Part 3 - What destiny calls us
Wie sagt man seinem Schicksal Nein?
Wie kriecht man aus der eignen Haut?
Wie kann man je ein andrer sein?
Wen soll man fragen,
wenn man sich selber nicht versteht?
Wie kann man frei sein,
wenn man seinem eignen Schatten nie entgeht?
Die Tage vergingen und das Wetter besserte sich nicht. Im Gegensatz, schien es immer schlimmer zu werden. Einer der Schüler von Ravenclaw, der über die Ferien dageblieben war, behauptete sogar es in einer Nacht schneien gesehen zu haben.
Der Wind blies mit großer Kraft über die Landschaft, zwang die Wiesen in die Knie und die Bäume sich dazu vor ihm zu beugen. Die Vögel strauchelten auf dem Weg in ihre Nester, kamen manchmal meterweit von ihrem Weg ab und erreichten erst nach großer Anstrengung ihr Zuhause, in dem sie sich erschöpft niederließen.
Draco und Harry verbrachten den Großteil des Tages im Gemeinschaftsraum der Slytherins. Harry hätte zwar keine Bedenken gehabt Draco Gryffindor zu zeigen, allerdings wollte er dort nicht wirklich sein. Die ungewöhnliche Atmosphäre des anderen Hauses lenkte ihn irgendwie von allem ab, erinnerte ihn nicht ungewollt an die Dinge, an die er sich nicht erinnern wollte. Und so hatte er bereits Sonntag nachdem sie in Hogsmeade waren seine Sachen gepackt und war in Dracos Schlafsaal gezogen.
Die Schlafsäle unterschieden sich nicht sonderlich, eigentlich waren nur die Farben anders, ansonsten war es gleichermaßen gemütlich. Es gab sogar Fenster, was Harry verwundert festgestellt hatte, auch wenn sie sehr viel niedriger lagen, als die in seinem Turm.
Mittlerweile war Ostersonntag. Ein Tag, an dem beschlossen wurde auszuschlafen und erst für das Mittagessen aufzustehen. Sollte einer der Schüler schon vorher Hunger haben, würde in ihren Gemeinschaftsräumen eine Kleinigkeit zu essen bereitstehen.
Snape hatte er seit ihrem Ausflug nur noch zu den Mahlzeiten gesehen, bei denen sich Draco und Harry nun immer abwechselnd an alle Tische setzten. Der blonde Junge hatte Recht behalten und sowohl Flitwick als auch Sprout hatten genauso verwundert geschaut, wie die beiden anderen Hauslehrer, als sie plötzlich am Ravenclaw- und Huffelpufftisch saßen.
Draco war der Meinung, dass Snape wohl wusste, dass Harry in Slytherin seine Zelte aufgeschlagen hatte, denn ansonsten würde er ihn nicht so geflissentlich ignorieren. Harry hatte sich daraufhin entschuldigt und wollte wieder nach oben ziehen, doch der Slytherin hatte nur abgewinkt und gemeint, dass sich der Professor wieder abregen würde. Man müsste nur abwarten. Harry selbst konnte das zwar nicht so recht glauben, allerdings hatte er mittlerweile gelernt, dass Draco Snape wohl recht gut zu kennen schien und war deshalb geblieben.
Was sie die ganzen Tage machten, wussten sie nicht so recht. Manchmal zeigte Draco Harry Plätze, die er kannte und der andere nicht, manchmal zeigte Harry Draco Orte, von denen er wusste, der andere aber nicht. Dann wieder saßen sie einfach nur im Gemeinschaftsraum, lasen, schrieben die aufgetragenen Hausarbeiten oder redeten über belanglose Dinge. Es war entspannend für den schwarzhaarigen Jungen. Draco drängte ihn nicht dazu über seine Gefühle zu reden, schnitt Themen an, die kein anderer seiner Freunde auch nur in Erwägung gezogen hatte - zwar begutachtete der Blonde ihn dann immer mit einem kurzen kritischen Blick, aber da er nicht in Tränen ausbrach oder einen sonstigen Zusammenbruch erlitt, wechselte er das Thema nicht - und redete hin und wieder sogar von sich selbst oder von Snape. Wobei er bei letzterem sehr vorsichtig war und nach fast jedem Satz ein "Aber erzähl ihm bloß nicht, dass ich dir das erzählt habe..." anhängte.
Draco hatte eine so ungezwungene Art an sich, die Harry manchmal fast sogar zum Lächeln brachte. Aber nur fast, denn noch immer nicht, war der Junge fähig wieder so etwas wie Freude oder Spaß zu empfinden. Er konnte nicht... oder er wollte nicht. Das wusste er selbst nicht so genau. Allerdings, mit jedem Tag der verging, schien diese Fessel, die sich um sein Lachen gelegt hatte, lockerer zu werden. Mit jedem Witz, jeder trockenen Bemerkung oder ungewöhnlichen Geschichte, die Draco erzählte, verschwand diese Kette langsam. Doch Harry wusste nicht, ob er froh darüber sein sollte oder nicht. Denn irgendwie kam es ihm wie Verrat vor, wenn er wieder lachen sollte...
- - -
Auch am Ostersonntag fegte der unerbittliche Wind über die Landschaft und ließ jegliche freudige Osterstimmung abflauen, die sich eventuell gebildet hatte. Harry wurde von einem Klirren geweckt. Schlaftrunken sah er sich im Raum um, konnte jedoch nicht viel erkennen, da er seine Brille nicht trug. Noch etwas benebelt langte er zur Seite auf den Schreibtisch, um dort die Sehhilfe zu angeln und sie sich aufzusetzen. Im nächsten Augenblick wusste er vier Sachen.
Erstens: es war kurz nach halb zehn - Harry grummelte. Wie war das mit dem Ausschlafen gewesen?
Zweitens: Es war nicht das Fenster gewesen, das geklirrt hatte, so wie er es angenommen hatte, sondern etwas anderes.
Drittens: Draco schlief nicht mehr, da sein Bett leer und bereits ordentlich gemacht war - was zum weiteren bedeutete, dass der Junge sich sicherlich schon auf die 'bereitgestellte Kleinigkeit' gestürzt hatte.
Viertens: Draco schien heute von allen guten Geistern verlassen zu sein, denn er stellte gerade den gesamten Schlafsaal auf den Kopf.
Völlig perplex sah Harry dem anderen dabei zu, wie er gerade eines der Betten ausräumte. Zuerst riss er die Tagesdecke weg, dann die Decke darunter. Er tastete das Bettzeug und das Kopfkissen hab, riss die Bezüge herab um mit einem frustrierten Laut alles auf den Boden zu schmeißen und dann das Bettlaken unter die Lupe zu nehmen. Zu Harrys weiterer Verblüffung hob er auch noch die Matratze aus dem Lattenrost, suchte ihn mit den Augen ab, schien aber ein weiteres Mal nicht das zu finden, was er wollte. Also ließ er die Matratze los um kurz darauf dasselbe mit dem nächsten Bett zu praktizieren.
"Suchst du was?"
Draco schreckte zusammen, als er die Stimme vernahm, hatte er doch in seinem Suchwahn nicht mitbekommen, dass der andere wach war. Kurz sah er Harry böse an, dann machte er sich wieder ans Suchen. Dabei beantwortete er die Frage:
"Natürlich such' ich was! Was denkst du denn?! Es ist Ostern!"
Harry runzelte überrascht die Stirn. "Du suchst noch Ostereier?!"
Ein Paar graue Augen sah ihn funkelnd und gleichzeitig beleidigt an. "Ja, und?!", schnappte er dann. "Lass mich doch!"
"Ist ja gut!", der Schwarzhaarige hob abwehrend die Hände. Auf so etwas war er nicht vorbereitet gewesen.
"Los! Steh auf! Vielleicht sind bei dir welche!"
Draco schubste ihn regelrecht aus dem Bett und durchwühlte es daraufhin. Doch auch diesmal blieb seine Suche erfolglos. Grummelnd stellte er sich in die Mitte des Zimmers, drehte sich einmal um 360° und blieb schließlich nachdenkend stehen.
Harry zog derweil ein paar Klamotten aus seinem Koffer.
"Werden Ostereier normalerweise nicht an leicht zu findenden Orten versteckt?!"
"Normalerweise ja. Aber Sev ist nicht normal!"
Harry hielt in seinem Tun inne. Hatte er da gerade richtig gehört?! Snape hatte die Eier versteckt?! Entgeistert starrte er den Slytherin an.
"Snape versteckt Ostereier?!!"
Draco zuckte mit den Schultern, während sein Blick weiter durch den Raum wanderte. "Er weiß, dass ich ihn nerve und umarme, wenn er es nicht macht. Aber er hat sich wieder eine Hintertür geschaffen: Er versteckt das Zeug an den unmöglichsten Orten!"
Harry schüttelte entgeistert den Kopf und wollte sich dann mit seinen Klamotten ins Bad machen um zu duschen, wurde jedoch von Draco abgehalten.
"Was machst du?! Wo willst du hin?!"
"... duschen..."
"Das geht nicht! Du musst mir suchen helfen!" Der Blonde sprang ihn beinah an, und so wich der Gryffindor vorsichtshalber ein paar Schritte zurück.
"Die laufen dir doch nicht weg..."
"Manche schon! Und außerdem darf ich nur die behalten, die ich finde! Also mach und zieh dich an! Duschen kannst du später noch, jetzt wird erst einmal gesucht!"
Harry sah den anderen weiter perplex an. Er traute sich fast gar nicht zu fragen, in Sachen Essen konnte der Größere wahrlich zur Bestie werden.
"... kann... kann ich wenigstens nochmal aufs Klo?"
Draco sah ihn abschätzig an, dann knurrte er: "Wegen mir... aber beeil dich!"
