2.
Dann
war Lily an der Reihe.
Sie
kam kaum weiter als bis zur Tür des Zimmers, dass den Nolans als
gute Stube zu dienen schien,
so
voll war es mit Möbeln und allerlei Einrichtungsgegenständen.
Neben
einer riesigen Mahagoni-Angib, stand ein reich verzierter
Kamin-Schutzgitter.
Wohin
das Auge fiel, überall standen Fußbänkchen und
Beistelltischchen.
Dann
fiel Lily's Blick auf eine mit braunem Samt überzogenen
dreiteiligen Sitzgarnitur,
von
der noch nicht einmal die durchsichtigen Plastiküberzüge
abgenommen waren.
In
einem dieser Sessel saß Mrs. Nolan und deutet Lily, sich ihr
gegenüber zu setzen.
„Nehmen
sie Platz, meine Liebe", sagte sie.
„Sie
haben einen langen Weg hinter sich, meine Liebe", fuhr sie fort.
„Kugeln
oder karten?"fragte Mrs. Nolan Lily.
„W...
Wie bitte?"
„Die
Kristallkugel oder die Tarotkarten?", fragte die Wahrsagerin nun
ein bisschen gereizt.
„Ach
so! Mal sehen. Was ist der Unterschied?", fragte Lily mit
gespielter Ahnungslosigkeit.
„'n
Fünfer"gab Mrs. Nolan zurück.
„Nein,
ich meinte ... Schon gut. Bitte die Karten", Lily gab es auf
„Wie
sie wünschen", gab Nolan zurück und begann,
den
Packen mit der Fingerfertigkeit eines Pokerspielers auf einem
Mississippidampfer zu mischen.
„Jetzt
Sie, meine Liebe", sagte sie und gab Lily die Karten.
„Achten
Sie aber darauf, dass sie nicht zu Boden fallen"
Lily
überlegte kurz ob sie die Karten absichtlich fallen lassen soll,
aber
sie wusste aus der Schule dass so was Unglück bringt.
Doch
bevor sie zu einem Entschluss gekommen ist sprach Mrs. Nolan schon
weiter.
„Ich
hab's nämlich im Kreuz"erklärte sie
„und
der Arzt hat mir das Bücken verboten"
Lily
sah sie entsetzt an.
Das
wird ja wohl nicht ihr ernst sein oder?
Diese
Frau hat ja noch weniger Ahnung von Wahrsagen wie Lily, und das soll
schon was heißen.
Zwar
war Lily in allen Fächern Klassenbeste, außer Verteidigung
gegen die Dunklen Künste,
da
waren James und Sirius besser wie sie, aber Wahrsagen konnte und
wollte Lily nicht verstehen.
„Stellen
sie eine Frage, meine Liebe"forderte Mrs. Nolan Lily auf.
„Die
Karten werden sie Ihnen beantworten. Stellen Sie sie nicht mir, meine
Liebe. Ich brauch das nicht zu wissen - ",
und
eine kleine Pause bedeutlungsschwerer Blickkontakt
„meine
Liebe".
Lily
hätte alle möglichen Fragen stellen können, wie
beispielsweise,
ob
man je etwas gegen den Hunger auf der Welt unternehmen,
oder
ein Mittel gegen AIDS finden würde,
ob
es auf der Welt Frieden geben
oder
ob man imstande sein würde, das Ozonloch zu reparieren.
Aber
erstaunlicherweise beschloss Lily zu fragen,
ob
sie irgendwann einen netten Mann kennen lernen würde.
„Haben
Sie sich für eine Frage entschieden, meine Liebe?", fragte die
Wahrsagerin und nahm Lily die Karten wieder ab.
Lily
nickte. Mit flinken Fingern verteile sie die Karten aus dem Stapel
auf den Tisch.
Lily
kannte zwar nicht die Bedeutung aller Bilder, fand aber das sie viel
versprechend aussahen.
Viele
der abgebildeten Gestalten trugen Schwerter, was nichts Gutes
bedeuten konnte.
„Ihre
Frage betrifft einen Mann, meine Liebe?", fragte Mrs. Nolan.
Doch
diese Frage beeindruckte Lily nicht.
Sie
war jung. Hatte nicht viele sorgen.
Die
meisten jungen Frauen gehen wegen ihren Liebesleben zu einer
Wahrsagerin.
Gelangweilt
bejahte Lily die Frage.
„Sie
hatten Unglück in der Liebe, meine Liebe"Sagte sie nun
mitfühlend.
Doch
auch dadurch lies sich Lily nicht beeinflussen.
Ja,
sie hatte Pech in der Liebe gehabt.
Aber
zeig mir eine Frau, für die das nicht zutrifft.
„In
ihrer Vergangenheit gibt es einen blonden Mann, meine Liebe", fuhr
sie fort.
Wahrscheinlich
meinte sie Steve.
Lily
lernte ihn in den Weihnachtsferien kennen als sie mit ihren Eltern
Skifahren war.
Anderseits,
in der Vergangenheit welcher Frau gibt es keinen blonden Mann?
"Er
war nicht der richtige für Sie, meine Liebe"teilte Mrs. Nolan
Lily mit.
„Danke",
sagte Lily eine Spur verärgert. Das hatte sie selbst schon
gemerkt.
„Verschwenden
sie keine Tränen an ihn, meine Liebe"riet sie.
„Keine
Sorge"
„Denn
es gibt einen andern, meine Liebe", fuhr sie fort und schenkte
Lily
ein breites Lächeln, dass sie an Sirius erinnerte.
„Tatsächlich?",
fragte Lily entzückt und beugte sich ein Stück vor.
