KAPITEL 4 – Der Ursprung
„Sie ist ein Vampir, ist das nicht Grund genug sie zu pfählen?" Xander betrat mit Buffy und Willow durch die Seitentür den Shop. Gerade hatten sie die letzte Dämonenleiche im Müllcontainer unter Bauschutt entsorgt und der Zimmermann wischte sich die glitschigen Reste von den Händen.
Die morgendlichen Sonnenstrahlen fielen durch die große Schaufensterscheibe auf die zertrümmerten Vitrinen und Regale; die mühevolle Arbeit der Vortage. Notdürftig waren die Scherben und Holzsplitter zu einem relativ großen Haufen in eine nun wieder freie Ecke zusammengekehrt worden. Daneben lagen die Fragmente der Buchgestelle; man konnte kaum ihre ursprüngliche Aufgabe wieder erkennen. Die Äxte und Schwerter der Angreifer waren gesäubert und ordentlich in eine Kiste, die den Kampf noch überstanden hat, gegeben worden, da sie den Scoobies sicherlich noch einmal nützlich sein konnten. Anya versuchte angestrengt das verkrustete und klebrige Dämonenblut vom Fußboden zu wischen und ging nun schon zum dritten Mal über orangebraun verfärbte Kacheln mit einem schaumigen Schwamm.
„Nein, Xander. Sie ist hier, um uns zu helfen. Jedenfalls ist das mein Eindruck." Buffy ließ sich neben Tara auf die Holzbank fallen.
„Sie hat uns doch schon einmal belogen, was, wenn die Videos auch Fälschungen sind?"
„Das glaube ich nicht. Sie hätte jede Person im Computer animieren müssen. Nicht einmal die großen Filmstudios sind schon in der Lage ganze Filme im Computer zu programmieren."
„Toy Story?!"
„Hast du den Film einmal gesehen, Xand? Zwischen dem Film und Sam's Videos ist ein großer Unterschied. Ich schätze, auch in 15 Jahren wird es für den Normalanwender noch unmöglich sein, sich selbst einen Film im PC zu generieren."
„Außerdem spricht vieles für die Zeitreisetheorie." Xander blickte die Jägerin fragend an, die ihrerseits ihren Blick Hilfe suchend zur rothaarigen Hexe wandte. „Will?"
„Ein Punkt wäre, dass sie uns alle zu kennen schien. Was sie aber auch durch ständige Beobachtungen und Nachforschungen erreicht hätte."
„Sie wusste auch von Angel, Cordelia und Wesley. Und schließlich sind diese drei schon seit längerem nicht mehr hier gewesen." Giles gesellte sich mit einer Tasse heißen Tee zu den jungen Leuten.
„Ein weiterer Punkt wäre ihr Laptop. Ich sage es nur noch mal, aber solche Computer existieren noch nicht."
„Aber wieso ist sie hier?"
„Anscheinend ist etwas sehr schlimmes in der Zukunft geschehen, bei dem ich und Spike gestorben sind."
„Eine Apokalypse, die wir nicht verhindern konnten?"
„Nahe liegend. Buffy, wie kommst du darauf, dass du und Spike tot seid." Giles setzte zu einem erneuten Schluck Tee an.
„Weil Sam in einem der Untertitel sagte, dass wir unseren 16. Jahrestag nicht mehr erlebt haben. Außerdem hat sie mir bei unserem ersten Treffen erzählt, dass ihre Mutter gestorben war und ihr Vater schon vor ihrer Geburt tot war."
„Großartig! Sie kann auch mal die Wahrheit sagen."
„Xander!" Buffy nervte langsam der Sarkasmus ihres Freundes und sie warf ihm einen warnenden Blick zu. „Der Weltuntergang muss hier und jetzt seine Anfänge genommen haben, sonst wäre sie wohl kaum in unserer Zeit."
„Außer sie wollte bestimmte grundlegende Ereignisse verändern, die gar nichts mit der Katastrophe zu tun haben."
„Wie meinen Tod."
„Ja, Tara. – Was machst du da eigentlich?" Die Hexe sah von ihren Notizen auf und blickte in die Runde.
„Ich habe unsere Stichpunkte von gestern Abend zusammengefasst und eine Theorie aufgestellt, was passiert sein könnte, oder passieren wird."
„Ok. Lass hören!"
„Wartet, ich will das nicht verpassen. Komme ich auch vor?" Anya ließ Schwamm und Putzeimer stehen und liegen und nahm auf dem Schoß ihres Liebsten Platz.
„Also in der Zeitlinie aus der Sam kommt bist du, Buffy offensichtlich 147 Tage tot gewesen, was in den nächsten zwei Jahren passieren müsste; genauso der Tod deiner Mum, der wahrscheinlich der Grund ist, wieso du dein Studium abbrechen wirst, um als Vertrauenslehrerin an der wiedererbauten Sunnydale High zu arbeiten. Deinen Job scheinst du nur bekommen zu haben, weil du die Jägerin bist und dein Boss, dieser Robin Wood, ein Wächter ist. - In der Zwischenzeit ist Spike ein Teil der Gang und Dawn's Babysitter geworden… und Du und Spike müsstet ungefähr dann das erste Mal zusammen gewesen sein. Schätzungsweise wenig später muss dieser Warren auf dich geschossen haben und mich dabei ge- getötet…" Tara unterbrach kurz und Willow legte ihr die Hand beruhigend auf die Schulter. „Etwa dann werdet ihr wieder Schluss gemacht haben und das, was Dawn so wütend auf Spike gemacht hat, müsste geschehen sein."
„Von dem aber nur Buffy, Spike, Dawn und Xander zu wissen scheinen."
„Genau, Anya. Danach hat Buffy wohl diesen Aushilfslehrer kennen gelernt, von dem du Sam bekommen hast. Während deiner Schwangerschaft sind Potentielle-Jägerinnen nach Sunnydale zum Training gekommen, die anscheinend bei dir wohnen; der Grund ist möglicherweise ein drohender Weltuntergang, bei dem du und dein ungeborenes Kind sterben… und Spike muss als Belohnung für seinen Kampfeinsatz sein menschliches Leben zurückbekommen haben."
„Sein Shonchon.." „Shanshu" Buffy wurde von Willow korrigiert bevor sie fortfahren konnte. „…und er ging wieder zu den Mächten der Ewigkeit und tauschte sein Leben gegen meines."
„Wieso hat er das getan?"