Harry kam dieser Aufforderung nach und ging raschen Schrittes in Richtung Toilettenkabine, die vom restlichen Bad abgegrenzt war. Manche laufen weg?! Hatte er das eben richtig gehört? Der Junge beschloss später behutsam zu fragen, doch als er die Toilettentür öffnete erledigte sich das. Zuerst verwirrt, dann sich besinnend, dass er mit so was hätte rechnen müssen, wandte er den Kopf und schrie in Richtung Schlafsaal.
"Ich hab' eins gefunden!"
Bis Draco zu ihm gestürmt kam, betrachtete er das Ei, das wie von der Tarantel gestochen auf der Kloschüssel im Kreis umher lief.
Sie verbrachten den ganzen Vormittag damit Slytherin nach Eiern zu durchsuchen. Als Draco sich in die anderen Schlafsäle begab um zu suchen, fand das Harry irgendwie dreist, doch irgendwie schien Snape das auch zu sein, denn er hatte in vielen von ihnen welche von den Schokoladenköstlichkeiten versteckt. Der Gryffindor war etwas besorgt darüber, dass der andere Junge auch die Mädchenschlafsäle durchsuchen wollte, aber als er ihn behutsam fragte, ergab sich, dass in Slytherin genauso wie in Gryffindor, die Jungs durch eine magische Barriere davon abgehalten wurden in den Mädchenflügel zu gelangen.
Harry beschäftigte sich lieber mit dem Gemeinschaftsraum, der für alle zugänglich war. Anders wäre er sich irgendwie wie ein Dieb vorgekommen. Unter einem der Tische fand er ein ganzes Nest voller Eier, doch wurden diese von einem aggressiven Schokoladenhasen verteidigt. Draco - der zu diesem Zeitpunkt auf der Jagd eines extrem schnellen Eies war - meinte im Vorbeirennen, dass er es einfach wie einen normalen Hasen am Genick packen sollte. Harry tat wie ihm gehießen und war kurze Zeit später glücklicher Besitzer fiepender Eier und eines ganz plötzlich schmusebedürftigen Schokoladenhasens.
Als der blonde Junge in den Kamin kletterte, glaubte der andere ein weiteres Mal, er hatte irgendwie den Verstand verloren. Doch der Slytherin kam mit einem riesigen Ei wieder hinaus und Harry sparte sich seinen Kommentar.
Auf Dracos Vorschlag hin inspizierten sie auch den Besenschrank - jedenfalls wollten sie das, denn als sie die Tür öffneten kam ihnen ein ganzer Schwarm von Eiern entgegengerannt, der sie zu Fall brachte und sich dann im ganzen Gemeinschaftsraum verteilte. Sie brauchten fast eine Stunde um alle einzufangen.
Kurz vor zwölf sanken die beiden Jungen erschöpft in einem der Sofas zusammen. Harry hätte sich nie träumen lassen, dass Ostereiersuchen derart anstrengend sein konnte.
Draco hatte einen der Tische umgedreht und um die vier Beine eine Art magischen Zaun errichtet. In dessen Inneren saßen jetzt mindestens Hundert Eier, zwei Schokoladenhasen, die mittlerweile miteinander schmusten, ein kleines Schokoladenlämmchen und vier Schokoladenküken. Mit einem breiten Grinsen sah der Junge auf seinen Ertrag hinab.
"So viele hatte ich noch nie! Wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich dich früher zum Eiersuchen angeheuert." Er kicherte und schnappte nach einem der rennenden Eier. Um es fluchtunfähig zu machen biss er ihm gleich die Beine ab. "Willst du keins?", fragte er dann an den Gryffindor gewandt. Dieser schüttelte nur den Kopf. Es gab immerhin gleich Essen. So etwas Draco klar zu machen, hatte er inzwischen aufgegeben, diesem Jungen konnte nichts den Appetit verderben.
"War's so schlimm?"
Aus seinen Gedanken gerissen, starrte Harry den anderen an. Nichtverstehend legte er die Stirn in Falten.
Draco rollte mit den Augen. "Das Eiersuchen! War es so schlimm? Hat's dir keinen Spaß gemacht?"
"Doch..."
"Siehst aber nicht so aus...", kam es zweifelnd von dem Slytherin.
Harry wandte den Blick nach unten. Es hatte ihm wirklich Spaß gemacht die Eier zu suchen, aber... er konnte diese positiven Gefühle noch immer nicht richtig ausdrücken. Er freute sich zwar manchmal, fand bestimmte Dinge auch lustig, aber er konnte einfach nicht lachen. Nicht einmal lächeln. Er seufzte.
"Tut mir Leid... aber... ich...", er wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte. Doch Draco half ein wenig nach:
"Du kannst es noch nicht wieder zeigen?"
Harry nickte.
"Na gut", der Blonde gab einen abfälligen Laut von sich, stopfte sich den Rest des Eis in den Mund und meinte, nachdem er geschluckt hatte. "Dann hab ich ja ein neues Ziel..."
Der Gryffindor sah ihn überrascht an, doch er zuckte nur mit den Schultern.
"Kann's nicht haben, wenn einer die ganze Zeit Trübsal bläst. Ich glaub, da sticht die Blackseite aus mir raus."
Dann fiel sein Blick wieder in seinen Schokoladenkäfig, wo die zwei Schokoladenhasen mittlerweile zu mehr als Schmusen übergegangen waren. Einen Moment sahen beide Jungen perplex zu. Draco fand als erster seine Stimme wieder:
"Hey, vielleicht krieg ich so noch mehr Schokolade!" - - -
Zur Feier des Tages waren die Haustische diesmal beiseite geschoben und hatten einem großen runden Tisch Platz gemacht, an dem die Lehrer und die dagebliebenen Schüler Platz hatten. Leider, so bemerkte Draco, da sie in diesem Falle keine Möglichkeit hatten einen der Hauslehrer zu verwirren.
Sie waren ein paar der ersten - Draco hatte darauf bestanden so früh wie möglich zu gehen um so viel wie möglich zu bekommen. Nur Professor Dumbledore war schon anwesend, an seinen Seiten McGonagall und Snape. Der Slytherin setzte sich zielstrebig neben seinen Hauslehrer, welcher den Jungen mit einem abschätzigen Blick bedachte. Trocken meinte er:
"Wenn du immer so pünktlich wärst, wie wenn es ums Essen geht, hätte ich keine Probleme mit dir..."
Draco sah nur empört auf, Harry grinste innerlich ein wenig, die anderen beiden Professoren waren überrascht angesichts Snapes Bereitschaft scherzähnliche Kommentare zu geben.
Dann sah der Junge sich ein wenig ungeduldig um. "Wer fehlt noch?"
"Du wartest", antwortete Snape nur scharf, bevor jemand anderes etwas sagen konnte. Draco knurrte.
"Aber ich hab Hunger..."
Der Blick des Zaubertränkeprofessors sprach Bände und ließ den Blonden einen wenig zusammensinken. Harry betrachtete die Szene leicht amüsiert aus den Augenwinkeln.
"Haben Sie die Kleinigkeit, die zubereitet worden ist, denn nicht gegessen?", mischte sich nun Dumbledore ein.
"Doch", murrte der Junge. "Aber das war viel zu wenig..."
Der alte Zauberer zog überrascht die Augenbrauen hoch und tauschte einen Blick mit der Lehrerin an seiner Seite. Diese 'Kleinigkeit' war eigentlich nur so bezeichnet worden, in Wirklichkeit waren es ein ziemlich großer Osterkuchen, drei Brötchen mit Belag und ein paar Kekse. Als dann aber sämtliche Anwesenden eingetroffen waren und das Essen begonnen hatte, merkte Dumbledore schnell, dass eine solche 'Kleinigkeit' den Slytherinjungen wohl nicht mal im entferntesten gesättigt haben konnte.
Das Essen war üppig. Noch üppiger als normal, ein Festtagsessen halt. Und Draco schien seinen Festtagshunger ausgepackt zu haben, denn er futterte noch mehr als normal. Nachdem Harry mit dem Essen fertig war, beschäftigte er sich damit, dem Blonden die restlichen Schüsseln zu reichen.
Als Dumbledore - sichtlich ein wenig perplex - fragte, ob er die Hauselfen bitten sollte noch etwas mehr zuzubereiten, schien Draco Feuer und Flamme zu sein, wurde von Snape aber mit einem Blick und einem Fußtritt von der Bejahung abgehalten. Der Junge murmelte nur ein enttäuschtes 'Nein danke' und besah den Lehrer neben sich mit einem Blick, der hätte töten können.
Kurz darauf war das aber schon wieder vergessen, denn der Nachtisch wurde aufgetischt und da von Eis über Obstsalat bis Kuchen alles zu finden war, war Draco wieder voll in seinem Element. Dumbledore fand irgendwann selbst Freude daran dem Jungen noch die verschiedensten Dinge anzubieten. Flitwick und Sprout sahen auch sehr amüsiert aus. Hagrid meinte mit seinem schmetternden Lachen, dass der Junge wirklichen einen Riesenappetit hatte. McGonagall und die Schüler sahen ihn perplex an - bis auf Harry, der dies ja mittlerweile gewöhnt war. Nur Snape sah seinen Schüler an, als würde er ihm am liebsten den Hals umdrehen.
Nach einer Weile rollte er aber mit den Augen und wandte seine Aufmerksamkeit ab. Für Harry sah es aus, als wäre er dankbar, dass Draco Hogwarts bis auf die Grundmauern aufaß und nicht ihn - was auch absolut der Fall war. - - -
Nach dem Mittagessen verkündete Dumbledore, dass es an diesem Tag kein Abendessen geben sollte. Als er aber Dracos entsetztes Gesicht sah, fügte er hinzu, dass im Slytheringemeinschaftsraum etwas zu finden sein würde. Der Junge atmete erleichtert aus, während Snape sein Gesicht in seiner rechten Hand vergrub.
Daraufhin verließen Draco und Harry die Große Halle und wanderten etwas im Schloss umher. Draußen tobte inzwischen ein richtiger Sturm und so wie der Himmel aussah, würde er sich bald mit einem prasselnden Regenguss über die Erde ergießen.
