starrten schweigend in die Ferne. Doch insgeheim hatte sich Faramir eine Freundin gewünscht, die er nicht mit Boromir hatte teilen müssen.
Jetzt beobachtete er zwei Vögel, die sich im Licht der untergehenden Sonne jagten, bis er wider Erwarten ein leises Lachen hörte. Leise stand er auf und schlich sich näher an die Quelle des Geräuschs heran. Erst sah er nur den Rauch eines Feuers, dann erkannte er sieben Gestalten, die um das Feuer herumkauerten. Es war nicht besonders kalt, und trotzdem sahen vier der Personen aus als würden sie frieren. Als er näher kam, fand er auch heraus, warum dies so war. Es schien, als wären diese vier Gestalten in den Fluss gefallen oder freiwillig hineingesprungen. Zu dieser Jahreszeit war das Wasser wirklich noch sehr kalt. Faramir seufzte und wünschte sich nichts sehnlicher, als solche Momente als Erinnerungen zu besitzen. Doch er war mit Soldaten und Kämpfen aufgewachsen, dort war nie Platz für Freude und Spaß gewesen.
Lange Zeit starrte Faramir auf die Gruppe und als es dunkler wurde, leuchtete das Feuer so hell, dass die Gesichter der Personen erkennbar wurde. Soweit wie Faramir es erkennen konnte, waren es vier Jungen und drei Mädchen, alle ungefähr in seinem Alter. Er war einige Jahre jünger als Boromir, doch so wie sein Bruder, hatte er nie andere Freunde als die Söhne der Krieger ihres Vaters. Plötzlich drehte sich eines der Mädchen um und schaute direkt in seine Richtung. Sie lächelte und deutete auf ihn. Die anderen drehten sich jetzt auch um. Sie zeigten keinerlei Scheu, als Faramir auf die Gruppe zuging. Das Mädchen, dass ihn im Wald entdeckt hatte, lächelte immer noch. Doch ein anderes Mädchen begann zu sprechen. „Seid uns willkommen, werter Herr. Mein Name ist Caiwhye. Dies sind meine Geschwister Lenti, Ranry und Skali."Sie zeigte auf drei der kleineren Jungen, die zu ihrer linken Seite saßen und freundlich nickten. „Und dort drüben sitzen Lyraen und Yeliath."Ein Mädchen und der vierte Junge lächelten. Nur das Mädchen, dass ihn entdeckt hatte, wurde ihm nicht vorgestellt. Sie schwieg. „Und wie ist Euer Name?"fragte Caiwhye neugierig. „Mein Name ist Faramir, ich bin der Sohn des Truchsess von Gondor." antwortete Faramir wahrheitsgetreu.
Als er nun näher trat, rutschten die Jungs näher zusammen, um ihm Platz am Feuer zu machen. Er setzte sich zwischen Lenti und Skali, und somit direkt gegenüber von dem noch unbekannten Mädchen. Sie hatte lange rotbraune Haare und dunkle Augen, die fast die ganze Zeit ihren Blick auf Faramir gerichtet hielt. Es war ihm nicht unangenehm, denn er war von dem Mädchen fasziniert. Doch warum schwieg sie? Warum nannte sie ihm nicht ihren Namen? Sie lächelte nur, während ihre Augen im Widerschein des Feuers leuchteten. „Wie heißt Ihr, gnädige Dame?"fragte Faramir. Doch er erhielt keine Antwort. Das Mädchen lächelte wieder und schaute dann Caiwhye an.
"Oh natürlich. Entschuldigt, mein Herr. Dies ist Sebring, Tochter des Ryldor. Sie kommt aus Anfalas am Fluss Lefnui." „Anfalas? Das ist ziemlich weit weg von hier..."murmelte Faramir und sah Sebring an. Er hatte noch nie Menschen aus Anfalas gesehen oder etwas von Ryldor gehört. Sebring nickte, sagte jedoch nichts.
