So, es gibt mal wieder zwei neue Kapitel von mir...
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Sam führte Flocke an der Zügel hinaus aus dem Auenland und hinein in die Wildnis. Das Pony trabte in ruhigem Schritt neben ihm her und blieb gelegentlich stehen, um einen saftigen Grasbüschel zu verzehren.
Der Vormittag des 14. Oktobers war wieder ein wunderschöner Tag und Sam freute das, weil er so gut voran kam. Neben ihm erhoben sich kleine Wälder, deren Bäume langsam die Blätter verloren und der Wind trug sie durch die Luft und wirbelte sie umher. Fast sah es so aus, als würde er mit ihnen spielen. Schon bald hatte Sam einige Blätter im Haar und auch in Flockes Mähne blieben sie hängen und zierten die schwarze Mähne. Die Luft war klar und noch etwas kühl, aber dennoch konnte Sam in der Ferne die Luft bereits verschwommen sehen, was ein Zeichen für Hitze sein musste. Der Tag würde gewiss heiß werden, der Himmel zeigte kaum Wolken und die Sonne ließ ihre Strahlen wärmend auf die Erde fallen. Kleine Vogelschwärme zogen am blauen Himmel ihre Kreise und ließen sich vom Wind leiten.
Wilde, goldgelbe Gräser an den Seiten wiegten sich im Wind und gaben ein raschelndes Geräusch von sich, was eine beruhigende Wirkung hatte und Sam lauschte oft nur diesem Rascheln.
Die Stunden verflogen und ein sehr heißer Mittag und Nachmittag legte sich über das Land. Sam suchte ein kleines Bächlein auf, das munter vor sich hinplätscherte, und ließ Flocke daran seinen Durst stillen. Der Hobbit beschloss in der Nähe eines Waldes zu bleiben, denn hier konnte er und Flocke den kühlenden Schatten ausnutzen, den die hohen Bäume spendeten. Sam trottete immer weiter und merkte gar nicht, wie schnell die Zeit vorbei flog. Er war in Gedanken weit weg, doch wusste er eigentlich gar nicht so richtig, woran er eigentlich dachte. Ehe er es sich bewusst war, war es fast Abends und Flocke blieb plötzlich stehen und legte sich dann einfach ins weiche Gras. Sam lächelte. "Du möchtest wohl Rast machen? Du hast recht, hier ist ein guter Platz für ein Nachtlager."
Flocke schnaubte bestätigend und sah ihn mit ihren dunklen Augen an. Sam machte sich daran das Gepäck von ihr abzuladen und das Pony war dafür sehr dankbar, und ließ sich übermütig auf die Seite fallen.
Der Abend war wunderschön, und nachdem Sam Flocke gefüttert hatte und selbst etwas gegessen hatte, beobachtete er die Sonne, die in einem tiefen rot langsam am Horizont verschwand.
Die erste Woche verlief sehr ruhig für Sam und Flocke. Das Wetter meinte es immer noch gut mit ihnen und sie kamen schnell voran. Sam hatte die Richtung nach Dunland eingeschlagen. Sie hatten bereits den Brandywein überquert und befanden sich nun auf dem Grünweg. Sam machte die Reise in der ersten Zeit nicht viel aus, doch er musste sich eingestehen, dass er bald anfing sich nach Gesellschaft zu sehen. Er war sehr froh, dass er wenigsten Flocke bei sich hatte, dass Tier munterte Sam oft auf, wenn die Einsamkeit zu erdrückend war. Sam hatte allein sein wollen, aber nun fühlte er sich mehr als allein. Er fühlte sich einsam, und langsam schlich sich der Gedanke in seinen Kopf, wie schön es doch wäre, wenn Frodo jetzt da wäre.
Auch die Nächte wurden für Sam immer schwieriger. Anfangs noch, hatte er immer tief geschlafen und war am nächsten Tag frisch und ausgeruht gewesen, doch mit der Zeit tauchten immer wieder schlimme Träume in der Nacht auf und ließen Sam keine Ruhe finden. Alle diese Träume drehten sich um Frodo, und Sam hatte das Gefühl, dass sie mit der Zeit immer häufiger und schlimmer wurden. Bald waren die Tage und die Nächte eine reinste Qual für Sam. Er hatte Abends Angst einzuschlafen und versuchte sich krampfhaft wach zu halten, um den Träumen zu entkommen. Oftmals verlor er den Kampf gegen die Müdigkeit und sank in einen unruhigen Schlaf, der durchzogen war von Träumen. Am folgenden Tag war Sam dann zerschlagen und so müde, dass er beim Gehen oft die Augen schloss und sich von Flocke leiten ließ.
Die Tage vergingen und nicht mal Sams Hoffnung auf Gandalf konnte seinen Zustand verbessern. Er fühlte sich immer einsamer und immer schlechter. Die große Müdigkeit hinterließ bald ihre Spuren, und Sams Augen wurden von großen schwarzen Ringen umrandet. Er war blass und begann hin und wieder zu weinen, weil er Frodos Gesellschaft, die nun schon ziemlich lange ausblieb, so sehr vermisste. Er vermisste auch seine Familie, aber das war etwas anderes. Er wusste, dass sie wohlbehütet in Beutelsend waren und hätte zwar manches Mal gerne Rosie oder seine Kinder um sich gehabt, aber jetzt auf seiner Reise nach Gondor, fehlte ihm die Gesellschaft seines besten Freundes. Er sehnte sich nach Frodos Stimme und dem Gefühl der tiefen Verbundenheit, wenn er bei ihm gewesen war. Wie gerne würde er sich jetzt einfach nur mal wieder mit ihm unterhalten, mit ihm lachen oder einfach nur neben ihm sitzen. Nach einfachen Handlungen, die er und wahrscheinlich auch Frodo damals als selbstverständlich erachtet haben, sehnte er sich jetzt. Nur einmal wieder mit ihm sprechen...
Sam hatte gehofft die Gefühle, die ihn in seiner Heimat geplagt hatten würden hier anders werden, er hatte es ja sogar Rosie versprochen, aber Sam stellte verbittert fest, dass dem nicht so war. Die Einsamkeit hier, schien die Trauer fast nur noch größer zu machen. Sam hatte gar nicht bemerkt, dass Merry und auch Pippin hin und wieder seine Gedanken von Frodo abgelenkt hatten, doch hier draußen war niemand, der sie ablenkte. Hier waren sie alle ständig bei Frodo, und dieser quälenden Frage, warum.
Eine weitere Woche ging ins Land und Sam wurde fast nur noch von Flocke angetrieben weiterzugehen. Die Müdigkeit, die auf ihm lastete, war so groß, dass sie seine Gedanken verschlang und nur noch wenige zurückließ, die sich immer noch um Frodo drehten. Er achtete nicht mehr richtig auf den Weg und er kam nur langsam voran. Als er wieder einmal einen Tag voller Müdigkeit neben Flocke hertrottete, stellte er fest, dass sie vom Weg abgekommen sein mussten. Er war zu weit westlich gegangen und die Rückkehr auf den Richtigen Weg kostete Flocke und ihn einen halben Tag.
Auch das Wetter zeigte sich langsam von der herbstlichen Seite. Es wurde kühler und immer mehr Wolken zogen am Himmel auf. Sam musste sich bald eine Decke umwickeln um nicht zu frieren und da er und Flocke gegen den immer stärker werdenden Wind liefen, verminderte sich ihr schon nicht so schnelles Tempo, noch mal um einiges. Langsam türmten sich die Wolken zu wahren Wolkenbergen auf, die tiefdunkel und unheilverkündend am Himmel thronten.