"Wieso nimmst du bei diesen Mengen, die du isst, eigentlich nicht zu?", fragte Harry irgendwann frei hinaus die Frage, die ihn seit einer Woche beschäftigte. Draco sah ihn zuerst etwas überrascht an, dann zuckte er mit den Schultern.
"Keine Ahnung... vielleicht weil ich immer vor Sev wegrenne..."
Harry blinzelte verwirrt.
"Komm schon! Du weißt doch wohl am besten, dass man vor einem wütenden Snape am besten Reißaus nimmt..."
Der Gryffindor nickte... wenn er es auch lieber verneint hätte. Dann fuhr der blonde Junge fort:
"Aber vielleicht liegt's auch an den Genen... Mum konnte auch viel essen ohne zuzunehmen... Großmutter war genauso, hat sie gemeint, genauso wie Tante Bellatrix und Tante Andromeda... wobei ich das bei Tante Andromeda nicht wirklich einschätzen kann, weil ich bis zu meinem siebten Lebensjahr nicht mal wusste, dass ich zwei Tanten habe..."
Harry sah ihn perplex an. "Bitte?"
Wieder nur ein Schulterzucken. "Sie hat'n Muggelstämmigen geheiratet, hat ihr die Enterbung und totale Leumdung gebracht. Mum is' immer fuchsteufelswild geworden, wenn man sie erwähnt hat..."
"Und wie hast du von ihr erfahren?"
"Ich war damals mit Sev unterwegs. Er kennt sie ja, und als sie uns über den Weg lief meinte er, ich solle meiner Tante wenigstens mal guten Tag sagen. Kann mich nicht mehr so wirklich dran erinnern, aber ich weiß noch, dass er ganz schön dumm aus der Wäsche geschaut hat, als er erfahren hat, dass ich nichts von ihr wusste."
Harry zog die Augenbrauen hoch und Draco schien seine Gedanken lesen zu können:
"Frag mich nicht warum, in Sachen Familie hat der Mann manchmal seltsame Anschauungen..."
"Was ist mit ihm?"
Der Slytherin gab dem anderen mit einem Blick zu verstehen, dass er nicht wusste, wovon Harry sprach.
"Mit Snape? Was ist mit seiner Familie?" Die Bilder, die er letzten Sommer gesehen hatte, kamen wieder hoch. Von dem Jungen, der zusammengekauert in der Ecke saß, während der Mann die weinende Frau anschrie.
Plötzlich hatte Draco einen seltsamen Ausdruck im Gesicht. Nach einem kurzen Brummen sagte er schließlich:
"Das weiß nicht mal ich wirklich... soweit ich weiß, war er ein Einzelkind und seine Eltern sind mittlerweile tot, aber... ich weiß nicht, ich glaub, er hatte keine wirklich glückliche Kindheit gehabt... Aber wer hat die schon...", fügte er noch dazu und das erste Mal, seitdem sie sich vor einer Woche angefreundet hatten, konnte Harry einen traurigen, fast depressiven Ausdruck in den grauen Augen erkennen.
Dann schüttelte Draco energisch seinen Kopf. "Egal... wie dem auch sei... wenn, dann hab ich es von Mum. Dad is' dick..."
Der Schwarzhaarige sah den anderen mit hochgezogenen Augenbrauen an, erntete aber erneut nur ein Schulterzucken.
"Hat es sich über die letzten Jahre wohl zu gut gehen lassen. Im Gesicht sieht man's nicht, aber er hat 'nen ganz schönen Bauch..." - - -
Den Rest des Nachmittags tigerten sie im Schloss umher. Ihr Weg führte sie auch in die Bibliothek, wo Draco Harry dazu zwang sich ein Quidditchbuch auszuleihen. Er wollte in der nächsten Saison wieder gegen eine gescheite Gryffindormannschaft spielen, es machte keinen Spaß, wenn man keine richtige Konkurrenz hatte.
Er selbst fragte Madam Pince nach einen Buch über Vermehrung von Schokoladenhasen, bekam aber nur einen derart entsetzten Blick, dass er beschloss lieber wieder zu gehen. Kurz überlegte er noch Hagrid zu fragen, doch der würde allerhöchstens etwas über die Vermehrung von Killerkaninchen wissen.
Auf dem Weg zurück fiel Harry ein, dass er noch etwas aus dem Gryffindorturm brauchte. Er hatte nur das mitgenommen, was er brauchte, und als er letztens die Wahrsagenhausaufgaben machen wollte, war ihm aufgefallen, dass das Buch noch oben war. Er hatte zwar nicht vor an diesem Tag die Aufgaben noch zu erledigen, aber da sie sowieso gerade oben waren, konnte er auch jetzt gehen.
"Willst du mit?", fragte er Draco und er konnte den Kampf zwischen Abneigung und Neugier deutlich sehen, der sich in seinem Gesicht abspielte.
"Na gut", meinte er schließlich und folgte Harry den Weg zum Gryffindorturm, der bis dato nur von dessen Bewohnern gekannt worden war. Am Porträt der fetten Lady angekommen sagte Harry ohne viele Umschweife das Passwort - immerhin wusste er auch das von Slytherin - und kletterte dann mit Draco im Schlepptau durch das Loch.
Der Slytherin sah sich interessiert um. Harry ließ ihm Zeit, er selbst hatte sich in dem anderen Haus ja auch erst einmal umschauen müssen. Nachdem Draco den Gemeinschaftsraum untersucht hatte, stiegen sie die Treppen hinauf in den Schlafsaal. Während der Schwarzhaarige sein Buch suchte, inspizierte der andere nun auch diesen Raum, sowie das Bad und den Ausblick. Harry setzte sich schließlich auf sein Bett und wartete bis Draco fertig war.
Der stellte sich irgendwann in die Mitte des Saals, zuckte mit einem seiner Auge und sah derart entsetzt auf Harry, dass dieser stutzte.
"Was...?"
"Um Merlins Willen! Wie kann man hier leben?! Das... das ist ja schrecklich..."
Harry blinzelte nur, doch der andere fuhr weiter.
"Das ist ja grausam... schrecklich... ich würde hier Alpträume kriegen!" Apathisch schüttelte er den Kopf, bis er schließlich preisgab was ihn derart entsetzte: "Hier gibt es viel zu viel Rot und Gold!"
Harry kippte auf seinem Bett nach hinten. - - -
Wieder im Slytheringemeinschaftsraum rannte Draco erst mal in dessen Mitte und atmete erleichtert auf.
"Grün! Silber! Viel besser!!" Harry konnte nur den Kopf schütteln und setzte sich auf das Sofa, auf dem sie auch am Morgen gesessen hatten.
"Hey, schüttel' nicht den Kopf! Das war ein tragisches Erlebnis für mich!"
"Draco, du warst nicht mal zehn Minuten in Gryffindor!"
"Ja, und jede Minute, die ich da war, war zuviel! Bring mich bloß nie dazu, dich da oben zu besuchen, wenn die Schule wieder losgeht..."
Immer noch mit einem entsetzten Blick in den Augen, ließ er sich neben den anderen auf das Sofa fallen. Erst dann bemerkte er dessen traurigen Ausdruck.
"Was ist?"
Harry antwortete zunächst nicht. Schließlich seufzte er auf und meinte leise:
"Ich weiß nicht, ob ich will, dass es wieder losgeht..."
"Ich nehme nicht an, dass es damit zu tun hat, dass du nicht lernen willst." Ein Blick von dem Schwarzhaarigen bestätigte seine Vermutung. Mit einem überlegenden Laut, verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich nach hinten. Ganz unverhofft und beinah schon frech fragte er:
"Warum nicht?"
Harry über diese Direktheit überrascht, brauchte ein paar Sekunden um darüber nachdenken zu können und schließlich zu antworten.
"Es ist so... anstrengend mit Ron und Hermine zusammen zu sein... sie..." er seufzte. "Ich weiß auch nicht. Sie legen jedes Wort auf die Waagschale, fragen mich andauernd, ob sie etwas für mich tun können und wenn ich sie ignoriere, starren sie mich mit diesem besorgten Blick aus den Augenwinkeln an..."
Draco sagte nichts und wartete.
"Bei dir ist es anders. Du nimmst nicht sonderlich viel Rücksicht... es ist so... ungezwungen mit dir..."
"... ich nehm das jetzt mal als Kompliment...", meinte Draco trocken, worauf ihn Harry in die Seite stieß. Dann lachte der Blonde. "Nya, ich würd's nicht mal unter normalen Umständen mit Weasley oder Granger aushalten... wie dem auch sei, wenn du willst, kannst du hier blieben."
Der Schwarzhaarige sah überrascht auf. "Echt?"
"Klar. Wenn Sev bis jetzt nichts gesagt hat, sagt er auch in Zukunft nichts. Außerdem wird es mit der Zeit langweilig alleine in dem Schlafsaal. Und solange du nicht so ohrenbetäubend schnarchst wie Crabbe und Goyle, störst du mich auch nicht."
"Danke..."
Draco winkte ab.
Eine Weile verbrachten sie in Schweigen. Der Slytherin sah sich im Raum um, wahrscheinlich genoß er es noch ein wenig wieder in 'heimischen' Farben zu hausen. Harry starrte vor sich auf den Boden und dachte über das Gesagte nach. Vielleicht sollte er wirklich hier unten bleiben. Er brauchte einfach mal Ruhe, sozusagen Urlaub, von den ganzen besorgten Blicken und Worten. Auch, wenn er derzeit von ihnen erlöst war, er brauchte mehr als zwei Wochen. Er seufzte und wollte etwas sagen, als sein Blick plötzlich in den Tischkäfig fiel.
Er blinzelte. Dann blinzelte er noch einmal. Nach ein paar weiteren Versuchen die vermeintliche Halluzination wegzublinzeln, fand er sich damit ab, dass es wohl wirklich war, was er sah.
"Draco...", seine Stimme klang irgendwie flehend und der andere sah ihn ein wenig besorgt an.
"Was?"
Aber Harry war zu geschockt um etwas sagen zu können, also hob er nur seine Hand und deutete in den Käfig.