„Weil er Buffy anscheinend liebt, Xander. – Was hast du danach aufgeschrieben, Tara?"
„Als nächstes wurde Sam etwa im Oktober oder November 2003 geboren. Zu dieser Zeit wohnt Spike bei dir im Keller und er kümmert sich um deine Tochter, während du bei der Arbeit oder dem Training bist. Ungefähr im späten Frühling sind Buffy und Spike wieder zusammengekommen und er hat deine Sam als sein Kind völlig angenommen. Drei Jahre Später, also 2007, heiratet Dawn Angel's Sohn Connor und die beiden bekommen 2010 Zwillinge; Steven und Joycie. Cordelia hat 2007/2008 Angel's Sohn Chris zur Welt gebracht. – Spike arbeitet wahrscheinlich damals schon in der High School als Selbstverteidigungslehrer und wir müssen annehmen, dass sein Chip nicht mehr funktioniert."
Anya sieht neugierig in die Notizen der Hexe: „Und 2010 bringt Buffy Willie zur Welt… der genauso aussieht wie sein Vater Spike." Fügt die Ex-Dämonin hinzu.
„Aber leider stirbt der Kleine kurze Zeit später. - Und Sam wird etwa im Alter von 12 oder 13 sehr krank."
„Sie kann unmöglich an der Krankheit gestorben sein, dann wäre sie kein Vampir."
„Ob Spike ihr Erschaffer ist?"
„Wer ist an welcher Krankheit gestorben und wen hat Spike gebissen?" Die Gruppe hatte überhaupt nicht bemerkt, dass jemand zur Seitentür hereingekommen war. Überrascht drehten sich alle in die Richtung, aus der die Stimme des Neuankömmlings kam.
„Riley?!" Buffy machte bei dem Anblick ihres Freundes ein Gesicht, das ‚Ach-Den-Gibt's-Ja-Auch-Noch' vermuten ließ. „Hi!"
„Was macht ihr?" Der Ex-Soldat trat näher an die Scoobies heran.
„Ach nichts."
„Nach NICHTS sieht das hier wirklich nicht aus." Sein Blick fiel auf die Trümmer neben der Theke und den Scherbenhaufen in der Ecke.
„Ach, das waren nur ein paar Dämonen gestern Abend." Buffy war froh, als Tara den Notizblock in ihrer Tasche verschwinden ließ. Sie wollte nicht, dass Riley etwas über ihre Zukunft mit Spike weiß. Denn das hätte den Ex-Soldaten so wütend gemacht, dass er den Vampir ohne zu zögern pfählen würde. Und aus irgendeinem Grund wollte das Buffy ganz und gar nicht.
„Wen hat Spike gebissen?"
„Niemanden. Sein Chip würde das nicht zulassen." Um ihn auf andere Gedanken zu bringen stellte sich die Jägerin auf die Zehenspitzen, schlang ihre Arme um seinen Hals so gut es ging und küsste Riley innig. Unterdessen standen auch Xander und Giles von der Sitzbank auf.
„Wir sollten uns wieder an die Arbeit machen. Die Regale stellen sich nicht von selbst auf." Xander griff nach Hammer und Nägel, während die Hexen zwei Holzlatten aus dem Hinterzimmer trugen.
„Anya, sei bitte so gut und trag die Scherben in den Müllcontainer."
Nachdem sie den ganzen Tag über den Laden renovieren geholfen hatten, begleitete Riley nun Buffy nach Hause.
Bei der Haustür der Summers angekommen, holte die Jägerin schnellstens den Schlüssel hervor und schloss auf.
„Soll ich wirklich nicht mit hineinkommen?"
„Nein. Heute nicht. Ich bin von dem ganzen Bretterhalten ganz fix und fertig. Ich werde heute früh schlafen gehen." Buffy hatte in Wirklichkeit soviel Energie, dass sie die Wände hochgehen konnte. Aber sie brauchte Zeit für sich allein und hatte keine Lust ihrem Freund lange Erklärungen zu liefern.
„Ok. Dann sehen wir uns morgen."
„Ja. Tschau." Riley wollte seiner Liebsten noch einen Gutenachtkuss geben, aber ehe er sich versah, stand sie schon im Foyer und schloss die Tür hinter sich.
Einige Stunden später, nach einem kleinen, üblichen Streit mit Dawn und einem genüsslichen Abendessen ihrer Mutter, lag Buffy hellwach in ihrem Bett. Sie wälzte sich von einer Seite zur anderen und grübelte über Sam, Spike und die Zukunft nach; aber es war noch etwas anderes, das ihr den Schlaf raubte. Sie spürte tief im Inneren einen uralten Drang, der sie hinaus in die Nacht zog. Nach einigen Minuten stand sie auf und zog sich an. Wie viele Jahre zuvor, als ihre Mutter noch nichts von ihrer Bestimmung wusste, kletterte sie lautlos und wachsam aus ihrem Zimmerfenster und machte sich auf den Weg zum Friedhof.
Etwas in ihr hatte sich verändert seit der Begegnung mit Dracula. Ihr Herz schlug wilder und heftiger; nicht aus Furcht, viel mehr aus Erwartung auf die bevorstehende Jagd. Sie war nie besonders gut im Aufspüren von Vampiren gewesen; Angel war der einzige, den sie auf weite Entfernung fühlen konnte. Für die meisten anderen musste sie sich in ihrer unmittelbaren Nähe befinden. Die Jägerin kletterte auf ein altes Mausoleum und kniete sich auf dem Dach kampfbereit hin. Ihre Augen scannten das Gebiet der Grabmale im schwachen Mondlicht. Zwei Gräber waren erst ganz frisch bewohnt. Sie spürte, dass die beiden Leute noch nicht lange in Frieden unter der Erde ruhten; und einer von ihnen würde es auch nicht mehr lange. Sie konnte jede Nacht, in der sie sich hinaus schlich, immer präziser sagen, wo ein junger Vampir auferstehen würde, auch wenn das Grab hunderte Meter entfernt lag, wie es auch heute der Fall war. Sobald sie fühlte, dass er erwacht war und sich den Weg zur Oberfläche bahnte, sprang sie auf, wie eine Katze, die eine Maus vorbeihuschen sah und stürzte auf das Grab zu. Sie kam meistens gerade in dem Moment an, indem der Vampir zunächst den Kopf herausstreckte und nichts ahnend den dunklen Friedhof wahrnahm. Sofort zog sie den Pflock aus ihrem Gürtel und rammte ihn in die Brust des Dämons, der überrascht zu Staub zerfiel.
