Part 2 - First step into a new life
weil uns endlich keine Schranke mehr hält.
Wie eine Peitsche schlug der Wind gegen die Fenster des Schlafsaals. Die Scheiben klirrten kurz in ihrem Rahmen, bis sie wieder verstummten und schwiegen, wie es ihre Gewohnheit war. Der ehemals blaue Himmel war von grauen Wolken verhangen, doch noch waren sie nicht in ihr tiefgraues Kleid gehüllt, das Donner und Blitz mit sich brachte. Es war nur windig und wieder ein wenig kühler geworden, doch noch immer wärmer als der vergangene Winter.
So wie der Himmel sich verhangen hatte, so schienen auch die Gedanken der Schüler wieder gefangen zu sein, mit dem, was sie schon das ganze Schuljahr fürchteten. Die ersten Strahlen des Frühlings waren in der Lage gewesen Voldemorts Präsenz für ein paar schöne und glückliche Augenblicke aus ihre Köpfen zu vertreiben, doch nun waren sie sich dessen wieder bewusst.
Es war Samstagmorgen, als Harry gedankenversunken durch die Gänge ging. Seine Schritte gaben ein dumpfes Hallen auf dem alten Stein. Er achtete nicht darauf, wohin er ging, aber er war diesen Weg schon so oft gegangen, dass er ihn mit geschlossenen Augen gefunden hätte.
Es war ungewöhnlich ruhig in den Gängen von Hogwarts, was aber nur daran lag, dass die Osterferien begonnen hatten und der Großteil der Schüler nach Hause gefahren war. Auch seine Freunde waren gegangen, worüber er dankbar war. Es war einiges geschehen, worüber er nachdenken musste und da konnte er niemanden gebrauchen, der ständig fragte, ob er Lust zu einem Schachspiel oder derartigem hätte.
In der großen Halle angekommen sah er sich nicht um und setzte sich auf seinen normalen Platz. Um ihn herum erschienen die verschiedensten Speisen, aber er nahm sich nur ein Stück Toastbrot, das er langsam bestrich und noch langsamer aß.
In seinem Kopf wirbelten so viele Gedanken, obwohl er gleichzeitig das Gefühl hatte, er sei leer. Es erschien alles wie eine große dunkle Masse, die ihn an ein schwarzes Loch erinnerte, da sie alles in sich einverleibte. Es gab so viel, worüber er nachdenken musste, so viel worüber er nachdenken wollte und so wenig was einen freudig darüber denken ließ.
Irgendwie musste er seine Gedanken ordnen, sie zusammenfassen und einzeln abarbeiten, aber er konnte das einfach nicht. Wenn er sich auf einen Gedanken konzentrierte, kamen ihm sofort noch zehn andere in den Sinn, die mit dem ersten in Verbindung standen.
Er seufzte. "Bei einem vollen Kopf ist Ablenkung das beste um ihn leer zu kriegen." Harry wusste nicht mehr, wer ihm das gesagt oder wo er es gehört hatte, aber er war bereit diesen Rat auszuprobieren. Doch sobald er sich dies überlegt hatte, wurde ihm klar, dass er das allein nicht schaffen würde - und es war auch niemand da, der ihn hätte ablenken können. Er seufzte wieder. Vielleicht war er dazu verdammt zu-
"Merlin, Potter! Ich dachte mit der Brille siehst du was! Ich hab wie verrückt gewinkt und du siehst mich trotzdem nicht!"
Draco ließ sich demonstrativ beleidigt auf den Stuhl neben Harry fallen. Letzterer sah verwundert auf. Sicher, was vor einigen Tagen auf dem Nordturm passiert war, hatte sie irgendwie verbunden, aber dass er sich freiwillig und noch dazu in der Öffentlichkeit neben ihn setzte... das überraschte ihn doch ein wenig.
Allerdings sah Draco nicht ganz so glücklich aus. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, sah sich um und rümpfte dabei die Nase. Nachdem er dies eine ganze Weile praktiziert hatte, fiel sein Blick schließlich auf den Jungen neben sich.
"Wie kann man hier immer sitzen?!! Das ist ja schrecklich... diese Perspektive!" Der Blonde schauderte, Harry zog verwirrt die Augenbrauen hoch. Dann huschten die sturmgrauen Augen ein paar Mal von einer Seite zur anderen, bis sie geradeaus gerichtet wurden mit einem extrem entsetzten Blick. Harry wurde noch verwirrter angesichts dieser Aktion, was Dracos weinerlicher Ton nur noch verstärkte:
"Oh Merlin!! Ich sitze am Gryffindortisch!!"
Harry blinzelte.
- - -
Verdammt, was um Merlins Willen hatte ihn dazu genötigt, sich an den Gryffindortisch zu setzen?!! War das wirklich er gewesen?! Hatte er diese Entscheidung wirklich aus eigenem freien Willen getroffen?! Hatte er dies wirklich gewollt?!
Ein Blick neben sich auf Harry bejahte Draco diese Fragen. Er knurrte. Warum musste der Kerl auch aussehen wie ein Häufchen Elend? Warum musste sie diese Szene auf dem Nordturm vor ein paar Tagen auch unbedingt verbinden?! Ach verdammt, es war doch alles scheiße...
Mit einem weiteren Knurren klärte er sowohl Blick als auch Stimme und sah sich prüfend auf dem Tisch um. Das Essen schien jedenfalls das gleiche wie drüben am Slytherintisch zu sein... trotzdem probierte er erst eine Gabelspitze von dem Rührei, bevor er es für gut befand und sich die halbe Schale auf den Teller schöpfte.
"Willst du nichts?", fragte er an Harry gewandt. Der blickte immer noch ein wenig verwirrt auf ihn, dann auf das Rührei, danach wieder auf ihn und schüttelte schließlich den Kopf. Draco zuckte nur mit den Schultern und nahm sich den Rest.
"Wo ist denn deine ganze 'Lasst-uns-die-Welt-retten'-Bande?!" Die grauen Augen glitten einmal den Tisch entlang, an dem außer ihnen beiden niemand saß und sah danach den Jungen neben sich an. Wenn er ihn mit seiner sarkastischen Bemerkung verärgert hatte zeigte er es nicht.
"Nach Hause gefahren..."
Kauend nickte der andere. Für einen Moment war er versucht zu fragen, merkte durch einen verstohlenen Seitenblick aus den Augenwinkeln aber, dass das wohl nicht der beste Zeitpunkt war. Stattdessen meinte er:
"Und was hast du so vor die zwei Wochen alleine?"
Weiter sein Rührei essend wartete er auf eine Antwort, doch diese blieb aus. Stattdessen sah der Junge neben ihm nur verklärt auf seinen Teller, in dem ein Pfannkuchen lag, der von Harrys Stocherei schon mit Löchern gespickt war.
Augenrollend und kopfschüttelnd näherte der Blonde sich dem anderen, bis er über seine Schulter schauen konnte. Dann meinte er mit euphorischer Stimme:
"Ja, gib's ihm! Diese bösen, bösen Pfannkuchen! Die sind alle gleich! Die haben nichts besseres verdient! Am besten du ertränkst ihn noch mit Ahornsirup!"
Bevor Harry irgendwie reagieren konnte, hatte Draco sich schon die Kanne geschnappt und schüttete die bräunliche Flüssigkeit auf den Pfannkuchen.
Noch verwirrter als zuvor sah Harry auf und starrte den anderen Jungen an, konnte aber nichts sagen. Der Blonde sah von dem Teller auf und in die grünen Augen, dann zog er eine Augenbraue hoch und meinte abschätzig:
"Was denn? Dein Pfannkuchen scheint ja interessanter zu sein als ich..."
Der Schwarzhaarige blickte beschämt zu Boden, dann nuschelte er:
"Ich hab nachgedacht."
"Über was?"
"... ich weiß nicht..."
Draco schniefte, bevor er sich einen weiteren Bissen des Rühreis in den Mund schob. Die Augenbraue verweilte an ihrem höheren Platz.
"Weiß man nicht normalerweise über was man nachdenkt, wenn man über etwas nachdenkt...?"
Harry stocherte weiter. "Nicht, wenn man zuviel hat, worüber man nachdenken muss..."
Draco schwieg kurz, bevor er den letzten Rest des Eies aß und sich während seines darauffolgendes Satzes gleich fünf Pfannkuchen auf einmal nahm:
"Ich wusste immer, dass du komisch bist, Potter."
Harry blinzelte wieder.
Harry war ein wenig verwirrt. Nein... wenig traf es nicht so wirklich. Eigentlich war Harry total verwirrt. Alles an dieser Situation kam ihm extrem abstrus vor. Immerhin war das da Draco Malfoy neben ihm. Der Draco Malfoy, mit dem er immer eine tiefe Feindschaft gehegt hatte. Hätte ihm vor einem Jahr jemand gesagt, er würde irgendwann einmal mit Draco Malfoy am selben Tisch sitzen und sich mit ihm unterhalten, als wären sie seit jeher Freunde, hätte er gelacht. Ja, er hätte sogar einen Lachkrampf bekommen. Aber im Grunde war das noch nicht mal am seltsamsten.
Der Blonde war schon immer sehr schlank gewesen und nun, da er derart gewachsen war, dass er Harry um fast einen Kopf überragte, erschien er schon beinah hager, als würde er nicht genug essen, aber... aber...
Mit immer größerer Verwunderung beobachtete der Schwarzhaarige wie sein Nachbar sich mittlerweile das fünfte Toastbrot in den Mund schob - nach einer ganzen Schale Rührei, mindestens zehn Pfannkuchen und einer Schale Haferschleim. Und irgendwie sah es nicht so aus, als würde er bald fertig sein.