Draco folgte der Richtung und wusste im ersten Moment nicht, was der Schwarzhaarige meinte. Erst nach ein paar Momenten fiel ihm die Veränderung auf.
"Geil!" Grinsend sprang er auf und begutachtete die dazugekommenen acht kleinen Schokoladenhasen. - - -
Dunkel wurde die Erde, als die Wolken an Dunkelheit erlangten und das Licht aussperren konnten. Immer höher und höher türmten sie sich auf, ballten sich zusammen in den Weiten des Himmels. Es war, als wollten sie die Erde unter sich erdrücken, als würden sie sich so lange sammeln, bis selbst sie mit ihrer geringen Masse in der Lage wären die Welt unter sich zu vernichten.
Unbarmherzig entluden sie sich, ließen ihre Flüssigkeit wie Tränen des Zorns auf die Erde hinabregnen, in dem Versuch sie zu ertränken. Der Wind blies den lichtbedürftigen Lebewesen zusätzlich das Wasser ins Gesicht, ließ sie die Augen schützen und so noch blinder werden. Der Donner rollte in den wallenden Wolken, die schwärzer waren als je zuvor und mit ihrer stärksten Kraft das Licht der Sonne abhielten. Das Grollen entlud sich wie der Regen über das Land, ließ die Wesen sich in ihre Behausungen zurückziehen, wo sie zitterten und froren, mit geschlossenen Augen hoffend, dass ein neuer Tag hereinbrechen würde.
Doch auch innerhalb der Wolken gab es Verräter, Abtrünnige, die jene Reihen verlassen hatten, denen sie einst dienten. Und so zogen sich die Blitze durch die schwarzen Wolken, schwächten sie zu einem trüben Grau und schenkten der Welt darunter ein wenig von dem Licht, das sie sich erhoffte. Aber der Blitz konnte nur kurz zuschlagen, war nicht dazu in der Lage ewig zu helfen und so gab es immer nur kleine, grelle Augenblicke der Hoffnung.
Es war noch nicht wirklich spät, aber die Jungen hatten beschlossen trotzdem schon ins Bett zu gehen, man musste ja nicht unbedingt schlafen. Draco hatte eines der freien Betten vor das Fenster gezaubert und lag nun darauf, während er fasziniert das Schauspiel außerhalb der Schlossmauern beobachtete.
Als Harry gerade aus dem Bad in den Schlafsaal trat, zuckte ein Blitz durch den Himmel und erhellte den Raum in seinem schaurig grellen Licht. Das Gesicht des blonden Jungen war zu einem richtiggehend wahnsinnig aussehenden Grinsen verzogen. Harry blieb irritiert stehen. Er wartete kurz, tat dann aber doch die restlichen Schritte. Ein wenig zögernd meinte er:
"Draco...?"
Der Angesprochene wandte ihm seinen Kopf zu, doch nun war Harry erst recht eingeschüchtert, weil immer noch nicht dieser wahnsinnige Ausdruck auf dem Gesicht verschwunden war.
"Ja?"
"... geht's dir... gut?"
"Jaaa!! Es gewittert!!"
Der Gryffindor blinzelte verwirrt. Der andere bemerkte dies und erklärte - fortwährend mit diesem Grinsen:
"Ich steh auf Gewitter! Ich liebe es!! Wah, wenn es blitzt und donnert, ist das so geil!!!"
Harry schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und schüttelte seufzend den Kopf. Irgendwie war dieser Junge manchmal sehr seltsam... wobei seltsam wohl noch stark untertrieben war.
Draco schien seinen Blick zu bemerken:
"Jetzt schau mich nicht so an und komm her! Das ist wirklich cool!" Der Schwarzhaarige konnte sich nicht wehren, als er von dem anderen am Handgelenk aufs Bett gezogen wurde.
Draco lag auf dem Bauch, die Beine angewinkelt und baumelnd. Harry bevorzugte es sich im Schneidersitz daneben zu setzen. Beide Augenpaare waren nach draußen gerichtet und mit der Zeit musste der Gryffindor zugeben, dass ein Gewitter wirklich faszinierend war. Wie der Regen unaufhörlich hinabströmte, der Wind ihn quer über die ganze Landschaft blies, die Wolken sich derart bedrohlich aufbäumten, als wollten sie die Erde zerdrücken. Und nur der Blitz schien irgendwie den Wesen Hilfe bringen zu wollen, obwohl er es immer nur kurz konnte und dabei manchmal verheerende Schäden anrichtete.
Die Oberfläche des Sees war unruhig, wurde von den heftigen Windböen hin und her geschleudert. Doch darunter, dass wussten sie beide, war davon nichts zu merken. Die Wassermenschen, die dort lebten, würden vielleicht gerade mal durch das Zucken der Blitze aufmerksam werden, doch stören würde sie es nicht. Nichts störte sie in ihrem einsamen Leben da unten, sie waren gänzlich abgeschlossen von der Außenwelt. Harry seufzte, er wäre gern einer von ihnen, ohne all die Probleme, die das Leben an der Oberfläche mit sich brachte.
"Was ist?", Draco sah ihn von unten aus seinen grauen Augen aus, in denen ein ungewohnt sanfter Ausdruck lag.
"Ich hab nur nachgedacht..."
"Über was?!
Harry schwieg eine Zeitlang, aber der andere hetzte ihn nicht. Er würde schon reden, wenn er wollte. Und wenn nicht, hatte drängen doch auch keinen Sinn.
"Über mein Schicksal...", antwortete der Schwarzhaarige schließlich und sein Blick glitt wieder in die Ferne, so wie er es vor ein paar Tagen noch oben auf dem Turm getan hatte. "Über all das, was mir bisher widerfahren ist... was ich erlebt habe... wer..." Harry brach ab, da seine Stimme versagte.
"Wer dir genommen wurde?"
Ein schwaches Nicken. "Weißt du...", fuhr der Gryffindor dann fort. "Manchmal wünschte ich mir, ich könnte noch mal neu anfangen und jemand anderes werden."
Draco sah ihn kurz aus den Augenwinkeln an, dann lachte er auf. Mit einem Knurren, das eher an ein Seufzen erinnerte, meinte er:
"Das wünscht sich jeder einmal... nicht nur du..." In seiner Stimme lag etwas, dass Harry nicht wirklich deuten konnte. Eine Mischung aus Reue, Sehnsucht und Trauer.
"Kann ich dich was fragen?"
"Hm?"
Einen Moment überlegte er, wie er es formulieren sollte, aber schließlich entschloss er sich den direkten Weg des anderen zu gehen:
"Warum hast du die Seiten gewechselt?"
Die grauen Augen wandten sich vom Gewitter ab und blickten in die grünen, die nun auch nicht mehr auf dem Horizont lagen. Sekunden verhaarten sie in dieser Position und Harry fürchtete bereits, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Dieser Eindruck verstärkte sich, als plötzlich wieder das überhebliche Funkeln in den gegenüberliegenden Augen zu sehen war, das sie all die Jahre zuvor mit sich getragen hatten.
"Ich hätte diese Frage eigentlich schon früher erwartet. Bisschen unvorsichtig für den Goldjungen, oder?!"
"Ich meinte nicht..."
"Schon gut...", Dracos Stimme war wieder sanft. "Ich habe die Seiten nie gewechselt. Ich habe einfach nur rebelliert. Die Ansichten, die mir meine Eltern versucht haben zu vermitteln, habe ich nie geteilt. Okay, manche schon... ich bin kein Fan von Muggeln und Muggelblütigen, aber... sie zu töten, auszurotten, das ist auch nicht der richtige Weg. Und da lebe ich lieber mit Muggeln zusammen, als einer von den Schlächtern des Lords zu sein..."
"Aber warum-"
"Warum ich mich dann immer wie der letzte Idiot verhalten habe?"
Harry hätte es nicht so ausgedrückt, aber es war, was er gemeint hatte und darum nickte er. Draco seufzte, diesmal unverkennbar.
"Ich hatte Angst..." Die grünen Augen wurden jäh überrascht aufgerissen. "Du kennst meinen Vater doch... Er ist nicht gerade das, was man einen liebevollen Vater nennt. Eigentlich ist er nicht mal wirklich das, was man einen Vater nennt... genauso wenig wie meine Mutter..."
"Wie meinst du das?"
"Sie haben sich nie um mich gekümmert. Jedenfalls nicht zuhause. Auf Bällen oder Empfängen war ich immer ihr ganzer Stolz! Aber zuhause wurde ich gleich dem Kindermädchen übergeben. Und wenn Ferien waren haben sie mich zu Sev abgeschoben... Er hat mich irgendwie immer dazu gedrängt mir meine eigene Meinung zu bilden... Ich glaube, er wollte nie, dass ich auch in diesen Teufelskreis der Death Eater abrutsche..."
Ein wenig entschuldigend blickte Draco den anderen an und zuckte wieder kaum merklich mit den Schultern.
Harry nickte nur und dachte eine Weile über das Gesagte nach. Eigentlich klang es unrealistisch, dass Snape ihn aus den Death Eater Reihen raus haben wollte, aber im Grunde... Snape selbst hatte gemerkt und erfahren, wie es unter Voldemorts Herrschaft war und wenn Draco ihm wirklich etwas bedeutete, war es nur natürlich, dass er den Jungen nicht in Dinge verwickelt haben wollte, die für ihn schlimmer als die Hölle waren.
Allerdings warf das die nächste Frage auf. Schon die ganze Woche rätselte Harry darüber, welche Beziehung die beiden hatten. Er wusste, dass Snape und Lucius wohl in gewisser Weise befreundet waren, aber dass Draco dadurch so eine intensive Beziehung zu dem Professor bekommen hatte... das konnte Harry sich nicht vorstellen. Da steckte mehr dahinter, das konnte man gleich sehen, wenn man mitbekam, wie sie sich im Normalfall behandelten. Nicht allein die Tatsache, dass Draco Snape duzte machte ihn nachdenklich, es waren noch diese Sticheleien, dieses vertraute miteinander umgehen. Draco wusste Dinge von dem Mann, die sonst wahrscheinlich niemand wusste. Dann noch diese Sache mit den Ostereiern, dass er häufiger mit ihm Essen ging. Das war keine normale Beziehung zwischen einem Mann und dem Sohn eines Freundes, das ging tiefer...