Am Nachmittag eines kalten und sehr dunklen Tages setzte dann der erste feine Regen ein, der mit der Zeit immer stärker wurde und durch Sams ganze Kleidung drang. Bald zitterte der Hobbit am ganzen Leib und war nicht mehr fähig weiter zu laufen. Glücklicherweise befanden sich er und Flocke gerade in der Nähe eines großen Baumes, der einen kleinen Schutz vor dem Regen bot. Sam und das Pony schlugen darunter ein Lager auf, doch es wollte Sam nicht gelingen ein Feuer zu entfachen, denn der Boden war schon zu nass und trockenes Holz ließ sich auch nirgendwo mehr finden. So blieb Sam an diesem Abend nichts anderes übrig, als sich an Flocke zu kuscheln, um wenigstens etwas Wärme zu erhalten. Auch dem Pony schien das zu gefallen, es legte den Kopf um Sam herum, so dass er sich angenehm behütet fühlte, und Merry und Pippin im Stillen dankte, dass sie ihm Flocke mitgegeben hatten. Das Pony war nun seine einzige Gesellschaft und er war so froh es in dieser regnerischen und stürmischen Nacht bei sich zu haben. Trotzdem Flocke im viel Wärme spendete, zitterte Sam fast die ganze Nacht ununterbrochen. Er hörte seine eigenen Zähne klappern, so kalt war ihm. Der Hobbit kauerte sich ganz eng zusammen und als würde das Pony wissen, dass Sam erbärmlich fror, legte es sich enger um Sam herum schnaubte leise vor sich hin.
Diese Nacht versuchte Sam sich nicht gegen die Müdigkeit zu wehren, im Gegenteil, er wünschte sich endlich Schlaf zu finden. Die Kälte jedoch ließ ihn die Ruhe, nach der er sich so sehnte, nicht richtig finden und so überlegte er, wie viel Weg sie eigentlich noch vor sich hatten.
Sie mussten schon einige Wochen unterwegs sein, sie hatten bereits die Pforte von Rohan durchschritten und befanden sich irgendwo am Rand des weißen Gebirges. Es lag noch ein gutes Stück des Weges vor ihm und Flocke, aber so weit war es auch nicht mehr.
Es musste schon tiefe Nacht gewesen sein, als Sam langsam in einen mäßig tiefen Schlaf fiel und endlich aufhörte zu zittern. Sein Schlaf war traumlos und friedlich und langsam wurde der Regen etwas schwächer und auch der Wind ließ etwas nach.
Sam wurde von einem Hustenanfall geschüttelt und erwachte mit triefnasser Kleidung. Er lag immer noch dicht an Flocke gedrängt und das Pony beobachtete ihn aufmerksam. Der Hustenanfall wollte anscheinend gar nicht mehr aufhören, und Sam hatte alle Mühe zwischendurch mal tief Luft zu holen. Nach einer ganzen Zeit dann verschwand der heftige Husten und Sam blieb mit geöffneten Augen liegen. Irgendetwas war gar nicht in Ordnung. Ihm taten alle Glieder weh, sein Hals schmerzte und durch seine Nase konnte er keine Luft mehr holen. Trotzdem ihm immer noch kalt war, konnte er Schweiß auf seiner Stirn spüren und er fühlte sich schlapp und elend. Sam versuchte sich zu erheben, aber ein heftiger Stich im Kopf und eine Kraftlosigkeit, die in allen seinen Gliedern steckte, machte diesen Versuch unmöglich. Sein Brustkorb war wie zugeschnürt und jedes tiefe Einatmen war begleitet mit einem rasselnden Geräusch und endete in einem heftigen Husten.
Sam rollte sich auf die Seite, und Flocke erhob sich von ihrem Platz. Der Hobbit machte noch einen Versuch aufzustehen, aber wieder misslang ihm das. Er war nicht in der Lage auf die Beine zu kommen, geschweige denn weiter nach Minas Tirith zu gehen. Aus Sams Augen kullerten ein paar Tränen, er war allein, krank und er konnte nicht mehr weiter. Niemand konnte ihm jetzt helfen, er musste zusehen, dass er selbst einen Ausweg fand. Doch was sollte er tun? Er schloss die Augen und wünschte sich nichts mehr, als Frodo bei sich zu haben. Nur ein paar Worte von ihm würden jetzt mit Sicherheit schon helfen. Wäre er doch nur hier...
Sam lag noch eine ganze Weile einfach nur da und war der Verzweiflung nahe. Er verfluchte seine Sturheit alleine zu gehen, aber dennoch bekam Sam auf einmal ein ganz merkwürdiges Gefühl. Er hatte das Gefühl, dass es nur gerecht war, dass er jetzt hier draußen lag, ganz alleine und krank. Es war eigentlich eine gerechte Strafe, dafür, dass er Frodos Tod nicht verhindert hatte. "Du hast es verdient", murmelte er immer wieder zu sich selbst. "Es sollte dir eigentlich noch schlechter gehen, diese Strafe ist noch viel zu gering, für das, was du getan hast!"
Den halben Vormittag verbrachte Sam einfach nur damit da zu liegen und sich für Frodos Tod die Schuld zu geben. Er bekam Durst, aber er hatte nicht genügend Kraft um aufzustehen und zu dem Gepäck rüberzugehen, dass in einigen Metern Entfernung lag. Die Kälte und der Regen vom letzten Abend hatten dafür gesorgt, dass Sam sich so elend fühlte. Er schaffte es, die nassen Kleidungsstücke abzulegen und sich in eine einigermaßen trockene Decke zu hüllen, die auf dem Platz lag, an dem Flocke die Nacht über geruht hatte. Trotzdem Sam nun größtenteils trocken war und auch die Sonne angenehm wärmte, fror Sam immer noch, obwohl sein Körper scheinbar vor Hitze verglühte. Immer wieder sah Sam Frodo in seinen Gedanken und schließlich hatte er auch ein Bild von Gandalf vor Augen. Er wollte nach Minas Tirith, er wollte zu Aragorn und er wollte versuchen Gandalf zu finden. Nirgends standen die Chancen besser den Zauberer zu finden, als in Minas Tirith. Trotzdem Sam sich so elend fühlte, fasste er einen Entschluss. Er wollte weitergehen, er konnte es sich nicht erlauben hier liegen zu bleiben! Er musste weiter, er musste Gandalf finden, wenn jemand noch etwas tun konnte, dann vielleicht er. Sam zwang sich, sich aufzurichten, er durfte hier nicht länger verweilen, er musste weiter. Der Hobbit versuchte sich weiter aufzurichten und blieb aber, die Hände an die Stirn fassen auf der Erde sitzen. Er schaffte es einfach nicht. Plötzlich spürte er einen leichten Stoß von hinten und fühlte Flockes Atem im Genick. Das Pony stupste ihn, und forderte ihn auf, aufzustehen. Sam jedoch reagierte nicht darauf, sondern blieb immer noch einfach sitzen. "Ich komm nicht hoch, Flocke", flüsterte er und als ob das Tier ihn verstanden hätte, ging es einmal um Sam herum und senkte den Kopf zu Sam herunter, so dass er die Zügel greifen konnte. Sam sah auf und griff danach und konnte sich, indem er sich an der Zügel hochzog, endlich schwankend aufrichten. Das Pony blieb in seiner Nähe und so konnte er sich daran abstützen und Kräfte sammeln. Sams Kopf hämmerte und durch jedes seiner Glieder fuhr ein leichter Schmerz. Er hustete und versuchte die Schwäche zu ignorieren, die in seinem Körper herrschte. Jetzt, wo er stand, hatte er das Gefühl, dass es etwas besser ging. Er fühlte sich kraftlos, aber der Wille weiterzugehen um Gandalf zu finden, bewirkte doch einiges. Mit Flockes Hilfe gelang es ihm zu dem Gepäck zu kommen, seinen Durst zu löschen und etwas zu essen. Auch trockene Kleidung fand er dort, und es war eine Wohltat für den Hobbit endlich trockene Kleidung auf der Haut zu spüren. Nachdem er sich angekleidet und gegessen hatte, ging es ihm etwas besser, wenn er auch das Fieber, das er hatte, immer noch spürte. Er belud Flocke schwerfällig und machte sich dann wieder auf den Weg.
