Der Empfang, der den Elben in Rohan bereitet wurde war warhaft königlich. Thengel schien sich für die Unachtsamkeit entschuldigen zu wollen.

'Was er wahrscheinlich auch tut.', dachte sich Figwit im Stillen.

Er und neun andere Elben aus Bruchtals Wachstab, die Besten, ritten durch Edoras überfüllte Straßen. Sie wurden wie aus einer erfolgreich geschlagenen Schlacht zurückkehrende Helden gefeiert. Was wohl zum einen daran lag, dass der Großteil der jubelnden Masse noch nie zuvor einen Elben gesehen hatte. Zum anderen allerdings daran, dass nach der traditionellen Trauerwoche an diesem Abend zu Ralons Gedenken ein großes Fest mit Trauerschmaus veranstaltet werden würde. Dass der kleine Trupp Elbenkrieger genau an diesem Tag Bruchtal erreichte passte Thengel ausgesprochen gut, so konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und legte den Trauerschmaus gleich mit einem Wilkommensfest zusammen. Thengel liebte Festivitäten und entsprechend wusste Edoras zu Feiern. An einem Festtag ruhte die Arbeit, Streitigkeiten wurden beigelegt und jedermann war auf den Straßen. An allen Ecken sangen und tanzten die Menschen zu verschiedenen Straßenmusikern und einige wenige hatten das Glück, auf das Bankett des Königs eingeladen zu werden. Es war eine alte Tradition, dass jeweils um die Hundert Menschen aus dem einfachen Volk an diesem Schmaus teilnahmen. Wer die Ehre hatte erwählt zu werden konnte somit einen Tag und eine Nacht in den Hallen von Meduselt verbringen und zu diesen Gelegenheiten hatte er auch gute Chancen dem König persönlich Vorschläge, Beschwerden und Wünsche vorzubringen. Jeder Bürger wurde nur einmal eingeladen und die Hofverwaltung versuchte, dass jeder Bewohner in seinem Leben einmal auf einem königlichen Bankett war.

Dieses Mal war unter den Eingeladenen auch ein junges Mädchen, das die Boten der Freude, wie sie in Edoras genannt wurden, auf dem Markt trafen und es so entzückend fanden, dass sie ihm gleich eine Einladung hinterließen.

Entgegen den anderen Gästen, hegte das Mädchen keine besonderen Ambitionen der Einladung Folge zu leisten, konnte sie doch täglich ihrem König von Angesicht zu Angesicht entgegentreten. Sie wollte sich lieber mit dem Volk amüsieren und ihre Einladung irgendeiner armen Witwe mit vielen Kindern überlassen, auf das sie sich einmal sattessen könnten.

Als aber die Gerüchte und das Geflüster der Massen an ihre Ohren drangen, hoher Besuch sei vor den Toren der Stadt und er soll sogar dem zu dem Volk der Erstgeborenen gehören, reifte in ihrem Verstand ein Plan heran. Und als der Besuch die Staßen hinauf zur goldenen Halle des Thengels entlangritt, flankiert von der jubelnden Menge, in denen sich auch das Mädchen fand, bestätigten sich dessen Vermutungen. Die Elben die dort schön und strahlend auf ihren Pferden saßen waren in der Tracht Bruchtals gekleidet.

Das Mädchen ließ seinen Blick über die schwarzhaarige Schönheit gleiten, die den Trupp führte, er war heute Abend seine Mission.

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Figwit lies sich erleichtert mit einem geseufzten Dank an Iluvatar selbst vom Rücken seiner grauen Stute gleiten. Er mochte Pferde und es hatte ihm schon als Elbling Spaß gemacht über Wiesen und Felder zu preschen, aber der zurückliegende Ritt war fast zuviel für den -zugegeben- etwas außer Kondition geratenen Elben. Sie waren seinem eigenen Befehl zufolge so schnell geritten, wie es nur irgend ging und Figwit stellte betrübt fest, dass er zwar elbischen Maßstäben nach gesehen noch jung an Jahren war, aber schneller die Kräfte verlor, als all seine Gefährten. Ohne diese Jugend wäre er wahrscheinlich noch schlechter drangewesen und er schwor sich wieder häufiger zu trainieren. Denn auch der beste Kämpfer konnte ohne regelmäßiges Training seine Form nicht halten und die spannendsten taktischen Bücher halfen dann auch nicht weiter.

Jetzt übergab der Elb der sich erfolgreich bemühte die Anstrengung unter einer Maske aus kühler, höflicher Überlegenheit zu verstecken seine Zügel einem Stallknecht und schritt die Stufen hinauf zur Halle des Königs der Rohirim. Jener stand erhaben auf der obersten Stufe, flankiert von seinen Wächtern und in einen weinroten Umhang gehüllt, unter dem hin und wieder eine glänzende Rüstung hervorblitzte.