Der Blonde schien den Blick des anderen zu spüren, denn irgendwann hielt er in seinem Essen inne und blickte Harry aus den Augenwinkeln an.
"Was is'?", meinte er misstrauisch.
Der Angesprochene wusste nicht genau, wie er sich ausdrücken sollte und sah nur mit offenem Mund etwas hilflos zwischen Draco und dessen Teller umher. Der Slytherin schien aber diesbezüglich schon häufiger angesprochen zu sein, denn er meinte nur schulternzuckend:
"Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages."
Harry wusste dadrauf nichts zu erwidern. - - -
Nach gut einer Stunde hatte Draco alles Essbare verputzt, was auf dem Tisch zu finden gewesen war. Es erschienen auch keine neuen Speisen mehr. Harry fragte sich unwillkürlich, ob Draco sämtliche Vorräte aufgegessen hatte.
"Hach!" Mit einem zufriedenen Grinsen lehnte der Blonde sich zurück und tätschelte seinen - beachtlich flachen - Bauch. "Jetzt geht's mir gut. Was machen wir jetzt?!"
Harry blinzelte wieder. "Kannst du dich überhaupt noch bewegen?!"
Nun war es an den grauen Augen verwirrt zu schauen. "Wieso?" Seine Stimme zeigte, dass er die Frage wirklich nicht verstanden hatte.
Für einen Moment versucht es ihm zu erklären, schüttelte Harry dann den Kopf und meinte nur:
"Vergiss es."
"Okay."
Ein paar Minuten vergingen in Schweigen. Der Schwarzhaarige starrte auf seinen leeren Teller, der andere in die Gegend, bis ihm plötzlich etwas auffiel.
"Du hast meine Frage nicht beantwortet!"
"Welche Frage?"
Draco verzog beleidigt das Gesicht. "Meine Güte, ich glaub, du bist eher taub als blind! Was wir jetzt machen, hab ich gefragt!"
Wieder war Harry verwirrt. "Warum?", fragte er schließlich.
Der Blonde sah ihn einen Augenblick an, als wäre er das dümmste, was derzeit auf der Welt herumlief:
"Um dich abzulenken!? Du hast doch selbst gesagt, dass du zu viel zum Nachdenken hast! Bei so was muss man sich ablenken, danach geht's besser."
Die beiden Jungen sahen sich an. Draco schaute ein wenig belehrend, Harry wie so oft an diesem Morgen verwirrt. Dass dieses Angebot gerade von dem anderen kam, überraschte ihn, aber er nahm schließlich nickend an. Gerade als er fragen wollte, was sie machen sollten, betrat Professor Snape die Halle.
Sein Blick war zuerst auf den Slytherintisch gerichtet, als ob er dort etwas suchen würde. Doch es saß niemand da, denn Draco war auch der einzige seines Hauses, der über die Ferien geblieben war. Verwirrt huschten die schwarzen Augen dann kurz zum Gryffindortisch, nicht so, als ob sie dort etwas Außergewöhnliches erwarten würden.
Als sein Blick auf Draco fiel, blieb der Mann augenblicklich stehen, mit einem Ausdruck in den Augen, den Harry nicht zu deuten wusste. Doch irgendetwas sagte dem Jungen, dass sein Professor gleich ausflippen würde. Vielleicht war es dieses Entsetzen, das sich langsam in die schwarzen Augen schlich, vielleicht auch das Zucken des einen Auges, das er immer hatte, wenn jemand etwas machte, was ihm ganz und gar nicht gefiel. Und Harry hatte das schon verdammt oft gesehen! Immerhin gefiel dem Mann alles was er tat ganz und gar nicht...
Draco schien diesen Blick auch zu kennen, denn er wurde auf seinem Stuhl fortwährend kleiner, je länger der Blick des Mannes dauerte.
Schließlich neigte Snape seinen Kopf langsam nach rechts, ein Zucken durchfuhr sein Gesicht und - er setzte seinen Weg zum Lehrertisch wortlos fort. Dort ließ er sich missmutig auf seinen Stuhl fallen, beachtete Dumbledores freudiges 'Guten Morgen' gar nicht und schenkte sich erst einmal eine Tasse Kaffee ein. Für Harry sah er aus, als ob er am liebsten noch einen guten Schluck Whiskey dazugehabt hätte.
"Mist", nuschelte Draco dann neben ihm. "Ich bin tot..."
Der Schwarzhaarige blinzelte wieder verwirrt. Doch noch bevor er fragen konnte, was der andere meinte, hatte dieser ihn am Handgelenkt geschnappt und war mit ihm auf dem Weg nach draußen. - - -
Der Wind blies ihnen entgegen und drängte sie fast wieder zurück in den Turm, doch die beiden Jungen stellten sich ihm entgegen und saßen kurz darauf an den Turm gelehnt, den Blick auf den Himmel über ihnen gerichtet. Doch als Draco zu seinem Nachbar hinüber sah, merkte er, dass dessen Blick auf die Zinnen gerichtet war.
"Wenn du dich wieder da drauf stellen willst, dann geh ich wieder. Ich bin nicht lebensmüde und lass mich vom nächst stärkeren Windstoß da runterwehen..."
Aus den Gedanken gerissen wandte Harry seinen Blick nach links und brauchte ein paar Sekunden um den vorangegangenen Satz zu realisieren. Als er verstand, blickte er zu Boden.
"Ich will mich nicht da drauf stellen... es ist nur seltsam, es plötzlich nicht mehr zu tun... ich stand das ganze Schuljahr nur da oben..."
Draco zögerte kurz, fragte dann aber doch. "Wolltest du wirklich springen?"
Der Schwarzhaarige blickte nicht auf, als er sprach, aber seine Antwort kam augenblicklich. "Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn ich irgendwie hinuntergefallen wäre..."
Der andere schwieg. - - -
Es war seltsam dort zu sitzen, so nahe an dem Abgrund, der beinah das eigene Verderben geworden wäre, so nahe an dieser Schwelle, die man fast schon überschritten hatte. Und es war seltsam jemanden neben sich sitzen zu spüren und ihn nicht als störend zu empfinden.
Das ganze Schuljahr über hatte er alle Menschen um sich herum als lästig empfunden, ungewollt in seiner Nähe. Er hatte nie etwas gesagt, aber er hatte so gefühlt. Selbst Ron und Hermine waren ihm unangenehm gewesen. Die besorgten Blicke, die sie ihm aus den Augenwinkeln zuwarfen, die er zwar nicht sah, aber doch so deutlich auf sich spürte. Die Blicke all der anderen Schüler und Lehrer an dieser Schule, die ihn immer gemustert hatten, war er an ihnen vorüber gegangen. Jede Person in diesem Schloss hatte ihre Worte sorgfältig abgewogen, wenn sie mit ihm gesprochen hatte. Ein Zucken seiner Augen hatte gereicht um sie alle verstummen zu lassen, aus Angst sie hätten etwas Falsches gesagt. Es war schrecklich behandelt zu werden, als ob man zerbrechlich wäre wie dünnes Glas. Und es hatte ihn nur weiter in dieses abgestumpfte Wesen verwandelt, das er zum Schluss gewesen war.
Draco war da anders. Er wägte zwar auch hin und wieder ab, was er sagte - das hatte Harry gespürt - aber den Großteil sagte er einfach frei hinaus, ungeachtet aller Gefühle, die Harry empfinden könnte. Andere hätten das vielleicht Grobheit genannt, unsensibel und gemein, doch Harry nicht. Er wusste nicht warum, aber es tat einfach gut so behandelt zu werden, wie es früher gewesen war. Auch wenn seine und Dracos Beziehung nun anders war, kleine Gemeinheiten und Stichelein hatte er beibehalten und nicht abgelegt.
"Sag mal", wurde er dann von dem Blonden ein weiteres Mal aus den Gedanken gerissen. "Was hast du eigentlich die ganze Zeit hier oben gemacht?!"
"Nachgedacht..."
"Über was?"
Harry zuckte die Schultern. Draco sah ihn kurz mit abschätzigem Blick an, bevor mit den Augen rollte und einen missfallenden Ton ausstieß.
"Du brauchst echt 'ne Ablenkung, Potter... Dringendst!"
"Das ist nicht so leicht..." Die Stimme des Schwarzhaarigen war leise und hatte einen Hauch von Trauer. Was würde er für eine Ablenkung geben... wenn sie auch nur kurz dauern würde... eine kleine, kurze Ablenkung...
"Warst du in diesem Schuljahr eigentlich schon mal aus dem Schloss draußen?!"
Harry schüttelte den Kopf.
"Na, dann wissen wir ja, wo wir hingehen!"
Bevor der andere etwas sagen konnte, hatte Draco ihn schon wieder am Handgelenk gepackt und zog ihn nun die Treppen des Nordturms hinunter.
"Wohin denn?"
"Na, wo wohl?! Hogsmeade!"
Harry blinzelte wieder. "Aber es ist kein Hogsmeadewochenende..."
"Ach, das brauchen wir nicht."
"Aber wir dürfen nicht einfach so gehen..."
"Ich weiß, wir fragen ja auch."
"Aber-"
"Kein aber und jetzt sei still. Ich hab Beziehungen, ich krieg das schon geregelt."
Wieder blinzelte der Schwarzhaarige. Beziehungen? - - -
Sowohl grüne als auch graue Augen blickten auf die Tür. Die Grünen verwirrt, die Grauen mit einer Mischung aus Entschlossen- und Unsicherheit.
"Was machen wir hier?", fragte Harry schließlich.
"Das hab' ich dir doch erklärt."
Der Schwarzhaarige zog erstaunt die Augenbrauen hoch. "IHN?!!"
"Ja, wen denn sonst...?"
"... jemand anderen..."