"Willst du mich noch was fragen?", riss ihn der Blonde schließlich aus seinen Gedanken. Die grauen Augen blickten erwartend und obwohl Harry die Frage irgendwie unangenehm war, siegte seine Neugier und er fragte schließlich doch:
"Du und Professor Snape... was habt ihr für eine Beziehung?"
Er merkte deutlich, wie sich Dracos Blick verfinsterte. Wobei verfinsterte nicht das richtige Wort war, es war nicht mehr dieser offene Ausdruck, den er zuvor gehabt hatte, er war dunkler geworden, irgendwie... abschätzend... kalkulierend... besorgt? Dann seufzte der Slytherin wieder, rieb sich kurz das Nasenbein und antwortete schließlich, leise und ohne den anderen anzusehen:
"Er ist mein Pate."
Harry spürte wie sich sein Herz unwillkürlich zusammenzog. Das Wort 'Pate' rief Erinnerungen bei ihm wach, die er lieber vergessen wollte. Er zog die Beine an und umschlang sie mit seinen Armen. Wieder kam dieser dumpfe Schmerz und er war versucht ihn erneut mit der Leere zu überdecken. Er wollte nicht fühlen, wollte nicht das Leid spüren, aber... er wollte auch nicht wieder dieses triste, emotionslose Dasein führen, das sein Leben in den letzten Monaten beherrscht hatte. Seine Finger krampften sich fester in den Stoff seiner Pyjamahose. Warum musste es auch immer für ihn so schwer sein? Warum musste auch immer er alles verlieren, was ihm wichtig war, was er lieb gewonnen hatte?!
Harry merkte nicht, wie die Tränen sich langsam einen Weg hinaus bahnten. So lange hatte er sie unterdrückt, so lange hatte er sie verleumdet. Aber jetzt konnte er nicht mehr, jetzt brach es aus ihm heraus und es gab keine Möglichkeit mehr es aufzuhalten.
Draco neben ihm bemerkte das mit Entsetzen. Er hatte den anderen nicht verletzten wollen, darum hatte er so lange gezögert ihm die Wahrheit zu sagen. Er hatte kurz überlegt irgendeine andere Beziehung vorzutäuschen, aber... das, was Harry am Morgen zu ihm gesagt hatte, das hatte ihn nicht lügen lassen. Doch jetzt wünschte Draco, er hätte sein Gewissen einfach übergangen.
Der Blonde setzte sich auf und kniete sich neben den anderen Jungen. Hilflos sah er zu, wie der Tränenfluss immer größer wurde. Er wollte irgendetwas sagen, irgendetwas, was ihn tröstete, aber... gab es denn so etwas überhaupt? Gab es irgendein Wort, irgendeinen Satz, der diese schreckliche Seelenqual lindern konnte?
Draco seufzte wieder. Eigentlich hatte er sich das abgewöhnt, hatte Severus' Ersatz des Knurrens dafür angenommen, aber in dieser Nacht konnte er nicht stark bleiben. Diese Nacht hatte schon einen Großteil ihres Innersten bloßgelegt, das sie all die Zeit zuvor so gut bedeckt gehalten hatten.
Wenn auch mit einem kurzen, leisen abfälligen Geräusch, sprang Draco über seinen Schatten und nahm Harry in den Arm. Worte gab es keine, die trösten konnten, aber wie ging dieser eine Muggelspruch, den er mal gehört hatte: Taten sagen manchmal mehr als tausend Worte.
Und so saßen sie da, in dieser stürmigen Frühlingsnacht, allein in dem großen alten Haus der alten ehrwürdigen Schule, und hielten sich aneinander fest. - - -
Auch noch Stunden später fochten die Elemente. Doch die Wolken verloren langsam an Kraft, konnten nicht mehr die erforderliche Flüssigkeit aufbringen um das Land unter sich zu ertränken. Und auch ihre Masse nahm langsam ab und obwohl sie sich stetig weiter aufbäumten, war es ihnen nicht möglich, bei ihrer dunkelgrauen, fast schwarzen Farbe zu bleiben und wurden von Minute zu Minute heller, lichtdurchlässiger. Ein weiteres Mal hatten sie den Kampf gegen die Sonne verloren. Doch sie würden nicht aufgeben, denn eine Schlacht zu verlieren, hieß nicht den Krieg zu verlieren.
Harry war der erste, der am Morgen aufwachte. Nur langsam entkam er der Tristheit des Schlafes. Er hatte nicht geträumt, weder gut noch böse, nur geschlafen in einem endlosen Grau. Er konnte ein paar Vögel zwitschern hören, die trotz des ungemütlichen Wetters außerhalb ihrer Behausungen saßen und den Sieg der Sonne feierten.
Dann spürte er die ungewöhnliche Wärme neben sich, das Gewicht um seinen Bauch. Blinzelnd und sich erst einmal an die ungewohnte Helligkeit gewöhnen müssend, öffnete er die Augen und sah direkt in das Gesicht eines schlafenden blonden Junges.
Harry war etwas überrascht Draco plötzlich in seinem Bett vorzufinden, merkte dann aber, dass es gar nicht sein Bett war. Aber Dracos auch nicht. Nun vollkommen verwirrt setzte er sich auf und blickte im Raum umher. Wenigstens waren sie noch in Slytherin, ansonsten hätte er wohl gar nicht mehr weitergewusst.
Mit zusammengekniffenen Augen sah er sich um und fand auf einem der Nachttische neben dem Bett seine Brille, die er gesucht hatte. Schnell hatte er sie sich genommen und aufgesetzt.
Ein letztes schwaches Donnergrollen lenkte seine Aufmerksamkeit nach draußen, wo das Gewitter langsam abklang und ganz plötzlich waren die Erinnerungen wieder da. Er hatte die Beherrschung verloren, hatte die Gefühle nicht mehr verdrängen können und alles aus sich heraus brechen lassen. Er seufzte. Er mochte das nicht, mochte es nicht Schwäche zu zeigen, ganz besonders nicht in Gegenwart anderer. Wenn diese Gegenwart dazu sein schlimmster Rivale war, war es noch schlimmer...
Harry hielt inne in seinen Gedanken. Was dachte er da? Rivale? Eigentlich waren sie das doch schon lang nicht mehr, mittlerweile waren sie doch... Kurz suchte er nach dem richtigen Wort, irgendeines, das ihre jetzige Beziehungen zueinander bezeichnete. Verbündete? Kampfgefährten? Aber trösteten sich einfache Verbündete in den dunklen Stunden der Nacht, hielten sie sich fest, wenn all der Schmerz und all das Leid zu groß wurden und man Gefahr lief den Halt zu verlieren? Nein... das taten nur... Freunde.
Es war seltsam dieses Wort in Verbindung mit Draco - Draco Malfoy - zu gebrauchen. Die ganze Woche über hatte er zwar gemerkt, dass etwas anders geworden war, aber das Wort Freunde benutzte Harry in diesem Moment zum ersten Mal. Aber genau das waren sie nun geworden, so abstrus es auch klang, Harry Potter und Draco Malfoy waren Freunde geworden. Ein Brummen neben ihm riss Harry aus seinen Gedanken. Als er hinunter sah, blickten ihn verschlafen zwei graue Augen an, in die sich bei seinem Anblick noch Verwirrung hinzumischte.
Draco drehte sich auf den Rücken und rieb erst einmal über seine Augen. Dann setzte er sich auf und blickte den anderen neben sich an. Immer noch nicht wirklich wach, meinte er:
"Wir haben nicht miteinander geschlafen, oder?"
Harry riss entsetzt die Augen auf. Bitte was?!! Doch Draco gähnte nur und sagte:
"Gut, das nehm ich als ein 'Ja'..." und mit diesen Worten stand er auf und trottete ins Bad, einen vollkommen verwirrten Gryffindor zurücklassend. - - -
Als Draco wieder zurückkam, saß der andere immer noch entsetzt schauend im Bett. Der Blonde rollte mit den Augen und schüttelte ein wenig genervt den Kopf. Dann schnappte er sich eines der Kissen vom nächsten Bett und schmiss es ins Gesicht des anderen Jungen:
"Meine Güte, das sollte nur ein Scherz sein! Lern' mal wieder etwas Humor!"
Harry, erst durch diesen tätlichen Angriff wieder aus seiner Starre erwacht, wusste nicht, was er darauf erwidern sollte und grummelte nur ein wenig beleidigt.
Draco legte sich wieder zum ihm ins Bett, die Decke mit sich nehmend und die Hände darunter versteckend. Der Schwarzhaarige sah ihn verwirrt an.
"Jetzt glaub ja nicht, dass ich mich in mein Bett lege! Da isses kalt und hier isses warm! Ich geh jetzt nicht da rüber!"
Ein paar Momente starrten sie sich in die Augen, dann war es an Harry mit den Schultern zu zucken, um sich kurz darauf auch wieder zurückzulegen und die Decke hochzuziehen.
"Wir sollten uns 'ne gute Ausrede einfallen lassen", meinte Draco plötzlich.
"Warum?"
"Weil Sev uns niemals abkauft, dass wir nur so in einem Bett geschlafen haben... andererseits... ich glaub, dieser Anblick würde ihn sowieso umbringen..."
Harry erwiderte nichts und eine Weile herrschte Ruhe, bis der Blonde sie wieder brach.
"Geht's dir besser?" Erneut lag eine ungewohnte Sanftheit in seinem Blick.
Der Gryffindor seufzte. Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte, er hatte darüber nicht nachgedacht. Aber als er es jetzt tat, da fühlte er sich irgendwie anders als in den vergangenen Wochen, sogar anders als in der letzten Woche, irgendwie... befreit.