„Was machst du hier, Liebes?" erklang eine tiefe Stimme hinter ihr. Sie wusste bevor sie sich umdrehte, wer es war. „Hallo, Spike." Als Antwort auf seine Frage hielt sie den Pflock hoch ehe sie diesen wieder in den Gürtel steckte und der Vampir verstehend nickte. Er trug eine große braune Papiertüte im Arm, aus der eine Stange Zigaretten und ein Beutel Blut hervorragten. Die Jägerin ging an seine Seite und begutachtete ihren Todfeind einen Moment. „Kann Harmony nicht allein Einkaufen gehen?"
„Seitdem sie Nibblet entführt hat, denkt sie, sie sei jetzt der Big Bad in deinen Augen und traut sich nicht mehr raus." Spike ging nun in langsamen Schritten in Richtung seiner Gruft, und war genauso erstaunt darüber, dass die Jägerin sogleich neben ihm herging, wie über ihren netten Tonfall. *Seit wann bedroht sie mich nicht mehr?*
„Wow, ich hatte das schon ganz vergessen. – Du kannst ihr ja sagen, dass die Jägerin ganz Sunnydale auf den Kopf stellt auf der Suche nach ihr."
„Mach's doch selber, Schatz. Wenn sie dich in meiner Gruft nach ihr suchen hört, muss sie mal ihre beiden Gehirnzellen anstrengen."
„Bei dem Versuch platzt ihr vielleicht der Schädel." Buffy fühlte sich wohl in der Nähe des Vampirs und es war das erste Mal, dass beide ungezwungen miteinander redeten und Scherze rissen.
„Das darfst du dann wegwischen, Jägerin." *Sie lächelt. Sie ist hübsch, wenn sie lächelt…. Bloody Hell, was ist los mit mir?!* Spike bemerkte, dass er ihre Anwesenheit genoss und öffnete die knarrende Tür zu seinem Heim.
Buffy warf ihm einen heimtückischen Blick zu und er zog seine narbige Augenbraue hoch.
„Spike, wehe, ich finde heraus, dass du doch weißt, wo sich diese Dumpfbacke Harmony aufhält." Buffy's Stimme drang laut und wütend in die dunkle, kalte Gruft und hallte dort bis in die letzten Winkel. Ein breites Grinsen pflasterte ihre Züge und sie konnte sich nur schwer zusammenreißen, nicht lautstark loszulachen.
„Ich habe dir schon gesagt, ich weiß nicht, wo sie sich aufhält. Versuch's bei Willy. Der schmierige Barkeeper weiß vielleicht was."
„Da war ich schon. Harmony kommt nicht weit. Ich habe schon ganz Sunnydale durchsucht und einige Leute auf sie angesetzt. Niemand vergreift sich ungestraft an meiner Familie!" Spike grinste nun seinerseits die Jägerin an und deutete ihr an, dass es nun an der Zeit wäre die Bühne mit einem Knall zu verlassen.
Mit einem wutschnaubenden „Ich komme wieder!" knallte sie die Tür hinter sich zu, so wild, dass die Tür aus dem Schloss sprang und sich wieder öffnete.
„Ist- Ist sie weg?" Spike unterdrückte sein Grinsen und machte ein ziemlich finsteres Gesicht, als er sich zu Harmony umdrehte. Die Vampirin kroch gerade aus dem Sarg der in der Mitte des hinteren Gruftabschnitts lag.
„Ja. Und ich hab etwas bei dir gut! Sie macht mir die Hölle heiß, wenn sie dich hier findet." Auf einmal trat Spike's Grinsen wieder zum Vorschein und hatte einen hinterhältigen Unterton.
Es waren seit jener Nacht fünf weitere vergangen, in denen Buffy ihrer Bestimmung nachkam. Bei Nacht jagte sie die Geschöpfe, die den Tag bedrohten und am Morgen half sie ihrem ehemaligen Mentor sein Geschäft zu renovieren. Am kommenden Montag waren die Sommerferien vorbei und für sie und die Hexen begann ein neues Semester an der UCSunnydale; und für ihre nervende kleine Schwester ein weiteres Jahr an der Junior High.
Dawn saß in der Magic Box an der Theke und beklebte ihren Ordner fürs kommende Schuljahr, während die Scoobies die verschiedenen Zauberuntensielyen in die fertigen Regale räumten.
„Wo kommt denn die Takajanische Sumpfwurzel hin?"
„Da drüben ins mittlere Fach, Buffy."
„Neben die Schlangenschuppen."
„Ah, ja, danke, Tara." Die Jägerin beäugte angeekelt das Glas Augäpfel im obersten Fach. *Wer zum Henker kauft so etwas?*
Anya lief mit einem langen Zettel hinter dem Ex-Wächter her. „Glauben Sie wirklich, dass Sie in vier Tagen eröffnen können. Es fehlen noch Mirakelkräuter, Froschschenkel…
„Anya. Es wird schon gehen."
„Und wenn nicht, holen wir die Froschschenkel beim Chinesen an der Ecke."
„Das ist nicht dasselbe, Xander."
„Ich wollte nur einen Witz machen, Will. Normalerweise lachen Leute darüber."
„Aber so etwas gehört nun mal in jeden Zauberladen, Giles." Die ehemalige Dämonin behaarte weiterhin auf die fehlenden Artikel.
„Anya, hilf bitte Buffy beim einsortieren."
Dawn sah von ihrer Arbeit auf. Sie saß schon seit dem Mittag im Laden und durchwälzte Zeitschriften für Fotos zum Bekleben. „Wieso darf ich nicht helfen?"
„Mum hat dir verboten mit Zaubersachen zu spielen."
„Ich will nicht spielen, nur helfen."
„Du kannst mir mit der Inventurliste helfen, Dawn."
„Nein, danke, Riley. Ab nächster Woche hab ich genug zum Schreiben." Sie nahm erneut ihre Schere und schnitt einen Teil einer Eastpak- Werbung aus.
Plötzlich ging die Seitentür auf und Sam trat ein. Sie schob ihre schwarze Sonnenbrille nach oben auf ihren Kopf und sah sich im Laden um. Alle Augen waren auf sie gerichtet.
„Was willst du hier, Sam?" Buffy stellte das Glas grünen Schleim achtlos ins Regal und bewegte sich auf das Mädchen zu.