Er nahm das Pony an die Zügel und hatte so die Möglichkeit sich von Zeit zu Zeit daran festzuhalten, und Flocke ließ das auch geduldig zu. Sam stellte fest, dass er es ohne das Pony wahrscheinlich nicht geschafft hätte. Wenn er bei seinem jetzigen Zustand auch noch die ganze Last hätte tragen müssen, er wäre nicht weit gekommen. "Gut, dass du da bist", sagte er an das Pony gerichtet und streichelte es am Hals.
Sam bekam vom Weg dieses Tages kaum etwas mit. Das Fieber ließ ihn wie in Trance wandeln und er spürte kaum etwas. Irgendwann am späten Abend ließ er sich erschöpft ins Gras fallen und war nicht mal mehr in der Lage, Flocke vom Gepäck zu befreien. Am nächsten Tag erwachte er erst gegen Mittag und fühlte sich nicht mehr ganz so schwach, aber dennoch hatte er immer noch Fieber und von Zeit zu Zeit plagte ihn ein heftiger Husten. Wieder musste er sich mühevoll hochrappeln, aber der Gedanke an Gandalf ließ ihn tapfer durchhalten.
So setzte er zusammen mit Flocke einen Fuß vor den anderen, immer weiter, das weiße Gebirge entlang. Das Wetter war im Allgemeinen zwar schlechter geworden, aber zum Glück blieb erneuter heftiger Regen aus. Nur ein kühler Wind fegte über das Land und an einem Abend zuckten ein paar Blitze am Himmel.
Sams Zustand besserte sich während der letzten Etappe der Reise nur wenig, aber er lief immer weiter, Tag für Tag, bis eines Nachmittags die ersten Gebäude von Minas Tirith in der Ferne zu sehen waren. "Wir habe es bald geschafft, heute Abend sind wir da", sagte er und klopfte dem Flocke auf dem Rücken. Das Tier schnaubte und begann zusammen mit Sam die letzten Meilen bis nach Minas Tirith zu gehen.
Am frühen Abend erreichten Sam und Flocke den äußeren Rand von Minas Tirith. Der Hobbit war müde und fühlte sich schwach, doch er hatte vor, noch heute Aragorn zu treffen und so schleppte er sich mühsam weiter. In der Stadt war es schon sehr ruhig, hier und da konnte man hinter den Fenstern in den Häusern Kerzen flackern sehen, denn mit der Zeit wurde es immer dunkler. Sam hörte in der Ferne Hundegeheul, dass unheimlich wiederhallte.
Obwohl der Hobbit schon seit einer ganzen Weile den weißen Turm sehen konnte, hinter dem der Königssitz lag, kam ihm der Weg dorthin unglaublich lang vor. Er fühlte sich, als würde er drei Schritte vor und gleichzeitig zwei zurück machen. Er wollte einfach nicht vorwärts kommen, und da er die sieben Ringe der Stadt im Zickzack durchqueren musste, um zum weißen Turm zu kommen, schien der Weg immer länger zu werden.
Als der Mond schon sichelförmig über der Stadt thronte, und die Sterne schon am Himmel standen, war Sam endlich vor der großen Tür, die in Aragorns Behausung führte, angekommen. Keuchend und hustend stand er davor, band Flocke an eine für Pferde vorgesehene Stange, und wurde sogleich von zwei Wachen gehindert auch nur einen Schritt näher zur Tür hin zu gehen.
"Wer seid ihr, und was wollt ihr", wurde er von den Wachen in einem strengen Ton gefragt. Einer der Wachen hatte sogar einen Speer auf Sam gerichtet und betrachtete ihn sich aufmerksam.
"Ich bin Samweis Gamdschie; ein Hobbit aus dem Auenland und ich verlange den König zu sprechen."
"Es ist nicht sicher, ob der König dich jetzt noch empfängt", wurde ihm von einem der Wachen streng entgegnet.
"Sagt ihm...", Sam würde von einem Hustenanfall geschüttelt und geriet kurzfristig auf der Treppe ins Schwanken. Als der Husten vorbei war, begann er von neuem: "Sagt ihm, wer ich bin und ich bin sicher, er wird mich empfangen."
Die Wachen musterten ihn mit einem kritischen Blick. Dann nickte einer der Wachen und brachte Sam in die Vorhalle. Anschließend, gebot er Sam dort zu warten und verschwand.
Aragorn saß in seinem Arbeitszimmer an einem hölzernen Tisch und ließ seinen Zeigefinger immer wieder über den Rand seines Weinglases fahren, so dass ein schriller Pfeifton entstand. Vor ihm lagen ein duzend Schriftrollen und dahinter einige verstaubte Bücher. Aragorn hatte einen finsteren Blick aufgelegt und schien in Gedanken ganz woanders zu sein.
Er hatte viel Arbeit nachzuholen, denn in den letzten Tagen war er zu nicht viel gekommen. Er hatte die Arbeit ruhen lassen und seine Zeit zusammen mit Legolas und Gimli verbracht, die überraschend zu Besuch gekommen waren.
Für die Beiden hatte Aragorn gerne seine Arbeit liegen gelassen, es hatte unheimlich viel zu erzählen gegeben und es war eine Wohltat für Aragorn, mal wieder ihre Gesellschaft zu haben. Am Vormittag des heutigen Tages waren sie dann wieder abgereist und hatten sich auf den Weg nach Düsterwald gemacht.
Aragorn lehnte sich seufzend in seinem Stuhl zurück und rieb sich die Augen. Obwohl die Nacht noch jung war, war er müde und seine Gedanken wollten nicht recht bei seinen Aufgaben bleiben. Er stand auf und ging im Raum auf und ab, um die Müdigkeit zu verdrängen. Dann legte er den Kopf in den Nacken und blickte an die Decke. Er schmunzelte, ging zum Tisch zurück und zog unter den ganzen Schriftrollen eine untere hervor.
Diese hatte ihn heute Nachmittag erreicht und war von Gandalf, er kündigte sein Kommen in etwa zwei Tagen an.
"Was für ein Zufall", dachte Aragorn, da kommen drei seiner Besten Freunde fast zur gleichen Zeit in die Stadt und verfehlen sich um etwa drei Tage. "Jetzt fehlt es bloß noch, dass die Hobbits plötzlich vor der Tür stehen", murmelte er und blickte amüsiert auf Gandalfs Schreiben.
Aragorn hatte erst schon mit dem Gedanken gespielt, Legolas und Gimli wieder zurückzuholen, denn er war sich sicher, dass auch sie gerne Gandalf getroffen hätten. Aber sie hatten fast einen ganzen Tag Vorsprung und eh er sie erreicht hätte und sie dann alle wieder in Minas Tirith gewesen wären, wären wahrscheinlich drei Tage vergangen und Gandalf wäre bereits hier. Deshalb beschloss Aragorn einfach alles zu belassen.
Während er noch auf Gandalfs Schreiben blickte, flog plötzlich die Tür auf, und herein trat ein Wachmann, der sich sogleich verneigte.
"Mein König, draußen ist ein Hobbit aus dem Auenland eingetroffen, er verlangt nach euch. Ich sagte ihm, dass ihr vielleicht niemanden mehr empfangen würdet, doch er meinte, wenn ihr seinen Namen hört, würdet ihr ihn auch in so später Stunde noch empfangen."
Aragorn war für einen Moment etwas überrascht. Mit so einer Nachricht hätte er jetzt nicht gerechnet.
"Und wie ist sein Name", verlangte Aragorn zu wissen.
"Er heißt Samweis Gamdschie."
"Und er ist ganz alleine da", fragte Aragorn mit einem zweifelnden Blick.
"Ja, Herr er hatte nur ein Pony bei sich."
"Sam", flüsterte Aragorn in Gedanken und ohne, dass er eine Ahnung hatte warum, befiel auf einmal ein ungutes Gefühl seine Magengegend. Gewöhnlich hätte er sich jetzt gefreut, doch als er hörte, dass nur ein Hobbit hier war, fing er an zu überlegen. Wieso war Sam alleine gekommen? Wo war Frodo, er würde doch Sam gewiss nicht alleine nach Minas Tirith kommen lassen. Und Merry und Pippin wären doch mit Sicherheit auch mitgekommen...
