Elftes Kapitel: Aragorns Schicksal

Der Regen prasselte nieder und die Wolken färbten den Himmel grau am frühen Morgen. Aragorn saß immer noch auf der Erde, hatte das Gesicht in den Händen vergraben und wiegte seinen Körper unruhig hin und her. Der Regen perlte an seinen Haaren ab, seine Kleidung klebte durch die Nässe an seinem Körper und hin und wieder durchschnitt ein Schluchzen die erdrückende Stille. Immer noch wich Aragorn nicht von der Seite seines toten Freundes. Jetzt, wo es einigermaßen hell war, konnte Aragorn Legolas erst richtig betrachten. Seine Augen waren dunkel umrandet und seine Haut war fast weiß. In seinen Mundwinkeln waren noch Reste von Blut zu erkennen, die mit der Zeit langsam trockneten. Seine Hände ruhten auf seiner Brust und die bläuliche Verfärbung durch den gebrochenen Finger ließ sich durch die weiße Hautfarbe nun deutlich erkennen.
Nun war Aragorn ganz allein, er hatte so viel verloren innerhalb von wenigen Tagen. Zwei seiner wichtigsten Freunde hatten ihn auf so schmerzliche Weise verlassen, und der Glauben daran, ein guter König zu sein, war ihm ebenfalls brutal entrissen worden. Zum ersten mal in seinem Leben war Aragorn am Boden zerstört, und es gelang ihm auch nicht mehr das irgendwie zu verstecken. Warum sollte er auch? Niemand war da, der es sah und selbst wenn, wäre es ihm auch gleich gewesen. Aragorn versuchte sich selbst einzureden, dass es so besser für Legolas sein würde, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen, wenn doch ein Fünkchen Wahrheit darin lag.
Immer wieder stieg in Aragorn der Gedanke hoch, er hätte mehr tun müssen, er hätte in vielen Situationen anders reagieren sollen. Doch was gab es nun noch für einen Grund darüber nachzudenken? Es war vorbei und nichts war mehr an dem Geschehnen zu ändern.
Nur weil er wusste, dass Legolas es gerne gewollt hätte, faste er am Vormittag die Entscheidung aufzubrechen. Über Legolas´ Körper legte er seinen Umhang, als letztes Geschenk, wie er es fand. "Hoda ne sîdh, mellon nin! (Ruhe in Frieden, mein Freund) Jetzt bist du frei von Furcht und Schmerz, den du meinetwegen hattest! Verzeih mir", flüsterte er und erhob sich dann schwerfällig.
Am Liebsten hätte er sich einfach ebenfalls auf die Wiese gelegt und gewartet. Worauf, wusste er eigentlich nicht, vielleicht auf den Tod, vielleicht doch noch auf eine Rettung, es war ihm gleichgültig, denn eigentlich hatte er eine Rettung in seinen Augen gar nicht verdient.
Aragorn ging los, ohne irgendetwas mitzunehmen. Weder die restlichen Lembas, noch etwas Wasser oder sonst irgendetwas. Er konnte nichts zusätzliches Tragen, er hatte Mühe, sich selbst vorwärts zu schleppen. Mehrere Male drehte er sich um und ein letztes Mal blickte er von dem Hügel hinunter auf den Platz, der eigentlich so friedlich gewesen war. Jetzt jedoch bot er einen Anblick des Grauens. Legolas´ und Gimlis Leichen lagen unter ihren Verdeckungen, Aragorns totes Pferd lag vor dem Hügel. Überall waren Gegenstände verstreut, die Seile, die als Fesseln gedient hatten lagen immer noch an den beiden Bäumen und ein großer, roter Blutfleck auf dem Rasen, den Aragorn schon von weitem erkennen konnte, zeugte von Legolas´ Verletzung. Wehmütig sah Aragorn auf diesen Platz; Er war hierher gekommen, um friedlich zu verhandeln, und was war jetzt nur daraus geworden? Wer von ihnen hätte je damit gerechnet, dass es so enden würde? Es behagte Aragorn gar nicht, seine toten Freunde einfach ohne ein würdiges Begräbnis zurückzulassen, doch in seinem Zustand war er nicht in der Lage sie zu begraben. Er musste sie hier zurücklassen, auch auf die Gefahr hin, dass Tiere ihre toten Körper wittern würden.

