Aragorn öffnete am Vormittag leise die Tür zu dem Zimmer indem Sam schlief
und blickte hinein. Der Hobbit hatte die Decke eng umschlungen und
blinzelte Aragorn schweigend an. Dieser trat hinein, schloss die Tür und
setzte sich auf die Bettkante.
"Es tut mir leid, Aragorn."
"Was tut dir leid", fragte Aragorn freundlich und beobachtete Sam, der sich langsam aufrichtete.
"Gestern, ich wollte nicht... Ich wollte dir nicht...", Sam stotterte und wich Aragorns Blick aus, irgendwie war ihm das unangenehm, was gestern passiert war. Was Aragorn jetzt wohl dachte? So hatte sich Sam seine Ankunft in Minas Tirith nicht vorgestellt. Er hatte weder vorgehabt Aragorn gleich entkräftet in die Arme zu fallen, noch mit der Nachricht von Frodos Tod so herauszuplatzen und sich der Trauer wieder so hinzugeben.
Aragorn bemerkte wohl, dass Sam sich in seiner Gegenwart im Moment nicht wohl fühlte.
"Sam, dir braucht nichts leid tun, und du musst dich auch für nichts schämen, falls du das gerade tust."
Sam lächelte erleichtert.
"Ich mache mir Sorgen um dich, geht es dir wieder besser", fragte Aragorn und fasste Sam an die Stirn. Der Hobbit war immer noch heiß, aber es war nicht mehr so schlimm, wie am Abend zuvor.
"Ja, das ist seid langem mal wieder eine Nacht gewesen, wo ich geschlafen habe, ohne zu träumen. Ich fühle mich besser, danke."
Aragorn lächelte. "Dann habe ich schon mal eine Sorge weniger. Möchtest du irgend etwas haben? Hast du Hunger?"
Sam schüttelte den Kopf. "Nachher vielleicht."
Aragorn nickte und überlegte, ob er Sam endlich das fragen sollte, was ihn so quälte, doch musste er zugeben, dass er sich etwas vor der Antwort fürchtete. Nach einer längeren Pause, in der keiner etwas sagte, entschloss sich Aragorn schließlich dazu, Sam zu fragen. "Sam, als du gestern angekommen bist, da hast du etwas gesagt, dass ich..." Er machte eine Pause und sah den Hobbit tief in die Augen. "Ist das wahr? Oder war das vielleicht nur, wie ich hoffe, ein Fiebertraum?"
Sam senkte den Blick und spürte förmlich, wie Aragorn auf eine Antwort wartete, die Sam ihm leider nicht geben konnte. "Ich wünschte es wäre so, Aragorn. Aber es ist leider wahr. Frodo ist wirklich tot, ich kann es selber nicht glauben, obwohl es schon ein paar Wochen her ist."
Aragorn stand mit einem enttäuschten und traurigen Blick vom Bett auf, ging ans Fenster und sah hinaus. Sam beobachtete ihn und wusste, dass er versuchte sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Deshalb war er auch ans Fenster geeilt. So hatte er die Möglichkeit sich unauffällig über die Augen zu wischen.
"Was ist passiert", fragte Aragorn und Sam glaubte ein leichtes Zittern in seiner Stimme zu hören.
Sam starrte betrübt vor sich hin und vergrub den Kopf in seinen Händen. "Er ist von einem Baum gefallen."
Aragorn drehte sich abrupt um und sah ihn überrascht an. "Er ist von einem Baum gefallen", wiederholte er ungläubig.
Sam lächelte verbittert. "Ja, ist das nicht eine Ironie? Er wird zum Ringträger, die tödlichen Diener des dunklen Herrschers sind in Form schwarzer Reiter hinter ihm her gewesen, er ist mit mir nach Mordor gegangen, Sauron konnte ihn nicht töten und er hat es selbst geschafft der Macht des Ringes zu wiederstehen. Und dann fällt er vom Baum, und das in meinem Garten. Es ist so ungerecht! Er hat alle Hürden genommen, die ihm das Leben gestellt hat, und dann passiert so was.
Weißt du, es ist nicht so, dass ich sagen kann, wenn er im Kampf gestorben wäre, oder wenn er eine Krankheit gehabt hätte, hätte ich es leichter akzeptiert, oder dann würde ich es gerechter finden. Aber es ist so töricht, dass er wegen einer so belanglosen Sache, eines so unwichtigen Dinges, wie Äpfel ernten, den Tod findet. Und das nach allem, was er erlebt hat...
Ich komme damit nicht zurecht Aragorn, und ich fürchte, ich werde damit nie zurecht kommen. Genauso werde ich es mir nie verzeihen können, dass ich nicht besser aufgepasst habe. Nur ein paar einfache Handgriffe, und ich hätte es verhindern können."
Aragorn nickte. "Ich verstehe dich Sam. Es ist furchtbar was ein paar einfache Handgriffe, ein paar Worte oder Dinge, die wir für belanglos halten, auslösen können."
"Aber ist das nicht beunruhigend, Aragorn? Alles was wir tun, und ist die Tat noch so klein, trägt vielleicht zu unserem weiteren Schicksal bei. Vor Frodos Tod war mir das nie bewusst, aber jetzt habe ich erkannt, das alles was wir tun einen Sinn hat, und wenn es nur den Sinn hat unser Schicksal zu verändern. Wer weiß, ob wir nicht gerade, jetzt wo wir uns unterhalten, unser Schicksal in eine ganz andere Richtung lenken? In eine Richtung, die vielleicht ganz anders verlaufen würde, wenn wir uns jetzt nicht unterhalten würden. Verstehst du, was ich meine?"
"Ja ich verstehe dich, Sam. Aber so etwas solltest du nicht denken! Ich glaube, das Schicksal von jedem ist vorbestimmt. Da kann niemand etwas ändern."
"Dann willst also sagen, dass auch Frodos Tod so sein sollte, dass er vorbestimmt war?"
"Ich glaube, niemand, auch du nicht Sam, hätten ihn verhindern können. Selbst wenn du jetzt vielleicht das Gefühl hast, du hättest es doch tun können."
"Dann denkst du genau das, was alle anderen auch denken. Es war nicht zu ändern."
Aragorn nickte, doch er wusste auch, was Sam meinte und er konnte nicht mal abstreiten, dass er Sams Überlegungen gar nicht so abwegig fand.
"Glaubst du, du kannst mir genau erzählen, was passiert ist", fragte Aragorn nach einer Zeit. Er wusste bis jetzt eigentlich immer noch sehr wenig über Frodos Tod.
Sam nickte und begann alles, jede Kleinigkeit, zu erzählen. Fast wörtlich gab er das letzte Gespräch wieder, dass er mit Frodo geführt hatte, als er in Sams Armen unter dem Baum gestorben war.
Aragorn hörte ihm aufmerksam zu und schüttelte mehrere Male ungläubig den Kopf. Auch ihn berührte das, was Sam sagte sehr stark und er versuchte sich und die aufsteigende Traurigkeit unter Kontrolle zu halten. Sam erzählte auch, weswegen er gekommen war. Er wollte nicht, dass Aragorn aus einen Brief erfuhr, was geschehen war. Dabei ließ er jedoch den Grund mit Gandalf aus.
Als Sam geendigt hatte, legte Aragorn ihm die Hand auf die Schulter. "Sam, das muss alles schlimm für dich sein."
"Für Frodo ist es schlimm, er ist jetzt tot. Ich habe Familie, wohne in einer schönen Höhle... Frodo hätte das auch verdient. Vielleicht sogar mehr als das. Wie ich schon sagte, es ist ungerecht."
Aragorn fuhr sich unwirsch durch die Haare. "Du bist also gekommen, weil du es mir persönlich sagen wolltest. Ich danke dir, das finde ich wirklich besser. Möchtest du es auch allen anderen persönlich sagen?"
"Das hatte ich zumindest vor, aber ich weiß nicht, ob das möglich ist."
"Ist es. Gandalf hat mir gestern einen Brief geschickt, er kommt morgen hierher. Legolas und Gimli waren vor zwei Tagen hier, sie werden noch nicht sehr weit sein, ich könnte ihnen ein paar Männer hinterher schicken und sie zurückholen lassen. Dann wären sie auch in etwa drei oder vier Tagen wieder hier."
"Das sind ja glückliche Zufälle."
Sams Herz machte einen kleinen Freudensprung, als er von Gandalf hörte. Seine Hoffnungen ihn zu treffen, wurden nicht zerschlagen und das machte ihn ein bisschen glücklich.