"Wilkommen in Rohan, mein Lord. Ihr müsst Figwit sein, der Berater Elronds, ich habe von euch gehört. Tretet ein und genießt die Gastfreundlichkeit Rohans bei einer kleinen Mahlzeit, während jener ich mit Freuden euren Berichten aus den Landen Lord Elronds, des Halbelben, lauschen werde."

Er neigte den Kopf und zollte damit den Gästen seinen Respekt. Figwit deutete seinerseits eine Verbeugung an und wärend er zum Sprechen ansetzte dachte er bei sich: 'Der Narr versucht immernoch den Verlust des Palantírs zu verbergen, aber ich kann in seinen Augen lesen, dass er den Grund meines Besuches kennt. Aber es soll dem Atan verziehen werden, es ist nicht leicht einen solchen Verlust einfach auszusprechen. Ich werde es ihm erleichtern.'

Und er sprach mit seiner wohlklingenden Stimme: "Nur Figwit, denn ein Lord bin ich nicht. Majestät, die Freude ist ganz meinerseits, lange wollte ich dem Land der Pferdeherren einen Besuch abstatten, aber den ausschlaggebenden Grund meiner Reise werdet ihr bereits kennen und ich bringe euch Botschaft von Lord Elrond und Hilfe gegen diese Diebe, Entführer und Mörder." Thengels Schultern sanken ein wenig nach unten und er wirkte aufeinmal ein bisschen weniger stolz. Allerdings nicht minder königlich.

"Wahrlich ich sehe, man sollte nie die Erstgeborenen unterschätzen. Ich danke vielmals für eure Unterstützung, die Unterstützung Bruchtals, und bin froh die Gerüchte über Elronds unermessliche Güte als wahr zu wissen und verspreche bei meinen Vorfahren, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, mein Versagen als Wächter wiedergutzumachen. Wir sollen das weitere Vorgehen besprechen, aber erst wenn die Sonne, Vása, wie sie von euch Noldor genannt wird, ihr Licht von den Ebenen genommen und wieder gegeben hat. Denn heute Abend soll gefeiert werden. Zu Ehren unseres tapfersten Kriegers, ein Opfer der Haradrim, und euch zu Ehren, auf das euer Auftrag von Erfolg gekrönt werde. Und jetzt lasst uns hineingehen, ihr müsst erschöpft sein. Ranowyn soll euch eure Räume zeigen."

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Während das Volk sich von den Straßen langsam in verschiedene Gasthäuser und weniger angesehene Spelunken verzog, um die Nacht hindurch zu feiern, bereiteten sich die Geladenen auf das nahende Bankett vor.

Im Palast konnte man die Mägte emsig mit den letzten Vorbereitungen herumschwirren sehen.

Die Teilnehmenden hatten sich in ihre Räume verzogen und kleideten sich in prunkvolle Gewänder. Auch die Elben aus Figwits Schar legten die Abendgadarobe an. Die höheren Herrschaften hingegen taten dies mit Hilfe der Dienerschaft. Nur einer von ihnen zog vor dies alleine zu tun.

Figwit lag in einem großen Holzzuber und versuchte seine müden Muskeln mit einem Bad wieder aufzuwecken und sich den Staub und Schmutz der Reise vom Körper zu waschen. 'Wenn ich ein wenig Badeöl hätte, sähe das ganze völlig anders aus. Oder wenn das Wasser wenigstens warm wäre...', dachte der Noldo verbittert, während er lustlos in dem eiskalten Wasser herumplanschte. Holz war in der Ebene Rohans Mangelware und man wagte es nicht den Fangornwald anzutasten. 'Aus gutem Grund...', dachte sich der Elb, 'Elrond wäre gewiss schon längst Kreischend aus dem Zuber gesprungen...verweichlichter Halbelb' Figwit lachte leise, die Vorstellung wie Elrond einen Zeh in die Wanne tauchte um gleich darauf zitternd drei Meter zurückzuspringen war zu komisch. 'Zum Glück diene ich nicht unter Lady Galadriel...', dachte er bei sich und der Gedanke Elrond könne in seinen Kopf schauen schauderte ihn so, dass er elegant aus der Wanne sprang und sich in ein bereitgelegtes Handtuch wickelte.

Dann schritt er zu seinen Kleidern, die ihm eine aufmerksame Magd ausgepackt und auf sein Bett gelegt hatte, schlüpfte hinein und machte sich daran, die Haare zu flechten. Schließlich war er nicht als Berater Elronds, sondern als Krieger Bruchtals unterwegs.