Wie viele Stunden Argorn nun schon gelaufen war, konnte er nicht sagen. Er vermutete, dass es weniger waren, als es ihm vorkam, aber es spielte auch keine Rolle. Mühsam schleppte er sich vorwärts, zog sein Bein schwerfällig hinterher und wunderte sich über die plötzliche Leere in seinem Kopf.
Irgendwie glaubte er zu fühlen, dass sein Oberschenkel angeschwollen war, er schmerzte und ein merkwürdiges Kribbeln durchströmte ihn zeitweise. Auftreten konnte er gar nicht mehr auf dem Bein und er musste sich bald einen Stock als Stütze suchen, weil er sonst überhaupt nicht mehr vorankam. Immer wieder knickte er ein, stemmte sich mühevoll wieder hoch und versuchte weiterzulaufen, immer weiter bis nach Minas Tirith. Er merkte, wie ihn seine Kräfte immer mehr verließen, er spürte, wie auch er Fieber bekam und er wusste, dass er recht gehabt hatte; Er würde nicht bis nach Minas Tirith kommen, wenn nicht ein Wunder geschah.
Die Mittagssonne brannte heiß und Aragorn stellte fest, dass er seinen Verband wechseln müsste, doch es war ihm im Moment gleichgültig. Er ging nur immer weiter, nahm kaum etwas um ihn herum wahr, was sich links oder rechts befand, sondern versuchte verbissen seinen Weg geradeaus weiter fortzuschreiten. Irgendwann überkam ihn ein Schwindel und er stützte sich auf seinen Stock, atmete einmal tief durch und versuchte dann weiterzugehen. Ein paar Schritte gelang ihm das auch, doch dann legte sich kurz ein schwarzer Schleier vor seine Augen, der ihn in die Knie gehen ließ. Alles um ihn herum drehte sich, bis plötzlich der schwarze Schleier wiederkam und mit solch einer Macht über ihn hereinbrach, dass er seitlich wegkippte, auf seinem gesunden Arm landete und bewusstlos liegen blieb.

Wie aus ganz weiter Ferne hörte Aragorn Stimmen neben sich. Er spürte Berührungen und konnte schemenhaft mehrere Gestalten um sich herum erkennen. Er versuchte seine Blick zu schärfen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Aragorn nahm wahr, wie er auf den Rücken gedreht wurde, er fühlte eine kühle Flüssigkeit auf seiner Haut und er spürte Stiche und einen merkwürdigen Druck in seinem Bein. Immer wenn er versuchte sich zu bewegen oder die Augen weiter zu öffnen, als nur einen Spalt, überkam ihn ein Schwindel und immer wieder hüllte die Schwärze ihn ein. Er fühlte sich so elend, dass er einfach nur liegen blieb und kaum etwas weiteres wahrnahm, außer, dass man ihn immer wieder anfasste und ihn versuchte anzusprechen. Er bemerkte gar nicht, wie immer wieder ein Stöhnen aus seinem Mund drang.
Erst nach einer ganzen Zeit fühlte er, dass er auf einem Pferd saß und von hinten festgehalten wurde. Er war nicht fähig sich irgendwie zu bewegen und er hatte keinerlei Zeitgefühl, noch wusste er was geschehen war. Er fühlte Hitze und Kälte zugleich, immer wieder hörte er Stimmen, die weit weg zu sein schienen. Er vernahm Hufgetrappel und immer, wenn er versuchte die Augen zu öffnen, sah er alles nur verschwommen und schemenhaft. Einmal glaubte er Arwen zu hören und eine Männerstimme, aber nie war er sich sicher, ob es nun Einbildung oder Realität war. Viele Bilder geisterten durch seinen Kopf und viele Stimmen hörte er, die allesamt seinen Träumen entsprangen und teilweise wusste er das. Oft sah er Legolas und Gimli, doch wusste er, dass es sich nur um einen Traum handeln konnte.
Wieder konnte er Berührungen spüren, er fühlte dumpfe Stiche in Arm und Bein, in seinem Kopf hämmerte es und er fühlte sich benebelt und schwach.