„Ihr habt echt gute Arbeit geleistet mit dem Laden." Die Vampirin schritt langsam aus dem Eingang heraus und auf den Tresen zu. „Ich brauche 25g Nemuri-Staub."
Giles ging seinerseits hinter die Theke. „Wir haben noch nicht geöffnet. Komm Montag wieder."
„Ich weiß nicht, ob ich solange warten kann. Ich habe einen vollen Terminkalender." Sie holte lässig ihren Geldbeutel aus der Hosentasche und starrte den Ex-Wächter einen Moment lang an. „Wenn Sie ihn mir jetzt nicht verkaufen wollen, muss ich heut Nacht leider einbrechen."
„Das meinst du nicht ernst, Sam?" Buffy trat auf das Mädchen mit einem besorgten und ungläubigen Gesichtsausdruck zu. Aber Sam's eiskalter Blick verriet ihr den Ernst des Kindes.
„Für was brauchst du den Staub?" Der ehemalige Bibliothekar durchsuchte die noch auf dem Tresen gestapelten Gläser und Schachteln; es war noch viel zum Einräumen über.
„Giles, wenn Sie vorhaben, jeden ihrer Kunden über die Verwendung der Einkäufe zu befragen, werden Ihnen sehr bald die Kunden ausgehen."
Dawn war derweilen aufgestanden und auf Sam's Seite des Ladentischs gekommen. „Du darfst zaubern?"
„Zaubern?! Ich durfte mir Sabrina nicht mal ohne Aufsicht meiner Eltern ansehen. Das Zeug ist nur ein Schlafmittel."
„Du durftest es dir wenigstens ansehen. Meine Mum ist so streng, ich darf nicht einmal Harry Potter LESEN."
„Echt! Aber die Schinken sind auch viel zu fett und werden mit jeder Ausgabe dicker. - Ab nächstem Jahr kommt jährlich ein Potter Film in die Kinos."
„Hast du die Filme gesehen?"
„Klar. - Dad hat während des Films immer ‚Magie hat immer Konsequenzen.' gesagt und Mom nervte mit ‚Das ist totaler Unsinn. Hast du schon mal 'ne Hexe mit Zauberstab und Besen gesehen?'." Sie verdrehte bei ihrer Nachahmung die Augen und Dawn musste ein Schmunzeln unterdrücken.
„Kannst du mir wenigstens erzählen, um was es in Harry Potter geht. Jeder in meiner Klasse hat die Bücher gelesen und ich kann als einzige nicht mitreden." Dawn verspürte irgendwie einen leichten Anflug von Neid. Sie kannte das Mädchen und ihre Vergangenheit nur aus den Videos, aber es kam ihr vor, als hätten Buffy und Spike ihr alle Freiheiten gelassen, die ihr selbst immer verwährt blieben.
„Ich hab alle sieben Filme dabei. Vielleicht darfst du sie unter AUFSICHT ansehen." Sam warf Dawn einen verschwörerischen Blick zu.
„Wie kannst du Filme haben, die es noch nicht gibt?" Riley war auf Alarmstufe Rot. Woher kannten die anderen das Mädchen?
Die kleine Vampirin drehte sich zu dem hochgewachsenen Mann um und begegnete ihm mit einem unerschütterlichen Blick. „Das ist Top Secret, Soldat." Bevor Riley etwas antworten konnte, hatte sie sich schon den anderen zugewendet und ignorierte ihn herablassend.
Dawn trat erneut auf Sam zu; diesmal mit einem sehr besorgten Gesichtsausdruck, der nichts Gutes erahnen ließ. „Bin ich adoptiert?"
Die Vampirin konnte ihren Ohren nicht trauen. Verblüfft schüttelte sie den Kopf und stellte sich direkt vor die Brünette. „Adoptiert?! Wie kommst du auf so was. - Nein. Durch dich fließ dasselbe Blut wie durch Buffy."
„Jetzt spricht sie doch vom Essen!" Xander gefiel die Anwesenheit des Mädchens nicht. Es beunruhigte ihn, dass Buffy den Dämon wie eine normale Person behandelte und sogar Giles sie als gefahrenlos einzustufen schien.
„Wirklich nicht?!"
„Nein. Eine Jägerin zu sein ist ein Geburtsrecht, das nur sehr wenigen zu Teil wird. Wärest du nicht Buffy's Schwester wäre die Chance, dass du auch eine Jägerin bist, ziemlich gering, wenn nicht gleich null."
„Also bin ich wirklich nicht adoptiert und ich bin eine Jägerinanwärterin." Dawn's Züge erhellten sich schlagartig, als sie den Worten Glauben schenkte.
„Ja."
„Wenn ich eine Anwärterin bin, bekomme ich dann nicht auch einen Wächter und soll trainieren? – Und werde ich auch eine Jägerin?" Auf einmal gefiel ihr der Gedanke weniger, als ihr die Tragweite bewusst wurde. „Und werde ich auch sterben?"
„Sterben tut jeder, die Frage ist nur wann. - Und du wirst gerufen, Dawn. Aber auch das hat noch Zeit."
„Woher weiß die kleine das?"
Nun drehte sich Sam nicht einmal mehr zu Riley um, sondern antwortete ihm gleichgültig über die Schulter hinweg. „Seid wann stellen Soldaten Fragen? Kein Wunder, dass die dich nicht mehr wollten." Ihre Aufmerksamkeit galt völlig dem Ex-Wächter, der ein bläulich schimmerndes Pulver in einen kleinen Plastikbeutel schüttete.
„Das macht 12,50 $."Sie zog aus dem Geldbeutel einen Zwanzig-Doller-Schein und ein dahinter verborgener Hunderter gelangte zum Vorschein. Sie legte das Geld auf den Tresen und nahm ihren Einkauf an sich.
Buffy wurde beim Anblick des Geldes misstrauisch. „Woher hast du das Geld?"
„Hab's mir von ein paar Anwälten geborgt." Sam blickte zu der Jägerin und ihre Miene verriet eine Härte, die man einem solch jungen Mädchen nicht zugetraut hätte. *… selbst wenn sie ein Vampir ist.*
„Du hast es geklaut!" Buffy fühlte sich an ihre eigenen kleinen Langfingereien erinnert. Sie war damals kaum älter als Sam oder Dawn jetzt, hatte aber einige Male den einen oder anderen Lippenstift im Einkaufscenter mitgehen lassen. Dies hörte zum Glück auf als sie ‚gerufen' wurde und ihr erster Wächter Merrick sie mit Training auf Trapp hielt.