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Am anderen Ende der Stadt badete das Mädchen in seinem Teich. Als sie sauber war schlüpfte sie in ein weißes Unterkleid aus Leinen, dessen Ärmel von der Schnürung am Ellenbogen an weit ausgestellt waren, sodass die unteren Ärmelspitzen ihr fast bis zum Knie reichten. Darüber kam ein dunkelblaues, gsschlitztes, ärmelloses Samtkleid, das am Rücken verschnürt wurde und damit Simulins feine Taille betonte. Die Brüste Simulins waren von Natur aus eher klein und Flach, was ihr in ihrer Rolle als Berater einen wesentlichen Vorteil verschaffte, jetzt aber durch ein wenig geschickt plazierte Schurvolle kaschiert wurde. Sie wollte auf Nummer sicher gehen, dass niemand sie erkannte, deshalb zeigte sie so wenig durchtrainierte, muskeldurchzogene Haut, wie nur möglich. Sie setzte sich sogar eine blonde echthaar Perücke auf das Haupt, die sie aus ihren eigenen Haaren hatte fertigen lassen. So fand der lange Zopf, den sie sich einst voll Wut direkt an der Kopfhaut abgesäbelt hatte noch eine Verwendung. Mit der Perücke und einem Haarband aus dunkelblauem Tuch, das einerseits den Übergang und die Haarnadeln versteckte, andererseits die Perücke an ihrem Platz hielt, war ihre Frisur fertig und sie kämmte die Haare, die ihr jetzt bis zur Hüfte reichten noch ein letztes mal durch, um die Stabilität ihres Machwerks zu prüfen. Die falschen Haare hielten und Simulin wandte sich zufrieden ihrem Gesicht zu. Jenes bemalte sie mit schwarzer und roter Farbe, die sie aus Kohlen und Blüten gewonnen hatte, so geschickt, dass sie nicht mehr wie Simulin aussah. Sie sah eher aus, wie eine der vielen feinen Damen, die sich am Hof tummelten. In Rohan gab es zwar weniger von ihnen, als in Gondor, aber nach Simulins Geschmack waren es trotzdem zu viele. Mit einem letzten Blick in den Spiegel trat sie aus der Tür, schlüpfte in zierliche blaue Schuhe und schlenderte durch die erleuchtete Stadt zum Palast hinauf.

Der Berater Simulin blieb heute leider noch zu Hause, weil er noch nicht über Ralons Tod hinweg war und auch nicht bereit war diesen zu feiern. Das Mädchen Simulin dachte eigentlich genauso, aber ihre Pflicht rief sie in den Palast, schließlich wollte sie die Chance herauszufinden, wie fähig und auch wie umgänglich ihr zukünftiger Partner im Kampf gegen die Südländer ist und auf was sie sich einstellen muss nicht ungenuzt verstreichen lassen. Dieses Wissen würde ihr bei der Erfüllung ihrer Mission einen entscheidenden Vorteil bringen. Ihre Stärke war die Strategie und Taktik und dazu musste sie die Stärken und Schwächen ihrer Mitstreiter genau kennen. Doch Elben konnten diese gut verbergen, wenn sie wollten. Aus diesem Grund machte sie sich auf den Weg, als 'Sina' würde sie ihrem Gegenüber keinen Grund geben seinen Charakter zu verstellen und obendrein könnte sie eventuell hilfreiches Wissen über ihren Gefährten gewinnen, das sie wenn alle Stricke rissen auspielen würde. Und -erlich gesagt- wollte Simulin auch die Führung über den Trupp übernehmen. Es würde zwar formell keinen Befehlshaber über beide Gruppen geben, aber in der Realität sah das meist anders aus und sie wollte ihre Macht und das Gelingen der Aufgabe nicht einem anderen überlassen, sei es Elb oder Ork. Aaußerdem war die Ehre ihres Volkes verletzt worden und so war es auch Sache ihres Volkes diesen Ehrverlust und den materiellen Verlust zu rächen. Die Elben waren dazu eine wilkommene Hilfe und sicher, sie hatten auch ein Recht, in dieser Sache beteiligt zu werden, schließlich war es Elronds Truhe, aber Simulin würde ihnen nicht den Triumpf und die Genugtuung der Rache überlassen. Schließlich ging es hier auch um ein Versprechen, das sie Ralon in ihrem Innersten gegeben hatte. Sie würde den Mörder finden und wenn sie dazu jeden einzelnen Haradrim ins Verhör nehmen muss. Dies war ihre Angelegenheit und kein anderer durfte dies auch nur durch Verhalten in Frage stellen.

Mit diesen Gedanken erreichte sie die ausladende grobe Steintreppe, die in die imposanten Hallen führte. Ein letztes Mal ballte sie die Fäuste, dann entspannte sie sich und setzte ihr liebenswürdigstes Lächeln aus, das sie wahrhaft zur schönsten Frau Rohans werden lies.