Irgendwann legte sich dieser schwarze Schleier, der ihn umgab und er hatte wieder genug Kraft um die Augen zu öffnen. Endlich hatte er die Schwelle zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit überschritten und sein Blick wurde wieder schärfer. Aragorn blinzelte und kniff die Augen zusammen, denn das Licht blendete ihn schmerzlich. Ganz langsam kehrten auch all seine anderen Sinne zurück und er bemerkte, dass er in einem weichen Bett lag. Er ließ, nachdem sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, seinen Blick umher schweifen und erkannte den Raum, indem er sich befand, als sein eigenes Schlafzimmer wieder. Im ersten Augenblick fragte er sich, ob er tot war, denn er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er hierher gekommen war. Aragorn konnte aus dem großen Fenster nach draußen sehen und sah, dass der Himmel tief grau war und schwere Schauer sich von ihm herab ergossen.
Aragorn fühlte, dass seine Schulter verbunden war, um seine aufgeschürften Hände waren ebenfalls Verbände gewickelt und er spürte merklich, wie es ihm besser ging. Außer in seinem Bein, spürte er kaum noch Schmerzen, nur dieses bereitete ihm unaufhörlich Qualen. Hin und wieder wurde sein Bein von schmerzenden Stichen durchzogen, wie er es die Zeit davor auch schon gemerkt hatte, doch nun fühlte er, dass diese Stiche von einem heftigen, kontinuierlichen Schmerz begleitet wurden, der stets da war, auch wenn er nur ruhig dalag, so wie gerade jetzt. Aragorn konnte sich ein Keuchen nicht verkneifen und begann sich angestrengt zu bewegen, denn er hatte nun die Kraft dies zu tun. Plötzlich merkte er, dass jemand seine Hand festhielt und er drehte seinen Kopf zur Seite und sah Arwen, die erst jetzt bemerkt zu haben schien, dass er erwacht war. Sie blickte ihn aufmerksam an, doch war in ihren Augen ein seltsamer Ausdruck. "Du bist wach", sagte sie erleichtert und strich ihm über die Wange.
Er nickte schwach und versuchte den Ausdruck in ihren Augen zu deuten.
"Was ist nur geschehen", fragte sie und ihre Stimme zitterte heftig. Erst jetzt brachen die Gedanken wieder über Aragorn hinein, die Erinnerungen loderten auf und ließen ein Gefühl der Trauer in ihm hochsteigen.
"Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht. Ich habe alle ins Unglück gestürzt und obendrein als König das erste Mal versagt", sagte er und seine Stimme klang rau und ganz anders, als sonst.
Arwen kniete sich neben ihn ans Bett und strich ihm die Harre aus dem Gesicht. Immer noch hatte er Fieber und seine Augen waren glasig und seine Haut blass.
"Kannst du mir sagen, was geschehen ist", fragte Arwen und sah ihn eindringlich an, wobei sie sich unauffällig mit der Hand über die Augen wischte.
Aragorn schloss die Augen und fühlte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er wollte das alles nicht erzählen müssen, er fürchtete sich vor den vielen Bildern, die sich dann wieder in seinen Kopf festsetzen würden.
"Bitte", sagte Arwen eindringlich und er merkte, dass er nicht umhin kam. Langsam begann er zu erzählen. Von den Männern, die ihn aus Minas Tirith gelockt hatten, von Lhunroth und von Legolas und Gimli. Tränen liefen über seine Wangen, die Arwen ihm zärtlich wegstrich.
"Ich musste sie dort zurücklassen, ich konnte sie nicht einmal mehr beerdigen", endigte er seinen Bericht und sog die Luft geräuschvoll ein.
Arwen presste die Lippen zusammen und versuchte den Kloß in ihrem Hals runterzuschlucken. "Es tut mir so leid, so etwas hätte nicht geschehen dürfen!"
Aragorn sah sie wehmütig an. "Ich möchte, dass ihre Leichen nach Minas Tirith geholt werden, sie sollen nicht so achtlos in der Wildnis Gondors bleiben, zu viel haben Legolas und Gimli mir bedeutet."