"Dann werde ich nach Legolas und Gimli schicken. Ich werde mich beeilen, damit ihr Vorsprung nicht zu groß wird. Ich hatte eh überlegt sie wieder zurückzuholen, als ich von Gandalf den Brief bekommen habe, dass er zu Besuch kommt. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich jetzt aus einem so traurigen Anlass nach ihnen schicken muss", Aragorn sah verbittert aus und ging in Richtung Tür.
"Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mal mit so einer Nachricht zu dir komme."
Aragorn nickte. "Möchtest du vielleicht jetzt etwas essen oder willst du etwas anderes haben?"
"Ja, etwas zu essen könnte ich jetzt brauchen."
"Dann werde ich dir etwas bringen lassen."
Aragorn öffnete die Tür und wollte schon hinaustreten, als Sam ihn noch einmal aufhielt.
"Aragorn, ich bin mit einem Pony hier hergekommen..."
"Ich habe mich schon darum gekümmert, Sam. Es wurde bereits versorgt", beantwortete Aragorn Sams Frage, noch ehe er sie ihm gestellt hatte.
"Danke."
Aragorn nickte und verließ dann das Zimmer. Er lehnte sich gegen die Wand, atmete einmal tief durch und rieb sich in den Augen. Dann eilte er den Gang entlang. Als er auf dem Weg einen Dienstboten traf, ordnete er an, Sam etwas zu Essen in sein Zimmer zu bringen, woraufhin dieser sofort loseilte, um die Anordnung auszuführen. Einen Wachmann, dem er im Gang begegnete wurde befohlen, drei Männer zu holen, die Legolas und Gimli folgen sollten.
Innerhalb von einer halben Stunde waren drei Männer bereit, denen Aragorn erklärte, dass sie in Richtung Düsterwald reiten sollten um nach dem Elb und dem Zwerg zu suchen. Die Männer sollten ihnen lediglich ausrichten, dass die Beiden sofort umkehren sollten, weil Aragorn ihnen etwas sagen musste, mehr sollten sie noch nicht wissen. Es reichte, wenn sie es in Minas Tirith erfahren würden.
Die Männer ritten los und Aragorn setzte sich in sein Arbeitszimmer, mehr um allein zu sein, als etwas zu arbeiten. Er dachte an Frodo und an seine Erlebnisse mit ihm. Er verdrängte die Vorstellungen und Bilder, die in seinem Kopf entstanden waren, als Sam von Frodos letzten Minuten erzählt hatte. Aragorn verstand, warum Sam sich solche Vorwürfe machte, und auch er ahnte, dass Sam sie wohl niemals loswerden würde.
Aragorn seufzte und rieb sich wieder die Augen.
"Warum nur", murmelte er.
Legolas saß unter einem Baum und beobachtete, wie das Wasser ein kleines Bächlein hinunter floss. Die Luft war kühl an diesem Vormittag und er genoss es, den Lauten der Natur zu lauschen. Der Wind war stärker geworden und verursachte einen heulenden Ton. Legolas hatte seine Hände auf den weichen, grasbewachsenen Boden gelegt und spielte mit den Halmen und genoss einfach alles, was um ihn herum geschah.
Eigentlich hatte er schon längst nach Düsterwald weiter reiten wollen, aber Gimli schlief immer noch, und der Elb hatte keine Eile und so beschloss er, seinem Freund die Ruhe zu gönnen.
Legolas lächelte als er Gimli ein paar Meter entfernt liegen sah. Woher nahmen dieser Zwerg nur seine Ruhe? Am gestrigen Tag waren sie nicht viel voran gekommen, Gimli hatte schon am frühen Abend darüber geklagt, nicht mehr reiten zu können. Legoals hatte nach nur kurzer Zeit nachgegeben und sie hatten ein Lager aufgeschlagen. Nach dem Essen war Gimli sofort eingeschlafen und bis jetzt nicht wieder aufgewacht.
Der Elb hingegen hatte die halbe Nacht wach gelegen und den Himmel betrachtet und nur am frühen Morgen kurz geschlafen. Mehr Schlaf hatte er auch nicht unbedingt nötig, doch dieser Zwerg schlief die ganze Nacht und hatte sich so gar vor zwei Tagen bei Legolas beschwert, dass er keine Mittagspause halten konnte. Wenn es nach Gimli ginge, dann würden sie wohl ein halbes Jahr nach Düsterwald brauchen.
Legolas seufzte und lehnte sich mit dem Rücken an den Baum. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er sehen, dass Gimli sich schon ein paar mal hin und her gedreht hatte. Bald würde er aufwachen, dann konnte es endlich weiter gehen.
Legolas hatte recht, es dauerte nicht lange da richtete sich der Zwerg gähnend und streckend auf, blickte um sich und verdrehte gespielt die Augen, als er Legolas erblickte. Er rappelte sich hoch und kam langsam auf den Elb zu. Legolas beobachtete ihn und wartete schweigend, bis er vor ihm stand. "Schon erwacht?"
Gimli setzte ein gekünsteltes Lachen auf. "Sehr lustig, was kann ich dafür, wenn du hier mitten in der Nacht schon rumsitzt?"
"Mitten in der Nacht? Es ist bereits Vormittag, wir hätten schon seit Stunden auf dem Weg sein können."
"Warum die Eile? Jetzt brauche ich erst mal ein Frühstück."
"In der Tasche da sind Lembas", sagte Legolas und deutete auf eine Tasche, die neben ihm lag.
"Lembas", murmelte Gimli. "Ich hätte jetzt Hunger auf einen leckeren Braten und Malzbier."
Legolas verzog das Gesicht. "Mal abgesehen, davon dass es ein ziemlicher Aufwand wäre für dich Braten und Malzbier mitzunehmen, wie kannst du so was am Vormittag essen?"
"Wie kannst du immer Lembas essen", fragte Gimli und knabberte lustlos an dem Elbenbrot herum, das er sich aus der Tasche geholt hatte.
Legolas machte einen belustigten Gesichtsaudruck und nahm sich ebenfalls ein kleines Stück von den Lembas.
Nachdem der Elb das kleine Stückchen aufgegessen hatte, machte er sich daran die Taschen und das restlich Gepäck auf das Pferd zu laden, dass in der Nähe graste. Als Legolas fertig gepackt hatte, war auch Gimli endlich fertig mit essen. Er machte jedoch keine Anstalten aufzubrechen, sondern legte sich, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, auf das Gras.
"Was machst du da? Komm wir wollen weiter", rief Legolas, der schon dabei war aufs Pferd zu steigen.
"Was hetzt du so? Jetzt brauche ich erst mal ein Verdauungsschläfchen nach den Lembas."
Legolas schwang sich aufs Pferd und stellte sich samt dem Tier vor den Zwerg. "Wenn du jetzt nicht endlich kommst, nehme ich dir die Axt weg."
"So grausam bist du nicht", sagte Gimli mit aufgerissenen Augen und zweifelndem Blick.
"Warts ab und jetzt schwing dich endlich hier hoch, es wird Zeit."
Ängstlich und die Hand an seiner Axt erhob Gimli sich fluchend und kletterte hinter Legolas aufs Pferd. Der Elb schüttelte nur amüsiert den Kopf und als Gimli hinter ihm seinen Platz eingenommen hatte, gab er dem Pferd die Sporen und das Tier galoppierte los.
Legolas überhörte Gimlis Maulen und Nörgeln bis hin zum Nachmittag. Dann war selbst er genervt und hielt das Pferd an einem Waldrand an. Der Zwerg sprang schwerfällig von dem Reittier und streckte die Arme in die Luft.
"Ich kann schon nicht mehr, mir tut alles weh vom Reiten."
Auch Legolas stieg jetzt vom Pferd und zog die Augenbrauen hoch. "Ich bin genauso lange geritten, wie du, und mir tut noch nichts weh."
"Du bist ja auch ein Elb."
Legolas sagte nichts, er beobachtete nur, wie der Zwerg hin und her lief, um sich die Beine zu vertreten.
Sie verbrachten eine ganze Zeit am Waldrand, während Legolas sich die Gegend betrachtete, döste Gimli vor sich hin.
Plötzlich wurde der Zwerg von Legolas an der Schulter geschüttelt. "Steh sofort auf", sagte er in einem strengen Ton und blickte starr in eine Richtung.
"Willst du schon wieder los?"
"Nein, da hinten ist irgendwer, lass und vorsichtshalber in den Wald gehen."
Gimli versuchte etwas zu erkennen, auch er konnte in der Ferne ein paar Gestalten ausmachen, die schnell näher zu kommen schienen.
"Bei meinem Barte, wer ist das", fragte Gimli.
"Drei Männer, mehr kann ich noch nicht sehen."
Gimli und Legolas liefen zusammen mit dem Pferd in den Wald und duckten sich hinter einem umgestürzten und mit Moos bewachsenem Baum. Vorsichtig lugten sie dahinter hervor. Die Männer kamen in der Tat immer näher an sie heran. Legolas zog seinen Bogen und Gimli seine Axt.