„Das haben die auch. - Vielleicht sind sogar ein paar Unschuldige dafür draufgegangen." Das Mädchen nahm das Wechselgeld von Giles entgegen und steckte sowohl Geldbeutel als auch Pulver in die Hosentasche. Während Xander ein halbwegs erstauntes „Anwälte, die Menschen umbringen?! Ich wusste es!" herausbrachte, drehte sie sich zur Jägerin um. „Ich hab dich gestern Nacht bei der Jagd gesehen."
„Ich war nicht JAGEN." Buffy war auf vieles gefasst, aber auf dieses Thema war sie nicht vorbereitet. Sie begann wieder auf ihrer Unterlippe herumzukauen, als Riley ein weiteres Mal hellhörig wurde.
„Gestern Nacht?! Du warst doch den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht bei mir. Wie kannst du da auf Patroulie gewesen sein?"
*Schitt!* Sie drehte sich zu ihrem Liebsten um, sehr langsam, nach einer Erklärung suchend. „Ich konnte nicht schlafen… und bin für einen kleinen Spatziergang hinausgegangen. – Und dann… ist mir ein Vampir begegnet. – Aber ich war nicht JAGEN." Bei ihrem letzten Satz drehte sie ihren Oberkörper richtung Sam und sagte das letzte Wort mit Nachdruck.
Aber die Vampirin ließ sich nicht beirren und schritt langsam in den hinteren Teil des Ladens. „Ich bin nicht blöd. Ich kenne den Unterschied zwischen ‚auf Patroulie gehen' und ‚Jagen'. Und das war definitiv Jagen."
„Vampire jagen, Jägerinnen gehen auf Patroulie." Buffy wurde etwas nervös. Sie wollte ihre Verhaltensveränderung nicht mit ihren Freunden diskutieren müssen. Aber so wie es dank Sam aussah, führte kein Weg daran vorbei.
„Und wieso heißen sie dann JÄGERinnen?" Sam zog ihre linke Augenbraue ungläubig in die Höhe; genau wie ein gewisser nervtötender Vampir.
Giles folgte wie der Rest der Gruppe der Vampirin in den hinteren Ladenabschnitt. „Nun ja, das liegt, na ja…" Er setze sich auf die Kante des runden Tisches und dachte angestrengt über eine plausible Antwort nach. Die anderen Scoobies nahmen auf der Holzbank Platz, während Sam sich auf die Leiterstufen nieder ließ.
„Haben Sie es ihr noch nicht erzählt oder wissen Sie es selber nicht?" Ein Hauch von Erstaunen war auf dem ansonsten ausdruckslosen Gesicht des Mädchens zu erkennen.
„Was? Giles?" Buffy saß Sam gegenüber und sah nun abwechselnd zu ihr und zu ihrem Mentor.
„Der Ursprung der Jägerinnenlinie. Was eine Jägerin ist und wie die allererste entstand. – Und wieso es dich nachts auf die Friedhöfe zieht und du den Drang hast dort zu jagen." Sam's Aufmerksamkeit war nun auf die Jägerin fixiert und sie schien ganz allein mit ihr zu reden.
„Du weißt davon?"
Riley hatte sich neben die Bank an ein Regal gelehnt. „Also stimmt es, dass du bei Nacht auf Jagd gehst?"
Die Vampirin warf ihm einen bösen Blick zu für seine unerwünschte Unterbrechung. „Wie ihr wisst war ich selbst eine Jägerin und ich wurde von klein auf einem strengen Training unterzogen. Ich habe vieles in dieser Zeit gelernt, und einiges von meinem Vater, nachdem ich zum Vampir wurde. – Mich hat es auch nachts nach draußen gezogen und ich spürte das Verlangen Vampire zu jagen."
„Du bist ein Vampir?!" Der Ex-Soldat wurde nun auch von seinem Schatz und dem Rest der Clique ignoriert.
„Dies ist erst seit Dracula so. Ich stelle mir seitdem die Frage ‚Was eine Jägerin wirklich ist'. Wo liegt unsere Macht?" Buffy fühlte von diesem Mädchen Stärke und Vertrauen ausgehen wie sie es noch nie zuvor gespürt hatte. Sie dachte immer Giles wüsste alles was man über Jägerinnen und Vampire über die Jahrtausende lang zusammengetragen hätte. Aber dieses Kind schien soviel mehr zu wissen und schien sie so gut verstehen zu können.
„Du weißt wirklich nichts… Dies hat mir meine Tante erzählt." Sam warf Dawn einen flüchtigen Blick zu, bevor sie anfing. „Zuerst gab es die Erde; Ewigkeiten bevor der erste Mensch den Boden betrat. Als nächstes bevölkerten Dämonen die Welt; jegliche Art von Kreaturen der Finsternis wandelten Jahrtausende lang über die Erde und machten sie zu ihrer Hölle. Dies waren nicht Dämonen von der Sorte, wie sie heutzutage auf der Erde leben; dies waren ihre Vorfahren, Urdämonen, wie der Neandertaler für den Menschen so stehen sie im Verhältnis mit den jetzigen Dämonen; wilder und gewalttätiger als der schlimmste Dämon in dieser Dimension. - Doch etwas geschah und sie verloren ihr Anrecht auf diese Realität. Tore in andere Dimensionen öffneten sich und die ewige Dunkelheit begann mit den ersten Sonnenstrahlen zu zerbrechen. Die meisten nahmen die Möglichkeit war und verließen diese Dimension. Dieser Umstand gab der aufkommenden Minderheit von Tieren und Menschen eine reelle Chance und bald bevölkerte die Menschheit die Erde. Aber ein Turok-Han, ein Urvampir, biss bevor er diese Realität verließ einen Menschen; ihr Blut vermischte sich und er starb. Aber statt tot zu bleiben, wachte er vor dem nächsten Morgengrauen auf. Von da an war seine menschliche Seele gegangen und in seiner Hülle lebte die Seele des Dämons. Wie der Turok-Han war auch er ein Geschöpf der Nacht. Er trank von dem Blut der Menschen und vermehrte sich schnell."
Ein ungläubiges Kichern unterbrach Sam's Erzählung. Der eisige Blick des Mädchens richtete sich ein weiteres Mal auf den Freund der Jägerin. „Und wann kommt die Jägerin? Oder kommen vorher noch Drachen und Elfen vor?"
