Obwohl ja leider sehr wenig Reviews bei mir eintrudeln (woran liegt das????), gibt's jetzt ordentlich was zu lesen! Und alle Legolas Fans dürfen langsam in Sorge verfallen! ;-) Denjenigen, die so nett waren mir mal ein bisschen Feedback zu geben, ob per Mail oder als Review, danke ich ganz lieb!! Also denn viel Spaß!

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Sam brütete seit Stunden über einem Stapel Bücher. Seine Augen brannten schon wie Feuer, doch er wollte nicht aufhören zu lesen. Er hatte längst aufgegeben, etwas über einen Lhunroth zu finden, vielmehr las er, weil es einfach unheimlich interessant war. Aufzeichnungen von irgendwelchen Menschen, die ihre Erlebnisse schilderten, die in längst vergangener Zeit geschehen waren. Von manchen Schriften oder Büchern wusste man nicht mal, von wem sie stammten, sie waren irgendwie nach Minas Tirith in die Bücherei gekommen und keiner wusste von wem sie eigentlich geschrieben waren.

Die Bücherei war riesig und wahre Bücherberge türmten sich vor Sam auf. Auf der Erde standen Kisten und Truhen, die voll waren mit Schriften und kleineren Zetteln. Der Geruch von altem Papier lag in der Luft und in dem Licht der Kerze, die Sam auf dem Tisch hatte, tanzte der Staub.

Es musste bereits tiefe Nacht sein, doch Sam wollte nicht schlafen gehen, er konnte sowieso nicht schlafen, denn er fürchtete sich vor den Träumen mehr denn je. Außerdem fesselte ihn das Buch, das er gerade las dermaßen, dass er überhaupt nicht daran dachte aufzuhören. Es war von einem Mann, der schon vor vielen Jahren gestorben sein musste, und er schilderte einen Überfall von Orks auf seine Familie. Sam fand das zu tiefst bewegend, was er da schrieb und war sehr enttäuscht, als das Buch zu Ende war.

Der Morgen graute bereits, als Sam erneut auf der Suche nach etwas zu lesen war. Er ging zwischen den vielen Regalen auf und ab und betrachtete die Bücher. Er entschloss sich meist willkürlich für ein Buch anhand der Farbe oder des Alters. Alte Bücher faszinierten Sam, und fesselten ihn. Schon allein die Vorstellung, vor wie vielen Jahren und von wem sie geschrieben waren weckten in dem Hobbit die Neugier.

Plötzlich blieb Sam vor einem sehr alten Buch stehen, das ziemlich hoch im Regal stand. Dieses wollte er lesen, doch es war zu weit oben, als dass er einfach so rangekommen wäre. Sam schob sich eine Truhe unter das Regal und kletterte hinauf, doch er war immer noch zu klein um an das Buch ranzukommen. Er kletterte weiter auf ein Fach im Regal und streckte sich so sehr er konnte, bis er das Buch mit den Fingerspitzen berührte. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und verfluchte leise seine Größe. Mit viel Mühe kam er schließlich weiter an das Buch heran, doch als er es greifen wollte, entglitte es seinem Griff und fiel zu Boden. Sam stieg von der Kiste herunter und schob sie an ihren Platz zurück, dabei entstand ein kratzendes Geräusch, dass Sam eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

Vorsichtig hob er das Buch auf und während er es hoch nahm, fiel ein zusammengefaltetes Stück Papier hinaus. Sam sah verwundert, auf das am Boden liegende Papier und hob es auf. Es war sehr alt und eingerissen, befleckt und hatte hier und da einige Risse oder war ausgefranst. Sam nahm es und setzte sich wieder zurück an den Tisch. Als erstes schlug er das Buch auf und sein Herz hüpfte vor Aufregung etwas höher, als er sah, worüber das Buch handelte. Der Inhalt schilderte Legenden, die angeblich der Wahrheit entsprachen. Obwohl er nah daran war das Buch schon zu lesen, legte er es noch einmal bei Seite und faltete vorsichtig das alte Stück Papier auf. Er legte es vorsichtig vor sich auf den Tisch und betrachtete sich, die feine, schwarze Schrift, die in schwungvollen Lettern auf dem Papier verewigt worden waren. Als er begann das Geschriebene zu lesen, schlug das Herz ihm bis zum Hals und er vergaß fast Luft zu holen. Es handelte sich um eine weitere, angeblich wahre Legende, doch deren Inhalt ließ Sam fast das Herz vor Aufregung stehen bleiben. Mehrere Male las er sich das durch, was da stand und seine Hände wurden feucht. Er konnte es nicht glauben, die Worte auf dem Papier waren mehr als nur fesselnd. Sie raubten ihm jeden Gedanken und alles in ihm konzentrierte sich nur auf das, was da geschrieben stand:

Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit,

das sind die drei Speichen vom Rad der Zeit.

Nie bleibt es stehen, nie dreht es zurück,

ob Tod oder Leben, ob Pech oder Glück.

Nur eine vermag an dem Rad zu drehn,

doch ward sie bisher nicht von vielen gesehn.

Im südlichen Gondor oder Harondor,

liegt gut versteckt in der Wildnis ein Tor,

durch das man gelangt in die Halle aus Stein,

in der Mitte ein See, so unglaublich rein.

Dort drinnen ein riesiges Rad erscheint,

durch zahllose Räder zu einem vereint,

Davor ein Thron, der von Elfenbein

steht auf einer Treppe aus weißem Stein.

Dort wohnt Nevturiel in Einsamkeit,

die Herrscherin über die Speichen der Zeit.

Sam schluckte und ihm war heiß vor Aufregung. Gab es vielleicht doch noch Hoffnung? Wenn diese Legende nun wahr war...

Wenn es tatsächlich jemanden gab der im Stande war, an dem Rad der Zeit zu drehen...