Draco runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. "Glaubst du allen ernstes McGonagall würde uns 'ne Erlaubnis geben?!"
"Ich glaube allen Ernstes, dass sie uns eher eine Erlaubnis geben würde als er..."
"Wieso?"
"Er hasst mich... er hasst jeden!""
"Stimmt doch gar nicht!", meinte Draco schon fast empört.
Harry sah ihn nur mit einem zweifelnden Blick an.
"... okay, okay, vielleicht stimmt es doch, aber ich weiß, wie ich mit ihm reden muss, komm mit!"
Und der Kleinere konnte sich nicht wehren, als der andere ihn mit in Snapes Büro schleifte. - - -
"Nein."
Das hätte Harry auch gleich sagen können.
Es war dunkel, wie immer, in Snapes Büro, nur im Kamin flackerte das Feuer und ein paar Kerzen auf dem Schreibtisch. Harry fragte sich, wie der Mann bei dem spärlichen Licht die Arbeiten korrigierten konnte, aber ab und an glaubte er sowieso, dass Snape fähig war in der Dunkelheit zu sehen.
Als sie hineingekommen waren, war der Schwarzhaarige an der Tür stehen geblieben und hatte Draco alleine bis zum Schreibtisch vorgehen lassen. Er befand dies als besser. Jeder wusste von seiner Wirkung auf den Mann.
Und so stand er da, während der Blonde versuchte den Zaubertränkeprofessor zu einer Sondererlaubnis zu überreden.
"Aber es ist stinklangweilig hier!"
"Dann sucht euch irgendeine Beschäftigung." Snape machte sich nicht einmal die Mühe aufzusehen.
"Es gibt hier aber nichts, was man machen kann..."
"Lernen?" Snapes Tonfall entlockte Draco einen missmutigen Laut.
"Es sind Ferien..."
"Und?" Der Junge knurrte.
"Wir haben nicht so viel auf..."
Snapes Augenbrauen wanderten beide in die Höhe.
"Wirklich!" versuchte der Blonde seine Aussagen zu bekräftigen.
"Jaja..."
"Nur einen Nachmittag!"
"Nein."
"Warum nicht?"
"Nein."
"Das ist keine Begründung!"
Snape sah ihn scharf an.
Für ein paar Sekunden schwieg der Junge und murmelte nur etwas Unverständliches vor sich her. Dann blickten seine Augen böse auf den Mann und als er wieder anfing zu sprechen, glaubte Harry sich verhört zu haben.
"Bitte!"
In seinem ganzen Leben in der Magierwelt hatte Harry noch nie einen Malfoy das Wort 'bitte' aussprechen hören. Und auch wenn es mehr geknurrt als gesprochen über seine Lippen gekommen war, so war es immerhin über sie geglitten.
Snape schien dieses Wort auch nicht häufig von einem Malfoy zu hören, denn er sah ein wenig erstaunt von seiner Arbeit auf, bevor er sich mit einem spöttischen und zugleich sadistischen Grinsen in seinem Stuhl zurücklehnte.
"Ein Malfoy bittet mich um etwas?! Dass ich das noch erleben darf!" Er schien diesen Augenblick voll und ganz auskosten und Draco wusste das auch.
"Nur heute!", brachte er, zwischen immer noch zusammengebissenen Zähnen, heraus.
Snape schien einen Augenblick zu überlegen, dann sagte er: "Nein."
Der Junge brach in einen Schreikrampf aus. - - -
Oh, wie er es hasste 'bitte' zu sagen! Auch wenn er mittlerweile gegen seinen Vater rebelliert hatte, das Malfoyblut war immer noch in ihm und eben jenes Blut ließ ihn dieses kleine Wort mit 'b' verabscheuen. Wenn es wenigstens Wirkung zeigen würde, dann hätte er es ja rechtfertigen können, aber Severus reagierte ja nicht einmal darauf!!
Vielleicht hätten sie doch zu McGonagall gehen sollen... wobei er mit ihr nicht sonderlich zurecht kam und eigentlich schlug Severus ihm auch nie etwas ab, warum gerade das?! Er blickte kurz nach hinten. Vielleicht lag es ja an Harry. Es war kein Geheimnis, dass er ihn nicht mochte, wenn nicht sogar hasste. Draco kannte die genauen Gründe nicht, es hatte etwas mit dem alten Potter und Black zu tun, aber mehr wusste er auch nicht. Severus schwieg sich darüber tot und sowohl sein Vater als auch seine Mutter interessierten sich sowieso nur für sich selbst. Bellatrix und Rodolphus, die mit Severus in einer Stufe gewesen waren, hatten in der Vergangenheit hin und wieder Andeutungen gemacht, aber er hatte die beiden sowieso nur zwei- oder dreimal gesehen und hatte auch nicht wirklich das Bedürfnis gehabt näher darauf einzugehen.
Nach seinem Schreikrampf überlegte Draco noch eine kurze Weile, irgendwie musste es ihm doch gelingen diese verdammte Erlaubnis zu kriegen!
Sein eines Auge zuckte kurz, als ihm die Idee kam. Schnell war er zu Harry gegangen und hatte ihn auf den einen Stuhl vor dem Schreibtisch geschubst, bevor er sich auf den anderen setzte und es sich so bequem machte, als wolle er die nächsten 48 Stunden nicht mehr aufstehen.
Severus folgte seiner Aktion mit den Augen, ließ aber kein Wort über seine Lippen kommen. Auch als beide Jungen schließlich saßen, verblieb er wortlos, doch sein Blick, mit dem er den Blonden betrachtete, sprach Bände. Letzterer zuckte nur mit den Schultern und meinte desinteressiert:
"Wenn wir nicht runter dürfen, bleiben wir halt den ganzen Tag hier."
Als wäre er das erste Mal in dem Büro, sah er sich interessiert um, musterte einige der Kannen und Gläser mit allen erdenklichen Zaubertrankzutaten und ließ den Blick über das restliche Möbiliär schweifen.
Severus' eine Augenbraue wanderte wieder nach oben, bevor er mit einem kurzen abschätzenden Laut, seine Aufmerksamkeit erneut den Pergamenten vor sich zuwandte.
Draco beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. So hatte er sich das nicht vorgestellt... Aber vielleicht hatte der andere ihn nur nicht richtig verstanden.
"Ich hab' gesagt, dass wir den ganzen Tag hier bleiben."
"Ich hab' dich schon gehört." Diesmal war es an dem Mann desinteressiert zu klingen.
Dracos Auge zuckte wieder.
"Wirklich den ganzen Tag!"
"Ja."
"Wir gehen nicht weg!"
"Mhm."
Nun zitterten seine Hände.
"Verdammt, stört dich das denn gar nicht?!!", schrie er dann los und knallte mit den Fäusten auf die Armlehnen seines Stuhles. Doch Severus blieb unbeeindruckt. Kühl meinte er:
"Nein."
Draco schrie wieder. - - -
Harry glaubte langsam nicht mehr aus dem erstaunten Blinzeln herauszukommen. Irgendwie war der ganze Morgen abstruser als sein ganzes Leben bisher... vielleicht, weil dieser Morgen sein ganzes Weltbild über den Haufen warf. Zum einen war Draco Malfoy nett zu ihm, man könnte fast sagen er kümmerte sich um ihn. Dann aß dieser Junge solche Unmengen, die die gesammelte Kinderschaft der Weasleys nicht schaffen würde und schien nicht einmal ein Gramm Fett zu besitzen. Weiter saß er in Snapes Büro um von diesem eine Erlaubnis für einen Hogsmeadebesuch zu bekommen. Dazu war der Mann heute extrem... geduldig. Von Dracos ständigem Geschreie ließ er sich nicht beeindrucken und blieb ganz ruhig. Und zu allem Überfluss hatte Draco ihn gerade auch noch geduzt! Wieso in Merlins Namen?! Aber Harry hatte nicht die Zeit darüber nachzudenken, denn der Slytherin setzte einen letzten verzweifelten Versuch an, die gewünschte Erlaubnis von seinem Hauslehrer zu erlangen.
"Nenn mir einen guten Grund, warum wir nicht runterdürfen!"
"Verdammt, Draco! Ich kann euch nicht allein gehen lassen!"
"Warum nicht?"
Snape betrachtete sein Gegenüber, als wäre dieser das dümmste, was er je gesehen hatte.
"Weil du genauso auf der Abschussliste des Lords stehst wie er." Dabei zeigte er mit einem seiner langen Finger auf Harry.
Draco sah beleidigt aus. Das war ein Argument, gegen das er nichts einwenden konnte. Dummer Dunkler Lord, der musste einem auch immer alles vermasseln. Dann fiel ihm etwas ein.
"Aber wenn du mitkommst, würde es gehen?!"
"Was?"
"Du hast gesagt, du kannst uns nicht alleine gehen lassen. Aber wenn jemand dabei ist, würde es gehen!"
Snapes einzige Reaktion war die Wiederholung seines Blickes. Doch Draco gab sich nicht geschlagen, er setzte jetzt vielmehr zu seinem finalen Schlag an.
"Och komm schon, Sev! Das wird bestimmt lustig!"
Schlagartig verdunkelte sich Snapes Blick und Harry wurde ungewollt an die Szene nach seinem Denkariumausflug im letzten Schuljahr erinnert. Damals hatte der Mann einen ähnlichen Blick gehabt.
"Nein!" Allein seine Stimme hätte ein ganzes Telefonbuch schneiden können.
"Du brauchst doch sowieso noch irgendwelche Froschinnereien, das hast du mir gestern selbst gesagt, also kannst du das auch jetzt holen! Komm schon! Oder ich umarme dich in nächster Zeit jedes Mal, wenn ich dich sehe!"