"Ja, da hat er recht, natürlich empfange ich ihn jetzt noch, er ist mein Freund. Doch hat er schon gesagt, was er will", sagte Aragorn und sah den Wachmann an, der jetzt mit dem Kopf schüttelte.
"Nein, nur, dass er euch sprechen will."
"Bringt ihn zu mir", sagte Aragorn nach einer kurzen Pause und nickte dem Wachmann dann zu. Dieser verließ schnell wieder das Arbeitszimmer, nachdem er sich noch einmal verneigt hatte. Aragorn runzelte die Stirn und versuchte eine Erklärung zu finden, warum Sam allein gekommen war. Doch noch während er überlegte, kehrte der Wachmann wieder zurück und trat erneut ins Zimmer.
"Mein Herr, hier ist der Hobbit."
Der Wachmann trat zurück und machte Sam Platz, der in leicht gebückter Haltung beinahe schleichend den Raum betrat.
Der Wachmann verließ das Zimmer wieder und nun waren Sam und Aragorn allein. Als Aragorn den Hobbit erblickte, erschrak er ein wenig. Sam war ungewöhnlich blass, sah elend aus und sein Blick war mehr als beunruhigend. Im ersten Moment fehlten Aragorn die Worte, er ahnte sofort, dass sich seine unguten Gefühle, bezüglich Sam, bestätigen sollten.
Er ging auf den Hobbit zu und kniete sich vor ihn, damit er ihm in die Augen blicken konnte. "Was ist denn geschehen, Sam?"
Sam öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch sofort stieg dieses Brennen in seine Augen und Kehle. Wenn er ehrlich war, fürchtete er sich etwas Aragorn zu erzählen, weshalb er gekommen war. Er bemühte sich jetzt nicht zu weinen, doch als er Aragorn sah, brachen so viele Gefühle in ihm los, dass er es nicht verhindern konnte.
Einerseits wollte er Aragorn natürlich von Frodos Tod berichten, deshalb war er ja gekommen, aber andererseits wusste er, dass auch Aragorn das mehr als unglücklich machen würde. Ohne es zu wollen erinnerte Sam sich plötzlich daran, wie Frodo vor ein paar Jahren von einem Nazgûl verletzt wurde, und wie Aragorn ihm damals geholfen hatte. Sam hatte Frodo damals schon fast als verloren geglaubt und nur dadurch, dass Aragorn sich den Hobbits angeschlossen hatte, bekamen sie die nötige Hilfe, um Frodo zu retten.
Jetzt, wo Aragorn so vor ihm Kniete und ihn ansah, erinnerte er sich daran, als wäre es gestern gewesen, und ihn schmerzten die Erinnerungen so sehr, dass er anfing zu schluchzen, obwohl er sich solche Mühe gegeben hatte, das nicht zu tun. Aragorn hingegen sah ihn nur an und versuchte zu erraten, was ihn in so große Trauer versetzte. Obwohl Sam eigentlich vor gehabt hatte, es Aragorn anders zu sagen, brachte er auf einmal schluchzend hervor: "Frodo ist tot."
Aragorn sah ihn an, als hätte er Sam nicht verstanden, und im ersten Moment zweifelte er wirklich an seinem Gehör. Das war doch gar nicht möglich! Aragorn spürte, wie ihm das Herz schwer wurde und er sah Sam an, der den Kopf in seinen Händen vergrub und zu schwanken anfing. Die Schwäche und die Trauer nahmen wieder überhand, und Sam spürte, wie seine Knie nachgaben. Aragorn bekam den Hobbit gerade noch zu fassen, bevor er gefallen wäre und spürte, als er ihn anfasste, die ungewöhnliche Hitze, die Sam immer noch in seinem Körper hatte. Der Hobbit hustete, als Aragorn ihn festhielt und wieder hatte er Mühe Luft zu holen.
Aragorn berührte Sams Stirn und setzte einen sehr besorgten Blick auf. "Du hast ja Fieber, Sam! Was ist passiert?"
"Auf dem Weg hierher bin ich in ein Unwetter gekommen, ich glaube, ich habe mich erkältet."
"Sam, das scheint mir mehr als eine Erkältung zu sein. Du brauchst unbedingt Ruhe."
Sam fühlte sich so schwach, dass er einfach nur weiter in Aragorns Arme sank und die Augen schloss. Er war so müde und ihm war wieder erbärmlich kalt. Er fühlte sich nicht mehr in der Lage noch etwas zu sagen, obwohl er es gerne getan hätte und er wäre auch gerne selbst gelaufen, aber er konnte es einfach nicht mehr.
Aragorn nahm Sam hoch und trug ihn aus dem Arbeitszimmer, den Gang entlang, bis zu einem kleinen Raum mit einem gemütlichen Bett. Er legte den Hobbit vorsichtig hinein und beobachtete beunruhigt, wie Sam anfing zu zittern. Er deckte ihn bis zum Hals zu und blieb noch eine Weile bei ihm, bis das Zittern etwas nachgelassen hatte. Sam schloss die Augen und fing an ruhiger und gleichmäßiger zu atmen.
Aragorn betrachtete sich den Hobbit und merkte nach einer Zeit, dass er eingeschlafen war.
Er verließ leise das Zimmer und lief betrübt und aufgeregt den Gang entlang. Aragorn fragte sich, was er nun tun sollte.
Das war jetzt eine sehr beunruhigende Situation. Da kam Sam ganz alleine aus dem Auenland hierher, kann sich vor Schwäche nicht mehr aufden Beinen halten und sagt nur noch, das Frodo tot ist.
Aragorn überlegte schon, ob er nicht vielleicht Legoals und Gimli doch zurückholen sollte, diese Nachricht sollten auch sie sofort erfahren. Doch jetzt mitten in der Nacht? Und außerdem hatte Sam lediglich nur einen Satz von sich gegeben, Aragorn wusste einfach noch zu wenig über die Umstände. Er seufzte, als er den Gang entlang lief, so eine Neuigkeit war wirklich das Schlimmste, was er sich vorstellen konnte. Und dann noch dazu diese Ungewissheit, was tatsächlich geschehen war und Sams Krankheit und Schwächeanfall im Arbeitszimmer waren auch nicht weniger beunruhigend.
Aragorn wusste sofort, dass er diese Nacht wohl keinen Schlaf finden würde, viel zu sehr überschlugen sich nun die Gedanken, die Ungewissheit und die vielen, vielen Fragen.
Als er die Wachen erblickte, die am Ende des Ganges standen, wies er sie an, sich um Sams Pony zu kümmern und das Gepäck hineinzubringen.
Dann trat Aragorn vor die Tür und atmete die frische, kühle Nachtluft ein. Er konnte gar nicht recht glauben, was Sam da im Arbeitszimmer gesagt hatte, aber trotzdem spürte auch er, dieses schmerzende Gefühl im Herzen bei dem Gedanken, dass Frodo nicht mehr lebte.
"Was konnte nur geschehen sein?"
Aragorn stand da und überlegte, obwohl er wusste, dass ihm eigentlich nichts anderes übrig blieb, als abzuwarten bis es Sam besser ging. Erst dann würde er Antworten auf die vielen Fragen bekommen, die sich ihm nun alle stellten. Aragorn befiel nun dieses Gefühl nichts anderes tun zu können, als zu warten und er verfluchte dieses Gefühl, es war mehr als quälend.
Irgendwann setzte Aragorn sich auf die Treppe und beobachtete von dort den Springbrunnen auf dem Platz, der vom Mond erleuchtet wurde. Dies tat er fast die ganze Nacht lang, er saß einfach nur da und war mit seinen Gedanken bei Frodo und ohne, dass er es merkte sammelten sich ein paar Tränen in seinen Augen.