Sie hatte den Kopf schiefgelegt und beobachtete Faramir, der leicht rot wurde. Durch die herrschende Dunkelheit und den Schein des Feuers bemerkte es nur das stumme Mädchen. Mit einem Mal standen Lenti und Ranry auf. Caiwhye sprach: „Wir müssen jetzt gehen. Es ist schon spät." „Wo wollt Ihr hin? Ich kann euch begleiten."sagte Faramir und stand auf. Doch Sebring schüttelte den Kopf und Caiwhye meinte: „Danke, werter Herr Faramir. Doch unsere Wege müssen sich jetzt trennen. Wir werden morgen zur gleichen Zeit wieder an diesem Ort sein." Die vier Jungen und die drei Mädchen packten ihre Sachen und nachdem Skali das Feuer gelöscht hatte, verschwanden die Sieben wieder. Sebring drehte sich noch einmal um und lächelte. Faramir hob die Hand zum Gruss, doch da waren sie alle schon verschwunden.
Langsam ging Faramir in Richtung Minas Tirith zurück und fand sein Pferd, dass er völlig vergessen hatte. Der graue Wallach hatte sich losgerissen und war einige Schritte weiter wieder stehen geblieben um zu grasen. Faramir begriff erst jetzt, wie spät es eigentlich schon war und wusste, dass er sich beeilen müsste, um vor dem Morgengrauen in der weißen Stadt zu sein. Denethor würde sehr wütend sein. Er tätschelte seinem Pferd den Hals nachdem er aufgestiegen war, dann trieb er den Grauen vorwärts und im gestreckten Galopp erreichten sie das Tor in die Stadt. Die Wachen ließen ihn passieren, doch als er in den Stallungen ankam, trat ihm Boromir entgegen. „Warum bist du nicht..."begann sein älterer Bruder, doch führte den Satz nicht zuende. Der Ausdruck in Faramirs Gesicht sagte ihm, dass etwas passiert sein musste. Und Faramir konnte es auch nicht zurückhalten. „Ich habe im Wald Menschen aus Anfalas getroffen. Junge Menschen..."brach es aus ihm heraus. Boromir lächelte. „Menschen? Mädchen? Ich kenne diesen Ausdruck..."lachte er. Faramir wurde rot. „Also doch ein Mädchen."
"Sie hat gar nichts gesagt..." „Nichts gesagt? Kennst du wenigstens ihren Namen?"fragte Boromir. „Die anderen haben gesagt, ihr Name sei Sebring." Das Lächeln verschwand aus Boromirs Gesicht. „Sebring sagst du? Die Tochter von Ryldor?" „Ja, woher kennst du sie?"fragte sein jüngerer Bruder verwirrt. „Ach nichts, Bruderherz, es ist nichts. Du solltest jetzt wirklich in dein Zimmer gehen, es wird gleich hell. Vater wird bestimmt bald nach dir schauen." „Nach mir schauen...ja um seine schlechte Laune an mir auszulassen."murmelte Faramir. Boromir sagte nichts mehr, er umarmte seinen kleinen Bruder nur kurz und ging dann über den Hof zu seinem eigenen Raum. Faramir starrte ihm hinterher. Er liebte Boromir über alles und war sehr froh, dass ihn sein Bruder immer gegen seinen Vater verteidigte.
Er rieb den Schweiß aus dem Fell seines Pferdes und gab ihm eine Extraportion Heu. Firion, so hieß der Graue, versenkte seine schwarze Nase sofort in das duftende Heu und begann zu fressen. Faramir runzelte die Stirn und seufzte. Schnell lief er über den Hof und verschwand in seinem Raum. Dort lehnte er sich gegen die Tür und atmete tief durch. Hatte Boromir Recht? Konnte es sein, dass er so wegen eines Mädchens fühlte? Nein, dass konnte nicht sein...oder doch? Faramir war verwirrt, zu verwirrt, um klar denken zu können. Als er sich auf das Bett legte, konnte er schon die schweren Schritte seines Vaters hören. Schnell stand er wieder auf und legte die braunen Manschetten seiner Rüstung um seine Arme. Bevor Denethor die Tür aufwerfen konnte, hatte Faramir seine langen rötlichen Haare nach hinten gestrichen und die Tür geöffnet. „Vater..."sagte er mit einem Lächeln. Doch Denethor erwiderte dieses Lächeln nicht. Er sagte überhaupt nichts. Faramir wunderte sich immer wieder, warum sein Vater jeden Morgen in sein Zimmer kam. Er wusste doch genau, dass er schon vor Sonnenaufgang wach war. Ohne etwas zu sagen, verschwand Denethor auch wieder. Anscheinend hatte er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, seinem jüngsten und zweitgeborenen Sohn das Leben zur Hölle zu machen. Als Denethor gegangen war, atmete Faramir tief durch. Er konnte einfach nicht das Gesicht des Mädchens vergessen. Und warum war Boromir so merkwürdig gewesen, als er ihm den Namen des Mädchens genannt hatte. Sebring. Es war ein wunderschöner Name.