Mit diesem letzten Satz musste er irgendetwas getroffen haben, denn durch Snapes Gesicht ging ein angeekeltes Zucken. Dann verzogen sich seine Augen zu Schlitzen und aus seiner Kehle drang ein Knurren, das jedem Tier Konkurrenz gemacht hätte.
"Na gut", brummte er schließlich, sah aber nicht sonderlich erfreut aus, während er seine Feder weglegte und langsam aufstand. Draco tat es ihm, mit einem extrem breiten Grinsen, nach. "Wartet draußen auf mich."
"Okay", und ein weiteres Mal wurde Harry von dem Blonden mitgezogen, bevor er in irgendeiner Form reagieren konnte. - - -
Draußen angekommen, gingen sie durch die Kerkergänge und stiegen schließlich die Treppen zur Eingangshalle hinauf. Als die Kerkertür hinter ihnen zu fiel, ließ Draco Harry los, drehte sich um und strahlte ihn an.
"Siehste! Ich hab doch gesagt, dass ich das hinkriege!"
Aber Harry war zu geschockt um etwas antworten zu können. Ein wenig hilflos und mit gerunzelter Stirn, schaffte er es gerade so nach hinten zu deuten und einen fragenden Ausdruck in seine Stimme zu legen:
"Was...? Wie...?"
"Hm?" Draco zog die Augenbrauen hoch, bevor er doch noch verstand. "Ach so. Nya", er zuckte mit den Schultern. "Er hasst es umarmt zu werden. Egal von wem. Er mag das bei keinem, darum kann man ihm so gut damit drohen." Der Blonde grinste, der andere blinzelte.
Gut, das war ein Punkt, der nächste auf Harrys Liste war:
"Sev?!!"
Wieder ein Schulternzucken. "Er hasst es auch, wenn ich ihn so nenne. Eignet sich aber hervorragend in Ergänzung mit der Umarmungsdrohung."
Der Gryffindor glaubte langsam, er müsse im falschen Film sein. Dann stellte er die letzte und gleichzeitig brennendste Frage, die ihm auf der Zunge lag:
"...du?!!"
"... ich?" Draco verstand nicht.
"Nein, nein", Harry schüttelte seinen Kopf und deutete nach hinten, Richtung Kerker. "'Du'"?!!"
"Achso!" Kurz überlegte der Blonde. "Das ist 'ne lange Geschichte, erzähl ich dir wann anders." Mit diesen Worten winkte er ab. Dann sagte er: "Jetzt sollten wir erst Mal unsere Mäntel holen, es ist kalt draußen."
Harry war zum wiederholten Male nicht zum Reagieren fähig und trottete nach einen resignierenden "Okay" die Treppe hinauf zum Gryffindorturm.
- - -
Kurze Zeit später waren sie zu dritt auf dem Weg nach Hogsmeade. Snape ging voraus, in einen langen, weiten Umhang gehüllt, der sich bei jedem seiner langen Schritt hinter ihm aufbauschte. Dazu trug er einen Spitzhut, etwas, dass Harry noch nie bei ihm gesehen hatte. Die beiden Jungen gingen hinter dem Mann her, ebenfalls in lange, aber nicht ganz so weite Umhänge gehüllt, Gesicht und Hals mit Schälen und Hüten vor dem kalten Wind schützend.
Harry war es gewohnt langsam nach Hogsmeade zu gehen, fast zu bummeln und erst nach einem langen Spaziergang im Dorf anzukommen. Doch Snape ging raschen Schrittes, genauso wie Draco, und der schwarzhaarige Junge musste sich bemühen Schritt halten zu können.
"Was machen wir, wenn wir unten sind?" Draco sah ihn unter der Hutkrempe mit seinen grauen Augen fragend an, doch Harry wusste keine Antwort. Also zuckte er mit den Schultern. Ein abschätziger Laut kam aus der Kehle des Blonden. "Nya... dann entscheiden wir halt spontan..." Bald darauf kamen sie am Rand des Dorfes an. Am Anfang der Hauptstraße blieb Snape stehen und wartete bis die beiden Jungen aufgeholt hatten.
"Wo wollt ihr hin?", fragte er in seinem gewohnt kalten und desinteressierten Ton.
Harry schwieg, Draco zuckte mit den Schultern.
Schweigen.
"Gut, dann gehen wir zu Dervish und Banges", und mit diesen Worten drehte er sich um, ohne auf eine Antwort zu warten, die beiden Kinder ein wenig perplex zurücklassend.
Als sie sich dann doch noch in Bewegung setzten, zischte Draco zu Harry:
"Wir hätten was sagen sollen, jetzt können wir mitansehen, wie er wieder in allen erdenklichen Viechern
rumwühlt..."
Als Draco den letzten Satz auf der Straße gesagt hatte, war Harry davon ausgegangen, dass er nur Spaß gemacht hatte, aber...
"Seit wann sind sie tot?", fragte Snape den alten Mann hinter dem Tresen, den Harry noch nie gesehen hatte. Er war wohl der eigentliche Besitzer und die normalen Verkäufer hier waren entweder Angestellte oder Familienmitglieder.
"Heute morgen erst, eben frisch mit der Post reingekommen", brummte der Bärtige. Seine Augen waren dunkel und über das eine zog sich eine langgestreckte Narbe. Harry glaubte einen trüben Schein in ihm zu sehen und war sich relativ sicher, dass der Mann auf diesem Auge blind war. Ein paar seiner Zähne fehlten und er ging etwas gebückt. Er war-
"Uhh..." Harry keuchte auf, als er den Ellbogen in seinem Magen spürte. Verwirrt sah er nach links, wo Draco stand und ihn böse anfunkelte.
"Starr den nicht so an! Das mag er nicht... und glaub mir: Du bist nicht scharf drauf, von dem Kerl angemacht zu werden..."
Der Schwarzhaarige wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Draco hatte einen Blick in den Augen, der seine Worte bestätigte, und so bemühte er sich den Alten nicht mehr anzustarren. Es gelang ihm auch sehr schnell sich abzuwenden, als Snape ein Messer aus einer seiner Taschen nahm und das Tier - was es war konnte Harry nicht erkennen - der Länge nach aufschnitt und mit der Spitze des Schneidegeräts begann in den Innereien herumzustochern.
"Er macht das immer...", flüsterte Draco ihm zu, der sich ebenfalls umgedreht hatte.
"Wirklich?"
"Ja, und er macht das nicht nur mit Viechern, die er kauft..."
Harry sah den Blonden unverständlich an.
"Er seziert alles, was er findet... Wenn du ihm eine tote Katze in den Weg legst, dann nimmt er sie mit, schaut, ob die Innereien noch verwendbar sind und verbrennt den Rest... Ehrlich!", setzte er noch hinzu, als Harry ihn ungläubig anschaute. - - -
Als sie aus Dervish und Banges hinausgingen, war Snape mit einer Unmenge von Tüten, Gläsern und sonstigen Behältern beladen. Aber keiner der beiden Jungen wollte näher wissen, was sie alles enthielten. Der Geruch, den die Teufelsmolche freigesetzt hatten, als der Mann sie aufgeschnitten hatte, war ihnen genug gewesen. Für die nächsten zwei Wochen brauchten sie das Wort 'Zaubertrank' nicht einmal mehr zu hören.
"Und jetzt?", fragte Snape wieder gelangweilt. Harry wollte erneut nichts sagen, ihm war das immer noch nicht ganz geheuer mit seinem eigentlichen Feindprofessor gemütlich durch Hogsmeade zu bummeln, doch noch bevor er überlegen konnte, ob er lieber schwieg oder die Schultern zuckte, hatte Draco sowohl ihn als auch Snape am Arm gepackt und zog sie mit einem schon fast fanatisch geschrieenen "Honigtopf!!!" die Straße entlang. - - -
Die Glocke ertönte, als die drei den Honigtopf betraten - oder besser gesagt, als Draco mit den beiden anderen im Schlepptau hineingestürzt kam, sie im Inneren des Ladens angekommen, augenblicklich los ließ und sich dann mit einem schrillen Freudenschrei auf die Regale stürzte.
Harry blickte ihm perplex nach, war er so etwas nicht gewohnt, von dem einst so ruhigen Slytherin. Doch wenn man sein Frühstück am vorangegangenen Morgen beachtete, dann war das Benehmen hier nicht so wirklich verwunderlich.
Ein Knurren von links riss Harry aus seinen Gedanken. Snape war der Hut ins Gesicht gerutscht, sodass man nur noch ein Auge sah. Versuchend sein Gepäck auf einem Arm zu balancieren, rückte er die Kopfbedeckung knurrend wieder zurecht und rollte dann mit den Augen. Kopfschüttelnd meinte er:
"Sobald er hier drin ist, kann man den Rest seines Verstandes auch noch vergessen..."
Harry blinzelte erneut verwirrt, hatte jedoch keine Zeit darüber nachzudenken, denn in genau diesem Augenblick, stürzte Draco auf ihn zu und zog ihn mit einem "Jetzt komm schon, Potter!" in die Gänge hinein.
Vor dem Schokoladenregal blieben sie stehen. Harry noch ein wenig verwirrt, Draco vollkommen aufgeregt. Er wippte auf den Fußballen auf und ab, schlug die Fäuste schnell gegeneinander und grinste ein so fanatisches Grinsen, dass Harry beinah Angst bekam. Trotzdem kam ihm der Blonde wie ein kleines Kind vor.
"Du stehst auf Süßigkeiten, oder?"
Draco strahlte ihn an. "Jaaaaa!!!" Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Regal zu. - - -
Als sie diesmal auf die Straße hinaustraten, war Draco beladen mit allen erdenklichen Süßigkeiten. Das meiste hatte er in die Taschen seines Umhangs gestopft, sodass sie nun überquollen mit Verpackungen. Der Rest war in einer Tasche verstaut, nur eine Packung von Bertie Botts Bohnen jeglicher Geschmacksrichtung hatte er aufgemacht und verspeiste munter eine nach der anderen.