„Ich frage mich was DU hier machst? Du scheinst dies für ein Märchen zu halten." Ein kurzes Aufflackern von dämonischem gelb war in den tiefen grünen Augen des Kindes zu erkennen.
„Es hört sich doch sehr FANTASTISCH an!"
„Du warst in einer Geheimorganisation, die Dämonen gefangen hat. Und du meist, das ist zu seltsam um wahr zu sein, Soldat?" Riley sah man die Verwunderung über ihr Wissen an.
Giles schob sich die Brille etwas weiter auf die Nase und wandte sich dem jungen Mann zu. „Eeer, Riley. Einige Teile aus Sam's Erzählungen sind tatsächlich in uralten Schriften so dargelegt."
„Siehst du!" *Jetzt sah sie genauso wie Buffy aus, wenn sie einen Punkt im Streit gemacht hat.* schoss es Willow durch den Kopf, die die Jägerin wohl am besten kannte.
Riley stieß sich vom Regal ab. „Buffy, ich seh' dich morgen." Und er verschwand etwas grimmig aus der Seitentür, als Buffy ihm ein lockeres „Ok." hinterher rief.
„Endlich." Die Tür war gerade ins Schloss gefallen.
„Samantha!"
„Was? Ich mag ihn halt nicht!" Bei diesen Worten zeigte ihr steinernes Gesicht wieder Emotionen. Das Mädchen hob unschuldig beide Augenbrauen und zuckte nur mit den Schultern.
„Du könntest trotzdem netter sein."
„Erzähl weiter." Dawn rückte näher an ihre Schwester. Es kam äußerst selten vor, dass sie etwas über Jägerinnen und Dämon erfuhr. Sie war ja schließlich die kleine naive Schwester, die immer wie ein rohes Ei behandelt werden musste.
Sam's Gesicht zeigte nun wieder dieselbe Kühle wie zuvor. „Nun gut, jetzt kommt gleich der Teil mit der ersten Jägerin. - Dieser allererste Vampir wandelte für Jahrtausende über die Erde. Eines seiner letzten Opfer war der Meister, der selber zu einem gefürchteten Mastervampir wurde und die Bruderschaft von Aurelius gründete. So ziemlich alle Nachkommen des ersten Vampirs starben, bis auf den Meister. Er führte die Linie mit Darla und Angelus fort. Als die Vampire drohten überhand zu nehmen, schlossen sich drei alte mächtige Schamane, die Schattenmänner, zusammen, um ihnen Herr zu werden. Sie fanden ein Mädchen und gaben ihr die Macht gegen diese Dämonen zu kämpfen. Die Hüterinnen wiederum errichteten einen Schutzzauber über die Linie der Jägerinnen, sodass die Potentiellen vor dem Urbösen und allen anderen Kreaturen der Nacht verborgen blieben. Aber trotz ihrer Taten wurde das Mädchen wie eine Verstoßene behandelt, denn die Menschen fürchteten sich vor ihr, genauso wie vor den Vampiren selbst. Denn in ihrer Macht lag Dunkelheit, die sie zu dem machte, was sie war und ihr die Fähigkeiten gab, die sie zum Jagen und Kämpfen brauchte."
„Was meinst du mit ‚Dunkelheit'?" Buffy stutzte.
„Hat Dawn nie gesagt." Schwindelte Sam, zum Glück glaubhaft. *Es ist noch nicht an der Zeit, dass du es erfährst.*
Giles war inzwischen eifrig mit dem Putzen seiner Brille beschäftigt. „Ich dachte immer, dass Turok-Hane Mythen wären."
„Das sind sie nicht. Ich habe einige mit meinen eigenen Augen gesehen." Tara fiel eine Mischung aus Rachewut und einer anderen Emotion im Gesicht des Kindes auf. War es vielleicht Furcht?
„Was sind diese Chaka Khane?" Die Jägerin wurde neugierig. Von diesen Geschöpfen hatte sie noch nie etwas gehört.
„Turok-Hane sind die Vampire, die selbst Vampire fürchten. Sie sind wilde Bestien, die nur ihrem Instinkt nach jagen und alles und jeden zerfleischen. Sie können weder mit Weihwasser verätzt, noch mit einem Pflock gepfählt werden."
„Und wie tötet man sie dann?" Es klang nun wie eine Horrorgeschichte für Buffy und Sam fuhr fort. „Sie fürchten das Sonnenlicht und der einzige Weg sie in Staub zu verwandeln, ist ihnen den Kopf abzuschlagen."
Nun endlich meldete sich auch Willow wieder zu Wort. Sie hatte Sam's Erzählung aufmerksam gefolgt. „Also stammt Spike direkt von diesem allerersten Vampir ab, oder?"
„So ist es. Zwischen den meisten Vampiren und diesem Ersten liegen so viele andere, dass man von keinerlei Verwandtschaft mehr sprechen kann."
„Aber bei der Bruderschaft von Aurelius ist das etwas anderes?" Ein zustimmendes Nicken folgte auf Tara's Vermutung.
Buffy wurde auf einmal sehr ernst. Es behagte ihr irgendwie nicht, aber sie musste diese Frage stellen. „Ist Spike dein Sire?" Wieder Nicken. „Was ist passiert? Ist er durchgedreht und-"
Sam sprang fast von der Leiter auf, um ihrer Empörung Luft zu machen. „So etwas hätte er uns nie angetan. Er hätte dir nie wehtun können." Ein bis jetzt ungesehenes Feuer loderte in ihren Augen. Nicht das ihres Dämons, sonder das tief verletzter Gefühle. Die Jägerin hat mit dieser Frage eine Linie überschritten, der sich niemand auch nur nähern durfte.
„Wie kommt es, dass du ein LIEBER Vampir bist?"
Diese Frage brachte Sam aus dem Konzept. „LIEBER Vampir?!" Sie sah verdutzt in die Runde.
„Was Will meint…"Begann Xander.
„…wieso hast du noch nicht versucht uns zu fressen!" Anya hatte wieder ihre sehr unverblümte Art auf den Punkt zu kommen, zur Schau getragen.
„Wieso sollte ich das machen?" Das Gesicht der Vampirin zeigte eine ehrliche Verwirrung über diese Anschuldigung.
Xander stand auf und trat einen Schritt auf das Mädchen zu. Auf seine lockere, sarkastische Art schlug er die Hände vor sich zusammen. „Uhm, ja. Zum einen weil du ein Dämon bist, wie du es selbst gerade beschrieben hast."