"Ja", meinte er dann zögernd. "Irgendwie schon..."
"Dann is' ja gut", erwiderte Draco nur und damit schien das Thema für ihn beendet zu sein. Harry kam es immer noch etwas unwirklich vor. Vor einem Jahr hätte der andere ihn noch für jede Träne, die er in seiner Gegenwart vergossen hätte, monatelang aufgezogen und jetzt nahm er es einfach hin.
Harry erstaunte es immer wieder, wie schnell sich manche Dinge ändern konnten, sowohl negativ, als auch positiv. Wobei ihm die positiven Veränderungen erst in letzter Zeit bekannt gemacht wurden.
"Wie war er so?", riss ihn Draco ein weiteres Mal aus seinen Gedanken.
"Wer?"
"Sirius."
Kurz zog sich erneut alles in Harry zusammen, aber zu seiner Verwunderung löste es sich sofort wieder. Es tat zwar noch weh an ihn zu denken, aber es war nicht mehr so schlimm. Und er wollte es nicht mehr verdrängen, er wollte... über ihn reden.
"Ähm... wie... wie meinst du das? In welcher Beziehung?"
Draco zuckte mit den Schultern. "Mir eigentlich egal. Ich kenn nur ein paar Geschichten von Sev und ich glaube, er konnte ihn nicht so wirklich ausstehen..." Kurz überlegte der Blonde. "Nya, eigentlich glaube ich, dass er ihn mehr als alles andere auf der Welt gehasst hat..." Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, nicht wirklich wissend, ob es das Richtige war, dem anderen Jungen dies zu erzählen. Doch wie er merkte, war das für Harry nichts Neues.
"Ja, so kann man es wohl ausdrücken", und Harry erzählte ihm von Sirius. So wie er ihn kannte und auch Dinge, die er nur von Erzählungen wusste. Er erzählte von der Szene in der Heulenden Hütte, sogar von der haarsträubenden Flucht, denn er wollte keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen haben und er wusste instinktiv, dass der andere nichts verraten würde. Und zu guter Letzt erzählte er sogar von dem Kampf im Ministerium, obwohl er hin und wieder abbrechen musste um sich zu sammeln.
Als er geendet hatte, verbrachten sie eine lange Zeit in Schweigen. Dann irgendwann gab Draco ein genervtes Stöhnen von sich. Fragend sah Harry ihn an.
"Ich wusste nicht, dass es Tante Bellatrix war..."
Erst in diesem Augenblick wurde Harry bewusst, dass Draco ja sowohl mit Sirius als auch mit Bellatrix Lestrange verwandt war. Er hatte das vollkommen vergessen.
"Kennst du sie...?" Die Frage kam zögerlich, da er nicht wusste, ob er wirklich mehr über sie erfahren wollte, aber... irgendetwas in ihm wollte dies und vielleicht - so hoffte er wohl unterbewusst - konnte er so Dinge besser verstehen.
"Hm... nya... ja... eigentlich schon... aber nicht so wirklich..."
"Hä?!"
"Ach, das ist kompliziert... unsere komische Familienpolitik..."
Er schien wohl nicht fortfahren zu wollen, doch Harrys Blick brachte ihn schließlich doch dazu.
"Nya, von ihr wusste ich. Sie war immer so 'ne Art Heldin, weil sie... du weißt, was sie getan hat, oder?"
Harry nickte bitter.
"Schau mich nicht so an, ich kann nichts dafür!"
Erst da merkte der Schwarzhaarige, dass er wohl ziemlich böse geschaut hatte. Schnell schüttelte er den Kopf und verfreundlichte seinen Blick. Es stimmte ja, Draco konnte wirklich nichts dafür.
"Jedenfalls wurde sie dafür immer hochgelobt, gefeiert, was weiß ich... Mum hat immer in den höchsten Tönen von ihrer großen Schwester erzählt. Wie dem auch sei. Als ich letztes Jahr über die Osterferien heimkam, war sie ganz plötzlich da. Ich hab 'nen ganz schönen Schreck bekommen, als ich sie sah."
"Du musst doch mitbekommen haben, dass sie ausgebrochen war."
"Ja, sicher, aber ich kannte sie nur von Bildern und vor Azkaban sah sie irgendwie nicht so erschreckend aus... Im ersten Moment hab' ich gedacht, es würde ein Vampir vor mir stehen." Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Harry konnte ihn verstehen. Er hatte Bellatrix in beiden Versionen gesehen, einmal vor, einmal nach Azkaban.
"Wie ist sie so?"
"Hm..." Draco brauchte eine Weile um zu antworten. "Ganz anders als Mum..."
"Inwiefern?"
"Mum ist... nya, sie hat eigentlich immer alles getan, was Dad ihr gesagt hat. Sie hat immer die brave Ehefrau gespielt, hat sich um den Haushalt gekümmert... also eigentlich hat sie sich darum gekümmert, dass die Hauselfen sich um den Haushalt kümmern... auf jeden Fall hat sie nie widersprochen. Aber meinem Vater widerspricht ja sowieso niemand..." Kurz schwieg er. "Bis auf Bellatrix. Es war irgendwie komisch plötzlich jemanden zu sehen, der die Courage hat meinem Vater die Stirn zu bieten. Das war wirklich lustig..." Draco grinste ungewollt, aber die Szene hatte ihn zu sehr amüsiert. "Als Dad zu Mum meinte sie solle doch ein paar Drinks zubereiten lassen, hat Tante Bella nur gemeint, warum er das denn nicht selber machen würde."
"... und?"
"Und er ist tatsächlich aufgestanden und hat es gemacht..."
Harry zog eine Augenbraue hoch. Er hatte die beiden zusammen erlebt im Ministerium. Und ja, er hatte gemerkt, dass Bellatrix niemand war, der sich gerne etwas sagen ließ, aber trotzdem schien Lucius der Anführer gewesen zu sein.
Draco grinste immer noch, als er fortfuhr. "Onkel Rodolphus hat gemeint, er hätte wohl Angst gehabt irgendeinen Impotenzfluch auf den Hals gehetzt zu kriegen. Sie war wohl schon immer bekannt dafür sich recht unschön an Männern zu rächen..."
Harry nickte. "Und ansonsten?"
"Ich hab' sie nicht lang gekannt, sie waren nur über die Osterfeiertage da. Dann mussten sie zu einer Death Eaterversammlung. Aber sie scheint mir recht stur und dickköpfig zu sein... selbstbewusst... grausam. Ich weiß nicht, aber... wenn sie sich mit Onkel Rodolphus und Rabastan unterhalten hat, hatte man manchmal das Gefühl keiner der drei wäre jemals in Azkaban gewesen... ein ungemeiner Glaube an den Dunklen Lord... "
Harry nickte wieder, das hatte er damals auch mitgekriegt. Er seufzte. Dickköpfig, stur, sich von anderen Leuten nicht gern etwas sagen lassen... das erinnerte ihn an Sirius. Er war so ähnlich gewesen. Wenn man es sich genau überlegte, waren die beiden sich gar nicht unähnlich und hätten unter anderen Umständen sich vielleicht richtig gut verstanden. Aber das Schicksal hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, hatte ihnen unterschiedliche Weltanschauungen gegeben und sie so zu dem gemacht, was sie letztendlich geworden waren: Cousin und Cousine, bis in den Tod hinein verfeindet... Harry seufzte wieder, dann ganz plötzlich fragte er:
"Glaubst du an das Schicksal?"
"Was?" Draco sah ihn entgeistert an angesichts dieser Frage.
"Weißt du... ich habe an so was nie wirklich geglaubt... an eine höhere Macht, die das Leben aller Menschen bestimmen soll, aber nach allem, was ich bis jetzt erlebt habe... Mittlerweile habe ich doch das Gefühl, dass es da irgendetwas gibt, das mein Leben lenkt..." Seine grünen Augen starrten verklärt an die Decke. Ja, all die Jahre hatte er nie so etwas geglaubt, aber nun... die Prophezeiungen von Trelawny, die er miterlebt hatte, waren zum Teil bereits war geworden. All das, was ihm und Personen seiner Umgebung zugestoßen war, schien einzig dem Zweck zu dienen ihm zu schaden. Manchmal dachte Harry mittlerweile, dass das Schicksal nur ein Ziel hatte: ihn sowohl körperlich als auch seelisch zu zermürben...
"Ach, hör auf mit den Scheiß!" Dracos Stimme klang schon beinah wütend, Harry blickte ihn verwirrt an. "So, ein Schwachsinn... es gibt kein Schicksal... die Menschen bestimmen ihr Leben selbst..." Mit einem abschätzigen Geräusch verschränkte er die Arme vor der Brust.
"Aber-"
"Kein aber! Hör auf so was zu denken! Wahrscheinlich hat dich diese Trelawnytante schon total weichgekocht im Gehirn mit ihren idiotischen Vorhersagen!"
"Aber sie hat schon ein paar wahre Prophezeiungen gemacht..."
"Toll, und ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn! Schicksal... wenn du mir schon mit so was kommst..."
"A-"
"Wahh! Scheiß auf das Schicksal! Es ist doch egal! Oder hast du es erfunden? Oder ich? Oder sonst jemand?! Hm? HM?!"
"Äh... nein..."
"Also. Scheiß auf den Scheiß..." Kurz starrte er an die Decke, dann meinte er trocken. "Ich muss mal auf's Klo..." - - -
Kurz darauf kam Draco wieder aus dem Bad. Als er sich wieder ins Bett legte, meinte er ein wenig kleinlaut.
"'Tschuldige... aber ich bin etwas empfindlich in Bezug auf's Schicksal..."
"Das hab ich gemerkt..." Harry traute dem Frieden noch nicht. Der andere zuckte nur mit den Schultern.
"Ich kann nix dafür... ich bin so erzogen worden..."
"Ich dachte, Professor Snape hat dir immer gesagt, du sollst dir deine eigene Meinung bilden...?"