Nach dem Frühstück machte er sich sofort wieder auf den Weg zu der Stelle, an der er die Gruppe getroffen hatte. Doch dort fand er nicht einmal Spuren des Feuers von letzter Nacht. Waren die Sieben etwa während der Morgenstunden zurückgekehrt, um die Spuren zu beseitigen? Er suchte überall, doch er fand nichts. Überhaupt nichts. Nicht einmal Fußspuren. Er war ziemlich verzweifelt, als er nun am Waldrand entlang ritt und sich nach dem Mädchen Sebring sehnte. Den ganzen Tag ritt er hin und her, und mehrere Male dachte er, er hätte Lenti oder Skali gehört, doch es stellte sich immer als Täuschung heraus. Als die Sonne am Höchsten stand, drehte er um und ritt heim nach Minas Tirith. Er beschloss jedoch, an diesem Abend wieder hier herzureiten um zu schauen, ob die Gruppe wieder am Fluss sein würde. Doch er hatte kein Glück. Faramir bemerkte mit grosser Traurigkeit, dass er auch in der späten Abendstunde nicht das fand, was er so sehnlichst suchte.
Bei Anbruch der Nacht entschied er sich, zurückzureiten. Es hatte keinen Sinn. Er würde Sebring wahrscheinlich nie wieder sehen.
Mit traurigem Gesichtsausdruck trieb er Firion an und trabte in Richtung Osgiliath. Eventuell konnte er mit Boromir sprechen, wenn sein Bruder mit Madril, dem Kommandanten, noch beim Wiederaufbau der Stadt half. Durch wiederholte Angriffe von Orks kam es immer wieder zu Zerstörungen. Doch er hatte auch hier kein Glück. Er traf auf Dremor und Findil, zwei der Wachen, die ihm erzählten, dass Boromir in die Stadt zurückbeordert wurde. Sein Vater Denethor hatte ihn sprechen wollen. Warum nur? Höchstwahrscheinlich um seinem Unmut über Faramir Luft zu machen. Warum hasste sein Vater ihn nur so. Er versuchte immer, alles zu tun, um ihn glücklich und freundlich zu stimmen, doch nie erhielt er den ihm gebührenden Respekt oder die Liebe, die er sich so wünschte.
Als er in der weißen Stadt ankam, rüstete sich sein Bruder für eine Reise. Er hatte seinen braunen Hengst Luran gesattelt und eine junge Frau brachte ihm eine Tasche mit Verpflegung. „Wo willst du hin, Boromir?"fragte Faramir. „Ich muss nach Westen reiten, kleiner Bruder, Vater hat mich gesandt." Boromir versuchte ihm auszuweichen. Er zäumte Luran auf und verstaute die Nahrungsmittel in der Satteltasche. „Ja aber wohin? Darf ich dich begleiten?"fragte Faramir begeistert. „Nein, du musst hierbleiben. Und versprich mir, dass du nicht wieder nach Süd-Ithilien reitest, bis ich wieder hier bin." Faramir schüttelte den Kopf. „Was redest du da? Warum darf ich dich nicht begleiten und warum verbietest du mir, in den Wald zu reiten?"Er verstand die Welt nicht mehr. „Bitte, liebster Bruder, versprich es mir. Ich werde bald wieder da sein, und dann werde ich es dir erklären."Er sprang auf den Rücken seines Hengstes und lenkte Luran aus dem Stallgebäude. Er trieb ihn vorwärts, doch Faramir stellte sich ihm in den Weg. „Nein, Boromir, du musst es mir jetzt sagen."Verlangte der Junge. „Es ist zu deinem Besten. Geh hinauf in Vater's Halle und leiste ihm Gesellschaft. Ich werde übermorgen Abend wieder zurücksein."Er drängte den Hengst gegen seinen Bruder, um durch die Stallgasse hinaus auf den Hof zu gelangen. Sobald er draußen war, drückte er seinem Pferd die Hacken in die Flanken und galoppierte den steinernen Weg hinunter bis zum großen Tor. Ihm folgen vier weitere Männer, bewaffnet und in Rüstung. Faramir stand oben und schaute durch die Zinnen auf die weite Ebene vor den Toren Minas Tirith's.