Sam blickte auf das Schriftstück und las sich den Namen noch einmal durch. Nevturiel. Vielleicht könnte sie das rückgängig machen, wo Sam sich so sehr wünschte, dass es nie geschähen wäre. Wenn sich dieser Tag, an dem Frodo starb noch einmal wiederholen würde... Wenn Sam dieses Mal die Möglichkeit hätte, die Fehler, die er gemacht hatte zu korrigieren? Vielleicht würden Frodo und auch er selbst noch mal eine zweite Chance bekommen...

Je mehr Sam darüber nachdachte, um so stärker fasste er einen Entschluss. Er wollte ins südliche Gondor gehen. Er wollte sie suchen, er wollte die Herrin der Zeit finden. Doch was hieß im südlichen Gondor? Das Gebiet war so groß, Sam würde Monate brauchen, bis er es abgesucht hätte und selbst dann hätte er noch nicht jeden Winkel gesehen. Sam runzelte die Stirn und überlegte. Er drehte das Papier und fand auf der Rückseite einen kleine Ausschnitt einer Karte. Sie war verschwommen und an einigen Stellen unkenntlich, und so stand Sam auf und lief über die knarrenden Dielen an den Regalen vorbei, auf der Suche nach einer Karte. Er stellte fest, dass es so dunkel war, dass er die Schriftzüge auf den Büchern nicht mehr lesen konnte, denn die Fackeln an den Wänden erhellten den Raum nur spärlich. So ging er zum Tisch zurück, holte die Kerze und begann dann wieder in den Reihen auf und ab zu laufen. Schließlich fand er was er suchte: Ein großes, schweres Buch mit Karten von Mittelerde. Er ging zurück zum Tisch, öffnete es und suchte eine Karte, wo der südliche Teil Gondors abgebildet war.

Er verglich den kleinen, verschwommen Kartenausschnitt mit der Karte aus dem Buch und konnte mit viel Mühe erkennen, dass die verschwommene Karte tatsächlich Harondor zeigte. An einer Stelle war ein kleiner, kaum sichtbarer Pfeil abgebildet und Sam suchte diese Stelle auf der Karte aus dem Buch. Der Pfeil zeigte eine Stelle, die auf der Harad Straße lag, ein kleines Stück unter dem Fluss Poros, unterhalb von Süd- Itilien.

Der Hobbit nahm ein Stück Papier, das auf dem Tisch lag und eine Feder und zeichnete sich die Karte, samt markierter Stelle schematisch ab. Die Stelle war ungenau, dessen war sich Sam bewusst und er würde wohl eine Weile brauchen um etwas in der Gegend zu finden, aber sie war besser als gar nichts und er war froh, sie auf der Rückseite des Schriftstückes gefunden zu haben.

Sam faltete das Stück Papier zusammen und legte es in das Buch zurück, er wollte nichts unerlaubt aus der Bücherei entwenden und fragen wollte er schon gar nicht. Sie würden ihn alle ohnehin für verstört halten, wenn er ihnen sagen würde, dass er vorhatte nach jemandem zu suchen, der die Zeit zurückdrehen konnte. Sie würden ihn nicht gehen lassen und würden versuchen, ihm sein Vorhaben auszureden. Er stellte die beiden Bücher zurück an ihre Plätze und steckte sich seine selbstgezeichnete Karte in seine Westentasche. Der Hobbit löschte die Kerze auf dem Tisch und lief dann eilig durch die Regale zum Ausgang der Bücherei.

Die Stille war fast unheimlich, als er nach draußen trat. Es war dunkel, nur der Mond erhellte die Straßen und Häuserdächer mit einem schummerigen, gelblichen Licht. Fast war es totenstill, nur der Wind rauschte durch die Straßen und Gassen und schien in der Nähe eine Tür auf und zu zu schlagen, denn ein abwechselnder Ton von einem Quietschen und einem Klappen zerschnitt die Ruhe. Sam huschte leise durch ein par Straßen und kam schließlich zu dem Stall, der ein Stück weiter unter dem weißen Turm stand. Er schlich sich hinein und sprach einige ruhige Worte, um die Pferde zu beruhigen, die durch die späte Störung aufgeschreckt waren. Etwas weiter hinten stand Flocke und ließ ein erfreutes Wiehern vernehmen, als sie Sam sah. Der Hobbit ging zu dem Pony und legte ihm sein Zaumzeug über und sattelte es. Er führte es aus dem Stall und blickte ratlos zum weißen Turm.

Er hatte nichts bei sich, all sein Gepäck war auf dem Zimmer. Kein Essen, kein Trinken und keine Decke. Doch wenn er jetzt hineinging, würden ihn die Wachen vermutlich aufhalten, und wenn sie das nicht taten, würden sie es vermutlich spätestens dann tun, wenn er wieder hinausging. Was sollte er tun? Er konnte sich doch nicht ohne irgendwelche Verpflegung auf den Weg machen...

Er musste noch mal in sein Zimmer, bevor er ging, darum kam er nicht herum. Er band Flocke vor dem Stall an und ging in Richtung Königssitz. Mit einem etwas unsicheren Blick ging er die Treppe hinauf zu den Wachen. Er überlegte, ob er etwas sagen sollte, doch entschloss sich dann einfach zu gehen, wenn sie etwas wissen wollten, würden sie ihn schon fragen. Das Glück schien auf Sams Seite zu sein, denn einer der Wachen hatte auch schon bei Sams Ankunft Wache gehalten und so sagten sie nichts, sondern ließen sie ihn mit einem Nicken hinein. Sam atmete erleichtert auf, und schlich den Gang entlang bis in sein Zimmer. Leise öffnete er die Tür und trat ein. Er überlegte, was er alles brauchte und machte sich Gedanken, wie er dann unauffälligsten an den Wachen wieder vorbei kam. Eine Tasche mit etwas Proviant würde vorerst genügen. Er schnappte sich einen Rucksack und packte den Rest getrocknete Früchte und ein bisschen Hafer für Flocke hinein. Außerdem fand er auch noch ein guterhaltenes Stück Brot und sah neben seinem Bett einen Teller mit Essen. Aragorns Bedienstete mussten Sam Abendbrot gebracht haben und da er nicht da war, hatten sie es einfach stehen gelassen. Sam nahm sich auch davon einen Teil, steckte sich Stich in seinen Gürtel und packte einen zweiten Umhang ein.