Sam führte Flocke an der Zügel hinaus aus dem Auenland und hinein in die Wildnis. Das Pony trabte in ruhigem Schritt neben ihm her und blieb gelegentlich stehen, um einen saftigen Grasbüschel zu verzehren.
Der Vormittag des 14. Oktobers war wieder ein wunderschöner Tag und Sam freute das, weil er so gut voran kam. Neben ihm erhoben sich kleine Wälder, deren Bäume langsam die Blätter verloren und der Wind trug sie durch die Luft und wirbelte sie umher. Fast sah es so aus, als würde er mit ihnen spielen. Schon bald hatte Sam einige Blätter im Haar und auch in Flockes Mähne blieben sie hängen und zierten die schwarze Mähne. Die Luft war klar und noch etwas kühl, aber dennoch konnte Sam in der Ferne die Luft bereits verschwommen sehen, was ein Zeichen für Hitze sein musste. Der Tag würde gewiss heiß werden, der Himmel zeigte kaum Wolken und die Sonne ließ ihre Strahlen wärmend auf die Erde fallen. Kleine Vogelschwärme zogen am blauen Himmel ihre Kreise und ließen sich vom Wind leiten.
Wilde, goldgelbe Gräser an den Seiten wiegten sich im Wind und gaben ein raschelndes Geräusch von sich, was eine beruhigende Wirkung hatte und Sam lauschte oft nur diesem Rascheln.
Die Stunden verflogen und ein sehr heißer Mittag und Nachmittag legte sich über das Land. Sam suchte ein kleines Bächlein auf, das munter vor sich hinplätscherte, und ließ Flocke daran seinen Durst stillen. Der Hobbit beschloss in der Nähe eines Waldes zu bleiben, denn hier konnte er und Flocke den kühlenden Schatten ausnutzen, den die hohen Bäume spendeten. Sam trottete immer weiter und merkte gar nicht, wie schnell die Zeit vorbei flog. Er war in Gedanken weit weg, doch wusste er eigentlich gar nicht so richtig, woran er eigentlich dachte. Ehe er es sich bewusst war, war es fast Abends und Flocke blieb plötzlich stehen und legte sich dann einfach ins weiche Gras. Sam lächelte. "Du möchtest wohl Rast machen? Du hast recht, hier ist ein guter Platz für ein Nachtlager."
Flocke schnaubte bestätigend und sah ihn mit ihren dunklen Augen an. Sam machte sich daran das Gepäck von ihr abzuladen und das Pony war dafür sehr dankbar, und ließ sich übermütig auf die Seite fallen.
Der Abend war wunderschön, und nachdem Sam Flocke gefüttert hatte und selbst etwas gegessen hatte, beobachtete er die Sonne, die in einem tiefen rot langsam am Horizont verschwand.
Die erste Woche verlief sehr ruhig für Sam und Flocke. Das Wetter meinte es immer noch gut mit ihnen und sie kamen schnell voran. Sam hatte die Richtung nach Dunland eingeschlagen. Sie hatten bereits den Brandywein überquert und befanden sich nun auf dem Grünweg. Sam machte die Reise in der ersten Zeit nicht viel aus, doch er musste sich eingestehen, dass er bald anfing sich nach Gesellschaft zu sehen. Er war sehr froh, dass er wenigsten Flocke bei sich hatte, dass Tier munterte Sam oft auf, wenn die Einsamkeit zu erdrückend war. Sam hatte allein sein wollen, aber nun fühlte er sich mehr als allein. Er fühlte sich einsam, und langsam schlich sich der Gedanke in seinen Kopf, wie schön es doch wäre, wenn Frodo jetzt da wäre.
Auch die Nächte wurden für Sam immer schwieriger. Anfangs noch, hatte er immer tief geschlafen und war am nächsten Tag frisch und ausgeruht gewesen, doch mit der Zeit tauchten immer wieder schlimme Träume in der Nacht auf und ließen Sam keine Ruhe finden. Alle diese Träume drehten sich um Frodo, und Sam hatte das Gefühl, dass sie mit der Zeit immer häufiger und schlimmer wurden. Bald waren die Tage und die Nächte eine reinste Qual für Sam. Er hatte Abends Angst einzuschlafen und versuchte sich krampfhaft wach zu halten, um den Träumen zu entkommen. Oftmals verlor er den Kampf gegen die Müdigkeit und sank in einen unruhigen Schlaf, der durchzogen war von Träumen. Am folgenden Tag war Sam dann zerschlagen und so müde, dass er beim Gehen oft die Augen schloss und sich von Flocke leiten ließ.
Die Tage vergingen und nicht mal Sams Hoffnung auf Gandalf konnte seinen Zustand verbessern. Er fühlte sich immer einsamer und immer schlechter. Die große Müdigkeit hinterließ bald ihre Spuren, und Sams Augen wurden von großen schwarzen Ringen umrandet. Er war blass und begann hin und wieder zu weinen, weil er Frodos Gesellschaft, die nun schon ziemlich lange ausblieb, so sehr vermisste. Er vermisste auch seine Familie, aber das war etwas anderes. Er wusste, dass sie wohlbehütet in Beutelsend waren und hätte zwar manches Mal gerne Rosie oder seine Kinder um sich gehabt, aber jetzt auf seiner Reise nach Gondor, fehlte ihm die Gesellschaft seines besten Freundes. Er sehnte sich nach Frodos Stimme und dem Gefühl der tiefen Verbundenheit, wenn er bei ihm gewesen war. Wie gerne würde er sich jetzt einfach nur mal wieder mit ihm unterhalten, mit ihm lachen oder einfach nur neben ihm sitzen. Nach einfachen Handlungen, die er und wahrscheinlich auch Frodo damals als selbstverständlich erachtet haben, sehnte er sich jetzt. Nur einmal wieder mit ihm sprechen...
Sam hatte gehofft die Gefühle, die ihn in seiner Heimat geplagt hatten würden hier anders werden, er hatte es ja sogar Rosie versprochen, aber Sam stellte verbittert fest, dass dem nicht so war. Die Einsamkeit hier, schien die Trauer fast nur noch größer zu machen. Sam hatte gar nicht bemerkt, dass Merry und auch Pippin hin und wieder seine Gedanken von Frodo abgelenkt hatten, doch hier draußen war niemand, der sie ablenkte. Hier waren sie alle ständig bei Frodo, und dieser quälenden Frage, warum.
Eine weitere Woche ging ins Land und Sam wurde fast nur noch von Flocke angetrieben weiterzugehen. Die Müdigkeit, die auf ihm lastete, war so groß, dass sie seine Gedanken verschlang und nur noch wenige zurückließ, die sich immer noch um Frodo drehten. Er achtete nicht mehr richtig auf den Weg und er kam nur langsam voran. Als er wieder einmal einen Tag voller Müdigkeit neben Flocke hertrottete, stellte er fest, dass sie vom Weg abgekommen sein mussten. Er war zu weit westlich gegangen und die Rückkehr auf den Richtigen Weg kostete Flocke und ihn einen halben Tag.
Auch das Wetter zeigte sich langsam von der herbstlichen Seite. Es wurde kühler und immer mehr Wolken zogen am Himmel auf. Sam musste sich bald eine Decke umwickeln um nicht zu frieren und da er und Flocke gegen den immer stärker werdenden Wind liefen, verminderte sich ihr schon nicht so schnelles Tempo, noch mal um einiges. Langsam türmten sich die Wolken zu wahren Wolkenbergen auf, die tiefdunkel und unheilverkündend am Himmel thronten.