"Das ist schon geschehen. Ich habe einen Suchtrupp, nachdem du einige Tage verschwunden warst losgeschickt um dich zu suchen. Nach mehreren Tagen ist es ihnen mit viel Glück gelungen. Du warst bewusstlos und hast in deinen Fieberträumen stetig etwas von Legolas erzählt. Daraufhin haben zwei der Männer deine Spuren zurückverfolgt und ihre Leichen gefunden. Sie haben sie schon hierher gebracht", sagte sie und sah im fest in die Augen.
"Sie sind hier", fragte Aragorn mit einem Zittern in der Stimme. "Sie müssen bestattet werden, ich muss Thranduil und Gimlis Männer benachrichtigen...", sagte Aragorn und versuchte sich schmerzlich in seinem Bett aufzurichten, doch Arawen drückte ihn mit Bestimmtheit wieder hinunter.
"Bleib liegen, du bist nicht in der Lage dich um etwas zu kümmern. Das macht Faramir, er hat bereits Thranduil eine Nachricht geschickt, er wird nach Minas Tirith kommen, zur Bestattung seines Sohnes. Auch Gimlis Volk wurde bereits benachrichtigt, einige Zwerge sind schon auf dem Weg hierher."
"Faramir ist hier", fragte Aragorn und wirkte etwas verwirrt. In seinem Kopf begann es zu hämmern und er kniff die Augen zusammen.
"Ja, ich habe nach ihm geschickt, damit er sich um die wichtigen Dinge kümmern kann. Eowyn ist auch hier, sie ist mitgekommen und hilft mir etwas."
Aragorn atmete heftig ein und aus und fühlte, wie eine Schwäche ihn wieder ergriff. Er war einigermaßen beruhigt, immerhin wurde er würdig vertreten. "Ich danke dir", flüsterte Aragorn, der sehr froh war, dass sich seine Frau bereits um alles gekümmert hatte.
Arwen sah ihn erst an, dann vergrub sie die Hände in ihrem Gesicht und schluchzte heftig.
"Was hast du", fragte Aragorn und in ihm keimte ein sehr ungutes Gefühl hoch. Er hatte die ganze Zeit gespürt, dass Arwen ihm etwas sagen wollte und er ahnte, dass es etwas schlimmes sein musste.
Sie hob ihren Kopf wieder und sah ihn mit feuchten Augen an. Sie schloss die Augen und ihre Lippen und Hände zitterten so heftig, dass Aragorn es wirklich mit der Angst zu tun bekam. "Sag mir, was geschehen ist", sagte er und versuchte möglichst ruhig zu klingen.
"Ich kann nicht.. Ich...", stotterte sie und schluchzte wieder. Aragorn griff nach ihrer Hand und blickte ihr in die Augen. "Sag es mir, Arwen!"
Ihr Herz hämmerte wie wild und sie musste darum kämpfen, dass ihre Worte den Weg nach draußen fanden. Sie überlegte, wie sie es ihm sagen sollte, doch sie wusste, dass es keine richtigen Worte dafür gab. Nach einer ganzen Zeit sagte sie schließlich völlig verzweifelt: "Du wirst dein Bein verlieren."
Auch Aragorns Lippen begannen nun zu zittern und er glaubte, seine Frau nicht richtig verstanden zu haben. Ihm fehlten die Worte, er hatte das Bedürfnis zu schreien, das konnte nicht wahr sein. Ohne es zu merken drückte er Arwens Hand so fest, dass es ihr schon weh tat und seine Augen blickten sie fragend an, in der Hoffnung, dass sie jetzt irgendetwas sagen würde, dass den letzten Satz ungültig macht.
"Was", fragte er ungläubig und seine Stimme wurde fast völlig verschluckt.
Arwen sah ihn mit so wehmütigen Augen an, dass Aragorn wusste, dass sie es tatsächlich ernst meinte. Sie schluckte schwer und wurde von Schluchzern geschüttelt.
"Die Heiler haben gesagt, es gibt keine Rettung mehr. Selbst wenn sie die Blutvergiftung, die du hast, aufhalten könnten, könntest du dein Bein wahrscheinlich nie mehr gebrauchen. Die Vergiftung ist aber schon so weit fortgeschritten, dass sie fast schon in deinen restlichen Körper übergeht und wenn das geschieht, dann stirbst du. Im Moment ist sie nur in deinem Bein, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie weiter hochgeht."
Aragorn glaubte, jemand würde ihm die Luft nehmen, er wusste nicht was er denken sollte, er sah seine Frau nur hilflos an.