"Ja, in Bezug auf das, was meine Eltern mir gesagt haben. Diese Schicksalsabneigung hab' ich von ihm... glaub mir, wen du dem mit so was kommst, reagiert der noch schlimmer als ich..."
Harry überlegte kurz. "Dann sollte ich dieses Wort in seiner Gegenwart besser nicht in den Mund nehmen..."
"Nein, das wäre in der Tat nicht gut..."
Draco grinste und Harrys Mundwinkel zuckten. Der Blonde verstummte ganz plötzlich und starrte den anderen aus großen Augen an. Der Gryffindor bekam ein wenig Angst. Was war jetzt los? Dracos Augen wurden immer größer, bis sie sich ganz plötzlich zu zwei Schlitzen verengten. Harry rutschte vorsichtshalber ans äußerste Bettende. Er war sich nicht sicher, was jetzt passieren würde.
Dann fing Draco an zu sprechen, mit leiser, fast bedrohlicher Stimme: "Hast du gerade gelacht?!"
...
"... was?"
"Ob du gerade gelacht hast?!!"
Jetzt war der Schwarzhaarige total verwirrt. "N-Nein..."
"Aber du wolltest!" Einer von Dracos langen Fingern stieß Harry beinah in die Nase. Er antwortete nicht, unsicher was die richtige Antwort war. Dann veränderte sich der Gesichtsausdruck des Slytherin ein weiteres Mal und im nächsten Augenblick lag ein diabolisches Grinsen auf seinen Lippen.
"Ha! Also kannst du es doch noch! Ich wusste doch, dass ich dich dazu krieg!"
"... ich hab' nicht gelacht!"
"Aber du wolltest und das bedeutet du wirst! Glaub mir, ich krieg dich dazu und wenn es das letzte ist, was ich tue! Hahahahaa!"
Angesichts Dracos nun offensichtlichem Wahnsinn, verblieb Harry ruhig und ließ ihn seinem Größenwahn nachhängen. - - -
Wie Harry im weiteren Verlauf dieses Tages aber feststellen musste, war Draco gar nicht so größenwahnsinnig. Der blonde Junge verbrachte die ganze Zeit - mit Ausnahme des Frühstücks - damit irgendwelche dummen Witze, Geschichten und noch sehr viel mehr zu erzählen. Und Harry fand sich einige Male tatsächlich in Versuchung zu lachen.
Mittlerweile war ihm klar geworden, dass er es wohl doch noch konnte... und auch sollte. Vorher war es ihm wie Verrat vorgekommen, aber gestern hatte Draco etwas zu ihm gesagt, was ihm erst am Morgen richtig klar geworden war: Ich kann es nicht haben, wenn jemand Trübsal bläst. Ich glaub, da sticht die Blackseite aus mir raus. Es wäre sicherlich nicht in Sirius' Sinn, wenn er die ganze Zeit nur traurig sein würde und nicht mehr lächeln. Sirius hatte immer versucht alles mit Humor zu nehmen, hatte ihn sich sogar über die schlimmen Jahre in Azkaban bewahrt und auch wenn selbst er hin und wieder seine depressiven Momente hatte, so konnte er aus voller Herzenslust lachen. Wahrscheinlich wäre er nur enttäuscht, wenn Harry nicht mehr lachen würde.
Also beschloss der Schwarzhaarige es zuzulassen. Allerdings hatte er das Gefühl, dass da noch etwas im Weg stünde. Irgendeine Barriere, die noch umzustürzen war, was er aber allein nicht konnte. Von Dracos Geschichten war dazu auch noch keine in der Lage gewesen, aber bei allem was der Slytherin da von sich gab, war Harry sich relativ sicher, dass es sich nur noch um ein paar Stunden oder Tage handeln konnte, bis auch die letzte Barriere weggewischt worden wäre.
Nach dem Frühstück waren sie wieder in den Schlafsaal gegangen. Harry lag auf seinem Bett, während Draco im Zimmer umhertigerte, darüber nachdenkend, wie er den anderen denn endlich zum Lachen bringen konnte.
"Wart's nur ab... ich krieg dich dazu..." Mit funkelnden Augen deutete er auf den Gryffindor und stieg über eines der Kissen hinweg, das auf dem Boden lag.
Seit ihrer Suchaktion gestern, hatten sie nicht wirklich aufgeräumt. Lediglich ihre Betten und das, von dem sie am letzten Abend das Gewitter beobachtet hatten, waren wieder vollständig. Der Inhalt der restlichen zwei lag noch auf dem Boden verteilt. Genauso wie der jedes anderen Bettes und jedes Besenschrankes in Slytherin. Gelinde gesagt sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
"Dann musst du aber mit besseren Geschichten kommen", meinte Harry trocken. Er hatte mittlerweile eine gewisse Freude daran gefunden, den anderen zu sticheln. Er wusste nicht genau warum... vielleicht färbte Draco mit der Zeit ab.
Der Blonde startete einen neuen Versuch, brach aber ab, als Harrys Gesicht ganz plötzlich einschlief und ein wenig blasser wurde. Überlegend, was er schlimmes gesagt haben könnte, drehte der Slytherin sich um und-
"Wahhh!"
Mit einem lauten 'Plumps!' stolperte Draco über eines der Bettlaken und fand sich im nächsten Augenblick am Boden wieder. Mit böse funkelnden Augen sah er hinauf zu Severus, der ganz plötzlich hinter ihm aufgetaucht war und ihn mal wieder zu Tode erschreckt hatte.
"Kennst du eigentlich das Wort 'klopfen'?!"
Der Mann ging darauf jedoch gar nicht ein und fragte kalt zurück:
"Kennst du das Wort 'Ordnung'?!"
Irritiert blickte Draco den Älteren an. Dessen Blick glitt einmal durch das Zimmer und durch die Tür hinaus, woraufhin dem Jungen klar wurde, was der andere meinte.
"Das können doch die Hauselfen machen...", murrte er.
"Warum?"
"Warum nicht? Dazu sind sie doch da..."
An Severus' Blick konnte der Junge sehen, dass das nicht die richtige Antwort gewesen war.
"Du wirst hier aufräumen, verstanden?!"
"Aber-"
"Kein aber!"
Draco knurrte. "Na gut", meinte er dann kleinlaut.
"Sofort!" Die Stimme des Professors war kälter und schärfer als ein Guillotinenfallbeil.
"Was?! Warum denn?!!"
"Warum nicht?"
"Verdammt, Sev-"
Das Auge des Mannes zuckte bedrohlich, was dem Jungen nicht entging und ihn hastig hinzufügen ließ:
"-erus... Es sind Ferien!!"
"Räum auf!"
"Nein!!"
"Tu was ich dir sage." Severus' Stimme war ruhig und gelassen, Draco jedoch wurde immer lauter und Harry versuchte inzwischen einen Weg zu finden das Zimmer unbemerkt zu verlassen.
"Warum sollte ich?!!" Trotzig reckte der Blonde das Kinn, aber dieser Satz hatte die Einsilbigkeit des Mannes beendet.
"Hör mir mal gut zu, Junge: Ich habe dir die Windeln gewechselt, deine Wehwehchen geheilt und dich in den Schlaf gewiegt. Ohne mich hättest du heute wahrscheinlich noch nicht einmal einen Namen!"
Draco hatte bereits zum Widerspruch angesetzt, hielt nun aber inne. Die ersten Argumente kannte er ja, aber das letzte...
"Hä?!"
"Das heißt 'wie bitte'!"
Der Junge überging die Erziehungsmaßnahme. "Was meinst du damit, ohne dich hätte ich noch nicht einmal einen Namen?"
Severus zog eine Augenbraue hoch. Dann verengten sich seine Augen und musterten das Kind vor sich intensiv. Als er zu einem Ergebnis gekommen war, bildete sich ein boshaftes Lächeln auf seinen Lippen. Beide Jungen fröstelten. So was war kein gutes Zeichen.
Hörbar belustigt fragte der Mann:
"Hast du dich nie gefragt, warum du so heißt?"
Draco zögerte, schließlich meinte er: "Dad hat mich doch so genannt..."
"'Draco'?! Lucius?!"
"Na gut, dann Mum..."
Severus lachte kalt und schüttelte den Kopf. Der Junge war etwas irritiert. Eigentlich war er immer davon ausgegangen, dass sein Vater ihm den Namen gegeben hatte, oder wenigstens seine Mutter. Dass sie die Entscheidung freiwillig abgaben, klang für beide nicht wirklich typisch.
"Du solltest den Namen aussuchen?", fragte er zögerlich.
Der Professor lachte auf. "Von wegen! Ich sollte dich bei deiner Taufe lediglich halten und den braven, stillen, reinblütigen Paten spielen, sonst nichts."
Draco legte die Stirn in Falten. Er verstand nicht wirklich.
"Aber deine lieben Eltern konnten sich nach deiner Geburt ja nicht einig werden, wie du heißen solltest. Deine Mutter war für Orion, dein Vater für Hubertus, aber auf einen gemeinsamen Nenner kamen sie nicht."
Harrys Mundwinkel zuckten kurz nach oben, aber er unterdrückte es, angesichts Dracos entsetzten Blickes.
"Orion?! Hubertus?!!"
"Ganz recht."
"Und wie kam ich dann zu meinem Namen?", fragte der Junge schließlich zögerlich, nicht ganz sicher, ob er die Antwort wirklich hören wollte. Severus zuckte nur mit den Schultern und sah unbeteiligt aus.
"Die Schwester wollte einen Namen wissen."
"... und dann hast du einfach was gesagt?!!" Dracos Augen wurden immer größer, er konnte das nicht wirklich glauben.
"Du hast auf den Plüschdrachen reagiert, den ich dabei hatte."
Stille.
Harry fand als erstes seine Stimme wieder: "Plüschdrache?!"