Doch er konnte nicht in der Stadt bleiben. Es war fast so, als würde ihn eine fremde Macht hinauslocken, hinaus nach Süd-Ithilien. Dorthin, wo er Sebring getroffen hatte und an die Stelle, die ihm sein Bruder verboten hatte zu besuchen. Doch sein Pferd bestimmte selbst, welchen Weg es beschreiten wollte, und Faramir hielt den Wallach nicht zurück. Firion trabte ohne Mühe dahin, bis er plötzlich stehen blieb. Der junge Mann war nicht darauf vorbereitet und wäre fast vom Pferd gefallen. Vor ihm standen Yeliath und Lyraen, die beiden jüngsten aus der Gruppe, die er zwei Tage zuvor im Wald getroffen hatte. „Du darfst nicht weiterreiten."Sagten sie zusammen. „Was?"Faramir verstand nicht. Warum wollte ihn jeder davon abhalten, in den Wald hineinzureiten, bis zu der Stelle, an der er hoffte, das Mädchen Sebring wiederzutreffen. „Bitte reite heimwärts."Sprach das kleine Mädchen und Faramir sah, wie eine glitzernde Träne an seiner Wange herunterlief. „Warum weinst du?"fragte er. Doch er erhielt keine Antwort. Die beiden Kinder sahen sich an, dann liefen sie davon. Faramir sprang von seinem Pferd und versuchte, ihnen zu folgen, doch die beiden waren zu schnell. Schon bald waren sie verschwunden, und Faramir wusste nicht, wie er die beiden je finden sollte.
Unverrichteter Dinge musste er umkehren. Er verspürte Hunger, doch das war ihm nicht wichtig. Er wollte Sebring unbedingt wiedersehen. Faramir fand sein Pferd unweit einer Quelle mit frischem Wasser, und während Firion trank, stillte auch Faramir seinen Durst. Er setzte sich auf den kühlen Boden und starrte hinauf in den Himmel. Warum hatten Lyraen und Yeliath ihm den Weg versperrt und ihm verboten, weiterzureiten? Es war alles sehr merkwürdig. Und was hatte Boromir vor? Vielleicht sollte er wirklich auf seinen großen Bruder hören. Boromir hatte vielleicht Recht. Faramir stand wieder auf, und klopfte sich den Schmutz von der Hose, bevor er sich in den Sattel schwang und sich auf den Heimweg machte. Als er den Blick gen Westen wandte, entdeckte er einen roten Schein oberhalb des südwestlichen Ende des Gebirges. Was war dort los? Es war so weit weg, hinter den Dor-En-Ernil und wahrscheinlich auch hinter dem Fluss Blackroot. Er erinnerte sich an eine Karte, die ganz Gondor zeigte. Boromir hatte sie benutzt, um seinem Bruder das Land und die Wälder bekannt zu machen. Lag dort im Südwesten nicht Anfalas? Sah er dort am Horizont den Widerschein eines Feuers?