Harry hatte sich nur ein paar Sachen gekauft, ein wenig Schokolade und ein paar Bonbons. Allerdings bot Draco ihm die Bohnen an, die er nicht ablehnte. Der blonde Junge hielt die Tüte auch Snape hin, doch dieser sah erst auf die Tüte und dann auf ihn mit einem Blick, der ihn die Tüte augenblicklich wieder zurücknehmen ließ.
"Er mag die Dinger nicht", wisperte er Harry zu. "Keine Ahnung warum... hat wahrscheinlich mal ein extra Ekliges erwischt."
"Und wo wollt ihr jetzt hin?"
"Was essen gehen?!"
Sowohl Harry als auch Snape sahen den Jungen an. Harry verwirrt, Snape genervt. Er war es anscheinend gewohnt, dass dieser Junge einen solchen Appetit hatte.
"Wegen mir, gehen wir halt was essen. Es ist ja sowieso Mittag..."
Draco erschien extrem erfreut und folgte dem Lehrer sofort. Harry zögerte. Als der Blonde das merkte, drehte er sich um:
"Was ist? Keinen Hunger?"
"Äh... doch... aber... gibt es hier überhaupt ein Restaurant?" Seit er zum ersten Mal in Hogsmeade gewesen war, hatte er nie eines gesehen. In den 'Drei Besen' gab es zwar Snacks und im 'Eberkopf' auch - wohin sie hoffentlich nicht gehen würden - aber als richtiges Restaurant würde er das nicht bezeichnen.
"Ja, ein paar Häuser hinter 'Madam Puddifoots' gibt es eins. Ist nicht so groß und auch nicht sonderlich bekannt unter den Schülern, aber es ist ziemlich gut."
"Du warst da schon mal?"
Draco zuckte mit den Schultern. "Severus geht manchmal mit mir dahin, wenn er keine Lust auf den Tumult in der Großen Halle hat."
Harry nickte und fragte sich langsam, welche Beziehung die beiden wirklich hatten. - - -
'Zum Gefräßigen Bär' war tatsächlich so, wie Draco es beschrieben hatte. Nicht sehr groß, aber unheimlich gemütlich. Als sie das Lokal betraten, war ein tiefes Brummen zu Hören, wie das eines Bären, der mit vollgefressenem Bauch in seiner Höhle liegt und ein Nickerchen hält.
Die Wände waren mit dunklem Holz verkleidet, erst ab der Mitte konnte man die Steinmauer sehen. An ihnen
hingen Gemälde, Bilder, verschiedene Tierköpfe und Dinge, von denen Harry nicht wusste, was sie waren.
Wenn man hereinkam, gelangte man zuerst in einen kleinen Flur, wo sich auch eine Garderobe befand. Danach fing das eigentliche Speisezimmer mit besagten Wänden an. Die meisten Tische standen an der Wand, ein paar kleinere an den Mittelbalken. Gegenüber vom Eingang befand sich ein riesiger Kamin, in dem das Feuer munter loderte und das, mit Ausnahme von ein paar Fackeln und Kerzen, die einzige Lichtquelle im Raum war.
Über dem Kamin hing ein großes Bild, das einen dicken Bären zeigte, der sich auf dem Rücken im Sonnenlicht räkelte und ab und zu genüsslich gähnte. Rechts vom Kamin war eine Theke zu sehen, hinter der sich eine Tür befand, welche vermutlich in die Küche führte. Harry gefiel es in diesem Lokal vom ersten Augenblick an.
Kurz nachdem das Brummen verklungen war, kam eine Frau auf sie zu. Sie trug eine weiße Schürze über ihrer schwarzen Robe. Ihr goldbraunes Haar war mit einer Haarklammer hochgesteckt und ihre grünen Augen blickten freundlich, als sie sie erblickte.
"Severus! Dass man dich auch mal wieder sieht!" Ihr Lachen klang fröhlich und schien nicht einmal Snape verärgern zu können. Harry konnte nicht sagen, wie alt sie war. Sie sah nicht älter aus als dreißig, aber vielleicht war sie auch jünger.
"Hallo Jeannie", begrüßte der Professor sie und beugte sich das Stück, das er größer war zu ihr hinunter, sodass sie ihn auf die Wange küssen konnte. Sie umarmte ihn nicht, eventuell wohl wissend, dass er dies verabscheute.
"Oh, Draco!", rief sie erfreut aus, als sie sich des Jungens bewusst wurde, stutzte im nächsten Augenblick jedoch. Dann meinte sie ein wenig überrascht. "Meine Güte, bist du gewachsen! Das letzte Mal warst du noch kleiner als ich!"
Der Blonde zuckte nur mit den Schultern und meinte mit einem Grinsen "Wachstumsschub", bevor er sie umarmte.
"Und wen haben wir da noch?" Schließlich fiel ihr Blick auf Harry, doch in diesem Augenblick gefror ihr Lächeln und Entsetzen trat in ihre grüne Augen. Der Junge, dadurch verunsichert, blickte nervös umher und wich ein Stück zurück. Er war ähnliche Reaktionen bei seinem Anblick gewöhnt, allerdings war ihm so etwas noch nicht passiert.
Doch dann schien die Frau etwas zu bemerken und mit einem tiefen Atemzug, hatte sie sich wieder gefangen.
"Entschuldige bitte, aber ich habe dich im ersten Augenblick für James gehalten." Mit einem Lächeln hielt sie ihm die Hand hin und nach einem kurzen Zögern ergriff er sie um sie zu schütteln. Er merkte, wie die Frau ihn kurz, aber intensiv musterte. Dann schien ihr etwas Weiteres aufzufallen, denn sie blinzelte verwirrt und schaute schließlich zwischen ihm und Snape umher, der gerade seine Sachen an der Garderobe verstaute. Ein Runzeln trat auf ihre Stirn und sie öffnete den Mund um etwas zu fragen, doch sie hielt plötzlich inne und zuckte dann nur mit den Schultern. "Ein Tisch für drei?", fragte sie stattdessen und leitete die kleine Gruppe nach Snapes Zustimmung zu einem Tisch in der Ecke.
Kurz verschwand sie um die Karten zu holen, um zurückzukehren und jedem von ihnen eine zu überreichen. Sie zückte ein Stück Pergament und... einen Kugelschreiber?!
Harry musste so verwirrt auf den Muggelstift geschaut haben, dass sie seine Gedanken erraten konnte, denn sie meinte mit einem Lachen:
"Ach weißt du, ich hab' rausgefunden, dass diese Dinger beim Kellnern sehr viel praktischer sind. Man muss sie nicht immer in ein Tintenfass tunken."
Harry nickte und studierte dann die Karte nach Getränken. Und ein weiteres mal stutzte er.
"Ich hätte gern 'ne große Cola", sagte Draco, was Jeannie sofort notierte. Dann sah sie ihn an, doch er konnte nur mit hochgezogenen Augenbrauen fragen:
"Muggelgetränke?" Er hatte in keinem Zaubererlokal oder -kneipe bisher Muggelgetränke gesehen. Jeannie lachte wieder.
"Ja, sie erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Sachen wie Cola sind zwar sehr... wie sagt man? ... chemisch...? Aber sie schmecken gut. Ich persönlich könnte für Sprite ja sterben! Ich liebe das! Aber erzähl das nicht meinem Vater", meinte sie dann im Flüsterton. "Er war nicht so erfreut darüber, dass ich den Laden ein wenig muggelig gemacht habe, wie er es ausdrückt."
Er nickte wieder, trotzdem noch ein wenig verwirrt und bestellte schließlich - zur großen Freude Jeannies - eine große Sprite.
"Und du? Wein?", fragte sie an Snape gewandt.
Er schüttelte den Kopf. "Nicht um diese Uhrzeit..."
"Gut, dann Arbeiterwein," und ohne etwas Weiteres abzuwarten ging sie Richtung Theke um die Getränke zu holen.
Harry blinzelte wieder, überlegte kurz, fragte dann aber doch: "Arbeiterwein?"
"Roter Traubensaft", antworteten Snape und Draco wie aus einem Mund. - - -
Harry hatte ein paar Probleme zu entscheiden, was er wollte. Alles auf der Karte klang auf seine Weise verführerisch. Angefangen von normalem Rehbraten, über Plimpyfilet bekam man bis zu Nifflerlende alles mögliche.
Snape bestellte skandinavischen Grindellohbraten und einen Salat. Harry entschied sich schließlich für das Plimpyfielt und Draco... bestellte anscheinend die halbe Karte. Jeannie hielt ihn schon zurück, als er anfangen wollte zu bestellen und meinte mit einem großen Grinsen, dass sie bei ihm ein neues Blatt bräuchte. Er verzog kurz beleidigt das Gesicht, ließ sich aber nicht vom Bestellen abhalten. Harry kam es erstaunlich wenig vor - Suppe als Vorspeise, dann einen großen Salat, ein paar Röstkartoffeln und eine Platte als Hauptgericht - doch als die Gerichte dann kamen, verstand er. Ein wenig überwältigt starrte er auf den riesigen Teller. So viel aßen sie sonst zu viert am Gryffindortisch.
Anscheinend musste er wieder so geschaut haben, dass sein Gesicht Bände sprach, denn Jeannie stieß ihn sacht an und meinte mit einem Zwinkern:
"Keine Sorge, wenn du es nicht schaffst. Draco isst es bestimmt."