Der Rucksack war voll, stellte er fest und er hatte noch keine Decke. Mit Rucksack unauffällig an den Wachen vorbei und noch dazu eine Decke unter dem Arm? Das würde nicht klappen. Der Hobbit sah sich um und überlegte. Aus dem Fenster konnte er auch nicht klettern, wie würde das aussehen, wenn man ihn erwischte, und außerdem war es viel zu hoch. Plötzlich kam ihm ein Einfall. Er schnallte sich den Rucksack auf den Rücken und legte sich die Decke um seine Schultern, so viel der Rucksack kaum auf. Er lächelte, so würde das vielleicht gehen. Der Hobbit ging wieder aus dem Zimmer und zurück zum zur Tür, durch die er hinein gelangt war.

Ohne ein Wort zu sagen öffnete er die Tür und ging an den Wachen vorbei. Diesmal jedoch ließen sie ihn nicht so einfach gehen.

"Darf man fragen, wohin ihr zu solch später Stunde noch wollt", fragte der Wachmann mit einem fragenden Blick.

Sam drehte sich um und schluckte. "Ich ähm, ich wollte... Ich habe in der Bücherei etwas vergessen, dass ich unbedingt morgen früh noch brauche. Ich gehe es nur schnell holen."

Der Wachmann ließ ihn mit zweifelnden Blicken weitergehen und Sam atmete erleichtert auf. "Nur gut, dass er nicht gefragt hat, was ich vergessen habe", dachte Sam. "Darauf hätte ich ihm nämlich keine Antwort geben können."

Kaum war der Hobbit außer Sichtweite der Wachen nahm er die Decke von seinen Schultern, die Nacht war nämlich ziemlich mild und ihm war bereits zu heiß. Flocke wartete geduldig vor dem Stall und stupste Sam an der Schulter, als Zeichen, dass sie losgebunden werden wollte. Sam löste die Zügel von der Stange, an der Flocke angebunden war und blieb vor dem Pony stehen. Er streichelte es am Hals und Flocke legte seine Schnauze auf seine Schulter. "Möchtest du mir helfen", fragte er und eine Gänsehaut lief ihm über en Rücken, denn das Pony schnupperte mit seinen weichen Nüstern an seinem Ohr. "Gehst du mit mir, vielleicht können wir meinem Freund doch noch helfen. Wenn ich die finde, die die Zeit zurückdrehen kann..."

Flockes darauffolgendes Schnauben fasste Sam als Bestätigung auf und schwang sich mit einem Lächeln auf ihren Rücken.

Voller Freude, Hoffnung und Tatendrang machte Sam sich auf den Weg, hinaus aus Minas Tirith in Richtung Süden. Er wurde von niemandem gesehen, denn die Stadt lag noch in tiefem Schlaf, als der Hobbit auf dem Pony in der Dunkelheit verschwand.

Sam war so aufgeregt und wurde von einem Glücksgefühl durchströmt, dass er glaubte er könne es gar nicht ertragen. Er genoss das erlösende Gefühl dieser großen Hoffnung und das Herz war ihm unglaublich leicht. Er glaubte nicht im Geringsten daran, dass es sich vielleicht nur um eine Legende halten könnte, die keinen wahren Ursprung besaß. Er dachte auch nicht daran, dass es vielleicht sein könnte, dass er diese besagte Halle aus Stein gar nicht fand, weil sie zu verborgen lag. Oder, dass die Herrin der Zeit vielleicht überhaupt nicht daran interessiert war die Zeit für ihn zurückzudrehen.

Diese ganzen Zweifel verwarf Sam einfach und vertraute auf sein Gefühl. Er würde es schon schaffen, irgendwie würde es ihm gelingen.

Als der Morgen schon graute und die ersten Strahlen der Sonne sich einen Weg auf die Erde suchten, waren Sam und Flocke bereits ein gutes Stück hinter Minas Tirith. Es ging schnell voran, schneller, als bei der Anreise und Sam war darüber mehr als froh. So würde er schneller die finden, die er suchte. Der Hobbit überlegte, ob er nicht doch etwas hätte sagen sollen, oder zumindest irgendeine Nachricht hinterlassen sollen, doch jetzt spielte das keine Rolle mehr. Er war weg und würde nicht mehr zurückgehen.

Sam spürte, wie das Glück tatsächlich auf seiner Seite war. Das Wetter hielt sich einigermaßen, es gab kaum Regen und es war nicht unangenehm kalt. Die Nächte waren für Sam so erholsam, wie schon lange nicht mehr. Keine Alpträume ließen ihn erschreckt hochfahren und vor Angst zittern. Wenn er überhaupt träumte, dann sah er Frodo und sich glücklich im Auenland leben und oft wachte er mit einem Lächeln auf den Lippen auf und konnte vor Glück nicht mehr einschlafen.

Aragorn wurde mit einem sorgenvollen Blick von Legolas, Gimli und Gandalf betrachtet.

"Was ist jetzt schon wieder", fragte Gimli und stapfte unruhig von einem Fuß auf den anderen.