Am Nachmittag eines kalten und sehr dunklen Tages setzte dann der erste feine Regen ein, der mit der Zeit immer stärker wurde und durch Sams ganze Kleidung drang. Bald zitterte der Hobbit am ganzen Leib und war nicht mehr fähig weiter zu laufen. Glücklicherweise befanden sich er und Flocke gerade in der Nähe eines großen Baumes, der einen kleinen Schutz vor dem Regen bot. Sam und das Pony schlugen darunter ein Lager auf, doch es wollte Sam nicht gelingen ein Feuer zu entfachen, denn der Boden war schon zu nass und trockenes Holz ließ sich auch nirgendwo mehr finden. So blieb Sam an diesem Abend nichts anderes übrig, als sich an Flocke zu kuscheln, um wenigstens etwas Wärme zu erhalten. Auch dem Pony schien das zu gefallen, es legte den Kopf um Sam herum, so dass er sich angenehm behütet fühlte, und Merry und Pippin im Stillen dankte, dass sie ihm Flocke mitgegeben hatten. Das Pony war nun seine einzige Gesellschaft und er war so froh es in dieser regnerischen und stürmischen Nacht bei sich zu haben. Trotzdem Flocke im viel Wärme spendete, zitterte Sam fast die ganze Nacht ununterbrochen. Er hörte seine eigenen Zähne klappern, so kalt war ihm. Der Hobbit kauerte sich ganz eng zusammen und als würde das Pony wissen, dass Sam erbärmlich fror, legte es sich enger um Sam herum schnaubte leise vor sich hin.
Diese Nacht versuchte Sam sich nicht gegen die Müdigkeit zu wehren, im Gegenteil, er wünschte sich endlich Schlaf zu finden. Die Kälte jedoch ließ ihn die Ruhe, nach der er sich so sehnte, nicht richtig finden und so überlegte er, wie viel Weg sie eigentlich noch vor sich hatten.
Sie mussten schon einige Wochen unterwegs sein, sie hatten bereits die Pforte von Rohan durchschritten und befanden sich irgendwo am Rand des weißen Gebirges. Es lag noch ein gutes Stück des Weges vor ihm und Flocke, aber so weit war es auch nicht mehr.
Es musste schon tiefe Nacht gewesen sein, als Sam langsam in einen mäßig tiefen Schlaf fiel und endlich aufhörte zu zittern. Sein Schlaf war traumlos und friedlich und langsam wurde der Regen etwas schwächer und auch der Wind ließ etwas nach.
Sam wurde von einem Hustenanfall geschüttelt und erwachte mit triefnasser Kleidung. Er lag immer noch dicht an Flocke gedrängt und das Pony beobachtete ihn aufmerksam. Der Hustenanfall wollte anscheinend gar nicht mehr aufhören, und Sam hatte alle Mühe zwischendurch mal tief Luft zu holen. Nach einer ganzen Zeit dann verschwand der heftige Husten und Sam blieb mit geöffneten Augen liegen. Irgendetwas war gar nicht in Ordnung. Ihm taten alle Glieder weh, sein Hals schmerzte und durch seine Nase konnte er keine Luft mehr holen. Trotzdem ihm immer noch kalt war, konnte er Schweiß auf seiner Stirn spüren und er fühlte sich schlapp und elend. Sam versuchte sich zu erheben, aber ein heftiger Stich im Kopf und eine Kraftlosigkeit, die in allen seinen Gliedern steckte, machte diesen Versuch unmöglich. Sein Brustkorb war wie zugeschnürt und jedes tiefe Einatmen war begleitet mit einem rasselnden Geräusch und endete in einem heftigen Husten.
Sam rollte sich auf die Seite, und Flocke erhob sich von ihrem Platz. Der Hobbit machte noch einen Versuch aufzustehen, aber wieder misslang ihm das. Er war nicht in der Lage auf die Beine zu kommen, geschweige denn weiter nach Minas Tirith zu gehen. Aus Sams Augen kullerten ein paar Tränen, er war allein, krank und er konnte nicht mehr weiter. Niemand konnte ihm jetzt helfen, er musste zusehen, dass er selbst einen Ausweg fand. Doch was sollte er tun? Er schloss die Augen und wünschte sich nichts mehr, als Frodo bei sich zu haben. Nur ein paar Worte von ihm würden jetzt mit Sicherheit schon helfen. Wäre er doch nur hier...
Sam lag noch eine ganze Weile einfach nur da und war der Verzweiflung nahe. Er verfluchte seine Sturheit alleine zu gehen, aber dennoch bekam Sam auf einmal ein ganz merkwürdiges Gefühl. Er hatte das Gefühl, dass es nur gerecht war, dass er jetzt hier draußen lag, ganz alleine und krank. Es war eigentlich eine gerechte Strafe, dafür, dass er Frodos Tod nicht verhindert hatte. "Du hast es verdient", murmelte er immer wieder zu sich selbst. "Es sollte dir eigentlich noch schlechter gehen, diese Strafe ist noch viel zu gering, für das, was du getan hast!"
Den halben Vormittag verbrachte Sam einfach nur damit da zu liegen und sich für Frodos Tod die Schuld zu geben. Er bekam Durst, aber er hatte nicht genügend Kraft um aufzustehen und zu dem Gepäck rüberzugehen, dass in einigen Metern Entfernung lag. Die Kälte und der Regen vom letzten Abend hatten dafür gesorgt, dass Sam sich so elend fühlte. Er schaffte es, die nassen Kleidungsstücke abzulegen und sich in eine einigermaßen trockene Decke zu hüllen, die auf dem Platz lag, an dem Flocke die Nacht über geruht hatte. Trotzdem Sam nun größtenteils trocken war und auch die Sonne angenehm wärmte, fror Sam immer noch, obwohl sein Körper scheinbar vor Hitze verglühte. Immer wieder sah Sam Frodo in seinen Gedanken und schließlich hatte er auch ein Bild von Gandalf vor Augen. Er wollte nach Minas Tirith, er wollte zu Aragorn und er wollte versuchen Gandalf zu finden. Nirgends standen die Chancen besser den Zauberer zu finden, als in Minas Tirith. Trotzdem Sam sich so elend fühlte, fasste er einen Entschluss. Er wollte weitergehen, er konnte es sich nicht erlauben hier liegen zu bleiben! Er musste weiter, er musste Gandalf finden, wenn jemand noch etwas tun konnte, dann vielleicht er. Sam zwang sich, sich aufzurichten, er durfte hier nicht länger verweilen, er musste weiter. Der Hobbit versuchte sich weiter aufzurichten und blieb aber, die Hände an die Stirn fassen auf der Erde sitzen. Er schaffte es einfach nicht. Plötzlich spürte er einen leichten Stoß von hinten und fühlte Flockes Atem im Genick. Das Pony stupste ihn, und forderte ihn auf, aufzustehen. Sam jedoch reagierte nicht darauf, sondern blieb immer noch einfach sitzen. "Ich komm nicht hoch, Flocke", flüsterte er und als ob das Tier ihn verstanden hätte, ging es einmal um Sam herum und senkte den Kopf zu Sam herunter, so dass er die Zügel greifen konnte. Sam sah auf und griff danach und konnte sich, indem er sich an der Zügel hochzog, endlich schwankend aufrichten. Das Pony blieb in seiner Nähe und so konnte er sich daran abstützen und Kräfte sammeln. Sams Kopf hämmerte und durch jedes seiner Glieder fuhr ein leichter Schmerz. Er hustete und versuchte die Schwäche zu ignorieren, die in seinem Körper herrschte. Jetzt, wo er stand, hatte er das Gefühl, dass es etwas besser ging. Er fühlte sich kraftlos, aber der Wille weiterzugehen um Gandalf zu finden, bewirkte doch einiges. Mit Flockes Hilfe gelang es ihm zu dem Gepäck zu kommen, seinen Durst zu löschen und etwas zu essen. Auch trockene Kleidung fand er dort, und es war eine Wohltat für den Hobbit endlich trockene Kleidung auf der Haut zu spüren. Nachdem er sich angekleidet und gegessen hatte, ging es ihm etwas besser, wenn er auch das Fieber, das er hatte, immer noch spürte. Er belud Flocke schwerfällig und machte sich dann wieder auf den Weg.