Schnell ritt er zurück und als er den Steinweg hinauf zu den Stallgebäuden ritt, sah er, wie die Männer seines Vaters ihre Pferde bestiegen und ohne ein Wort zu verlieren, zum Tor hinunterritten und über die Ebene in Richtung Losarnach ritten. Sie überquerten den Fluss Erui und waren bald nichts weiter als winzige Punkte, die sich vom Grau der Ebene abhoben. Noch bevor sie den Fluss Sirith erreichten, konnte Faramir sie nicht mehr sehen. Für ihn war alles sehr verwirrend. Er schaute nach oben und sah seinen Vater, wie er sich über die Mauer gelehnt hinabstarrte. Um seine Lippen spielte ein verzweifeltes Lächeln. „Vater!"rief Faramir zu ihm hinauf. Doch er erhielt keine Ahnung. Er sah wie Denethor sich umwandte und zurück in die große Halle ging, vorbei an dem weißen Baum, dem Wahrzeichen Gondors. Faramir rannte so schnell er konnte hinterher, doch er sah, wie sich die Türen der Halle schlossen, noch bevor er sie erreichte. Hatte sein Vater ihn einfach nicht gesehen? Faramir setzte sich vor den weißen Baum und starrte hinauf. Er konnte es einfach nicht verstehen. Er war eine derartige Behandlung von Seiten Denethors gewöhnt, aber heute war einfach alles merkwürdig.
Langsam ging er wieder hinunter zu den Stallungen, um sich um Firion zu kümmern. Der graue Wallach stand immer noch vor der verschlossenen Stalltür, verschwitzt und hungrig. Als Faramir seinen Hald streichelte, schlug der Wallach unwillig mit dem Kopf.
"Ja, ich weiß. Du würdest auch viel lieber Nachforschungen anstellen als hierzubleiben. Doch du hast Boromir gehört, wir sollen nicht dorthin reiten. Wir sollen hier bleiben und warten." Der Gedanke, noch einen Nachmittag, einen Abend, eine Nacht und einen ganzen Tag auf Boromir warten zu müssen, war unerträglich. Er fragte sich, warum er am Himmel über Anfalas den roten Schein eines Feuers gesehen hatte. War etwas vorgefallen von dem er nichts wusste? Langsam wurde er sehr unruhig.
Zwei Tage später kehrte Boromir zurück. Er ritt ein fuchsfarbebes Pferd, eine schon recht alte Stute, die auf der Hinterhand lahmte. Faramir war extra lange aufgeblieben, um die Ankunft seines Bruders abzuwarten. Doch er hatte nicht damit gerechnet, auf abgekämpfte und verwundete Soldaten zu treffen. „Boromir!"rief er entsetzt, als er seinen Bruder sah. „Was ist geschehen? Und wo ist Luran?" Boromir antwortete nicht sofort. Er führte die Stute hinüber zum Stallgebäude und überliess sie einem Jungen, der sich sofort um sie kümmerte. Als er sich dann umdrehte, erblickte Faramir Tränen in seines Bruders Augen. Er ging zu ihm hinüber und umarmte ihn, wie ein großer Bruder seinen kleinen Bruder umarmen würde, in einer stürmischen Nacht mit Unwetter und lautem Donner. Faramir riss sich los und schaute Boromir an. „Du musst es mir sagen, ich bin schließlich kein kleines Kind mehr!"rief er. „Ich werde es dir sagen, doch nicht jetzt. Ich muss erst mit Vater sprechen."Antwortete Boromir kurz. Er ging ein paar Schritte zurück und beobachtete seinen Bruder. Faramir sah sehr traurig aus, traurig und verzweifelt. Dann drehte er sich um und wollte die Treppe hinaufgehen „Ich war im Wald..."begann Faramir. Boromir wandte sich langsam um und starrte seinen Bruder an. „Aber ich habe niemanden getroffen...nur zwei der kleineren Kinder."
„Was haben sie gesagt?"fragte Boromir mit leiser Stimme. Faramir bekam es mit der Angst zu tun.
„Nichts...nur dass ich wieder umkehren soll..." „Ich habe am Himmel über Anfalas Feuer gesehen..."flüsterte der Junge. Boromir schwieg und presste die Lippen zusammen. Faramir sah Schmerz und Wut im Blick seines Bruders. Er senkte den Blick und schaute auf seine Stiefelspitzen. War er nicht den Anordnungen Boromirs gefolgt? Warum war er jetzt so wütend auf ihn?