Severus' Augen richteten sich auf ihn und sahen ihn ein paar Momente abschätzend an. Dann legten sie sich auf Draco, der mittlerweile völlig sprachlos vor ihm stand und keinen Ton herausbrachte. Die schwarzen Augen glitten weiter zum Bett des Blonden, das, wie sonst auch, ordentlich gemacht war. Mit einem Schlenker seines Zauberstabes, brachte der Mann die Decke dazu zurückzufliegen - und so den Blick auf einen zwar schon etwas mitgenommen, aber deutlich erkennbaren Plüschdrachen freizugeben.
"Wally", meinte der Professor dann noch zur Erklärung.
Harry musste sich mittlerweile die Hand vor den Mund halten.
Draco, nun nicht mehr nur entsetzt, sondern auch peinlich berührt, schrie:
"Du hast mich nach einem dummen Spielzeug benannt?!!!"
Aber Severus blieb ruhig:
"Erstens: Nenn es nicht dumm, wenn du es noch hast, so nimmt dir das keiner ab. Zweitens: Sei froh, die Alternativen deiner Eltern waren nun wirklich nicht das Wahre. Drittens: Du wirst tun was ich dir sage. Und viertens: Ja."
Und mit diesem Wort wandte er sich um und verließ das Zimmer.
Draco stand zuckend im Zimmer, Harry saß mit bebenden Schultern auf dem Bett, wagte aber nicht die Hand vom Mund zu entfernen, da der Slytherin aussah, als würde er jeden Moment Amok laufen. Die grauen Augen wurden immer größer, der Kopf neigte sich zitternd zur Seite, doch als er sprach, war seine schwache Stimme nur zu einem Wort in der Lage:
"... dreist..."
Harry brach in schallendes Gelächter aus. - - -
Für die nächste viertel Stunde lag Draco schmollend auf seinem Bett und knuddelte Wally. Harry krümmte sich derweil auf seinem Bett vor Lachen, so sehr, dass ihm mittlerweile schon die Tränen flossen. Schließlich bekam er sich aber wieder unter Kontrolle und sah den anderen um Entschuldigung bittend an. Doch der reagierte nicht wirklich darauf:
"Ich mag Wally halt..." Der kindliche Ton und das schmollende Gesicht ließen Harry nur in einen erneuten Lachanfall ausbrechen.
Draco stand schließlich genervt knurrend auf, legte den Plüschdrachen aber vorher behutsam auf sein Kopfkissen. Dann trat er an Harrys Bett und schlug spielerisch mit einem Kissen auf ihn ein.
"Wieso lachst du bei einer von Sevs Geschichten?"
"Weiß nicht", brachte der Gefragte mühsam hervor.
Draco verzog das Gesicht, dann gab er noch einen abfälligen Ton von sich. "Nya... ich sollte froh sein, dass du überhaupt wieder lachst... Trotzdem wäre es schön, wenn du dich so langsam mal wieder einkriegen würdest...", fügte er noch hinzu, nachdem Harry auch die darauffolgenden zwei Minuten nur lachen konnte. Nach einer schieren Ewigkeit - so kam es jedenfalls dem Slytherin vor - wich das beinah hysterische Lachen einem gelegentlichen Gekicher.
"Geht's jetzt wieder?", murrte Draco.
"Ja." Harry wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, als er sich aufsetzte. "Ohh... jetzt hab ich Bauchweh..."
"Das ist ja kein Wunder..."
"Ich weiß..." Kurz verstärkte sich das Lachen noch einmal und er lehnte seine Stirn gegen die Schulter des Blonden. Der tätschelte ihm genervt den Kopf. Schließlich benahm sich der Gryffindor wieder normal - von dem breiten Grinsen auf seinen Lippen abgesehen.
"Ich weiß nicht, ob du mir anders vielleicht doch lieber warst..." murmelte Draco irgendwann.
"Tja, jetzt isses zu spät."
Der andere rollte mit den Augen. Dann fragte er: "Und was machen wir jetzt?"
"Nya..." Harry stand auf und besah sich das Zimmer. "Ich denke, wir sollten aufräumen... Hubertus."
Draco warf schreiend ein Kissen nach ihm, doch Harry war bereits lachend aus dem Zimmer hinausgerannt. - - -
Den Rest des Tages verbrachten sie damit das gesamte Haus aufzuräumen. Draco hatte irgendwo einen Spruch gefunden, mit dem man die Betten wieder in ihren Normalzustand versetzen konnte und so waren sie mit dessen Hilfe schneller fertig, als wenn sie alles von Hand hätten machen müssen. Die Besenschränke waren auch schnell wieder eingeräumt und der Tischkäfig nach oben in ihren Schlafsaal verfrachtet. Mit Harry teilte Draco gerne, aber der Rest des Hauses sollte sich gefälligst von seinem Essen fernhalten!
Die Tage vergingen wieder und mit jedem fand Harry mehr von seiner alten Fröhlichkeit wieder, vielleicht sogar ein wenig mehr als er je besessen hatte.
Da das Wetter immer noch nicht besser war, streunten sie die ganze Zeit durchs Schloss. Draco ließ sich sogar dazu überreden noch ein paar Mal nach Gryffindor zu gehen und Harry amüsierte sich köstlich über sein angewidertes Gesicht, wenn er die goldenen und roten Gegenstände sah.
Auch die Mahlzeiten wurden lustiger, da sie ihr Verwirrungsspielchen fortsetzten. Snape ließ sich zwar mittlerweile nicht mehr beirren, aber die anderen Lehrer sahen ab und an immer noch seltsam drein, wenn die beiden Jungen sich halb totlachend an einen fremden Tisch setzten.
Eines Abends kamen sie etwas später zum Abendessen - Draco war beinah hysterisch geworden, als er bemerkte, dass bereits eine halbe Stunde vorbei war und sie noch nicht einmal in der Nähe der Großen Halle waren - und als sie die Halle betraten, gingen gerade die Huffelpuffs und Ravenclaws, die geblieben waren. Am Lehrertisch saßen nur noch Hagrid, Dumbledore und die vier Hauslehrer. Einen Augenblick unentschlossen, stürmte Draco schließlich los, Harry ein weiteres Mal, unfähig sich zu wehren, am Handgelenkt hinterherziehend.
Der Gryffindor hielt den Atem an, als der andere sich in den Stuhl neben Snape fallen ließ und ihn in den daneben stieß. Augenblicklich wurde es still am Lehrertisch und Harry fürchtete, dass sie es jetzt übertrieben hatten. Aber Draco grinste den Mann neben sich nur frech an. Einen Moment lang war der Schwarzhaarige der festen Überzeugung, dass Snape jetzt ausflippte - stattdessen schleuderte er dem Jungen nur den Löffel Kartoffelbrei ins Gesicht, den er gerade in der Hand hielt und setzte dann sein Gespräch mit Dumbledore unbeirrt fort. Der Rest des Tisches brach in schallendes Gelächter aus, während Draco ein wenig betröppelt den gelblichen Brei auf seiner Nase betrachtete.
Seine Freundschaft mit dem blonden Jungen schien seltsamerweise noch einen Nebeneffekt zu haben - einen skurrilen, vollkommen abstrusen, aber dennoch positiven Nebeneffekt: Snape schien sich langsam mit ihm abzufinden. Jedenfalls waren die Blicke des Mannes mittlerweile schwächer, nicht mehr so tödlich hasserfüllt, wie in der Zeit davor. Außerdem schien er einen Gefallen daran gefunden zu haben, peinliche Situationen aus Dracos Kindheit zu erzählen, was den Slytherin jedes Mal entsetzt aufschreien ließ, den Gryffindor aber nur in einen Lachkrampf ausbrechen.
Einen Abend vor Ende der Ferien und der somit folgenden Rückkehr der anderen Schüler, schleppte Harry Draco ein weiteres Mal nach Gryffindor.
"Bah...", schüttelte sich der Blonde, wie er es immer tat, wenn sie den Gemeinschaftsraum betraten. Harry rollte nur mit den Augen und schlug direkt den Weg zu seinem alten Schlafsaal ein. Dort angekommen zog er den Koffer unter seinem Bett hervor und schmiss alles, was sich von seinen Sachen noch im Raum befand, hinein. Draco sah ihm ein wenig verwirrt zu:
"Was machst du da?"
"Ich packe."
"... warum?"
"Du hast mir doch angeboten zu dir runter zuziehen, oder?"
Der Blonde sah den anderen überrascht an. "Du machst das wirklich?"
"Darf ich jetzt nicht mehr?"
"Äh... doch, ich war nur etwas überrascht."
Harry grinste und packte weiter. Irgendwann meinte er:
"Ich hab' über das nachgedacht, was du mir gesagt hast."
Draco war ein weiteres Mal verwirrt. Darum meinte er trocken:
"Ich hab dir in den letzten zwei Wochen viel gesagt..."
Der Schwarzhaarige seufzte und rollte mit seinen Augen. "Über die Sache mit dem Schicksal, meine ich. Dass ich mir darüber keine Gedanken machen und mein Leben gefälligst selbst bestimmen soll."
"Und?"
"Ich denke, du hast Recht." Harry klappte den Koffer zu und setzte sich auf den Deckel. Seine grünen Augen blickten ernst in die grauen des anderen. "Ich denke, von jetzt an werde ich mein Schicksal selbst in die Hand nehmen und bestimmen. Ich lasse mir von anderen nichts mehr nehmen, wenn ich es nicht will."
Draco grinste. "Sehr schön."
Eine Weile schwiegen sie, dann brach Harry die Stille. "Okay, dann auf in mein neues Zuhause!" Mit einem Zauberspruch war der Koffer in der Luft und schwebte hinter ihnen her, als sie ihren Weg nach unten antraten.
"Hast du eigentlich einen Fotoapparat?"
Der Gryffindor stutzte. "Nein... warum?
"Schade, ich hätte gern Weasleys und Grangers Gesicht festgehalten, wenn du ihnen sagst, dass du jetzt bei mir wohnst. Das wird für die beiden sicherlich wie die bevorstehende Apokalypse sein!"
Harry schüttelte wieder den Kopf. "Du bist so sadistisch Draco..."
Doch der grinste nur:
"Ich weiß!"