Er nahm das Pony an die Zügel und hatte so die Möglichkeit sich von Zeit zu Zeit daran festzuhalten, und Flocke ließ das auch geduldig zu. Sam stellte fest, dass er es ohne das Pony wahrscheinlich nicht geschafft hätte. Wenn er bei seinem jetzigen Zustand auch noch die ganze Last hätte tragen müssen, er wäre nicht weit gekommen. "Gut, dass du da bist", sagte er an das Pony gerichtet und streichelte es am Hals.
Sam bekam vom Weg dieses Tages kaum etwas mit. Das Fieber ließ ihn wie in Trance wandeln und er spürte kaum etwas. Irgendwann am späten Abend ließ er sich erschöpft ins Gras fallen und war nicht mal mehr in der Lage, Flocke vom Gepäck zu befreien. Am nächsten Tag erwachte er erst gegen Mittag und fühlte sich nicht mehr ganz so schwach, aber dennoch hatte er immer noch Fieber und von Zeit zu Zeit plagte ihn ein heftiger Husten. Wieder musste er sich mühevoll hochrappeln, aber der Gedanke an Gandalf ließ ihn tapfer durchhalten.
So setzte er zusammen mit Flocke einen Fuß vor den anderen, immer weiter, das weiße Gebirge entlang. Das Wetter war im Allgemeinen zwar schlechter geworden, aber zum Glück blieb erneuter heftiger Regen aus. Nur ein kühler Wind fegte über das Land und an einem Abend zuckten ein paar Blitze am Himmel.
Sams Zustand besserte sich während der letzten Etappe der Reise nur wenig, aber er lief immer weiter, Tag für Tag, bis eines Nachmittags die ersten Gebäude von Minas Tirith in der Ferne zu sehen waren. "Wir habe es bald geschafft, heute Abend sind wir da", sagte er und klopfte dem Flocke auf dem Rücken. Das Tier schnaubte und begann zusammen mit Sam die letzten Meilen bis nach Minas Tirith zu gehen.
Am frühen Abend erreichten Sam und Flocke den äußeren Rand von Minas Tirith. Der Hobbit war müde und fühlte sich schwach, doch er hatte vor, noch heute Aragorn zu treffen und so schleppte er sich mühsam weiter. In der Stadt war es schon sehr ruhig, hier und da konnte man hinter den Fenstern in den Häusern Kerzen flackern sehen, denn mit der Zeit wurde es immer dunkler. Sam hörte in der Ferne Hundegeheul, dass unheimlich wiederhallte.
Obwohl der Hobbit schon seit einer ganzen Weile den weißen Turm sehen konnte, hinter dem der Königssitz lag, kam ihm der Weg dorthin unglaublich lang vor. Er fühlte sich, als würde er drei Schritte vor und gleichzeitig zwei zurück machen. Er wollte einfach nicht vorwärts kommen, und da er die sieben Ringe der Stadt im Zickzack durchqueren musste, um zum weißen Turm zu kommen, schien der Weg immer länger zu werden.
Als der Mond schon sichelförmig über der Stadt thronte, und die Sterne schon am Himmel standen, war Sam endlich vor der großen Tür, die in Aragorns Behausung führte, angekommen. Keuchend und hustend stand er davor, band Flocke an eine für Pferde vorgesehene Stange, und wurde sogleich von zwei Wachen gehindert auch nur einen Schritt näher zur Tür hin zu gehen.
"Wer seid ihr, und was wollt ihr", wurde er von den Wachen in einem strengen Ton gefragt. Einer der Wachen hatte sogar einen Speer auf Sam gerichtet und betrachtete ihn sich aufmerksam.
"Ich bin Samweis Gamdschie; ein Hobbit aus dem Auenland und ich verlange den König zu sprechen."
"Es ist nicht sicher, ob der König dich jetzt noch empfängt", wurde ihm von einem der Wachen streng entgegnet.
"Sagt ihm...", Sam würde von einem Hustenanfall geschüttelt und geriet kurzfristig auf der Treppe ins Schwanken. Als der Husten vorbei war, begann er von neuem: "Sagt ihm, wer ich bin und ich bin sicher, er wird mich empfangen."
Die Wachen musterten ihn mit einem kritischen Blick. Dann nickte einer der Wachen und brachte Sam in die Vorhalle. Anschließend, gebot er Sam dort zu warten und verschwand.
Aragorn saß in seinem Arbeitszimmer an einem hölzernen Tisch und ließ seinen Zeigefinger immer wieder über den Rand seines Weinglases fahren, so dass ein schriller Pfeifton entstand. Vor ihm lagen ein duzend Schriftrollen und dahinter einige verstaubte Bücher. Aragorn hatte einen finsteren Blick aufgelegt und schien in Gedanken ganz woanders zu sein.
Er hatte viel Arbeit nachzuholen, denn in den letzten Tagen war er zu nicht viel gekommen. Er hatte die Arbeit ruhen lassen und seine Zeit zusammen mit Legolas und Gimli verbracht, die überraschend zu Besuch gekommen waren.
Für die Beiden hatte Aragorn gerne seine Arbeit liegen gelassen, es hatte unheimlich viel zu erzählen gegeben und es war eine Wohltat für Aragorn, mal wieder ihre Gesellschaft zu haben. Am Vormittag des heutigen Tages waren sie dann wieder abgereist und hatten sich auf den Weg nach Düsterwald gemacht.
Aragorn lehnte sich seufzend in seinem Stuhl zurück und rieb sich die Augen. Obwohl die Nacht noch jung war, war er müde und seine Gedanken wollten nicht recht bei seinen Aufgaben bleiben. Er stand auf und ging im Raum auf und ab, um die Müdigkeit zu verdrängen. Dann legte er den Kopf in den Nacken und blickte an die Decke. Er schmunzelte, ging zum Tisch zurück und zog unter den ganzen Schriftrollen eine untere hervor.
Diese hatte ihn heute Nachmittag erreicht und war von Gandalf, er kündigte sein Kommen in etwa zwei Tagen an.
"Was für ein Zufall", dachte Aragorn, da kommen drei seiner Besten Freunde fast zur gleichen Zeit in die Stadt und verfehlen sich um etwa drei Tage. "Jetzt fehlt es bloß noch, dass die Hobbits plötzlich vor der Tür stehen", murmelte er und blickte amüsiert auf Gandalfs Schreiben.
Aragorn hatte erst schon mit dem Gedanken gespielt, Legolas und Gimli wieder zurückzuholen, denn er war sich sicher, dass auch sie gerne Gandalf getroffen hätten. Aber sie hatten fast einen ganzen Tag Vorsprung und eh er sie erreicht hätte und sie dann alle wieder in Minas Tirith gewesen wären, wären wahrscheinlich drei Tage vergangen und Gandalf wäre bereits hier. Deshalb beschloss Aragorn einfach alles zu belassen.
Während er noch auf Gandalfs Schreiben blickte, flog plötzlich die Tür auf, und herein trat ein Wachmann, der sich sogleich verneigte.
"Mein König, draußen ist ein Hobbit aus dem Auenland eingetroffen, er verlangt nach euch. Ich sagte ihm, dass ihr vielleicht niemanden mehr empfangen würdet, doch er meinte, wenn ihr seinen Namen hört, würdet ihr ihn auch in so später Stunde noch empfangen."
Aragorn war für einen Moment etwas überrascht. Mit so einer Nachricht hätte er jetzt nicht gerechnet.
"Und wie ist sein Name", verlangte Aragorn zu wissen.
"Er heißt Samweis Gamdschie."
"Und er ist ganz alleine da", fragte Aragorn mit einem zweifelnden Blick.
"Ja, Herr er hatte nur ein Pony bei sich."
"Sam", flüsterte Aragorn in Gedanken und ohne, dass er eine Ahnung hatte warum, befiel auf einmal ein ungutes Gefühl seine Magengegend. Gewöhnlich hätte er sich jetzt gefreut, doch als er hörte, dass nur ein Hobbit hier war, fing er an zu überlegen. Wieso war Sam alleine gekommen? Wo war Frodo, er würde doch Sam gewiss nicht alleine nach Minas Tirith kommen lassen. Und Merry und Pippin wären doch mit Sicherheit auch mitgekommen...