"Springen, oder nicht", fragte Gimli und sah Legolas erwartungsvoll an.
"Springen. Es sind nur drei, die schaffen wir notfalls", antwortete der Elb.
Sie warteten, bis die Männer bis auf zehn Meter herangekommen waren und sprangen dann plötzlich hinter dem Baum hervor. Sie gingen ein paar Schritte vorwärts und blieben dann mit gezogenen Waffen stehen.
"Wer seid ihr und was wollt ihr? Sprecht rasch, sonst kann ich meine Hand mit der Axt nicht mehr zurückhalten", forderte Gimli sie auf.
"Es gibt keinen Grund die Waffen zu erheben. Wir wurden vom König geschickt und sind euch von Minas Tirith aus gefolgt", entgegneten einer der Männer und alle legten ihre Hände so, dass Gimli und Legolas sie sehen konnten und sich sicher waren, dass sie nicht plötzlich angegriffen wurden.
"Und wieso wurdet ihr vom König geschickt", fragte Legolas und hielt seinen Bogen immer noch gespannt.
"Ihr sollt wieder zurückkommen, der König möchte euch etwas sagen."
Legolas und Gimli sahen sich fragend an. Waren diese Männer jetzt ehrlich oder war das ein Trick sie zu überrumpeln?
"Wieso sollte der König uns zurückholen, wir waren doch gerade erst bei ihm", fragte Gimli und sah die Männer auffordernd an.
"Wir haben nur den Befehl euch zurückzuholen, mehr wissen wir nicht. Wir können euch nur noch sagen, dass vor ein paar Tagen, als ihr aufgebrochen seit, am Abend ein Hobbit nach Minas Tirith gekommen ist. Wir wurden dann am nächsten Tag hinter euch her geschickt."
Gimli musterte sie kritisch und wandte sich dann an Legolas: "Ich traue ihnen nicht!"
"Wir verstehen, dass euch das merkwürdig vor kommt, und wie ihr euch jetzt entscheidet ist eure Sache. Wenn ihr nicht mit uns reiten wollt, dann können wir auch voraus reiten, so könnt ihr uns beobachten", sagte einer der Männer in einem ruhigen Ton und Legolas begann den Bogen zu senken.
"Ich denke, dass ist nicht nötig, wir werden mit euch reiten". Legolas sah zu Gimli und der Zwerg setzte einen mürrischen blick auf und schüttelte energisch den Kopf.
Die Männer waren schon dabei ihre Pferde in die andere Richtung zu lenken und Legolas holte sein Pferd aus dem Wald, als Gimli ihm nachlief und ihn an seiner Tunika festhielt.
"Wieso bist du so leichtgläubig? Wer sind die denn überhaupt? Vielleicht wollen die uns bei der nächsten Möglichkeit erwürgen. Und du gehst einfach mit denen mit, du bist leichtsinnig."
"Ich vertraue meinen elbischen Instinkten, ich glaube es liegt Wahrheit in ihren Worten."
"Und ich vertraue meinen zwergischen Instinkten und sage dir sie lügen."
Legolas runzelte die Stirn und ging einfach mit dem Pferd an den Zügeln weiter.
"Sei nicht so stur und bleib stehen, es liegt an mir Stur zu sein, ich bin hier der Zwerg!" Gimli lief hinter dem Elb her und stellte sich vor ihn, so dass Legolas stehen bleiben musste.
"Gimli, ich bin vorsichtig und weiß was ich tue. Hast du ihre Waffen gesehen? Sie haben nur Schwerter und keinen Bogen. Wir halten uns mit dem Pferd etwas abseits, so können sie uns nicht so schnell angreifen, wenn sie es denn tun wollen. Eh sie mit den Schwertern auf uns losgehen können, haben wir genügend Zeit, um uns in Sicherheit zu bringen."
"Na schön, aber wenn etwas passiert- ich habe dich gewarnt!"
Legolas nickte und zog seine Mundwinkel belustigt nach oben. "Ja, ich weiß. Worüber machst du dir eigentlich Sorgen? Du sitzt doch hinter mir auf dem Pferd, dir kann doch am allerwenigsten passieren."
Gimli brummte irgendwas vor sich hin und stieg dann hinter Legolas aufs Pferd.
Die Männer warteten geduldig, bis die Beiden bei ihnen waren und trieben dann ihre Pferde zu einem schnellen Schritt an.
Legolas hielt das Pferd immer etwas weiter weg von den Männern, für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes geschah. Doch es geschah nichts. Gimli äußerte häufig leise Zweifel, ob die Männer nun ehrlich waren, doch sie sollten unbegründet sein. Legolas schlief in den Nächten immer nur halb und nahm jede Bewegung der Männer wahr, doch sie taten nichts, was ihn hätte beunruhigen müssen.
So kam es, dass sie nach nur wenigen Tagen wieder in Minas Tirith angelangt waren. Gimli machte ein leicht beschämtes Gesicht, weil er mit seinen Zweifeln unrecht gehabt hatte und Legolas fragte sich die ganze Zeit, warum Aragorn sie hatte zurückholen lassen. Doch er und auch Gimli sollten es bald erfahren, denn Aragorn wartete schon recht ungeduldig auf die Beiden.
Legolas stand mit gesenktem Haupt in Aragorns Arbeitszimmer. Neben ihm stand Gimli und schüttelte ungläubig den Kopf und Gandalf, der bereits am gestrigen Tag eingetroffen war, stand in einer Ecke des Raumes und stampfte gelegentlich mit seinem Stab auf den Boden.
"Er wollte es euch eigentlich selber sagen, aber seit gestern spricht er mit niemandem mehr", sagte Aragorn und blickte seine Freunde an.
"Ja, und das ist meine Schuld, vielleicht hätte ich ihm die Wahrheit nicht so schnell unterbreiten dürfen", murmelte Gandalf betrübt und senkte den Kopf.
"Oft ist die Wahrheit schmerzlich, aber es wäre auch nicht gut, wenn du ihm eine falsche Hoffnung gemacht hättest", antwortete Aragorn an Gandalf gerichtet und wollte sich nur schwerlich eingestehen, dass Gandalf auch ihm seine Hoffnung genommen hatte.
Nachdem Gandalf gestern in Minas Tirith angekommen war, hatte Sam ihn sofort aufgesucht, um ihm von Frodo zu erzählen und eine Hilfe von ihm zu bekommen. Es war für ihn ein schreckliches Gefühl gewesen, als er sich dem Zauberer genährt hatte. Von weitem hatte er Gandalf in der Halle stehen sehen und merkte schon, wie ihm die Knie weich wurden. All seine letzte Hoffnung lag nun bei ihm und er hatte so eine Angst gehabt, dass Gandalf ihm auf seine Frage die Antwort geben würde, die er so sehr fürchtete.
Und er hatte ihm, diese von ihm gefürchtete Antwort, gegeben. "So etwas liegt nicht in meiner Macht", hatte Gandalf gesagt. "Frodos Tod kann auch ich nicht ändern."
Sam hatte daraufhin das Gefühl gehabt, als würde ihm jemand mit der Faust in den Magen schlagen. Mit einem Mal breitete sich ein Gefühl der Leere in ihm aus, und er drohte, ihn in ein tiefes Loch zu stürzen. Nun war alles vorbei. Nichts mehr konnte er tun, er hatte Frodo endgültig verloren und niemand konnte es mehr ändern.
Gandalf konnte gar nichts machen, er wirkte nach Sams Nachricht selbst niedergeschlagen und unglücklich und schien es selbst zu verfluchen, dass er nicht die Macht besaß, etwas zu ändern.
Sam war so verzweifelt, dass er seine neue Enttäuschung nicht mal beweinen konnte. Erst jetzt war Frodos Tod für ihn gänzlich unabänderlich.
Sam hatte daraufhin die Halle verlassen und war in sein Zimmer geeilt. Aragorn war am Abend noch zu ihm gegangen, doch der Hobbit hatte nicht mit ihm gesprochen. Er hatte nur da gesessen, die Hände schlaff auf seinem Schoß liegend, und an die Wand gestarrt. Sam hatte Aragorns Anwesenheit wohl wahrgenommen, aber es gab nichts mehr, dass er ihm zu sagen hatte. Er hatte überhaupt niemandem mehr etwas zu sagen und ihm war es auch gleich, ob er Legolas und Gimli persönlich etwas von Frodos Tod erzählen würde oder nicht. Ihm war es gleich, ihm war alles gleich.
"Er ist seit gestern in seinem Zimmer und nicht mehr hinausgekommen", bemerkte Aragorn an Legolas und Gimli gerichtet.