"Und was heißt das", fragte er und er hatte noch nie solch eine Angst vor der Antwort.
Es fiel Arwen sichtlich schwer die Fassung einigermaßen zu wahren, und sie rang selber darum, Ruhe zu bewahren.
"Sie müssen dir das Bein...", begann Arwen, doch Aragorn hielt ihr die Hand auf den Mund.
"Das ist nicht wahr, sag mir bitte, dass das nicht wahr ist", sagte er tonlos und seine Augen füllten sich mit Tränen.
"Der Heiler hat es mir vorhin gesagt, es ist wahr. So leid es mir tut", flüsterte sie und strich ihm über die Stirn. "Hätten dich die Männer nur zwei Tage früher gefunden, dann wäre vielleicht alles anders gekommen."
Aragorn hatte das Gefühl, als fiele er in ein tiefes Loch, alles brach auf einmal in ihm zusammen. Zwei Tage, eine kurze Zeit, die ihm nun fehlte. Und er wusste sehr wohl, dass er sein Schicksal hätte ändern können, wenn er damals gegangen wäre, als Legolas es ihm gesagt hatte. Er war an der Seite seines Freundes geblieben und die kostbare Zeit, die dort verstrichen war, würde nun auch von ihm einen hohen Preis fordern.
Aragorn konnte seine Fassung nicht mehr wahren, er richtete sich auf und schüttelte energisch den Kopf. "Das glaub ich nicht, die Heiler können doch sonst so viel! Das kann nicht sein!"
Arwen versuchte ihn vergeblich wieder runterzudrücken und sagte: "Du hast die Blutvergiftung schon zu lange sie können nichts mehr tun außer...".
"Das ertrage ich aber nicht! Niemand nimmt mir mein Bein, verdammt."
Seine Augen funkelten mit einemmal wild und in ihm wurden Kräfte geweckt, mit denen selbst Arwen nicht gerechnet hätte. Zum ersten Mal in seinem Leben verlor er jegliche Kontrolle. Seine Verzweiflung wurde zur Wut, doch auf wen er wütend war vermochte selbst er nicht zu sagen. Seine Gefühle überschlugen sich und seine Angst versuchte ihn vollends zu beherrschen.
Arwen entriss sich seinem Griff und flüchtete an die nächste Wand, an der sie verzweifelt zu Boden sank.
"Ich will mein Bein nicht verlieren, ich bin der König, ich kann das Entscheiden. Es ist meine Entscheidung und kein Heiler wird gegen meinen Willen handeln. Niemand nimmt mir mein Bein", schrie Aragorn und vergaß all seine Verletzungen und richtete sich immer weiter auf.
"Und ich will dich nicht verlieren, Aragorn. Ich werde dich lieben, so oder so. Immer werde ich dich lieben. Und es ist nicht deine Entscheidung. Du hast Fieber und bist in den Augen der Heiler im Moment nicht zurechnungsfähig. Es liegt an mir, haben sie gesagt", schrie Arwen zurück, die nun ebenfalls langsam die Fassung verlor.
Aragorn funkelte sie zornig an. "Du wirst gegen meinen Willen handeln und dafür sorgen, dass sie mir das Bein abschneiden", brüllte er völlig außer sich.
"Wenn es dein Leben rettet, ja!"
Aragorns Gedanken schalteten sich völlig aus. Er erhob sich wütend und machte einen unbeholfenen Schritt nach vorn, dabei hielt er das verletzte Bein ein Stück über den Boden und hielt sich an einem kleinen Tisch fest.
Wütend und völlig außer sich zertrümmerte er eine Vase, die sich darauf befand und Arwen bekam es sichtlich mit der Angst zu tun. "Hör auf, du bist nicht du selbst", rief sie, doch Aragorn wurde immer wütender schlug wie von Sinnen auf den Tisch ein. Obwohl Arwen es nicht gewollt hatte, lief sie nach draußen auf den Gang und rief um Hilfe. Drei Heiler und Faramir, der Zufällig in der Nähe war, kamen sofort zu ihr gestürzt und mit vielen Schluchzern berichtete Arwen, was geschehen war. "Er dreht durch", sagte sie ängstlich und deutete auf die Tür, aus der Aragorns wütende Schreie hervorgingen.