Das Essen verlief ruhig und angenehm. Draco konnte sowieso nichts stören beim Essen, aber ansonsten war es ruhig im Lokal. Außer ihnen war nur noch ein Pärchen da, welches jedoch am anderen Ende saß und sich nur flüsternd unterhielt. Jeannie schien auch die einzige vom Personal zu sein. Harry fragte sich, ob sie das Lokal alleine führte, oder ob der Rest der Familie zu dieser Tageszeit sich einfach woanders aufhielt.
Als sie mit dem Hauptgang fertig waren - Draco sogar zeitgleich, obwohl er definitiv sehr viel mehr gehabt hatte - räumte Jeannie die Teller hab und fragte, mit einem weiteren Grinsen Richtung Draco:
"Nachtisch?"
Harry gab unfreiwillig ein Seufzen von sich. Er hatte den Fisch zwar ganz geschafft, war nun aber wirklich mehr als satt. Doch den blonden Jungen konnte wohl nichts sättigen.
"Klar doch!"
Jeannie kicherte. "Du auch?"
"Ähm..."
"Ich seh das als ein 'Ja' an", und bevor Harry auch nur dran denken konnte Widerspruch einzulegen, war sie bereits verschwunden um den Nachtisch zu holen.
Kurz darauf kam sie wieder und stellte vor die beiden Jungen einen Riesenbecher Eiscreme, übergossen mit Vanille- und Schokoladensauce und einer weiteren - wohl magischen - die glitzerte und nach allem möglichen schmeckte, wie Harry beim Probieren feststellte.
"Bearsten's magische Zaubersoße jeglicher Geschmacksrichtung", erklärte Jeannie. Dann meinte sie etwas leiser: "Okay, wir haben es von Bertie Botts Bohnen abgeschaut, aber psst!" Sie legte einen Finger über ihre Lippen und zwinkerte.
Seltsamerweise stellte das Eis kein sonderlich großes Problem für Harry dar, es war einfach zu köstlich, als dass man es stehen lassen konnte.
Während die beiden Jungen ihr Eis löffelten - der Professor war wohl kein Nachtischmensch - verließ das Paar das Lokal und Jeannie schnappte sich einen Stuhl um sich zu ihnen zu setzten.
"Wann ist es soweit?", fragte Snape und nickte auf ihren Bauch. Kurz blickte sie ihn überrascht an, dann grinste sie.
"Dir kann man auch wirklich nichts verschweigen, oder? Dauert noch ein wenig. In vier Monaten soll es kommen."
Erst jetzt fiel Harry auf, dass ihr Bauch gewölbt war, offensichtlich durch das Kind, das darin heranwuchs. Lächelnd strich sie darüber.
"Das wie vielte ist es jetzt? Das fünfte?"
Sie nickte, ein wenig abwesend. Danach meinte sie:
"Wir sollten uns langsam mal über Verhütungsmethoden informieren..."
Harry verschluckte sich fast, Draco prustete in sein Eis.
"Was wird es denn?", fragte der Blonde schließlich.
"Das wissen wir nicht. Wir wollen uns überraschen lassen..." Nach einem kurzen Zögern gab sie aber zu. "Naja, eigentlich können wir uns nie über einen Namen einig werden und darum haben wir jetzt gewettet, was es gibt. Wer Recht hat, darf den Namen aussuchen." Sie grinste wieder.
"... déjà vu...", murmelte der Professor
Alle blickten Snape verständnislos an. Doch er schüttelte nur den Kopf und sagte: "Vergesst es..."
Sie wechselten kurz einen Blick, ließen aber das Nachfragen. Sie wussten alle drei sehr wohl, dass der Mann nichts erzählte, wenn er es nicht wollte.
Ein paar Minuten unterhielten die beiden Erwachsenen sich über ihr jeweiliges Berufsleben. Dabei erfuhr der schwarzhaarige Junge, dass das Lokal ein Familienunternehmen war. Ihre Eltern hatten es damals gegründet und nun, da ihre Eltern ein wenig älter wurden, hatte sie es mit ihrem Mann übernommen. Zu dieser Tageszeit bediente und kochte sie jedoch allein, da nie sonderlich viel los war. Der große Ansturm kam abends und dann half auch ihr Mann und ihre älteste Tochter mit.
Schließlich entschuldigte Snape sich und ging Richtung Toilette. Doch Jeannie hielt ihn zurück:
"Nimm lieber das Bad hinter der Küche. Mit der Besuchertoilette haben wir ein paar Probleme, ich glaube, es hat sich irgendwas im Ausguss verfangen. Dad wollte es später wegmachen." Also wandte sich der Mann zur Küche. "Ach und pass auf, dass du Bob nicht über den Weg läufst! Er ist heute schlecht gelaunt, ich hatte gestern Nacht Kopfschmerzen!"
Draco prustete wieder in sein Eis, Harry blinzelte verwirrt.
"Frag lieber nicht genau nach", meinte sie grinsend auf seinen Blick. "Das ist wirklich ein Teil meines Lebens, den ich niemandem antun will."
Harry blinzelte noch verwirrter. - - -
Während er den Rest seines Eises aß, spürte er wieder den Blick der grünen Augen auf sich. Kurz sah er hinüber, wandte den Blick aber augenblicklich wieder ab, als er mit dem der Frau zusammentraf. Sie schien dadurch aus ihrer Starre zu erwachen und senkte auch die Augen.
"Entschuldige. Ich wollte dich nicht anstarren." Sie lächelte entschuldigend. "Es ist nur... du siehst James so unglaublich ähnlich..."
Harry wusste nicht, was er sagen sollte und blieb deshalb stumm. Bis ihm etwas auffiel.
"Sie kannten meinen Vater?"
"Ja, wir waren im selben Jahrgang."
Der Junge blinzelte überrascht. Das bedeutete, sie musste um die 36 sein... so alt sah sie gar nicht aus.
"Aber ich hatte kein sonderlich gutes Verhältnis zu ihm, das will ich dir gleich sagen."
Harry zog die Augenbrauen zusammen. Von allen - nahm man Snape mal raus - war ihm immer gesagt worden, dass sein Vater überall beliebt gewesen war, außer bei den-
"Waren Sie in Slytherin?"
Jeannie schüttelte den Kopf. "Nein, in Ravenclaw. Aber das tut nichts zur Sache. Ich weiß nicht, welche Vorstellung du von deinem Vater hast und ich will sie dir nicht kaputt machen, aber... sagen wir es mal so: Wie er manche Personen behandelt hat, hat mir überhaupt nicht gefallen..." Ihre Augen huschten kaum merklich nach hinten, in die Richtung, in der Snape verschwunden war. Aber Harry hätte auch so gewusst, wen sie meinte. Er biss sich auf die Unterlippe, bevor er es doch sagte:
"Ich weiß..."
Jeannies Gesicht zeigte Zweifel. "Weißt du... vielleicht...
"Nein, nein, ich weiß ganz genau, was Sie meinen." Für einen kurzen Augenblick sah er direkt in ihre Augen und anscheinend konnte sie darin sehen, dass er wirklich wusste, von was sie sprach. Ihre Stirn legte sich in Falten.
"Er hat es dir erzäh-"
"Nein. Das... ist eine lange Geschichte..." Er blickte zur Seite, nicht wissend, wie er das erklären sollte, ohne alles erklären zu müssen, aber Jeannie schien zu merken, dass es ihm unangenehm war und winkte ab.
"Schon gut." Sie legte ihm die Hand auf die Schulter.
Eine Weile verging in Schweigen, bis die Frau plötzlich kicherte. Die beiden Jungen sahen sie verwundert an.
"Oh, ich musste nur gerade an etwas denken." Sie kicherte wieder, dann meinte sie erklärend. "Weißt du, dein Vater hatte diesen besten Freund, Sirius", Harry zuckte unwillkürlich zusammen und spürte Dracos besorgten Blick auf sich ruhen, doch Jeannie fuhr fort ohne etwas zu bemerkten. "Er war der Frauenschwarm im Jahrgang" - sie rollte demonstrativ mit den Augen - "ach was sag ich da?! In der ganzen Schule! Von der Erst- bis zur Siebtklässlerin, alle wollten sie etwas von ihm! Jedenfalls schien er wohl eines Tages ein Auge auf mich geworfen zu haben - frag mich nicht warum - und kam in der Mittagspause in seiner lässigen Art und diesem typischen Chauvinistengrinsen auf mich zu. Mit einem Blick der Bände sprach kniete er sich vor mir nieder, holte einen dürren Ast hervor, verwandelte ihn in eine rote Rose und meinte dann mit seinem unvergleichlichen Charme: 'Geh mit mir aus!'" Ihr Blick ruhte an der Decke und das dicke Grinsen zeigte, dass sie in wirklich angenehmen Erinnerungen schwelgte.
"Was haben Sie gesagt?", fragte Draco schließlich nach, als sie nicht weitersprach.
"'Nein.'" Ihre Antwort war kurz, klar und deutlich - genauso wie sie es damals gewesen war. Dann brach sie in einen Lachanfall aus. "Oh! Ich werde niemals sein dummes Gesicht vergessen! Man konnte richtig sehen, wie ihm das Gesicht einschlief! Wie in Zeitlupe! Er war es einfach nicht gewohnt, von einem Mädchen abgewiesen zu werden!" Sie lachte weiter und auch Draco konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Harry war noch immer nicht so weit seine Gefühle wieder zeigen zu können, aber innerlich amüsierte in diese Geschichte doch irgendwie. Er konnte es sich lebhaft vorstellen, wie Sirius' Gesicht langsam einschlief.