"Wundert dich das Aragorn", fragte Gandalf, als niemand eine Antwort gab.
Aragorn schüttelte leicht den Kopf.
Aragorn, Gandalf, Legolas und Gimli redeten noch eine ganze Zeit über Frodo und Aragorn überlegte, ob er nicht eine kleine Trauerfeier zu Ehren von Frodo organisieren sollte. Bei allem, was der Hobbit in seinem Leben getan hatte, gebührte ihm solch eine Feierlichkeit eigentlich nur zu sehr.
Am frühen Nachmittag, ging plötzlich die Tür auf und ein Wachmann kam herein und unterbrach die Gefährten in ihren Unterhaltungen.
"Verzeiht, mein König, aber ich muss euch etwas melden", sagte ein junger Mann, der etwas unsicher und ängstlich wirkte.
Aragorn sah überrascht auf und blickte dann aufmerksam in die Richtung des Wachmanns. "Sprecht, was gibt es?"
"Mein König, wir haben vier Männer verhaftet, die nach Minas Tirith kamen und sich auffällig verhalten haben."
"In wie weit auffällig", fragte Aragorn.
"Sie sind bis hier oben zum weißen Turm gegangen und spähten durch einige Fenster."
"Weiß man was sie wollten?"
"Nein, aber das ist nicht alles, was ich euch sagen wollte. Eigentlich waren es fünf Männer."
Aragorn sah den Wachmann aufmerksam an. "Wieso eigentlich?"
"Wir mussten einen der Männer töten. Einen seltsamen Mann mit einer Maske."
Aragorn sah etwas verblüfft aus. "Wieso, was ist geschehen?"
"Zuerst wollten wir die Männer gar nicht verhaften. Wir fragten sie lediglich, wieso sie durch die Fenster spähten. Der Mann mit der Maske zog daraufhin sofort sein Schwert und schrie etwas."
"Was hat er denn gesagt?"
"Er schrie für uns unverständliche Dinge."
"Konntet ihr gar nichts heraushören?"
"Das sind nur Vermutungen. Anscheinend schienen die Männer irgendwen verfolgt zu haben, mehr konnten wir aber nicht verstehen."
"Wieso habt ihr ihn getötet", fragte Aragorn und runzelte die Stirn.
"Er schrie etwas davon, dass er so lange auf diese Gelegenheit gewartet hätte und er würde sich diese Gelegenheit jetzt von niemandem mehr nehmen lassen. Dann ging er mit dem Schwert auf uns los. Wir haben uns nur gewehrt, aber mit dem schnellen Abgriff haben wir nicht gerechnet. Ein unachtsamer Stoß mit dem Schwert hat ihn an der falschen Stelle getroffen. Das letzte, was er sagte, war sein Name."
"Und wie war sein Name?"
"Wenn ich es richtig verstanden habe, nannte er sich Lhunroth."
Aragorn überlegte angestrengt, doch der Name war ihm völlig unbekannt.
"Nachdem wir den Mann getötet hatten, verhafteten wir die anderen aus Sicherheit", fuhr der Wachmann fort.
"Ich danke euch für die Meldung, ich werde selbst mit den Männern sprechen", bemerkte Aragorn.
"Sollen wir sie so lange einsperren?"
Aragorn seufzte. "Es wird wohl nichts anderes übrigbleiben. Aber sorgt dafür, dass man sie gut behandelt, so lange wir nicht wissen, ob sie etwas verbrochen haben, soll es ihnen nicht schlecht gehen."
Der Wachmann nickte und verließ dann den Raum.
"Kanntest du den Mann, Aragorn", fragte Gandalf nach einer kleinen Pause.
"Nein, ich glaube nicht."
"Hast du eine Vermutung, was sie wollten", wollte Legolas wissen.
"Auch das nicht mein Freund, aber mich würde mal interessieren, wen sie da verfolgt haben, wenn das stimmt, was die Wachmänner gehört haben. Und auf welche Gelegenheit sie gewartet haben."
Aragorn grübelte noch eine ganze Weile über den Bericht des Wachmannes. Wieso spähten fünf Männer durch Fenster seiner Behausung? Wieso hatte sich der eine Mann gleich so heftig zur Wehr gesetzt? Wen hatten die Männer verfolgt und warum hatte der eine Mann überhaupt eine Maske getragen?
Alles Fragen, auf die Aragorn eine Antwort haben wollte, aber nicht genau wusste, ob er jemals eine erhalten würde.
Aragorn beschloss einmal nach Sam zu sehen. Es war nun bereits Nachmittag und der Hobbit war immer noch nicht aus dem Zimmer gekommen.
Als er die Tür leise öffnete, saß Sam immer noch genauso da, wie zuvor, als Aragorn ihn gesehen hatte. Sam machte ihm ernstliche Sorgen, so apathisch war der Hobbit noch nie gewesen. Aragorn setzte sich neben Sam auf sein Bett.
"Sam, möchtest du vielleicht etwas trinken", begann er vorsichtig ein Gespräch. Der Hobbit sagte nichts, sondern starrte lediglich immer noch an die Wand.
Aragorn stand daraufhin wieder unwirsch auf. "Bitte Sam, ich habe schon genug Probleme, sei so gut und sag endlich was!"
Müde hob Sam etwas den Kopf und sah ihn mit matten Augen an. "Was gibt es jetzt noch zu sagen?"
Aragorn sah ihn verständnislos an. "So darfst du nicht reden."
"Wieso nicht? Ich wüsste nicht, was ich die jetzt noch zu sagen hätte. Verzeih mir, ich bin dir für alles, was du getan hast dankbar, aber es gibt nichts mehr, das mich jetzt noch erfreuen könnte. Ich hätte mir die Hoffnung nicht machen sollen, ich bin der größte Narr, den es gibt!"
"Was meinst du?"
"Als ich aus dem Auenland fortgegangen bin, da war mein einziger Gedanke Gandalf. Auf dem Weg hierher war ich krank, und nur der Gedanke an Gandalf hat mich weiter voran getrieben. Ich habe so gehofft, dass er mir irgendwie helfen kann. Wenn ich den Gedanken an Gandalf nicht gehabt hätte, dann wäre ich nicht hier angekommen, Aragorn. Und jetzt sitze ich hier und ärgere mich über mich selber! So töricht wie ich kann man gar nicht sein. Auf den Zauberer so zu hoffen war wieder ein Fehler, ich mache alles falsch."
"Jeder andere hätte das an deiner Stelle auch getan, du bist kein Narr."
Sam lächelte schwach.
"Es ist gleich, ob ich ein Narr bin oder nicht. Nichts wird das ändern, was geschehen ist."
"Das ist wahr. Manchmal würde ich erst mal gerne wissen, was überhaupt geschehen ist", sagte Aragorn ratlos.
"Was meinst du?"
Aragorn erzählte von den fünf Männern, von dem Tod des Mannes, der sich Lhunroth nannte und, dass die Männer anscheinend jemanden verfolgt hätten.
"Merkwürdig", murmelte Sam.
"Ja ist es. Irgendwie bilde ich mir ein den Namen Lhunroth schon einmal gehört zu haben."
Sam sagte nichts, sondern starrte nur mürrisch vor sich hin.
Aragorn sah ihn besorgt an und hatte plötzlich einen Einfall. "Sag mal Sam, könntest du mir vielleicht helfen?"
Der Hobbit blickte ihn etwas lustlos an. "Um was geht es denn?"
"Vielleicht findet sich ja in der Bücherei etwas über diesen Lhunroth. Da sind von vielen Leuten Aufzeichnungen, vielleicht erscheint da auch irgendwo sein Name. Könntest du da für mich hingehen und nachschauen?"
Sam nickte, er hatte sowieso nichts anderes zu tun. "Ja, kann ich machen."
"Ich danke dir, damit hilfst du mir sehr. Ich werde dir einen Wachmann mitschicken, der dich dort hin begleitet. Nicht jeder kommt in die Bücherei von Minas Tirith, aber wenn du eine Wache von mir dabei hast, werden sie dir gewiss Einlass gewähren."
Sam nickte erneut. Aragorn erhob sich erfreut und eilte auch schon zur Tür hin, um hinauszugehen und den Wachmann zu holen.
"Er heißt also Lhunroth, ja" fragte Sam und blickte misstrauisch drein.
"Ja genau, das war zumindest der Name, den die Wachen verstanden haben."
Aragorn eilte daraufhin hinaus, auf der Suche, nach dem geeigneten Wachmann für Sam. Eigentlich war er sich ziemlich sicher, dass Sam nichts über einen Lhunroth in der Bücherei finden würde, aber so war der Hobbit zumindest abgelenkt und hatte eine Beschäftigung. Sam musste nicht ständig an Frodo denken, oder sich über sich selbst ärgern, und das war das einzige, dass Aragorn im Moment beabsichtigte.