Aragorn sah einigermaßen besorgt aus und kratzte sich am Kopf. "Sam ist weg, er ist spät in der Nacht aus der Bücherei gekommen und noch einmal in sein Zimmer gegangen, dann ist er verschwunden. Die Wachen meinten, er wollte noch etwas aus der Bücherei holen, was er dort vergessen hatte und ist aber nicht zurückgekehrt. Ich mache mir Sorgen, vielleicht ist ihm etwas passiert.

Und dann sind da noch die Männer, die gestern verhaftet wurden, sie haben eine Schlägerei mit den Gefängnisaufsehern angefangen und einen von ihnen verletzt. Jetzt muss ich sie wohl oder über einsperren, ich kann sie nach dieser Tat nicht einfach laufen lassen."

Gandalf nickte langsam und atmete geräuschvoll aus. "Die Männer sind sonderbar, ich habe ein ungutes Gefühl. Wieso tun sie so etwas? Der eine geht gleich mit einem Schwert auf deine Wachen los und die anderen schlagen ohne Grund auf die Gefängnisaufseher ein."

"Ich weiß auch nicht, was sie damit bezwecken, die Gefängnisaufseher haben mir geraten erst gar nicht mit ihnen zu sprechen, weil sie so unberechenbar sind. Aber um ehrlich zu sein, mache ich mir darüber im Moment weniger Gedanken, es tut mir leid, dass zu sagen, ich versuche gewiss jedem gerecht zu werden, aber wenn jemand ohne Grund meine Leute angreift, dann verdient er es im Gefängnis zu bleiben, egal ob er noch weitere Sachen verbrochen hat oder nicht. Sie werden für eine Weile eingesperrt bleiben.

Ich sorge mich viel mehr um Sam, wieso verschwindet er einfach so?"

"Hat man schon nach Spuren gesucht, vielleicht ist ihm etwas zugestoßen", fragte Legolas, der sich die ganze Zeit etwas bedeckt gehalten hatte.

"Die Männer suchen noch, bisher haben sie noch nichts gefunden." Aragorn blickte ratlos drein, genau wie alle anderen auch. Es gab nichts, was sie im Moment tun konnten.

Am Nachmittag bekam Aragorn die Nachricht, dass Sams Pony verschwunden war, aber keine Spuren entdeckt wurden, denn die Straßen waren entweder mit Steinen gepflastert, oder der Sand schon so festgetreten, dass dort keine Spur mehr zu finden war.

Aragorn seufzte, es war eine gute Nachricht, dass das Pony auch nicht da war, dass ließ Aragorn vermuten, dass Sam nichts Schlimmes wiederfahren war, sondern er mit seinem Reittier aufgebrochen war. Doch andererseits machte ihm das auch Sorgen. Wieso war er ohne etwas zu sagen einfach aufgebrochen? Und wohin? Er hatte keine Möglichkeit das jetzt zu erfahren, denn er wusste nicht, in welche Richtung Sam gelaufen war, und er hatte auch keine Hoffnung, dass wenn er Männer in alle möglichen Richtungen losschicken würde, um einen Hobbit zu suchen, er damit irgendeine Art von Erfolg hätte. Wenn Sam einfach gegangen war, ohne etwas zu sagen, dann wollte er mit Sicherheit nicht, dass man ihm folgte und würde auf eventuelle Verfolger achten. Aragorn unterhielt sich mit Gandalf, ob er vielleicht irgendeine Vermutung hatte, doch der Zauberer schüttelte nur mit dem Kopf. "Ich weiß es nicht, wir sollten einfach warten, vielleicht kehrt er von alleine wieder zurück."

Sam und Flocke waren ungefähr eine Woche unterwegs, als sie den Fluss Poros über einer Brücke überquerten und Süd- Gondor betraten. Erst jetzt wurde Sams Glücksgefühl gelegentlich von Zweifeln überschattet. Seine Euphorie begann zu schwinden und Angst schlich sich langsam in sein Herz. Wenn er Nevturiel wirklich irgendwann gegenüberstand, was würde er ihr sagen? Würde sie das tun, worum er sie bat? Er wusste es nicht und versuchte sich selbst Mut zu machen, indem er sich vorstellte, was geschehen würde, wenn sie es tat. Auch versuchte er sich öfters vorzustellen, wie wohl die Herrin der Zeit aussah. Welches Aussehen hatte jemand, der über die Zeit herrschte? Sam war etwas ängstlich und fühlte sich schon jetzt klein und unbedeutend, wenn er daran dachte in ihrer Gegenwart zu sein. Doch der Gedanke, dass sie vielleicht eine Lösung für seinen Kummer hatte trieb ihn immer weiter, bis er nach wenigen Tagen an der Stelle ankam, an der, der Markierung zufolge die geheimnisvolle Halle stehen sollte. Sam stieg von Flocke herunter und sah sich um. Ein kleines Wäldchen, zu klein, um auf einer Karte vermerkt zu sein, tat sich vor ihm auf. Daneben ließ eine Ruine die Gegend schauerlich wirken. Die alten, umgestürzten Mauern waren mit grünen Ranken überwuchert und Sam hätte gerne gewusst, welches Geheimnis sie bargen. Der konnte nicht mal erkennen, was für ein Gebäude es mal gewesen war, zu zerstört und verwittert waren die Überreste.

Der Hobbit hatte ein merkwürdiges Gefühl, als er mit Flocke an der Zügel in dieser Gegend stand. Irgendwas war sonderbar hier. Es wehte kein Lüftchen und die Natur war seltsam still. Nichts bewegte sich, kein Lebenszeichen weit und breit. Sam hörte seinen eigenen Atem so laut, wie noch niemals zuvor, in dieser Stille war selbst dieser laut.

Flocke schnaubte mit einem Mal unruhig und trat ein paar Schritte zurück. "Ist schon gut, hier ist es wirklich unheimlich", versuchte der Hobbit das Pony zu beruhigen und klopfte ihm auf den Rücken. "Lass uns ein Stück gehen, vielleicht finden wir dann, was wir suchen."