Sam lehnte sich zurück an die nächste Leitersprosse und verdrehte die Augen. „Hat Buffy also schon ihre Alle-Vampire-Sind-Wilde-Erbarmungslose-Tiere-Rede gehalten?!"
„Hä, was für'ne Rede?" Der Zimmermann war nun verwirrt und Sam zuckte nur mit den Schultern. „Ach, nichts."
Er stichelte weiter. „Wieso sollten wir dir eigentlich diese neue Story abkaufen. Riley hatte recht. Es ist ziemlich fantastisch. UND du hast uns schon einmal eine interessante, aber erfundene Geschichte aufgetischt."
Die Vampirin holte unnötig nach Luft und blieb ganz kühn. „Diese IST wahr. Es tut mir leid, dass ich euch nicht die Wahrheit gesagt habe. Aber ich konnte ja kaum sagen ‚Hi, Mom, du kennst mich zwar noch nicht, aber ich bin aus der Zukunft gekommen, um dir ein paar Unannehmlichkeiten zu ersparen.'"
„Klingt logisch." Tara half erneut die Situation zu entspannen. Die junge Hexe war zwar zurückhaltend, aber sehr verständnisvoll und mitfühlend. Sie war damals die erste, die erkannte dass Faith in Buffy's Körper steckte.
„Und außerdem hat es so viel mehr Spaß gemacht." Ein hämisches Grinsen umspielte Sam's Mundwinkel. „Spike, hatte recht, es war größten Teils die Strichcode-Am-Nacken-Schose."
Buffy setze auf einmal ihre groß-schwesterliche, oder gar mütterliche, Maske auf. „Apropos. Der Strichcode an DEINEM Nacken ist doch hoffentlich abwaschbar."
„Mo-, äh, Buffy! Das Tatoo verschwindet von selbst nach zwei, drei Monaten! Du brauchst jetzt echt keinen Stress deswegen zu machen!" Sam verschränkte verteidigend und eingeschnappt die Arme vor der Brust. „Du hörst dich fast schon wie meine Mom an: Keine Tatoos, keine gefärbten Haarstränen und keine Piercings, außer in den Ohren, …vielleicht!"
„Und wo ist dein Piercing?" Ein gehässiger Unterton schwang in Buffy's Stimme mit.
„Huh?!" Wieder Verwirrung im Gesicht des Mädchens.
„Naja, du hast ein mehr oder weniger dauerhaftes Tatoo, hast dir braune Strähnen gefärbt, also fehlt nur noch ein Piercing."
„Ich hab keins. Ich wollte nicht total pubertierend rebellieren. - Und mit dem Tatoo war's auch überlegt. Vielleicht steh ich in hundert Jahren gar nicht mehr auf einen Strichcode am Nacken."
Xander meldete sich wieder zu Wort. „Okay, jetzt haben wir diese Mutter-Tochter-Kiste auch abgewickelt. Aber du hast uns immer noch nicht gesagt, wieso du nicht herumläufst und Leute frisst."
„Eine Stadt voller Vampirjäger. Ich hat' ja wohl den Kürzeren gezogen." Stirnrunzelnd sah Buffy zu wie Sam aus einem Träger ihres Rucksacks schlüpfte, ihn nach vorne schwang und den Reisverschluss öffnete. Sie holte ein kleines dickes Buch mit roten Rosen auf schwarzem Hintergrund hervor. Sorgfältig schlug sie es in der Mitte auf und blätterte einige Seiten. An ihrem Ziel angekommen, reichte sie das Buch Buffy. Sofort sammelten sich auch die anderen Scoobies um die Jägerin und lasen die handgeschriebenen Zeilen.
„Das mit dem ‚Warum' kommt aus den Matrix Filmen. Gebt da nicht soviel drauf. – Ach ja, das Blut ist mein eigenes. Ich hatte mich am Spiegel geschnitten." Fügte die Vampirin hinzu, während die anderen schon in ihrem Tagebuch vertieft waren.
Ich HASSE SIE!!! Wie konnten sie mir das antun?! Mir wurde immer gesagt, es sei die größte Schande für eine Jägerin, selber einmal ein Vampir zu werden.
Nach diesen beiden Zeilen war viel Freiraum, der mit wilden sinnlosen Kritzeleien übersät war. Auf einigen Stellen waren braungefärbte Flecken von eingetrocknetem Blut.
Es sind Entscheidungen, die uns zu den Personen machen, die wir sind. Die Frage ist ‚Warum' man sich so entschieden hat. Vielleicht weil man nichts anderes kennt. Oder wegen Konsequenzen, die man nicht bereit ist einzugehen.
Ich denke mir, warum soll ich hinausgehen und versuchen meine Familie und Freunde zu töten. Sie waren immer gut zu mir. Die Konsequenz dieses Versuchs wäre mein Tod und Mom's Trauer und Schmerz darüber, dass sie ihren Job bei ihrem Kind machen musste. Ich will ihr nicht wehtun. Mein Dämon will es nicht. Aber warum? Mir wurde so lang ich denken kann gesagt, dass Vampire seelenlose Monster sind, Tiere, die zum Vergnügen töten und andern Schmerz zufügen wollen. Ich hatte nie verstanden wie Mom dies sagen konnte, obwohl sie Dad und seine Taten kannte. War das alles eine Lüge? Wohl kaum. Denn Vampire töten Unschuldige, das weiß ich nun sicher. Aber warum tut es Dad nicht mehr? Und warum will ich es nicht? Ich glaube nicht, dass es an der Seele liegt. Vielleicht ist es die Entscheidung des Dämons, die er auf Basis der Erinnerungen seines Wirts trifft. Aber wieso töten dann so viele Vampire? Das müsste bedeuten, dass alle Menschen vor ihrer Verwandlung die Welt und das Leben für beschissen hielten. - Ich versteh es nicht. Vielleicht sind Vampire auch nur wilde Tiere… Und Ausnahmen bestätigen die Regel.
Buffy's Stirnrunzeln wurde größer, als sie von dem Buch aufsah. „Sam, was ist passiert? Wie wurdest du zum Vampir?"
„Ihr habt euch doch das Video vom Jahrestag meiner Eltern angesehen."
„Woher-" Buffy war verblüfft. *Kann sie Gedanken lesen?*
Willow sah die Verwirrung ihrer Freundin. „Man sieht die zuletzt geöffneten Dateien im Explorer."