"Es tut mir leid, Aragorn."
"Was tut dir leid", fragte Aragorn freundlich und beobachtete Sam, der sich langsam aufrichtete.
"Gestern, ich wollte nicht... Ich wollte dir nicht...", Sam stotterte und wich Aragorns Blick aus, irgendwie war ihm das unangenehm, was gestern passiert war. Was Aragorn jetzt wohl dachte? So hatte sich Sam seine Ankunft in Minas Tirith nicht vorgestellt. Er hatte weder vorgehabt Aragorn gleich entkräftet in die Arme zu fallen, noch mit der Nachricht von Frodos Tod so herauszuplatzen und sich der Trauer wieder so hinzugeben.
Aragorn bemerkte wohl, dass Sam sich in seiner Gegenwart im Moment nicht wohl fühlte.
"Sam, dir braucht nichts leid tun, und du musst dich auch für nichts schämen, falls du das gerade tust."
Sam lächelte erleichtert.
"Ich mache mir Sorgen um dich, geht es dir wieder besser", fragte Aragorn und fasste Sam an die Stirn. Der Hobbit war immer noch heiß, aber es war nicht mehr so schlimm, wie am Abend zuvor.
"Ja, das ist seid langem mal wieder eine Nacht gewesen, wo ich geschlafen habe, ohne zu träumen. Ich fühle mich besser, danke."
Aragorn lächelte. "Dann habe ich schon mal eine Sorge weniger. Möchtest du irgend etwas haben? Hast du Hunger?"
Sam schüttelte den Kopf. "Nachher vielleicht."
Aragorn nickte und überlegte, ob er Sam endlich das fragen sollte, was ihn so quälte, doch musste er zugeben, dass er sich etwas vor der Antwort fürchtete. Nach einer längeren Pause, in der keiner etwas sagte, entschloss sich Aragorn schließlich dazu, Sam zu fragen. "Sam, als du gestern angekommen bist, da hast du etwas gesagt, dass ich..." Er machte eine Pause und sah den Hobbit tief in die Augen. "Ist das wahr? Oder war das vielleicht nur, wie ich hoffe, ein Fiebertraum?"
Sam senkte den Blick und spürte förmlich, wie Aragorn auf eine Antwort wartete, die Sam ihm leider nicht geben konnte. "Ich wünschte es wäre so, Aragorn. Aber es ist leider wahr. Frodo ist wirklich tot, ich kann es selber nicht glauben, obwohl es schon ein paar Wochen her ist."
Aragorn stand mit einem enttäuschten und traurigen Blick vom Bett auf, ging ans Fenster und sah hinaus. Sam beobachtete ihn und wusste, dass er versuchte sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Deshalb war er auch ans Fenster geeilt. So hatte er die Möglichkeit sich unauffällig über die Augen zu wischen.
"Was ist passiert", fragte Aragorn und Sam glaubte ein leichtes Zittern in seiner Stimme zu hören.
Sam starrte betrübt vor sich hin und vergrub den Kopf in seinen Händen. "Er ist von einem Baum gefallen."
Aragorn drehte sich abrupt um und sah ihn überrascht an. "Er ist von einem Baum gefallen", wiederholte er ungläubig.
Sam lächelte verbittert. "Ja, ist das nicht eine Ironie? Er wird zum Ringträger, die tödlichen Diener des dunklen Herrschers sind in Form schwarzer Reiter hinter ihm her gewesen, er ist mit mir nach Mordor gegangen, Sauron konnte ihn nicht töten und er hat es selbst geschafft der Macht des Ringes zu wiederstehen. Und dann fällt er vom Baum, und das in meinem Garten. Es ist so ungerecht! Er hat alle Hürden genommen, die ihm das Leben gestellt hat, und dann passiert so was.
Weißt du, es ist nicht so, dass ich sagen kann, wenn er im Kampf gestorben wäre, oder wenn er eine Krankheit gehabt hätte, hätte ich es leichter akzeptiert, oder dann würde ich es gerechter finden. Aber es ist so töricht, dass er wegen einer so belanglosen Sache, eines so unwichtigen Dinges, wie Äpfel ernten, den Tod findet. Und das nach allem, was er erlebt hat...
Ich komme damit nicht zurecht Aragorn, und ich fürchte, ich werde damit nie zurecht kommen. Genauso werde ich es mir nie verzeihen können, dass ich nicht besser aufgepasst habe. Nur ein paar einfache Handgriffe, und ich hätte es verhindern können."
Aragorn nickte. "Ich verstehe dich Sam. Es ist furchtbar was ein paar einfache Handgriffe, ein paar Worte oder Dinge, die wir für belanglos halten, auslösen können."
"Aber ist das nicht beunruhigend, Aragorn? Alles was wir tun, und ist die Tat noch so klein, trägt vielleicht zu unserem weiteren Schicksal bei. Vor Frodos Tod war mir das nie bewusst, aber jetzt habe ich erkannt, das alles was wir tun einen Sinn hat, und wenn es nur den Sinn hat unser Schicksal zu verändern. Wer weiß, ob wir nicht gerade, jetzt wo wir uns unterhalten, unser Schicksal in eine ganz andere Richtung lenken? In eine Richtung, die vielleicht ganz anders verlaufen würde, wenn wir uns jetzt nicht unterhalten würden. Verstehst du, was ich meine?"
"Ja ich verstehe dich, Sam. Aber so etwas solltest du nicht denken! Ich glaube, das Schicksal von jedem ist vorbestimmt. Da kann niemand etwas ändern."
"Dann willst also sagen, dass auch Frodos Tod so sein sollte, dass er vorbestimmt war?"
"Ich glaube, niemand, auch du nicht Sam, hätten ihn verhindern können. Selbst wenn du jetzt vielleicht das Gefühl hast, du hättest es doch tun können."
"Dann denkst du genau das, was alle anderen auch denken. Es war nicht zu ändern."
Aragorn nickte, doch er wusste auch, was Sam meinte und er konnte nicht mal abstreiten, dass er Sams Überlegungen gar nicht so abwegig fand.
"Glaubst du, du kannst mir genau erzählen, was passiert ist", fragte Aragorn nach einer Zeit. Er wusste bis jetzt eigentlich immer noch sehr wenig über Frodos Tod.
Sam nickte und begann alles, jede Kleinigkeit, zu erzählen. Fast wörtlich gab er das letzte Gespräch wieder, dass er mit Frodo geführt hatte, als er in Sams Armen unter dem Baum gestorben war.
Aragorn hörte ihm aufmerksam zu und schüttelte mehrere Male ungläubig den Kopf. Auch ihn berührte das, was Sam sagte sehr stark und er versuchte sich und die aufsteigende Traurigkeit unter Kontrolle zu halten. Sam erzählte auch, weswegen er gekommen war. Er wollte nicht, dass Aragorn aus einen Brief erfuhr, was geschehen war. Dabei ließ er jedoch den Grund mit Gandalf aus.
Als Sam geendigt hatte, legte Aragorn ihm die Hand auf die Schulter. "Sam, das muss alles schlimm für dich sein."
"Für Frodo ist es schlimm, er ist jetzt tot. Ich habe Familie, wohne in einer schönen Höhle... Frodo hätte das auch verdient. Vielleicht sogar mehr als das. Wie ich schon sagte, es ist ungerecht."
Aragorn fuhr sich unwirsch durch die Haare. "Du bist also gekommen, weil du es mir persönlich sagen wolltest. Ich danke dir, das finde ich wirklich besser. Möchtest du es auch allen anderen persönlich sagen?"
"Das hatte ich zumindest vor, aber ich weiß nicht, ob das möglich ist."
"Ist es. Gandalf hat mir gestern einen Brief geschickt, er kommt morgen hierher. Legolas und Gimli waren vor zwei Tagen hier, sie werden noch nicht sehr weit sein, ich könnte ihnen ein paar Männer hinterher schicken und sie zurückholen lassen. Dann wären sie auch in etwa drei oder vier Tagen wieder hier."
"Das sind ja glückliche Zufälle."
Sams Herz machte einen kleinen Freudensprung, als er von Gandalf hörte. Seine Hoffnungen ihn zu treffen, wurden nicht zerschlagen und das machte ihn ein bisschen glücklich.
"Dann werde ich nach Legolas und Gimli schicken. Ich werde mich beeilen, damit ihr Vorsprung nicht zu groß wird. Ich hatte eh überlegt sie wieder zurückzuholen, als ich von Gandalf den Brief bekommen habe, dass er zu Besuch kommt. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich jetzt aus einem so traurigen Anlass nach ihnen schicken muss", Aragorn sah verbittert aus und ging in Richtung Tür.
"Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mal mit so einer Nachricht zu dir komme."
Aragorn nickte. "Möchtest du vielleicht jetzt etwas essen oder willst du etwas anderes haben?"
"Ja, etwas zu essen könnte ich jetzt brauchen."
"Dann werde ich dir etwas bringen lassen."
Aragorn öffnete die Tür und wollte schon hinaustreten, als Sam ihn noch einmal aufhielt.
"Aragorn, ich bin mit einem Pony hier hergekommen..."
"Ich habe mich schon darum gekümmert, Sam. Es wurde bereits versorgt", beantwortete Aragorn Sams Frage, noch ehe er sie ihm gestellt hatte.
"Danke."
Aragorn nickte und verließ dann das Zimmer. Er lehnte sich gegen die Wand, atmete einmal tief durch und rieb sich in den Augen. Dann eilte er den Gang entlang. Als er auf dem Weg einen Dienstboten traf, ordnete er an, Sam etwas zu Essen in sein Zimmer zu bringen, woraufhin dieser sofort loseilte, um die Anordnung auszuführen. Einen Wachmann, dem er im Gang begegnete wurde befohlen, drei Männer zu holen, die Legolas und Gimli folgen sollten.
Innerhalb von einer halben Stunde waren drei Männer bereit, denen Aragorn erklärte, dass sie in Richtung Düsterwald reiten sollten um nach dem Elb und dem Zwerg zu suchen. Die Männer sollten ihnen lediglich ausrichten, dass die Beiden sofort umkehren sollten, weil Aragorn ihnen etwas sagen musste, mehr sollten sie noch nicht wissen. Es reichte, wenn sie es in Minas Tirith erfahren würden.
Die Männer ritten los und Aragorn setzte sich in sein Arbeitszimmer, mehr um allein zu sein, als etwas zu arbeiten. Er dachte an Frodo und an seine Erlebnisse mit ihm. Er verdrängte die Vorstellungen und Bilder, die in seinem Kopf entstanden waren, als Sam von Frodos letzten Minuten erzählt hatte. Aragorn verstand, warum Sam sich solche Vorwürfe machte, und auch er ahnte, dass Sam sie wohl niemals loswerden würde.
Aragorn seufzte und rieb sich wieder die Augen.
"Warum nur", murmelte er.
Legolas saß unter einem Baum und beobachtete, wie das Wasser ein kleines Bächlein hinunter floss. Die Luft war kühl an diesem Vormittag und er genoss es, den Lauten der Natur zu lauschen. Der Wind war stärker geworden und verursachte einen heulenden Ton. Legolas hatte seine Hände auf den weichen, grasbewachsenen Boden gelegt und spielte mit den Halmen und genoss einfach alles, was um ihn herum geschah.
Eigentlich hatte er schon längst nach Düsterwald weiter reiten wollen, aber Gimli schlief immer noch, und der Elb hatte keine Eile und so beschloss er, seinem Freund die Ruhe zu gönnen.
Legolas lächelte als er Gimli ein paar Meter entfernt liegen sah. Woher nahmen dieser Zwerg nur seine Ruhe? Am gestrigen Tag waren sie nicht viel voran gekommen, Gimli hatte schon am frühen Abend darüber geklagt, nicht mehr reiten zu können. Legoals hatte nach nur kurzer Zeit nachgegeben und sie hatten ein Lager aufgeschlagen. Nach dem Essen war Gimli sofort eingeschlafen und bis jetzt nicht wieder aufgewacht.
Der Elb hingegen hatte die halbe Nacht wach gelegen und den Himmel betrachtet und nur am frühen Morgen kurz geschlafen. Mehr Schlaf hatte er auch nicht unbedingt nötig, doch dieser Zwerg schlief die ganze Nacht und hatte sich so gar vor zwei Tagen bei Legolas beschwert, dass er keine Mittagspause halten konnte. Wenn es nach Gimli ginge, dann würden sie wohl ein halbes Jahr nach Düsterwald brauchen.
Legolas seufzte und lehnte sich mit dem Rücken an den Baum. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er sehen, dass Gimli sich schon ein paar mal hin und her gedreht hatte. Bald würde er aufwachen, dann konnte es endlich weiter gehen.
Legolas hatte recht, es dauerte nicht lange da richtete sich der Zwerg gähnend und streckend auf, blickte um sich und verdrehte gespielt die Augen, als er Legolas erblickte. Er rappelte sich hoch und kam langsam auf den Elb zu. Legolas beobachtete ihn und wartete schweigend, bis er vor ihm stand. "Schon erwacht?"
Gimli setzte ein gekünsteltes Lachen auf. "Sehr lustig, was kann ich dafür, wenn du hier mitten in der Nacht schon rumsitzt?"
"Mitten in der Nacht? Es ist bereits Vormittag, wir hätten schon seit Stunden auf dem Weg sein können."
"Warum die Eile? Jetzt brauche ich erst mal ein Frühstück."
"In der Tasche da sind Lembas", sagte Legolas und deutete auf eine Tasche, die neben ihm lag.
"Lembas", murmelte Gimli. "Ich hätte jetzt Hunger auf einen leckeren Braten und Malzbier."
Legolas verzog das Gesicht. "Mal abgesehen, davon dass es ein ziemlicher Aufwand wäre für dich Braten und Malzbier mitzunehmen, wie kannst du so was am Vormittag essen?"
"Wie kannst du immer Lembas essen", fragte Gimli und knabberte lustlos an dem Elbenbrot herum, das er sich aus der Tasche geholt hatte.
Legolas machte einen belustigten Gesichtsaudruck und nahm sich ebenfalls ein kleines Stück von den Lembas.
Nachdem der Elb das kleine Stückchen aufgegessen hatte, machte er sich daran die Taschen und das restlich Gepäck auf das Pferd zu laden, dass in der Nähe graste. Als Legolas fertig gepackt hatte, war auch Gimli endlich fertig mit essen. Er machte jedoch keine Anstalten aufzubrechen, sondern legte sich, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, auf das Gras.
"Was machst du da? Komm wir wollen weiter", rief Legolas, der schon dabei war aufs Pferd zu steigen.
"Was hetzt du so? Jetzt brauche ich erst mal ein Verdauungsschläfchen nach den Lembas."
Legolas schwang sich aufs Pferd und stellte sich samt dem Tier vor den Zwerg. "Wenn du jetzt nicht endlich kommst, nehme ich dir die Axt weg."
"So grausam bist du nicht", sagte Gimli mit aufgerissenen Augen und zweifelndem Blick.
"Warts ab und jetzt schwing dich endlich hier hoch, es wird Zeit."
Ängstlich und die Hand an seiner Axt erhob Gimli sich fluchend und kletterte hinter Legolas aufs Pferd. Der Elb schüttelte nur amüsiert den Kopf und als Gimli hinter ihm seinen Platz eingenommen hatte, gab er dem Pferd die Sporen und das Tier galoppierte los.
Legolas überhörte Gimlis Maulen und Nörgeln bis hin zum Nachmittag. Dann war selbst er genervt und hielt das Pferd an einem Waldrand an. Der Zwerg sprang schwerfällig von dem Reittier und streckte die Arme in die Luft.
"Ich kann schon nicht mehr, mir tut alles weh vom Reiten."
Auch Legolas stieg jetzt vom Pferd und zog die Augenbrauen hoch. "Ich bin genauso lange geritten, wie du, und mir tut noch nichts weh."
"Du bist ja auch ein Elb."
Legolas sagte nichts, er beobachtete nur, wie der Zwerg hin und her lief, um sich die Beine zu vertreten.
Sie verbrachten eine ganze Zeit am Waldrand, während Legolas sich die Gegend betrachtete, döste Gimli vor sich hin.
Plötzlich wurde der Zwerg von Legolas an der Schulter geschüttelt. "Steh sofort auf", sagte er in einem strengen Ton und blickte starr in eine Richtung.
"Willst du schon wieder los?"
"Nein, da hinten ist irgendwer, lass und vorsichtshalber in den Wald gehen."
Gimli versuchte etwas zu erkennen, auch er konnte in der Ferne ein paar Gestalten ausmachen, die schnell näher zu kommen schienen.
"Bei meinem Barte, wer ist das", fragte Gimli.
"Drei Männer, mehr kann ich noch nicht sehen."
Gimli und Legolas liefen zusammen mit dem Pferd in den Wald und duckten sich hinter einem umgestürzten und mit Moos bewachsenem Baum. Vorsichtig lugten sie dahinter hervor. Die Männer kamen in der Tat immer näher an sie heran. Legolas zog seinen Bogen und Gimli seine Axt.