Doch Boromir hatte etwas anderes im Sinn. Er blickte erst kurz auf Faramir und dann über die weiße Mauer hinaus auf die weite Ebene vor der Stadt. Auf halbem Wege nach Osgiliath erspähte er ein dunkles Pferd mit einem Reiter, der ebenfalls in schwarz gekleidet war. Während Faramir noch nach Entschuldigungen suchte, hob Boromir seinen Arm und winkte zu dieser Figur auf dem weiten Feld zu. Wie als Bestätigung trieb die Person ihr Pferd an und galoppierte auf die Tore der Stadt zu. Ein kühler Wind hob sich und wehte über die steinernen Wege. Faramir wusste nicht, was er sagen sollte. Er schaute seinen Bruder an und erstarrte. Boromir hatte seine Aufmerksamkeit auf einen Reiter gerichtet, der jetzt gerade durch die Tore auf den Hauptplatz kam. Das dunkelbraune Pferd war schweißnass und hatte weißen Schaum vor dem Maul. Boromir eilte den Weg hinab auf den Hof und begrüßte den Reiter. Faramir folgte ihm, mit gebührendem Abstand. Und erst als er näher kam, erkannte er, wer da überhaupt angekommen war. Es war Oro, eine Freundin seines Bruders, deren vollständigen Namen niemand kannte, außer Boromir selber und der hüllte sich in Schweigen. Sie war vollständig in schwarzes Leder gekleidet. Faramir wusste, dass es einen besonderen Grund haben musste, wenn Oro auf so schnellem Wege nach Minas Tirith kam. Ob es auch etwas mit den Vorfällen in Anfalas zu tun hatte? Langsam näherte er sich seinem Bruder. Boromir hatte die junge Frau umarmt und die Zügel ihres Pferdes einem seiner Männer in die Hand gedrückt.
Faramir hielt sich im Hintergrund und lauschte den hastigen Erzählungen. Die junge Frau schien genau zu wissen, was geschehen war, denn Boromir hatte ihr nur wenig erzählt. Jetzt sprach sie, jedoch zu leise als dass Faramir alles verstehen konnte. Er wusste nur, dass es um einen Kampf ging. War es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, während sein Bruder unterwegs war? Es sprach sehr viel dafür, die verletzten und müden Krieger, der Verlust Lurans und Boromirs negative Stimmung. Doch warum hatte er selbst dann hier zurückbleiben müssen? Normalerweise war auch er bei Kämpfen und Schlachten dabei. Doch er wagte es nicht, näher zu treten und zu fragen. Der traurige Blick auf Boromirs Gesicht hatte Bände gesprochen. Irgendetwas musste vorgefallen sein, irgendetwas Schlimmes. Faramir war so in Gedanken verloren, dass er nicht mitbekam, wie sein Bruder Oro bei der Hand nahm und wen Weg ganz nach oben zur großen Halle seines Vaters geleitete. Die Türen schlossen sich hinter den beiden und Faramir war wieder allein mit seinen Gedanken.
Es vergingen mehrere Stunden, bis Faramir einen der beiden wiedersah. Es war Oro, die sich derweil umgezogen hatte. Jetzt trug sie ein langes orangefarbenes Kleid, das sie mit einem Band aus blauem Stoff um ihre Hüften geschlungen am Platz hielt. Sie war sehr schön und er konnte seinen Bruder gut verstehen, warum er sie so sehr mochte. Faramir selbst war immer neugierig gewesen, wie der vollständige Name der Frau war, doch nie hatte sie es ihm gesagt. Boromir hatte auch geschwiegen, und von seinem Vater Denethor hätte Faramir sowieso nichts erfahren. Der Wind wurde immer stärker, und das blaue Band von Oro's Kleid wehte hinter ihr. Boromir trat an sie heran und wollte ihr eine wärmende Decke über die Schultern hängen, doch sie wandte sich Faramir zu. Der Junge lächelte leicht, doch Oro sah, dass er nicht fröhlich war. Sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm und seufzte. „Du wirst schon bald erfahren, was du so sehnlichst wissen willst. Doch gedulde dich noch etwas..."sagte sie mit sanfter Stimme. Faramir schaute zu ihr auf. Er hatte Tränen in den Augen. „Verbietest du mir auch, in den Wald zu reiten?"fragte er und versuchte gar nicht erst, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Sie strich ihm über das lange rotblonde Haar. „Nein, ich werde dir nichts verbieten. Doch du solltest wissen, dass jetzt nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Du wirst an den Zeichen erkennen, dass auch du dich geändert hast."Sie sprach schon immer in Rätseln, daran hatte sich in den letzten Jahren nichts geändert.