„Oh."
„Ihr wisst also dass ich krank war."
„Was genau hattest du eigentlich?" Giles setzte sich nun von der Tischplatte herab auf die Bank.
Sam wurde wieder stiller und ihre Züge ausdruckslos. „Leukämie. – Es trat schon einige Jahre zuvor auf und Mom weinte zwei Tage durch. Und Dad fing damals wieder so richtig mit dem Rauchen an. Ich dachte damals, dass es ihnen zuviel werden würde und Dad uns verließe. Aber das war zum Glück nicht so und ich bekam eine Knochenmarkspende, die mich vorübergehend gesund machte. Doch mein Körper stieß die fremden Gene ab. Die Ärzte konnten es sich nicht erklären, da der Spender so gut zu mir gepasst hatte. Aber Mom gab sich die Schuld und erzählte mir dass es wahrscheinlich daran lag, dass ich ihre nichtmenschliche Molekühlstruktur geerbt hatte."
„Heißt das, dass Jägerinnen Dämonen sind?" Jetzt da Dawn wusste, dass sie selber einmal eine Jägerin werden würde, gefiel ihr das immer weniger.
„Nein. Mom starb vor meiner Geburt. Ähm, das war glaub ich das zweite Mal, dass Mom gestorben ist… Auf jeden Fall waren, als sie zurückkam, ihre Molekühle etwas durcheinander geraten. Sie war immer noch die selbe, bloß dass Dad's Chip sie nicht mehr eindeutig als Mensch identifizieren konnte."
"Spike konnte mich schlagen?!"
„Genau. – Ich hatte diesen Defekt von dir geerbt und stieß die menschlichen Molekühlstruktur ab. – Mein Blut wurde immer kränker und kränker und die Ärzte pumpten mich mit Chemotherapie und Medikamenten voll. Aber all das half nichts und ich fiel ins Koma. Kurz bevor dies geschah, fragte mich Mom, ob ich bereit wäre weiter zu gehen. Sie hatte mir damals viel vom Himmel und der Zufriedenheit erzählt, die sie empfunden hatte, als sie dort war, um mir die Angst zu nehmen. Ich hatte immer gedacht, dass ich den Tod einer Jägerin sterben würde; ehrenvoll im Kampf. Stattdessen bestand mein einziger Kampf darin, den nächsten Tag und die vielen Therapien zu überleben. Ich antwortete ihr, dass ich mir wünschen würde, dass alles wieder wie früher vor der Krankheit war. Ich dachte mir nichts dabei, aber ihre Frage hatte mehr in sich als mir damals klar war. Dad war zu dieser Zeit etwas seltsam; ich dachte es läge an meinem nahenden Tod… aber als ich im Koma lag und es sich nur noch um Tage handelte, hast du mit den Ärzten gesprochen; ihnen gesagt, dass du nicht willst, dass deine Tochter im Krankenhaus, fest gekettet an Maschinen stirbt. Sie erlaubten, dass ihr mich nach Hause nehmen durftet. Ihr habt mich in mein eigenes Bett gelegt, das ich schon seit Monaten nicht mehr berührt hatte. Die Fenster waren mit dicken Wolldecken verhängt und auf dem Nachtisch lagen ein Pflock und zwei Spritzen. Dad nahm sich eine große Menge Blut ab, die ihr mir gespritzt habt. Während der ‚Bluttransfusion' gabt ihr mir die Überdosis an Schlafmittel, die sich in der anderen Spritze befand. Ich starb am späten Nachmittag, noch rechtzeitig für die Verwandlung. Kurz vor Sonnenaufgang wachte ich auf. Ich lag in Mom's Armen, als wäre ich noch die fünfjährige, die sie so zu halten pflegte, und Dad streichelte immer wieder über meinen Arm; über die Einstiche. Ich war verwirrt und realisierte die Veränderung zuerst nicht. Ihr fragtet mich wie es mir ginge. Für mich war es ein Rätsel, dass ich auf einmal gesund zu Hause war. Aber dann bemerkte ich die verhängten Fenster, die das Sonnenlicht nicht passieren ließen und den Pflock, der griffbereit neben meinen Eltern lag. Dann geschah alles so schnell. Ich wurde wütend und hatte Angst. Ich rannte so schnell ich konnte weg von ihnen und schloss mich im Badezimmer ein. Dort verbrachte ich Stunden mit Weinen und dem Zerschlagen der Spiegel. Irgendwann erinnerte ich mich, dass ich mein Tagebuch unter der Waschmaschine versteckt hatte und begann zu schreiben. Die ersten Einträge waren so unleserlich geschrieben und böse, dass ich sie später herausgerissen habe. Gegen Abend kam ich heraus, immer noch wütend auf das, was sie mir angetan hatten, aber ich hatte meine Entscheidung getroffen. Ihr hattet wohl die gesamte Zeit über vor der Tür gewartet. Zusammen gingen wir hinunter in die Küche und Dad erhitzte Schweineblut. Die gesamte Zeit über hatte keiner von uns ein Wort gesagt. Ich ging früh schlafen und spürte eure Präsens lange vor meiner Tür. Den nächsten Tag schwiegen wir alle. Ich schlief und aß hauptsächlich… und bei Einbruch der Nacht gingen wir wieder zusammen auf die Jagd. Das war das erste Mal seit meinem Rückfall; und durch das gemeinsame Jagen normalisierte sich unser Verhältnis wieder." Ein tiefes Schweigen umschlang die Gruppe, als die Worte des Mädchens in die Scoobies sanken.
Buffy richtete langsam den Blick auf die Vampirin vor ihr und sprach leise; ungläubig und schockiert. „Wir haben Sterbehilfe bei unserer eigenen Tochter angewendet."
„Das war doch sicher Spike's Idee!" Xander brach die Stille.
„Mom hatte ihn darum gebeten. Er wollte mich zwar genauso wenig verlieren, aber er hatte Bedenken. - Aber das ist jetzt egal. Es hat sich nicht viel geändert." Sagte Sam kopfschüttelnd. Sie nahm das Buch und steckte es weg.
„Du bist jetzt ein Vampir!" Buffy konnte die Gleichgültigkeit nicht verstehen.
„Vampire sind Jägerinnen äußerst ähnlich. Aus diesem Grund fühlst du dich zu Vampiren hingezogen und die sich zu dir." Sam stand auf und ging schweigend aus der Seitentür; hinaus in die Nacht.
Review nicht vergessen J