Faramir war der erste, der den Raum betrat, ihm folgten die beiden Heiler. Sie stellten sich einige Meter von Aragorn entfernt auf und Faramir hob beruhigend die Hände. Er bemerkte, dass Aragorn einen Kerzenständer in den Händen hielt und glaubte eine Spur Wahnsinn in seinen Augen zu erkennen.
"Aragorn, leg das hin, wir wollen dir nur helfen", versuchte er ihn zu beruhigen, doch Aragorn funkelte ihn zornig an.
"Ach was, wollt ihr mir helfen, indem ihr mir mein Bein nehmt? Bleibt mir vom Leib, oder ich schlage euch allen die Schädel ein", schrie er und hob bedrohlich den Kerzenständer. Faramir machte einen Schritt auf ihn zu und beobachtete aufmerksam seine Reaktion. "Ich sagte bleib weg von mir", fauchte Aragorn und tat ebenfalls einen Schritt zurück. Sein Bein jedoch machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er sackte zusammen und Faramir ergriff sofort die Gelegenheit und stürzte sich auf ihn. Die Heiler folgten und drückten Aragorn energisch auf den Boden, der vor Schmerzen schrie, denn im Moment nahm keiner auf seine Schulter Rücksicht. Dennoch versuchte er sich verzweifelt zu wehren, doch gegen vier Männer hatte Aragorn keine Chance. Sein gesunder Arm wurde von Faramir kraftvoll auf den Boden gedrückt und er entriss ihm den Kerzenständer, die Heiler hielten seine Arme und Beine unten und Aragorn wurde immer wütender, als er merkte, dass er ihnen hilflos ausgesetzt war. "Beruhige dich, Aragorn", versuchte Faramir ihn zu besänftigen, doch es wollte einfach nicht wirken.
Aragorn versuchte sich verbissen aus den festen Griffen zu befreien, doch es war hoffnungslos. Bald war er geschwächt und keuchte vor Anstrengung und Schmerz. Immer kraftloser wurden seine Versuche sich zu wehren und immer noch hielten die Heiler und Faramir ihn energisch auf die Erde gedrückt. "Lasst mich sofort los", presste Aragorn heraus und Schweiß trat vor Anstrengung auf seine Stirn. "Ihr habt kein Recht zu so etwas."
Niemand hörte auf ihn sondern stattdessen sahen sie alle auf ihn runter und warteten darauf, dass die Schwäche ihren Triumph forderte.
Arwen kam ins Zimmer und weinte bitterlich als, sie ihren Mann so sah. Auf Aragorns verletztes Bein nahmen die Heiler einigermaßen Rücksicht, er konnte damit ohnehin nichts ausrichten, doch ansonsten drückten sie ihn erbarmungslos hinunter. Aragorns Keuchen wurde bald heftiger und die Versuche sich aus den Griffen zu entwinden immer schwächlicher. Oft machte er Pausen, sammelte Kraft und versuchte es erneut, doch es war vergebens. Nach einer ganzen Zeit, senkte er kraftlos seinen Kopf und seine Glieder erschlafften. Er schloss die Augen und sein Bewusstsein schwand. Es war zu viel gewesen, die Anstrengung und Arwens Nachrichten sorgen dafür, dass Aragorn sein Bewusstsein wieder verlor und dass Faramir und die Heiler ihre Griffe lösen konnten. Sie hoben ihn zurück ins Bett und die Heiler betrachteten sich seine Wunden, insbesondere seine Schulter, die arg unter dem energischen Runterdrücken gelitten hatte.
Faramir nahm Arwen bei der Hand und sorgte dafür, dass sie das Zimmer verließ. Er brachte sie zu Eowyn, die sich etwas um sie kümmern sollte, denn sie machte sich schlimme Vorwürfe und gab sich die Schuld, dass es so weit gekommen war. Vielleicht hätte sie mit der Wahrheit noch etwas warten sollen, vielleicht hätte sie sie ihm schonender beibringen sollen. Doch nun war es zu spät, sie saß zusammen mit Eowyn auf einem Sofa und über ihr ausdrucksloses Gesicht rannen fortwährend die Tränen.