"Springen, oder nicht", fragte Gimli und sah Legolas erwartungsvoll an.
"Springen. Es sind nur drei, die schaffen wir notfalls", antwortete der Elb.
Sie warteten, bis die Männer bis auf zehn Meter herangekommen waren und sprangen dann plötzlich hinter dem Baum hervor. Sie gingen ein paar Schritte vorwärts und blieben dann mit gezogenen Waffen stehen.
"Wer seid ihr und was wollt ihr? Sprecht rasch, sonst kann ich meine Hand mit der Axt nicht mehr zurückhalten", forderte Gimli sie auf.
"Es gibt keinen Grund die Waffen zu erheben. Wir wurden vom König geschickt und sind euch von Minas Tirith aus gefolgt", entgegneten einer der Männer und alle legten ihre Hände so, dass Gimli und Legolas sie sehen konnten und sich sicher waren, dass sie nicht plötzlich angegriffen wurden.
"Und wieso wurdet ihr vom König geschickt", fragte Legolas und hielt seinen Bogen immer noch gespannt.
"Ihr sollt wieder zurückkommen, der König möchte euch etwas sagen."
Legolas und Gimli sahen sich fragend an. Waren diese Männer jetzt ehrlich oder war das ein Trick sie zu überrumpeln?
"Wieso sollte der König uns zurückholen, wir waren doch gerade erst bei ihm", fragte Gimli und sah die Männer auffordernd an.
"Wir haben nur den Befehl euch zurückzuholen, mehr wissen wir nicht. Wir können euch nur noch sagen, dass vor ein paar Tagen, als ihr aufgebrochen seit, am Abend ein Hobbit nach Minas Tirith gekommen ist. Wir wurden dann am nächsten Tag hinter euch her geschickt."
Gimli musterte sie kritisch und wandte sich dann an Legolas: "Ich traue ihnen nicht!"
"Wir verstehen, dass euch das merkwürdig vor kommt, und wie ihr euch jetzt entscheidet ist eure Sache. Wenn ihr nicht mit uns reiten wollt, dann können wir auch voraus reiten, so könnt ihr uns beobachten", sagte einer der Männer in einem ruhigen Ton und Legolas begann den Bogen zu senken.
"Ich denke, dass ist nicht nötig, wir werden mit euch reiten". Legolas sah zu Gimli und der Zwerg setzte einen mürrischen blick auf und schüttelte energisch den Kopf.
Die Männer waren schon dabei ihre Pferde in die andere Richtung zu lenken und Legolas holte sein Pferd aus dem Wald, als Gimli ihm nachlief und ihn an seiner Tunika festhielt.
"Wieso bist du so leichtgläubig? Wer sind die denn überhaupt? Vielleicht wollen die uns bei der nächsten Möglichkeit erwürgen. Und du gehst einfach mit denen mit, du bist leichtsinnig."
"Ich vertraue meinen elbischen Instinkten, ich glaube es liegt Wahrheit in ihren Worten."
"Und ich vertraue meinen zwergischen Instinkten und sage dir sie lügen."
Legolas runzelte die Stirn und ging einfach mit dem Pferd an den Zügeln weiter.
"Sei nicht so stur und bleib stehen, es liegt an mir Stur zu sein, ich bin hier der Zwerg!" Gimli lief hinter dem Elb her und stellte sich vor ihn, so dass Legolas stehen bleiben musste.
"Gimli, ich bin vorsichtig und weiß was ich tue. Hast du ihre Waffen gesehen? Sie haben nur Schwerter und keinen Bogen. Wir halten uns mit dem Pferd etwas abseits, so können sie uns nicht so schnell angreifen, wenn sie es denn tun wollen. Eh sie mit den Schwertern auf uns losgehen können, haben wir genügend Zeit, um uns in Sicherheit zu bringen."
"Na schön, aber wenn etwas passiert- ich habe dich gewarnt!"
Legolas nickte und zog seine Mundwinkel belustigt nach oben. "Ja, ich weiß. Worüber machst du dir eigentlich Sorgen? Du sitzt doch hinter mir auf dem Pferd, dir kann doch am allerwenigsten passieren."
Gimli brummte irgendwas vor sich hin und stieg dann hinter Legolas aufs Pferd.
Die Männer warteten geduldig, bis die Beiden bei ihnen waren und trieben dann ihre Pferde zu einem schnellen Schritt an.
Legolas hielt das Pferd immer etwas weiter weg von den Männern, für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes geschah. Doch es geschah nichts. Gimli äußerte häufig leise Zweifel, ob die Männer nun ehrlich waren, doch sie sollten unbegründet sein. Legolas schlief in den Nächten immer nur halb und nahm jede Bewegung der Männer wahr, doch sie taten nichts, was ihn hätte beunruhigen müssen.
So kam es, dass sie nach nur wenigen Tagen wieder in Minas Tirith angelangt waren. Gimli machte ein leicht beschämtes Gesicht, weil er mit seinen Zweifeln unrecht gehabt hatte und Legolas fragte sich die ganze Zeit, warum Aragorn sie hatte zurückholen lassen. Doch er und auch Gimli sollten es bald erfahren, denn Aragorn wartete schon recht ungeduldig auf die Beiden.
Legolas stand mit gesenktem Haupt in Aragorns Arbeitszimmer. Neben ihm stand Gimli und schüttelte ungläubig den Kopf und Gandalf, der bereits am gestrigen Tag eingetroffen war, stand in einer Ecke des Raumes und stampfte gelegentlich mit seinem Stab auf den Boden.
"Er wollte es euch eigentlich selber sagen, aber seit gestern spricht er mit niemandem mehr", sagte Aragorn und blickte seine Freunde an.
"Ja, und das ist meine Schuld, vielleicht hätte ich ihm die Wahrheit nicht so schnell unterbreiten dürfen", murmelte Gandalf betrübt und senkte den Kopf.
"Oft ist die Wahrheit schmerzlich, aber es wäre auch nicht gut, wenn du ihm eine falsche Hoffnung gemacht hättest", antwortete Aragorn an Gandalf gerichtet und wollte sich nur schwerlich eingestehen, dass Gandalf auch ihm seine Hoffnung genommen hatte.
Nachdem Gandalf gestern in Minas Tirith angekommen war, hatte Sam ihn sofort aufgesucht, um ihm von Frodo zu erzählen und eine Hilfe von ihm zu bekommen. Es war für ihn ein schreckliches Gefühl gewesen, als er sich dem Zauberer genährt hatte. Von weitem hatte er Gandalf in der Halle stehen sehen und merkte schon, wie ihm die Knie weich wurden. All seine letzte Hoffnung lag nun bei ihm und er hatte so eine Angst gehabt, dass Gandalf ihm auf seine Frage die Antwort geben würde, die er so sehr fürchtete.
Und er hatte ihm, diese von ihm gefürchtete Antwort, gegeben. "So etwas liegt nicht in meiner Macht", hatte Gandalf gesagt. "Frodos Tod kann auch ich nicht ändern."
Sam hatte daraufhin das Gefühl gehabt, als würde ihm jemand mit der Faust in den Magen schlagen. Mit einem Mal breitete sich ein Gefühl der Leere in ihm aus, und er drohte, ihn in ein tiefes Loch zu stürzen. Nun war alles vorbei. Nichts mehr konnte er tun, er hatte Frodo endgültig verloren und niemand konnte es mehr ändern.
Gandalf konnte gar nichts machen, er wirkte nach Sams Nachricht selbst niedergeschlagen und unglücklich und schien es selbst zu verfluchen, dass er nicht die Macht besaß, etwas zu ändern.
Sam war so verzweifelt, dass er seine neue Enttäuschung nicht mal beweinen konnte. Erst jetzt war Frodos Tod für ihn gänzlich unabänderlich.
Sam hatte daraufhin die Halle verlassen und war in sein Zimmer geeilt. Aragorn war am Abend noch zu ihm gegangen, doch der Hobbit hatte nicht mit ihm gesprochen. Er hatte nur da gesessen, die Hände schlaff auf seinem Schoß liegend, und an die Wand gestarrt. Sam hatte Aragorns Anwesenheit wohl wahrgenommen, aber es gab nichts mehr, dass er ihm zu sagen hatte. Er hatte überhaupt niemandem mehr etwas zu sagen und ihm war es auch gleich, ob er Legolas und Gimli persönlich etwas von Frodos Tod erzählen würde oder nicht. Ihm war es gleich, ihm war alles gleich.
"Er ist seit gestern in seinem Zimmer und nicht mehr hinausgekommen", bemerkte Aragorn an Legolas und Gimli gerichtet.
"Wundert dich das Aragorn", fragte Gandalf, als niemand eine Antwort gab.
Aragorn schüttelte leicht den Kopf.