Er zog das Pony sachte vorwärts in das kleine Wäldchen hinein und bekam ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Die Äste knackten schauerlich unter seinen Füßen und ließen ihn mehrere Male erschreckt rumfahren. Er sah kein einziges Tier, als er mit Flocke in dem Wäldchen umher lief, und das kam ihm sehr komisch vor.

Es mussten Stunden vergangen sein, als er wieder aus dem Wald hinauskam. Obwohl Sam hätte schwören können, dass er einmal im Kreis gelaufen war, tat sich eine ganze andere Gegend vor ihm auf, viel weniger unheimlich, als die zuvor. Der Hobbit fragte sich, an welcher Seite des Waldes er wieder rausgekommen war, denn er konnte keine Ruine mehr entdecken, stattdessen sah er eine kleine Burg, mit einem Burggraben und einer Zugbrücke vor sich aufragen. Die Burg war zwar klein, aber dennoch war sie beeindruckend. Sam konnte sich nicht erklären warum, aber er wusste, dass die Burg unbewohnt war. Nirgends war etwas zu sehen und wiederum verwunderte ihn das.

Sam überlegte zu erst, ob er sich in der Burg umschauen sollte, doch er entschloss sich schließlich für das Gegenteil. Er beschloss noch einmal in das Wäldchen zu gehen, sonst gab es nirgendwo etwas in der Gegend wo ein Gebäude stand. Wiederum machte er sich mit einem mulmigen Gefühl auf in den Wald, doch beschloss er diesmal geradeaus durchzugehen.

Lange wanderte Sam hindurch und fast hätte er schon die Hoffnung aufgegeben, als er urplötzlich bemerkte, wie ein riesiges Tor vor ihm auftauchte, das in ein seltsames Gebäude zu führen schien. Sams Herz begann schnell zu schlagen und die Aufregung, die sich bei ihm ausbreitete ließ ihn etwas zittern. Er hatte tatsächlich etwas gefunden, was durchaus mit Nevturiel zusammenhängen konnte. Das Tor war aus Holz und war verziert mit Mustern und eigentümlichen Schriftzügen.

Sam blickte erstaunt auf und konnte nicht sagen, was er eigentlich fühlte. Er war beeindruckt, ehrfürchtig, ängstlich und erfreut. Es war eine seltsame Mischung der Gefühle.

Sam band Flocke an einen Baum in der Nähe. "Warte hier", flüsterte er dem Tier zu und ging dann wieder zurück zu dem Tor. Er blieb noch einen Moment davor stehen, bis er sich dazu entschloss es zu öffnen. Zu seiner Überraschung ließ es sich leichter öffnen, als angenommen. Sam stieß es auf und es öffnete sich mit einem Knarren. Der Hobbit hielt die Luft vor Anspannung an und betrat eine Halle aus Stein, in die das Tor hineinführte.

Sam konnte es nicht verhindern, dass er anfing zu zittern, so überwältigend war das, was sich da offenbarte. Die Legende, auf die er gestoßen war, war keine Lüge gewesen.

Die Halle war riesig und gänzlich aus weißem Stein. Die Schritte des Hobbits hallten wieder und schienen, obwohl sie so leise waren, doch laut zu sein. Ein knirschendes Geräusch war in der Halle zu vernehmen und als Sam sah, woher es kam, blieb ihm fast das Herz stehen.

In der Mitte der Halle war ein riesiger See, dessen Wasser merkwürdig schillerte. Und aus diesem schillernden Wasser erhob sich ein riesiges Rad mit drei Speichen, das aus Tausenden von kleinen Rädern zu bestehen schien. Es waren Zahnräder, und jedes war mit mehreren anderen verbunden, so trieben sie sich alle gegenseitig an und Sam konnte nicht erkennen, wo der Ursprung des Antriebs lag. Beinahe winzig wirkte dagegen der Thron, der vor dem Rad auf einer weißen Treppe stand und mit rotem Stoff behangen war. Ein Übergang, ebenfalls aus weißem Stein, führte von dem Rand des Sees zu der Treppe mit dem Thron. Sam konnte jedoch niemandem auf dem Thron sehen und so sah er sich einfach weiter um. Die Halle hatte kein einziges Fenster, trotzdem wirkte sie keinesfalls bedrückend, so wie Sam es sonst von fensterlosen Räumen immer sagte. Die Luft in der Halle war kühl und angenehm und Säulen, die von der Decke empor zu kommen schienen, um deren Gewicht zu stützen, waren genau wie der Thron mit rotem Stoff umwickelt. Als Sam sich das riesige Deckengewölbe betrachtete, wurde ihm fast schwindelig, so hoch war es. Von draußen hatte er diese Höhe überhaupt nicht vermutet. Was Sam merkwürdig fand, war, dass oben an der Decke sonderbare Rankepflanzen die weißen Steine verdeckte. Die Halle war, bis auf die Decke, von weißem Stein, nur die Decke war grün von den Pflanzen und aus diesem Grün ragten die Säulen mit dem roten Stoff.

Sams Augen wurden groß, dieser Raum war von einer beachtlichen Schönheit geprägt, die er einfach bewundern musste. So wohnte also jemand, der die Zeit beherrschte. Er ging weiter zwischen den Säulen hindurch, auf den See zu und als er dem See sehr nah war, erkannte er, die Ursache für das Schillern. Es waren Bilder, die in dem See auftauchten und wieder verschwanden. Bilder aus der Vergangenheit und der Gegenwart konnte Sam erkennen. Schöne Bilder und Bilder, die ihm ein Schauer über den Rücken jagten. Bilder von allen Kreaturen auf Erden. Bilder von Gebäuden oder Gegenden, blitzte für wenige Momente in dem See auf, um danach gleich wieder zu verschwinden. Es waren so viele, dass Sam gar nicht wusste, wo er zu erst hinsehen sollte. Im stand vor Erstaunen der Mund offen und er konnte an nichts denken, so fesselte ihn der Anblick. Der Hobbit merkte gar nicht, wie hinter dem großen Rad plötzlich eine Gestalt auf ihn zu kam.