Er erinnerte sich immer noch an das erste gemeinsame Gespräch mit Oro, als er sie ganz offen nach ihrem Namen fragte. Ihre Antwort brachte Denethor und Boromir zum Lachen, und Faramir hatte sich sehr traurig und verlassen gefühlt. Sie hatte gesagt: „Wenn Ihr unbedingt für alles und jedermann Namen braucht, um Herr der Lage zu werden und um es zu einem Teil Ihrer Welt zu machen, um es euch einzuverleiben, dann nennt mich Oro. Dieser Name kann euch genau so wenig über mich erzählen wie ihr erfassen könnt, wer ich wirklich bin."Das Gelächter seines Vaters hatte ihn damals stark getroffen, doch in Oro's Stimme hatte er keinerlei Belustigung oder Hochmut gehört. Faramir hatte damals ihre Antwort ohne Fragen hingenommen, da er dieses Rätsel nie hatte lösen können. Er bewunderte sie und fürchtete sich zur gleichen Zeit vor ihr. Alles was er über sie wusste, war dass sie aus einem Land im Meer kam und eine gute Kämpferin war. Auch er hatte bei Spielen gegen sie gekämpft, doch immer aufgrund seiner Unerfahrenheit verloren. Trotzdem hatte er viel von ihr und auch seinem Bruder gelernt.
Als er darüber nachdachte, wurde ihm schlagartig bewusst, warum Denethor ihn damals, als er gerade 13 Jahre alt war, mit totaler Nichtachtung für mehrere Wochen gestraft hatte. Es war eines dieser Spiele gewesen, und Faramir musste gegen Boromir antreten. Normalerweise war es für beide ein großer Spaß, aber aus Versehen hatte der Junge seinen älteren Bruder so stark verletzt, dass Boromir am darauffolgenden Tag nicht mit seinem Vater nach Osgiliath reiten konnte, um dort für Ordnung und Ruhe zu sorgen. Denethor hatte Faramir damals angeschaut als hätte er seinen Bruder mit voller Absicht verletzt oder gar töten wollen. Es war auch zu dieser Zeit, als Faramir die alten Räume aufsuchte und die Bücher der Altheiligen Könige las. Schon in diesem Alter wusste Faramir, dass er anders war als Boromir, und es auch immer sein würde. Er wusste ebenfalls, dass sein Vater dies genauso sah. Boromir war der geborene Kämpfer und Sieger, Faramir stand immer im Hintergrund. Und trotzdem liebte er seinen Bruder, so wie Boromir auch Faramir liebte.
Seit Oro da war, hatte Denethor manchmal den Kontakt zu seinem jüngsten Sohn gesucht, und war mit ihm zusammen über die weite Ebene geritten, doch es war immer offensichtlich, dass er Faramir für minderwertig hielt. Er machte daraus kein Geheimnis. Doch der Junge genoss die Zeit mit seinem Vater. Die Frau war ebenso spontan in ihr aller Leben getreten wie sie zu Anfang wieder verschwunden war. Erst lange Monate nach ihrem ersten Auftreten kam Oro wieder und brachte Luran mit, den schwarzen Hengst, den sein Bruder von diesem Zeitpunkt an ritt. Woher sie das Pferd hatte, wollte sie nicht sagen, und weder Boromir noch Faramir versuchten, ihr diese Antwort zu entlocken. Manchmal saßen Oro und der junge Faramir auch gemeinsam auf den Mauervorsprüngen des weißen Turms und redeten oder lasen, oder starrten schweigend in die Ferne. Doch insgeheim hatte sich Faramir eine Freundin gewünscht, die er nicht mit Boromir hatte teilen müssen.