Aragorn, Gandalf, Legolas und Gimli redeten noch eine ganze Zeit über Frodo und Aragorn überlegte, ob er nicht eine kleine Trauerfeier zu Ehren von Frodo organisieren sollte. Bei allem, was der Hobbit in seinem Leben getan hatte, gebührte ihm solch eine Feierlichkeit eigentlich nur zu sehr.
Am frühen Nachmittag, ging plötzlich die Tür auf und ein Wachmann kam herein und unterbrach die Gefährten in ihren Unterhaltungen.
"Verzeiht, mein König, aber ich muss euch etwas melden", sagte ein junger Mann, der etwas unsicher und ängstlich wirkte.
Aragorn sah überrascht auf und blickte dann aufmerksam in die Richtung des Wachmanns. "Sprecht, was gibt es?"
"Mein König, wir haben vier Männer verhaftet, die nach Minas Tirith kamen und sich auffällig verhalten haben."
"In wie weit auffällig", fragte Aragorn.
"Sie sind bis hier oben zum weißen Turm gegangen und spähten durch einige Fenster."
"Weiß man was sie wollten?"
"Nein, aber das ist nicht alles, was ich euch sagen wollte. Eigentlich waren es fünf Männer."
Aragorn sah den Wachmann aufmerksam an. "Wieso eigentlich?"
"Wir mussten einen der Männer töten. Einen seltsamen Mann mit einer Maske."
Aragorn sah etwas verblüfft aus. "Wieso, was ist geschehen?"
"Zuerst wollten wir die Männer gar nicht verhaften. Wir fragten sie lediglich, wieso sie durch die Fenster spähten. Der Mann mit der Maske zog daraufhin sofort sein Schwert und schrie etwas."
"Was hat er denn gesagt?"
"Er schrie für uns unverständliche Dinge."
"Konntet ihr gar nichts heraushören?"
"Das sind nur Vermutungen. Anscheinend schienen die Männer irgendwen verfolgt zu haben, mehr konnten wir aber nicht verstehen."
"Wieso habt ihr ihn getötet", fragte Aragorn und runzelte die Stirn.
"Er schrie etwas davon, dass er so lange auf diese Gelegenheit gewartet hätte und er würde sich diese Gelegenheit jetzt von niemandem mehr nehmen lassen. Dann ging er mit dem Schwert auf uns los. Wir haben uns nur gewehrt, aber mit dem schnellen Abgriff haben wir nicht gerechnet. Ein unachtsamer Stoß mit dem Schwert hat ihn an der falschen Stelle getroffen. Das letzte, was er sagte, war sein Name."
"Und wie war sein Name?"
"Wenn ich es richtig verstanden habe, nannte er sich Lhunroth."
Aragorn überlegte angestrengt, doch der Name war ihm völlig unbekannt.
"Nachdem wir den Mann getötet hatten, verhafteten wir die anderen aus Sicherheit", fuhr der Wachmann fort.
"Ich danke euch für die Meldung, ich werde selbst mit den Männern sprechen", bemerkte Aragorn.
"Sollen wir sie so lange einsperren?"
Aragorn seufzte. "Es wird wohl nichts anderes übrigbleiben. Aber sorgt dafür, dass man sie gut behandelt, so lange wir nicht wissen, ob sie etwas verbrochen haben, soll es ihnen nicht schlecht gehen."
Der Wachmann nickte und verließ dann den Raum.
"Kanntest du den Mann, Aragorn", fragte Gandalf nach einer kleinen Pause.
"Nein, ich glaube nicht."
"Hast du eine Vermutung, was sie wollten", wollte Legolas wissen.
"Auch das nicht mein Freund, aber mich würde mal interessieren, wen sie da verfolgt haben, wenn das stimmt, was die Wachmänner gehört haben. Und auf welche Gelegenheit sie gewartet haben."
Aragorn grübelte noch eine ganze Weile über den Bericht des Wachmannes. Wieso spähten fünf Männer durch Fenster seiner Behausung? Wieso hatte sich der eine Mann gleich so heftig zur Wehr gesetzt? Wen hatten die Männer verfolgt und warum hatte der eine Mann überhaupt eine Maske getragen?
Alles Fragen, auf die Aragorn eine Antwort haben wollte, aber nicht genau wusste, ob er jemals eine erhalten würde.
Aragorn beschloss einmal nach Sam zu sehen. Es war nun bereits Nachmittag und der Hobbit war immer noch nicht aus dem Zimmer gekommen.
Als er die Tür leise öffnete, saß Sam immer noch genauso da, wie zuvor, als Aragorn ihn gesehen hatte. Sam machte ihm ernstliche Sorgen, so apathisch war der Hobbit noch nie gewesen. Aragorn setzte sich neben Sam auf sein Bett.
"Sam, möchtest du vielleicht etwas trinken", begann er vorsichtig ein Gespräch. Der Hobbit sagte nichts, sondern starrte lediglich immer noch an die Wand.
Aragorn stand daraufhin wieder unwirsch auf. "Bitte Sam, ich habe schon genug Probleme, sei so gut und sag endlich was!"
Müde hob Sam etwas den Kopf und sah ihn mit matten Augen an. "Was gibt es jetzt noch zu sagen?"
Aragorn sah ihn verständnislos an. "So darfst du nicht reden."
"Wieso nicht? Ich wüsste nicht, was ich die jetzt noch zu sagen hätte. Verzeih mir, ich bin dir für alles, was du getan hast dankbar, aber es gibt nichts mehr, das mich jetzt noch erfreuen könnte. Ich hätte mir die Hoffnung nicht machen sollen, ich bin der größte Narr, den es gibt!"
"Was meinst du?"
"Als ich aus dem Auenland fortgegangen bin, da war mein einziger Gedanke Gandalf. Auf dem Weg hierher war ich krank, und nur der Gedanke an Gandalf hat mich weiter voran getrieben. Ich habe so gehofft, dass er mir irgendwie helfen kann. Wenn ich den Gedanken an Gandalf nicht gehabt hätte, dann wäre ich nicht hier angekommen, Aragorn. Und jetzt sitze ich hier und ärgere mich über mich selber! So töricht wie ich kann man gar nicht sein. Auf den Zauberer so zu hoffen war wieder ein Fehler, ich mache alles falsch."
"Jeder andere hätte das an deiner Stelle auch getan, du bist kein Narr."
Sam lächelte schwach.
"Es ist gleich, ob ich ein Narr bin oder nicht. Nichts wird das ändern, was geschehen ist."
"Das ist wahr. Manchmal würde ich erst mal gerne wissen, was überhaupt geschehen ist", sagte Aragorn ratlos.
"Was meinst du?"
Aragorn erzählte von den fünf Männern, von dem Tod des Mannes, der sich Lhunroth nannte und, dass die Männer anscheinend jemanden verfolgt hätten.
"Merkwürdig", murmelte Sam.
"Ja ist es. Irgendwie bilde ich mir ein den Namen Lhunroth schon einmal gehört zu haben."
Sam sagte nichts, sondern starrte nur mürrisch vor sich hin.
Aragorn sah ihn besorgt an und hatte plötzlich einen Einfall. "Sag mal Sam, könntest du mir vielleicht helfen?"
Der Hobbit blickte ihn etwas lustlos an. "Um was geht es denn?"
"Vielleicht findet sich ja in der Bücherei etwas über diesen Lhunroth. Da sind von vielen Leuten Aufzeichnungen, vielleicht erscheint da auch irgendwo sein Name. Könntest du da für mich hingehen und nachschauen?"
Sam nickte, er hatte sowieso nichts anderes zu tun. "Ja, kann ich machen."
"Ich danke dir, damit hilfst du mir sehr. Ich werde dir einen Wachmann mitschicken, der dich dort hin begleitet. Nicht jeder kommt in die Bücherei von Minas Tirith, aber wenn du eine Wache von mir dabei hast, werden sie dir gewiss Einlass gewähren."
Sam nickte erneut. Aragorn erhob sich erfreut und eilte auch schon zur Tür hin, um hinauszugehen und den Wachmann zu holen.
"Er heißt also Lhunroth, ja" fragte Sam und blickte misstrauisch drein.
"Ja genau, das war zumindest der Name, den die Wachen verstanden haben."
Aragorn eilte daraufhin hinaus, auf der Suche, nach dem geeigneten Wachmann für Sam. Eigentlich war er sich ziemlich sicher, dass Sam nichts über einen Lhunroth in der Bücherei finden würde, aber so war der Hobbit zumindest abgelenkt und hatte eine Beschäftigung. Sam musste nicht ständig an Frodo denken, oder sich über sich selbst ärgern, und das war das einzige, dass Aragorn im Moment beabsichtigte.