Jetzt
wird es interessant.
„Ja",
sagte sie und betrachtete aufmerksam die Karten
„Ich
sehe eine Hochzeit"
„Wirklich?"
fragte Lily „Wann?"
„Bevor
das Laub zum zweiten Mal gefallen ist, meine Liebe"
„Wie
bitte?"
„Bevor
die vier Jahreszeiten eineinhalbmal um sind"
„Entschuldigung,
ich verstehe immer noch nicht ganz, was Sie meinen"erklärte
Lily
„In
gut einem Jahr", sagte Mrs. Nolan kurz angebunden.
Es
klang ein wenig mürrisch. Lily war etwas enttäuscht.
In
gut einem Jahr wird Winter sein, und sie hatte immer davon geträumt
im Frühling zu heiraten,
jedenfalls
bei den wenigen Gelegenheiten,
bei
denen sie sich überhaupt vorstelle, dass sie heiratet.
„Ein
bisschen später ginge es nicht?", fragte Lily.
„Meine
Liebe"sagte Nolan scharf
„Auf
diese Dinge habe ich keinen Einfluss. Ich bin nur die Übermittlerin
der Botschaft."
„Verzeihung"
Murmelte Lily.
„Sagen
wir sicherheitshalber bis zu achtzehn Monaten"räumt Nolan
ein, ein wenig freundlicher.
„Danke"
sagte Lily. Das fand sie ausgesprochen entgegenkommend.
Sie
würde also heiraten. Großartig. Vor allem, wo sie schon
zufrieden gewesen wäre, einen Freund zu haben.
„Ich
frag mich, wer das sein könnte"überlegte Lily laut.
„Sie
müssen vorsichtig sein, meine Liebe"teilte Mrs. Nolan ihr
mit.
„Möglicherweise
erkennen Sie ihn nicht gleich als den, der er ist."
„Heißt
das, dass ich ihm beim Maskenball begegne?"
„Nein"
sagte sie bedeutungsvoll
„möglicherweise
scheint er Ihnen am Anfang nicht der zu sein, der er ist."
„Ach
so, Sie meinen, dass er mir etwas vormacht"gab Lily zurück,
nun verstand sie.
„Das
ist schon in Ordnung. Warum sollte er anders sein als die andern?"
Lily lachte.
Mrs.
Nolan schaute Lily verdrießlich an.
„Nein,
meine Liebe", sagt sie gereizt.
"ich
will damit sagen, dass sie darauf achten müssen, Cupido seine
Aufgabe nicht zu erschweren,
indem
Sie mit Scheuklappen durchs Leben gehen.
Vielleicht
erkennen Sie selbst, wer dieser Mann ist.
Dann
müssen sie ihn mit klaren und furchtlosen blick ansehen.
Es
ist möglich, dass er kein Geld hat, aber deshalb dürfen Sie
ihn nicht demütigen.
Es
ist möglich, dass er nicht besonders gut aussieht, dann dürfen
Sie ihn nicht herabsetzten."
GROßARTIG,
dachte Lily. Sie hätte es sich denken können!
„Ich
verstehe", sagte Lily
„Er
ist also arm und hässlich"
„Nein,
meine Liebe"erwiderte Mrs. Nolan und gab in ihrer Verzweiflung die
geheimnisvolle Sprechweise auf.
"Ich
will damit lediglich sagen, dass er möglicherweise nicht ihren
bisherigen Vorstellungen entspricht"
„Ach
so", antwortete Lily. Das hätte sie doch gleich sagen können,
statt mit ihrem mit klarem und furchlosen Blick ansehen
„Wenn
mich also Jason mit seinen siebzig Jahren, all seinen Narben und der
schrecklichen engen Hose anquatscht"fuhr Lily fort
„und
mich zu einer Drogenparty einlädt, darf ich ihm also nicht ins
Gesicht lachen und ihm sagen, er soll sich zum Teufel scheren."
„So
ungefähr, meine Liebe", sagte Mrs. Nolan trocken
„Die
Blume der Liebe kann an den Unerwahrtesten Orten aufblühen, und
Sie müssen bereit sein, sie zu pflücken"
„Ich
verstehe", nickte Lily
Rasch
wies Mrs. Nolan auf die restlichen Karten.
„Sie
werden drei Kinder bekommen, zwei Mädchen einen Jungen, meine
Liebe"und
„Sie
werden nie Geld haben, aber glücklich sein, meine Liebe"und
"Sie
haben eine Feindin am Arbeitsplatz. Sie neidet Ihnen Ihren Erfolg"
Dann
Lies sie eine Pause eintreten.
„Sie
haben unter einer Wolke gelebt, meine Liebe"sagt Nolan gedehnt.
„Doch
aus dieser Wolke wird ein Ungewitter und etwas Düsteres und
Trauriges wird gesehen"
Lily
blieb ein Klos im Hals stecken.
„Sie
werden es viele Jahre mit sich herumtragen, meine Liebe.
"Sie
werden sich alleine, verlassen und verraten fühlen"wieder
machte Nolan eine Pause bevor sie fort fuhr.
„Das
können Sie ändern, meine Liebe. Aber Sie dürfen sich
nicht vor Menschen verstecken, die Ihnen ihre Hilfe anbieten. Wie
könnten die Ihnen helfen, wenn Sie ihnen keine Möglichkeit
dazu geben?"
Auf
einmal verspürte Lily den Drang den Raum zu verlassen.
Sie
bedankte sich schnell von Mrs. Nolan bezahlte sie und ging in die
Diele zu ihren Freundinnen.