Natürlich liebte er Sirius, genauso wie seinen Vater, aber das hieß noch lange nicht, dass er alles gutheißen musste, was sie jemals getan hatten. Auch wenn er es nicht gerne zugab, hätte er sich damals zwischen der Seite seines Vaters und der von Snape entscheiden müssen, er wäre zu Snape gegangen. Er kannte das Gefühl vor allen bloßgestellt zu werden einfach zu gut, um jemand anderen in solch einer Situation allein zu lassen - und vielleicht hatte er doch etwas mehr von seiner Mutter geerbt, als es äußerlich den Anschein hatte.
Nach einer Weile konnte Jeannie wieder normal sprechen. Mit einem Seufzen meinte sie:
"Ja... so habe ich Sirius Black abgewiesen... dafür hab ich jetzt Bob..."
Draco prustete ein weiteres Mal in sein Eis, da der letzte Satz nicht wirklich erfreut über ihre Lippen gekommen war.
"... vielleicht wäre Sirius doch die bessere Alternative gewesen..."
Auf Harrys verwirrten Blick meinte sie:
"Weißt du, Bob stammt aus einer Händlerfamilie und Händler wollen immer etwas! Das ist im Gastronomiegeschäft nicht immer sehr förderlich... Ich meine... als Gastwirt hat man dafür Sorge zu tragen, dass seine Gäste sich wohl fühlen und das bekommen, was sie wollen... da kann man nicht einfach hingehen und etwas als Gegenleistung einfordern..." Sie schüttelte demonstrativ ihren Kopf. "Ich versuche ihm das seit bald 14 Jahren abzugewöhnen, aber... er will es einfach nicht lernen." Für ein paar Momente legte sie den Kopf schief und kniff die Augen zusammen, als ob sie sich an etwas erinnern wollte. "Ich hab' mal gelesen, dass Muggel solche Schulen haben, wo Hunde erzogen werden... glaubt ihr, so was gibt es auch für Männer?!"
Draco verschluckte sich an seinem Eis. - - -
Nachdem Jeannie ihm ein paar Mal auf den Rücken geklopft hatte, bekam Draco seine Luftröhre wieder frei, hustete aber noch ein paar Minuten. Mit einem Schniefen wischte er sich die Tränen weg. In genau diesem Augenblick kam Snape zurück und betrachtete den Jungen mit hochgezogener Augenbraue. Dann sah er die Frau an:
"Hast du ihm wieder Geschichten über tote Niffler erzählt?"
"Ich wusste damals nicht, dass er Niffler so mag!"
"Er war fünf, jedes fünfjährige Kind mag Niffler..."
Jeannie rollte mit den Augen. "Er hat sich nur verschluckt."
Snapes Augen wanderten zu Draco, er unterließ aber einen Kommentar. Doch der blonde Junge nicht:
"Was hast du denn gemacht? Das hat ja ewig gedauert!" Im nächsten Augenblick bereute er es jedoch, denn sofort sah er sich mit einem der stechend tödlichen Blicken des Mannes bedacht.
Jeannie zog derweil die Augen zusammen, dann meinte sie misstrauisch: "Bob hat dich gefragt, ob du einen Fiebertrank für Suzie machen kannst, oder?!"
Harry registrierte erschrocken, dass der Blick der Frau fast an Snapes rankam.
Dieser meinte beschwichtigend:
"Lass gut sein."
Doch daran dachte sie gar nicht. "Dem wird ich was erzählen..." Sie dachte kurz nach und fragte dann an ihren alten Klassenkamerad:
"Gibt es einen Gefügigkeitstrank?"
"Ja."
"Is' der offiziell erlaubt?"
"Nein."
"Mist...", sie blickte ein wenig enttäuscht drein. Dann sahen ihre grünen Augen wieder misstrauisch, diesmal galt es jedoch ihrem Gegenüber. "Könntest du ihn?"
Snape zog bedeutend eine Augenbraue hoch. Jeannie nickte nur.
"Gibt es sonst noch eine Alternative?"
"Imperius."
Sie verzog das Gesicht und seufzte. "Unter diesen Umständen muss ich wohl bei der herkömmlichen Methode bleiben: Migräne..."
Draco verschluckte sein ein weiteres Mal. - - -
Es war bereits Nachmittag, als sie den 'Gefräßigen Bären' schließlich verließen. Jeannie umarmte die beiden Jungen und gab Severus einen Kuss auf die Wange. Seltsamerweise hatte Snape für alle bezahlt. Harry hatte zwar bereits seinen Geldbeutel herausgeholt gehabt, doch ein Blick aus den schwarzen Augen machte ihm unmissverständlich klar, dass er ihn schnell wieder einstecken sollte. Er hatte es hingenommen. Heute war sowieso schon so viel seltsames passiert, da war das nur ein weiterer Punkt auf einer langen Liste. Jeannie begleitete sie bis nach draußen und winkte ihnen solange nach, bis sie außer Sicht waren.
Snape ging wieder raschen Schrittes voran, anscheinend dazu entschlossen augenblicklich zurück zum Schloss zu gehen, doch die Kinder trotteten nur langsam hinterher.
"Sie ist sehr nett", meinte Harry schließlich zu Draco ohne aufzusehen. Letzterer wirkte einen Moment etwas überrascht, dann antwortete er:
"Ja, ich weiß. Ich glaube, sogar Sev mag sie... irgendwie... auf seine... eigene komische, recht kalte Art und Weise jemanden zu mögen... Du weißt wie ich das meine, oder?", setzte er noch verzweifelt hinzu. Die Gefühle des großen Mannes zu erklären, war noch schwerer als ihn zufrieden zu stellen. Aber zu Dracos Erleichterung nickte der Junge neben ihm. Dann besann er sich eines besseren.
"Echt?!", fragte er misstrauisch. Harry blinzelte.
"Nya... ich denke... irgendwie ja... auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass er überhaupt jemanden mag..."
Draco nickte und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. "Ja, ich auch nicht wirklich. Aber auch egal." Er zuckte mit den Schultern. "Schokofrosch?!"
Harry sah den anderen entgeistert an. Essen... schon wieder?!
"Was denn? Ich bin im Wachstum, da muss man sich gut ernähren..." - - -
Als sie zur Kreuzung der Hauptstraße kamen, blieb Snape stehen und wartete auf die beiden Nachzöglinge. Diese beschleunigten ihre Schritte, als sie sahen, dass der Mann stehen geblieben war. Niemals einen Snape warten lassen, das wussten sie beide nur zur gut.
Die schwarzen Augen fielen auf den Schokofrosch in der Hand des blonden Jungen und er bedachte ihn kurz mit einem vorwurfsvollen Blick, ließ es aber mit einem Augenrollen auf sich beruhen.
"Wollt ihr noch was machen?"
Die beiden Jungen wechselten einen Blick. Daraufhin zuckte Harry nur mit den Schultern, Draco verdrehte die Augen nach oben, als ob er überlegen wollte. Eine ganze Weile blieb er so. Erst nachdem sich Snape hörbar genervt räusperte, erwachte er aus seiner Starre. Auf den erwartenden Blick meinte er nur:
"Nö."
Snapes Auge zuckte bedrohlich und Draco sah zu, dass er zusammen mit Harry augenblicklich das Weite suchte. - - -
"Bei mir wäre er schon längst ausgeflippt...", sagte der Schwarzhaarige zu dem blonden Jungen, als sie den Aufstieg nach Hogwarts begannen. Snape ging nun hinter ihnen, irgendwelche Pergamente lesend und die Kinder vor sich geflissentlich ignorierend. Draco kaute auf einem weiteren Schokofrosch herum.
"Er flippt ja schon aus, wenn man ein Wort sagt, dass sich ähnlich anhört wie 'Potter'", kam die trockene Antwort. Harry blinzelte ein wenig überrascht, realisierte nach einer kurzen Überdenkung aber, dass es stimmte. Allerdings fiel ihm bei näherer Betrachtung der Umstände ebenfalls auf, dass Snape heute ungewöhnlich geduldig war.
"Heute aber nicht..."
Draco zuckte mit den Schultern. "Ich glaub, du gehst ihm auf die Nerven..."
Der andere blickte nur nichtsverstehend drein.
"Ich denke, dass es ihn irgendwie stört, wenn du dich nicht... pottertypisch verhältst. Das stört ihn zwar auch, aber er ist wie eine Katze, er verabscheut Veränderungen. Außerdem hat er masochistische Anfälle, er braucht einen würdigen Gegenspieler. Das ist so was wie sein Kick..."
Harrys Augen blickten nun mehr entsetzt als verwirrt.
"Schau mich nicht so an! Ich kann nix dafür, dass der Mann so ist!"
Der Schwarzhaarige schwieg und überdachte das eben Gesagte. Vielleicht stimmte es... vielleicht-
Weiter konnte er nicht denken, da seine gesamte Aufmerksamkeit plötzlich von etwas anderem vereinnahmt wurde. Beinah ruckartig blieb er stehen und starrte auf den Boden, mit immer größer werdenden Augen.
Draco registrierte den plötzlich Halt des anderen erst, nachdem er ein Stück weitergegangen war. Überrascht blieb er stehen und sah zurück. Doch Harry blickte weiterhin starr auf den Boden. Draco legte die Stirn in Falten, dann ging er das kurze Stück zurück und starrte daraufhin ebenfalls auf das Objekt am Boden. - - -
Severus überlegte gerade, ob er Lucius eventuell dazu bringen konnte für Dracos Lebenserhaltungskosten aufzukommen, der Junge fraß ihm irgendwann noch einmal die Haare vom Kopf. Dann fiel ihm aber ein, dass Lucius Draco mittlerweile wohl vollständig aus seinem Kopf verbannt hatte. Er hatte sicherlich eher gar keinen Sohn, als einen Verräter zum Sohn. Doch bevor er sich eine weitere Möglichkeit ausdenken konnte, um den Fresswahn des Jungen zu mildern oder zu finanzieren, merkte er, dass die beiden Kinder vor ihm unnatürlich zu Boden starrten.