"Du siehst in den See der Zeit, kaum jemand bekommt ihn in seinem kurzen Leben zu Gesicht."

Sam blickte erschrocken auf und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren.

Er konnte nichts sagen, er war wie gelähmt vor Scheck und Erstaunen. Vor ihm, in einiger Entfernung, stand eine Frau, in einem purpurroten, langen Kleid, das schwungvoll auf den Boden niederwallte. Es betonte ihre zierliche Figur und ließ sie mächtig erscheinen. Sie hatte langes, pechschwarzes Haar, dass ihr bis zur Hüfte ging und teilweise in aufwändigen Zöpfen verflochten war. Das allein war schon für Sam mehr als beeindruckend, aber ihr Gesicht übertraf ihre ganze Erscheinung bei Weitem. Sam konnte nicht sagen wie alt sie war. Ihr Gesicht schien kein Alter zu haben, mal war es jung, dann wieder älter, es schien sich merkwürdigerweise von Zeit zu Zeit zu verwandeln. Ihre Augen hatten eine smaragdgrüne Farbe und verlockten dazu hineinzusehen.

Sam machte einige klägliche Versuche etwas zu sagen, doch nur ein paar unverständliche Laute entfuhren seinen Lippen.

"Darf ich fragen, wer in meine Halle kommt und mich besucht", sagte sie in ruhigem Ton, der es möglich machte, dass Sam einen Teil seiner Fassung wiedererrang.

"Ich bin Sam, ein Hobbit", sagte er in leisem, zitternden Ton.

"Sei mir willkommen, ich bin Nevturiel."

Sam versuchte seine Gedanken zu ordnen, er stand nun vor dieser Frau, auf der seine ganze Hoffnung lag und er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er fühlte sich so klein in ihrer Gegenwart, dass er es schon nicht mehr ertragen konnte.

Nevturiel kam nun auf ihn zu und stand fast vor ihm. Sam konnte nun in ihr Gesicht sehen. Es war weder schön, noch hässlich, es war weder jung noch alt und es machte Sam zu schaffen hineinzusehen.

"Bist du... Kannst du...", begann er einen Satz und sah, wie sie anfing zu lächeln.

"Ich weiß, was du mich fragen willst. Ja, ich kann an dem Rad drehen, wenn ich es will. Würde die Zeit sich beherrschen lassen, wäre ich wohl die Herrin."

"Lässt sie sich denn nicht beherrschen", fragte Sam unsicher.

"Nein, tut sie nicht, sie vergeht und lässt sich nicht anhalten."

"Und was ist mit Zurückdrehen?"

Nevturiel lächelte. "Du möchtest das gerne, nicht wahr?"

Sam nickte und dachte an Frodo.

"Ist es das, was dir so zu schaffen macht", fragte sie und ging an den Ufer des Sees. Sie hockte sich hin und tauchte die Spitze ihres Zeigefingers in das Wasser. Es entstanden kleine Wellen und ließen alle Bilder verschwinden, stattdessen erschien ein riesiges und Sam schossen sofort die Tränen in die Augen, als er es erkannte. Es waren Frodo und er. Hinter ihnen war der Apfelbaum, daneben die Leiter mit der zerbrochenen Sprosse. Sam hielt Frodo gerade in den Armen und weinte.

"Bitte, ich kann das nicht sehen", stammelte er und sah Nevturiel hilfesuchend an.

"Ja, die Vergangenheit kann weh tun", sagte sie und ließ das Bild verschwinden, dann erschienen wieder die vielen anderen und sorgten dafür, dass Sam sich wieder beruhigte.

"Ich habe so viel falsch gemacht an diesem Tag und ich wünsche mir nichts mehr, als dass er sich noch einmal wiederholt, damit ich meine Fehler wieder gut machen kann."

Nevturiel erhob sich und sah in aufmerksam an. "Es wäre wohl möglich die Zeit zurückzudrehen, aber sie lässt sich nicht einfach so zurückdrehen. Alles hat seinen Preis."

"Welchen? Kaum einer wäre mir zu hoch."

"Bist du dir da ganz sicher? Du verlangst von mir, dass ich die Zeit zurückdrehe und damit deinem Freund, dessen Lebensuhr eigentlich abgelaufen war, Zeit verschaffe? Ich kann nicht einfach jemandem Zeit geben, die er eigentlich nicht mehr hat. Ich müsste die Zeit woanders her nehmen, um sie ihm geben zu können."

"Ist das irgendwie möglich?"

Nevturiel sah in an und ihr Blick war bohrend. "Würdest du ihm etwas von deiner Zeit geben?"

Sam schluckte, dieser Preis war wahrlich hoch, doch er würde ihn zahlen.

Der Hobbit nickte und in Nevturiels Augen lag ein Ausdruck des Staunen, doch Sam konnte ihn nicht sehen, weil er auf die Erde blickte.

Nevturiel sah ihn weiter an. "Und wenn ich dir nun sagen würde, dass dir nicht mehr viel Zeit bleibt?"

Sam sah sie erschrocken an. Nicht mehr viel Zeit? Er bekam ein seltsames Gefühl. "Wieso... Wie viel Zeit bleibt mir denn noch?" Der Hobbit schluckte, dies war die Frage, die normalerweise jeder fürchtete.

Nevturiel beobachtete ihn aufmerksam und verfolgte jede seiner Gesten.

"Wenn ich dir nun sagen würde, dass du noch zwei Jahre hast, was würdest du tun? Würdest du diese kurze Zeit mit deinem Freund teilen?"