"Ja, da hat er recht, natürlich empfange ich ihn jetzt noch, er ist mein Freund. Doch hat er schon gesagt, was er will", sagte Aragorn und sah den Wachmann an, der jetzt mit dem Kopf schüttelte.
"Nein, nur, dass er euch sprechen will."
"Bringt ihn zu mir", sagte Aragorn nach einer kurzen Pause und nickte dem Wachmann dann zu. Dieser verließ schnell wieder das Arbeitszimmer, nachdem er sich noch einmal verneigt hatte. Aragorn runzelte die Stirn und versuchte eine Erklärung zu finden, warum Sam allein gekommen war. Doch noch während er überlegte, kehrte der Wachmann wieder zurück und trat erneut ins Zimmer.
"Mein Herr, hier ist der Hobbit."
Der Wachmann trat zurück und machte Sam Platz, der in leicht gebückter Haltung beinahe schleichend den Raum betrat.
Der Wachmann verließ das Zimmer wieder und nun waren Sam und Aragorn allein. Als Aragorn den Hobbit erblickte, erschrak er ein wenig. Sam war ungewöhnlich blass, sah elend aus und sein Blick war mehr als beunruhigend. Im ersten Moment fehlten Aragorn die Worte, er ahnte sofort, dass sich seine unguten Gefühle, bezüglich Sam, bestätigen sollten.
Er ging auf den Hobbit zu und kniete sich vor ihn, damit er ihm in die Augen blicken konnte. "Was ist denn geschehen, Sam?"
Sam öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch sofort stieg dieses Brennen in seine Augen und Kehle. Wenn er ehrlich war, fürchtete er sich etwas Aragorn zu erzählen, weshalb er gekommen war. Er bemühte sich jetzt nicht zu weinen, doch als er Aragorn sah, brachen so viele Gefühle in ihm los, dass er es nicht verhindern konnte.
Einerseits wollte er Aragorn natürlich von Frodos Tod berichten, deshalb war er ja gekommen, aber andererseits wusste er, dass auch Aragorn das mehr als unglücklich machen würde. Ohne es zu wollen erinnerte Sam sich plötzlich daran, wie Frodo vor ein paar Jahren von einem Nazgûl verletzt wurde, und wie Aragorn ihm damals geholfen hatte. Sam hatte Frodo damals schon fast als verloren geglaubt und nur dadurch, dass Aragorn sich den Hobbits angeschlossen hatte, bekamen sie die nötige Hilfe, um Frodo zu retten.
Jetzt, wo Aragorn so vor ihm Kniete und ihn ansah, erinnerte er sich daran, als wäre es gestern gewesen, und ihn schmerzten die Erinnerungen so sehr, dass er anfing zu schluchzen, obwohl er sich solche Mühe gegeben hatte, das nicht zu tun. Aragorn hingegen sah ihn nur an und versuchte zu erraten, was ihn in so große Trauer versetzte. Obwohl Sam eigentlich vor gehabt hatte, es Aragorn anders zu sagen, brachte er auf einmal schluchzend hervor: "Frodo ist tot."
Aragorn sah ihn an, als hätte er Sam nicht verstanden, und im ersten Moment zweifelte er wirklich an seinem Gehör. Das war doch gar nicht möglich! Aragorn spürte, wie ihm das Herz schwer wurde und er sah Sam an, der den Kopf in seinen Händen vergrub und zu schwanken anfing. Die Schwäche und die Trauer nahmen wieder überhand, und Sam spürte, wie seine Knie nachgaben. Aragorn bekam den Hobbit gerade noch zu fassen, bevor er gefallen wäre und spürte, als er ihn anfasste, die ungewöhnliche Hitze, die Sam immer noch in seinem Körper hatte. Der Hobbit hustete, als Aragorn ihn festhielt und wieder hatte er Mühe Luft zu holen.
Aragorn berührte Sams Stirn und setzte einen sehr besorgten Blick auf. "Du hast ja Fieber, Sam! Was ist passiert?"
"Auf dem Weg hierher bin ich in ein Unwetter gekommen, ich glaube, ich habe mich erkältet."
"Sam, das scheint mir mehr als eine Erkältung zu sein. Du brauchst unbedingt Ruhe."
Sam fühlte sich so schwach, dass er einfach nur weiter in Aragorns Arme sank und die Augen schloss. Er war so müde und ihm war wieder erbärmlich kalt. Er fühlte sich nicht mehr in der Lage noch etwas zu sagen, obwohl er es gerne getan hätte und er wäre auch gerne selbst gelaufen, aber er konnte es einfach nicht mehr.
Aragorn nahm Sam hoch und trug ihn aus dem Arbeitszimmer, den Gang entlang, bis zu einem kleinen Raum mit einem gemütlichen Bett. Er legte den Hobbit vorsichtig hinein und beobachtete beunruhigt, wie Sam anfing zu zittern. Er deckte ihn bis zum Hals zu und blieb noch eine Weile bei ihm, bis das Zittern etwas nachgelassen hatte. Sam schloss die Augen und fing an ruhiger und gleichmäßiger zu atmen.
Aragorn betrachtete sich den Hobbit und merkte nach einer Zeit, dass er eingeschlafen war.
Er verließ leise das Zimmer und lief betrübt und aufgeregt den Gang entlang. Aragorn fragte sich, was er nun tun sollte.
Das war jetzt eine sehr beunruhigende Situation. Da kam Sam ganz alleine aus dem Auenland hierher, kann sich vor Schwäche nicht mehr aufden Beinen halten und sagt nur noch, das Frodo tot ist.
Aragorn überlegte schon, ob er nicht vielleicht Legoals und Gimli doch zurückholen sollte, diese Nachricht sollten auch sie sofort erfahren. Doch jetzt mitten in der Nacht? Und außerdem hatte Sam lediglich nur einen Satz von sich gegeben, Aragorn wusste einfach noch zu wenig über die Umstände. Er seufzte, als er den Gang entlang lief, so eine Neuigkeit war wirklich das Schlimmste, was er sich vorstellen konnte. Und dann noch dazu diese Ungewissheit, was tatsächlich geschehen war und Sams Krankheit und Schwächeanfall im Arbeitszimmer waren auch nicht weniger beunruhigend.
Aragorn wusste sofort, dass er diese Nacht wohl keinen Schlaf finden würde, viel zu sehr überschlugen sich nun die Gedanken, die Ungewissheit und die vielen, vielen Fragen.
Als er die Wachen erblickte, die am Ende des Ganges standen, wies er sie an, sich um Sams Pony zu kümmern und das Gepäck hineinzubringen.
Dann trat Aragorn vor die Tür und atmete die frische, kühle Nachtluft ein. Er konnte gar nicht recht glauben, was Sam da im Arbeitszimmer gesagt hatte, aber trotzdem spürte auch er, dieses schmerzende Gefühl im Herzen bei dem Gedanken, dass Frodo nicht mehr lebte.
"Was konnte nur geschehen sein?"
Aragorn stand da und überlegte, obwohl er wusste, dass ihm eigentlich nichts anderes übrig blieb, als abzuwarten bis es Sam besser ging. Erst dann würde er Antworten auf die vielen Fragen bekommen, die sich ihm nun alle stellten. Aragorn befiel nun dieses Gefühl nichts anderes tun zu können, als zu warten und er verfluchte dieses Gefühl, es war mehr als quälend.
Irgendwann setzte Aragorn sich auf die Treppe und beobachtete von dort den Springbrunnen auf dem Platz, der vom Mond erleuchtet wurde. Dies tat er fast die ganze Nacht lang, er saß einfach nur da und war mit seinen Gedanken bei Frodo und ohne, dass er es merkte sammelten sich ein paar Tränen in seinen Augen.