Mit hochgezogener Augenbraue schloss er schließlich auf und stellte sich neben Harry, nur um ebenfalls auf das anscheinend sehr ungewöhnliche Objekt zu starren. Allerdings... konnte Severus nicht wirklich etwas Außergewöhnliches daran finden. Das war eine stinknormale alte Katze, die hier auf dem Weg ihren Tod gefunden hatte... was war daran so erschreckend, dass der Potterjunge dermaßen bleich war...? - - -
Harry konnte nicht anders, als auf das tote Tier zu starren. Erst als sich Snape neben ihn stellte, sah er auf und blickte den Mann mit einem Blick an, der zugleich Angst, Ekel und Erwartung zeigte. Doch anscheinend hatte der Professor nicht die leiseste Ahnung, was der Junge von ihm wollte, denn er starrte nur zurück.
Harry senkte den Blick wieder auf die Katze, dann sah er erneut den Mann an. Das wiederholte er ein paar Mal, verlor aber zunehmend an Sicherheit und starrte schließlich wieder ganz auf den Boden, da es nun doch irgendwie peinlich wurde.
Doch Snape wusste immer noch nicht, was überhaupt los war. Nach einer Erklärung suchend, blickte er zu Draco, als ihn die Erkenntnis wie der Blitz traf. Mit kalter Stimme und noch kälterem Blick meinte er zu dem blonden Jungen:
"Hast du ihm wieder erzählt, dass ich alle toten Katzen einsammele?!"
Draco duckte sich unter den stechenden Augen und nuschelte kleinlaut: "Das hast du mal gemacht..."
"Einmal! Und das war keine Katze, sondern ein Kniesel!" Mit diesem Satz wandte er sich ab und stolzierte davon, etwas von 'Also wirklich' und 'Als ob ich ein Nekrophile wär' vor sich hermurmelnd.
Harry sah Draco an, der zuckte nur mit den Schultern.
"Hey, ich war fünf, als er das gemacht hat! Das was ein einschneidendes Erlebnis für mich!" - - -
Als sie im Schloss ankamen, war es bereits später Nachmittag und da samstags das Abendessen immer früh serviert wurde, bald Zeit dafür. Snape war nach ihrer Ankunft sofort in den Kerker verschwunden und Draco meinte, er würde da wohl für den Rest des Tages auch nicht mehr herauskommen. Dann schlug er vor, erst mal ihre Einkäufe in ihren Zimmern zu verstauen und sich danach wieder in der Eingangshalle zu treffen.
Also machte Harry sich auf den Weg nach oben, wie am Morgen nicht auf seinen Weg achtend. Als er in der Frühe aufgestanden war, hatte er den Kopf voller Gedanken gehabt, die er nicht zu ordnen vermocht hatte. Er hatte sich nach Abwechslung, Ablenkung gesehnt und sie auch bekommen. Auch, wenn er sie sich irgendwie anders vorgestellt hatte. Nicht so... slytherinreich. Doch seltsamerweise machte Harry das nichts aus. Warum sollte es ihm denn überhaupt? Diese ganze Rivalität war im Grunde nur Schwachsinn, von Anfang an immer gewesen. Wenn es selbst in der Schule diese Spannungen gab, die das Zentrum aller Bemühungen darstellte Muggel und Reinblütler gleichzusetzen, wie konnte es dann jemals außerhalb dieser Mauern umgesetzt werden?! Man musste zuerst einmal hier die Spannungen und Vorurteile abbauen, ansonsten würde es niemals funktionieren...
Harry blieb abrupt stehen, als ihm das klar wurde. Wirklich klar! Kein anderer Gedanke hatte sich dazu geschlichen, keine andere Tatsache, die damit in Verbindung stand, hatte sich dazu gedrängt. Nein, er hatte einen einzigen Gedanken klar und deutlich bis zum Schluss durchdenken können.
Harry seufzte erleichtert auf. Dieser ungewöhnliche Tag hatte ihm wohl besser getan, als er zunächst gedacht hatte. Schnell legte er den restlichen Weg zurück, verstaute seine Einkäufe und machte sich zurück auf den Weg zur Eingangshalle. - - -
Draco erwartete ihn schon, lässig an die Wand gelehnt, mit seinem desinteressierten Blick Firenze und Trelawny beobachtend, die anscheinend in ein höchst astrologisches Gespräch vertieft waren.
"Wie is' Wahrsagen eigentlich?", fragte er, als Harry zu ihm trat. Letzterer war einen Augenblick verwundert. Dann fragte er hörbar überrascht:
"Du hast kein Wahrsagen?"
"Ne, so'n Quatsch wollt' ich mir nicht antun. Ich kann mit so was nix anfangen, ich brauche logische, nachvollziehbare Gründe um eine Sache zu akzeptieren. Wenn mir jemand anhand von klebrigen Teeblättern weismachen will, ich würde drei Kinder und sieben Enkel kriegen, würd' ich nur über ihn lachen."
Harry schwieg ein paar Sekunden, dann meinte er trocken:
"Mir sagt sie immer nur meinen Tod voraus..."
Draco sah ihn an. "Hm... das könnte man noch als logisch und nachvollziehbar durchgehen lassen..."
Entrüstet blickte Harry auf den anderen, der über beide Ohren grinste. - - -
Nachdem der Blonde sich von seinem Lachanfall erholt hatte, betraten sie die große Halle, stoppten aber sofort wieder. Gleichzeitig sahen die grünen wie auch die grauen Augen von einer Seite zur anderen, vom Slytherintisch zum Gryffindortisch und wieder zurück.
Harry erbarmte sich schließlich und meinte, er würde mit an den Slytherintisch kommen.
Dort platznehmend sah sich diesmal der Schwarzhaarige um und musste zugeben, dass es tatsächlich etwas anderes war, an einem der anderen Haustische zu sitzen. Dann nahm er sich einen Krug Kürbissaft und schenkte ihn in einen Becher. Von Essen hatte er an diesem Tag genug, noch ein Bissen und er würde sicherlich platzen. Er ging davon aus, dass es Draco genauso ging, allerdings... schaufelte der Junge schon wieder fleißig Essen auf seinen Teller. Harry kam nicht umhin ihn vollkommen entsetzt anzustarren.
"Schon wieder?!!"
Draco zuckte ein wenig zusammen, angesichts dieses Ausbruchs, dann zuckte er nur mit den Schultern. "Was denn? Warum nicht?"
"Weil du den ganzen Tag am Essen bist! Soviel wie du isst nicht mal mein Cousin und der... der..." Harry fand keine Worte mehr. Das war doch wirklich unglaublich. Dieser Slytherin verspeiste weit mehr als Dudley und passte sicherlich mehr als viermal in dessen Hosen...
Wieder nur ein Schulternzucken. "Ich kann nichts dafür... das war schon immer so..." Die grauen Augen blickten ein wenig hilflos, doch das hinderte ihren Besitzer nicht daran sich schon wieder ein großes Stück Fleisch in den Mund zu schieben.
"... du kannst einen um den Verstand bringen, weißt du das, Draco?!"
Der grinste belustigt und auf Harrys fragenden Blick meinte er nur: "Das sagt Sev auch immer!" - - -
Erschüttert einerseits über die Tatsache, dass er schon wie Snape klang, andererseits darüber, dass Draco wirklich noch einmal ein gesundes Abendessen zu sich nahm, nippte Harry geistesabwesend an seinem Kürbissaft.
Als McGonagall die Halle betrat wanderte ihr Blick über den leeren Gryffindortisch. Ähnlich, wie es bei Snape am Morgen gewesen war. Dann schien auch sie vollkommen nichtserwartend die Augen über die restlichen Tische schweifen zu lassen und erstarrte, als sie Harry am Slytherintisch gewahr wurde.
Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, also wandte er nur den Blick ab, nach rechts wo Draco saß. Der hatte die Lehrerin ebenfalls bemerkt und beobachtete mit einem fast sadistischen Grinsen, wie sie vollkommen verwirrt ihren Weg zum Lehrertisch fortsetzte.
"Morgen setzten wir uns an den Ravenclaw- und Huffelpufftisch, dann kriegen wir Flitwick und Sprout sicherlich auch noch zu so 'ner Reaktion." Harry schüttelte nur den Kopf. - - -
Die Sonne ging bereits unter, als sie die Große Halle verließen und langsam in die Eingangshalle trotteten. Dort angekommen blieben sie unschlüssig stehen.
"Und jetzt?", fragte Draco. Harry zuckte mit den Schultern.
Jetzt hatten sie ein Problem. Sie wollten noch nicht schlafen gehen, dafür war es viel zu früh, doch wo sollten sie den Rest des Tages verbringen?! In der Bibliothek wurde man selbst in den Ferien von Pince ermahnt mucksmäuschenstill zu sein und draußen war es zu unangenehm. Die Gemeinschaftsräume ihrer beiden Häuser waren im Grunde auch tabu, da sich so etwas ja eigentlich nicht gehörte. Aber wozu hatte Draco schließlich rebelliert?!
"Komm mit! Ich zeig' dir das Heiligtum Slytherins. Aber sag bloß Sev nichts davon, der bringt mich um, wenn er erfährt, dass ich einen Gryffindor mitgenommen hab."
Also folgte er Draco nach unten in die Kerker, den Weg, den sie damals schon in ihrem zweiten Schuljahr gegangen waren, was Harry aber vorerst verschwieg. Aber er war fest davon überzeugt, dass das nicht immer ein Geheimnis bleiben würde, denn er spürte, wie sich zwischen ihnen etwas entwickelte, auf das sie sich immer stützen konnten: Freundschaft.