Sam glaubte, er würde den Boden unter den Füßen verlieren. Zwei Jahre? So kurz? Er dachte daran, wie Frodo in seinen Armen gestorben war. War er es ihm nicht schuldig? Er war doch für alles verantwortlich, was passiert war. Er musste es tun, selbst bei so wenig Zeit. Zwei Jahre... Wenn er diese Zeit teilen würde, dann blieb ihm noch ein Jahr. In diesem Jahr könnte er sich um seine Familie kümmern und dafür sorgen, dass es Rosie und den Kindern nicht schlecht ging. Er könnte alles tun, was nötig war, damit die, die er zurücklassen würde, gut versorgt waren. Ja, er würde die Zeit mit Frodo teilen, selbst, wenn es nur so wenig war. So hatten beide noch ein Jahr...

"Nun? Würdest du es tun", fragte Nevturiel auffordernd.

Sam nickte wieder. "Ja, würde ich", stotterte er.

Nevturiel lächelte und ihr eben noch strenges Gesicht nahm weiche Züge an.

"Verzeih mir. Das war nur eine Prüfung. Ich vermag nicht zu sagen, wie viel Zeit dir noch in deinem Leben bleibt, und es ist auch nicht nötig, dass du deinem Freund welche abgeben musst. Es ist nur so: Ich kann nicht für jeden, der hier herkommt die Zeit zurückdrehen, denn jeder auf der Welt würde irgendwann in seinem Leben das gerne mal tun. Dann würde die Zeit wahrscheinlich stehen bleiben, weil sie so oft zurückgedreht würde.

Aber manchmal mache ich für den einen oder anderen eine Ausnahme, und wenn ich es tatsächlich für jemanden mache, dann muss er schon etwas Besonderes sein."

Sam atmete erleichtert auf. Ihm viel ein großer Stein vom Herzen, doch schon regten sich wieder Zweifel. "Habe ich denn die Prüfung bestanden?"

Nevturiel lächelte. "Du bist selbstlos, Sam. Du bist so selbstlos, dass du sogar deine dir gegebene Zeit mit jemandem teilen würdest, selbst wenn sie nur kurz wäre. Das ist wahrlich etwas ganz Besonderes!"

"Dann würdest du es tun", fragte Sam und seine Stimme zitterte.

Nevturiel verzog bedenklich das Gesicht. "Nun ja, wenn du es dir von ganzem Herzen wünschst, würde ich es wohl tun, aber ich muss dich warnen."

"Warnen, wovor?"

"Die Zeit und das Schicksal gehen Hand in Hand miteinander und sie können ein gefährlicher Gegner werden, wenn man sie herausfordert."

Sams Augen wurden groß. "Was meinst du?"

"Es könnte sein, dass du, wenn du deinen Freund rettest, etwas auslöst, mit dem du nicht rechnest."

"Das muss ich riskieren", antwortete Sam, ohne sich die Worte recht überlegt zu haben.

Nevturiel lächelte. "Ich wollte dich nur warnen, vielleicht geschieht auch gar nichts, ich möchte dich nur darauf aufmerksam machen, dass etwas passieren könnte."

Sam nickte. Dann verzog er das Gesicht und überlegte. "Du bist doch die Herrin der Zeit, kannst du nicht in die Zukunft blicken und sehen, was passiert?"

"Die Zukunft ist ein unbeschriebenes Blatt, genauer gesagt gibt es sie eigentlich gar nicht. Oder sagen wir, wenn ich sie dir voraus sagen würde, gäbe es sie nicht."

Sam blickte verwirrt drein. "Was meinst du?"

Nevturiel überlegte, wie sie es ihm erklären sollte.

"Nehmen wir mal an, wir hätten uns schon viel früher ein mal getroffen und ich hätte dir gesagt, dass dein Freund in der Zukunft stirbt, was hättest du dann getan?"

"Ich hätte dich gefragt, wie und wann es passieren würde und dann hätte ich versucht es zu verhindern", antwortete Sam ohne zu zögern.

"Siehst du, und damit wäre es keine Zukunft mehr, denn das was ich gesehen hätte, wäre nie geschehen."

Sam war verwirrt, diese Überlegungen waren nicht ganz einfach.

"Deswegen gibt es eigentlich keine richtige Zukunft, es kommt auf unsere Entscheidungen an, die wir täglich treffen, wie sich die Zukunft für uns oder andere entwickelt", fuhr Nevturiel fort.

Sam nickte wieder, obwohl er Schwierigkeiten hatte ihre Aussagen nachzuvollziehen.

"Aber, du solltest dich nicht so um die Zukunft kümmern, du möchtest ja eigentlich die Vergangenheit ändern."

"Ja, das ist wahr. Darf ich dich etwas fragen?"

"Nur zu."

"Dein Gesicht, es ist so..."

"Sprunghaft", sagte Nevturiel und lächelte.

"Na ja, ich wollte eher sagen wechselhaft."

"Das ist die Zeit. Hier hat sie ihren Ursprung, und die Zeit springt hier gerne hin und her, von der Gegenwart in die Vergangenheit."

Sam schüttelte ungläubig den Kopf. "Ich verstehe nicht..."

"Hast du vielleicht als du hierher kamst die Burg oder die Ruine gesehen?"

"Beides, ich hätte schwören können, dass beides am selben Platz stand, aber irgendwie muss ich doch an einer anderen Stelle rausgekommen sein."

"Oh nein, bist du keinesfalls. Die Zeit springt hin und her. Früher war es mal eine Burg, jetzt ist es eine verlassene Ruine. Wenn die Zeit gerade in die Vergangenheit gesprungen ist, siehst du die Burg, und wenn es die Gegenwart ist, siehst du die Ruine. Genauso ist es auch mit meinem Gesicht, obwohl ich eigentlich ohne Alter bin. Deshalb gibt es da draußen auch keine Tiere, sie mögen diese Zeitsprünge nicht. Würdest du länger hier sein, würde das bei dir genauso sein."

Sam hatte das Gefühl unter den vielen Informationen zusammenzubrechen. Gegenwart, Vergangenheit, keine Zukunft, das war ihm alles etwas zu hoch. Und doch wollte er noch eine Frage stellen und hoffte, dass die Antwort nicht wieder so kompliziert ist.

"Wieso lebst du hier so einsam und niemand weiß eigentlich von deinem Dasein", fragte er nach einer kleinen Pause.

"Wenn das Wissen von meiner Existenz an die falschen Leute kommen würde, dann würde das bald den Untergang bedeuten. Stell dir vor, verlorene Schlachten würden noch mal ausgefochten und würden ganz anders ausgehen."

Sam dachte an den Ringkrieg. Wenn der damals einen anderen Ausgang gehabt hätte, wäre das fatal gewesen.

"Ich bevorzuge es weitestgehend nicht bekannt zu sein. Gelegentlich findet mich ja jemand so wie du, das genügt vollkommen", sagte Nevturiel und ihre Augen waren freundlich.

Sams Augen weiteten sich wieder. "Du meinst, es kamen schon vor mir welche hierher?"

"Gelegentlich. Den einen habe ich den Wunsch erfüllt die Zeit zurückzudrehen, den anderen nicht. Kommt darauf an, wie selbstlos sie sind."

"Merkt man das, wenn die Zeit zurückgedreht wird", fragte Sam vorsichtig.

"Du wirst es natürlich wissen, wenn ich es mache, denn sonst hätte es ja keinen Sinn. Du wirst wissen, was passiert, wenn dein Freund auf den Baum klettert und wirst die Möglichkeit haben, es zu verhindern. Die anderen werden es wohl merken, aber sie werden nicht wissen, was geschehen ist."

"Wie werden sie es merken?"

"Die Zeit lässt sich nicht spurlos zurückdrehen, dein Freund wird einen kleinen Teil davon behalten, von dem was eigentlich passiert wäre."

"Und was wird das sein?"

"Kann ich nicht sagen, du wirst es merken, du musst dir aber keine Sorgen machen, es ist wenn nur eine kleine Erinnerung, an das, was eigentlich geschehen wäre."

Sam sah sie aufmerksam an. "Und werden es die anderen auch merken?"

"Nicht direkt. Hattest du schon mal das Gefühl gehabt, wenn du irgendwo hinkommst, oder dich mit jemandem unterhältst, dass das schon mal passiert ist? Und du bist dir nicht sicher, ob du es geträumt hast, oder es schon mal erlebt hast."

Sam sah erstaunt aus. "So was habe ich öfters, neulich habe ich mit meiner Frau gesprochen und hätte schwören können das Gespräch mit ihr schon mal geführt zu haben."

"Siehst du, wenn so was passiert, dann gab es vermutlich einen kleinen Zeitsprung, was so viel bedeutet wie, du hast das Gespräch in der Tat schon mal geführt. Schau dir die vielen Zahnräder an...", sie deutete auf das große Rad mit den drei Speichen. "... sie funktionieren nicht immer einwandfrei, manchmal springt die Zeit auch für alle anderen kurz in die Vergangenheit, und dann kommt dieses Gefühl, als hätte man das Gespräch schon mal geführt, oder die Gegend schon mal gesehen, oder so was. Denn das Gedächtnis erinnert sich manchmal daran. Genau so wird es vielleicht für den einen oder anderen sein, wenn ich die Zeit für dich zurückdrehe."

Sam sah erleichtert aus und Freude durchströmte ihn mehr denn je. "Das ist ja nicht so schlimm. Wie weit wirst du denn die Zeit zurückdrehen?"

"Wann ist dein Freund gestorben?"

"Am 12. Oktober."

"Also bis zu diesem Tag gewiss, ich kann dir nur nicht sagen zu welcher Stunde genau, das lässt sich schwer beeinflussen."

"Er ist Vormittags gestorben", bemerkte Sam.

"Dann werde ich versuchen ungefähr bis zu dieser Zeit zu drehen, damit du die Möglichkeit hast noch einzugreifen."

Sam sah sie dankbar an. "Wie kann ich dir danken?"

Nevturiel lächelte freundlich. "Versteh mich nicht falsch, ich mag dich wirklich gerne, aber ich würde mir wünschen, dass du nicht zu mir zurückkommen musst. Es würde mir leid tun, wenn du wieder hierher kommen müsstest, weil irgendetwas geschieht, mit dem du nicht gerechnet hast. Das wäre mein Wunsch."

"Ich hoffe doch, dass ich dir diesen Wunsch erfüllen kann."

Sie lächelte wieder. "Na komm, lass es uns hinter uns bringen, auch wenn ich gerne noch mehr Zeit mit dir verbringen würde."

Nevturiel nahm ihn an die Hand und ging auf das große Rad zu. "Und vergiss nie, die anderen haben keine Ahnung, dass sie den 12. Oktober und die ganze Zeit danach schon einmal erlebt haben, du bist der einzige, der das weiß!"

"Ich werde es nicht vergessen, hab Dank für alles, ich bin so froh dass ich dich gefunden habe. Jetzt kann ich mir meinen größten Wunsch endlich erfüllen."

Sie nickte. "Viel Glück, Sam"

Dann stellte sie sich vor das Rad und drehte an einem einzigen Zahnrad. Für einen ganz kurzen Moment blieben die Bilder im See unverändert stehen, doch dann bewegten sie sich wieder und das Rad drehte in die entgegengesetzte Richtung, wie zuvor. Um Sam herum begann sich alles zu drehen, so lange, bis ihm schwarz vor Augen wurde.