"Was wirst du jetzt tun, Arwen" fragte Eowyn nach einer ganzen Zeit. Auch sie war von den Geschehnissen nicht unberührt geblieben und auch sie wischte sich hin und wieder die Tränen weg.
"Die Heiler haben mir gesagt, jetzt spielt es auch keine Rolle mehr, ob noch ein weiterer Tag verstreicht oder nicht, es ist ohnehin zu spät. Ich werde auf Gandalf warten."
"Du weißt, dass alles von deiner Entscheidung abhängt. Überleg dir gut, was du tust, die Heiler warten nur auf ein Wort von dir."
"Ja", sagte Arwen mit zitternder Stimme. "Ich habe das Leben meines eigenen Mannes in der Hand und meinem schlimmsten Feind würde ich nicht wünschen, solch eine Entscheidung treffen zu müssen", fuhr sie fort.
Eowyn nahm sie tröstend in den Arm und beide Frauen konnten es nicht verhindern, dass immer mehr Tränen aus ihren Augen flossen.

Arwen schlich durch die Gegend wie eine eingesperrte Katze. Oft war sie nun schon den Flur auf und ab gelaufen, was genau sie damit bezweckte, konnte sie nicht sagen. Sie wollte nachdenken, oder das redete sie sich zumindest ein, denn eigentlich wusste sie genau, was sie tun würde. Es tat ihr leid, und sie fürchtete, dass es auf manch einen egoistisch wirken würde, doch sie wollte ihren Mann nicht verlieren. Sie hatte die Chance ihn zu retten und sie würde sie auch wahrnehmen. Sie liebte Aragorn, mehr als irgendetwas sonst, und sie würde ihn immer lieben, auch wenn er vielleicht mit einem Bein entstellt war. Doch sollte sie wirklich so gegen den Willen ihres eigenen Mannes handeln? Wenn es vorbei war, dann würde er ihr hinterher vielleicht dankbar sein, dass er noch lebte, doch was, wenn nicht? Sie lehnte sich an die Wand und wischte sich über ihre geröteten Augen, sie versuchte sich einzureden, dass Aragorn vielleicht nur im ersten Moment so reagiert hatte, doch sie wusste, dass er auch so dagegen war. Wer würde auch nicht dagegen sein, sie verstand ihn nur allzu gut. Sie war hin und her gerissen von Zweifeln, doch tief in ihrem Inneren hatte sie sich längst entschieden, sie versuchte im Grunde nur ihr Gewissen zu beruhigen. Arwen wollte auf Gandalf warten, weil sie hoffte, dass er auch ihrer Meinung war. Sie brauchte eine Bestätigung, dass es richtig war, was sie tat. Doch was würde sie tun, wenn der Zauberer dagegen war? Sie hatte bereits ein par Männer nach ihm suchen lassen, denn die Zeit drängte, sie musste sich langsam endgültig entscheiden...

Gandalf war vor wenigen Tagen in Minas Tirith angekommen und trieb sich seitdem in der Stadt herum, seit er wusste, dass Aragorn nicht anwesend war. Es wunderte ihn zwar, aber große Sorgen bereitete ihm das noch nicht, nur das Arwen nicht wusste, wo er war, gab ihm etwas zu denken. Er vertrieb sich die Zeit damit die Wirtshäuser zu besuchen und über den Markt zu schlendern. Er merkte nichts von der Aufregung, die sich währenddessen oben in Aragorns Residenz abspielte. Er genoss es mal für sich allein zu sein, einfach mal nichts zu tun und nur seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Genüsslich zog er an seiner Pfeife und betrachtete sich aufmerksam ein paar bunte Stoffe, die eine Frau auf dem Markt verkaufte. Plötzlich sah er zwei Wachmänner auf sich zutreten, und einer der beiden stellte sich neben ihn und flüsterte ihm ins Ohr: "Sie haben den König gefunden! Kommt schnell, Frau Arwen braucht dringend euren Rat, es ist etwas schreckliches passiert."
Gandalf sah ihn verwirrt an und hatte keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hatte. Der Wachmann machte eine aufgeregte Geste, die Gandalf zeigte, dass er ihm schnellstens folgen sollte. Langsam begann in dem Zauberer Unruhe hochzusteigen, denn die Worte, dass etwas schreckliches passiert sei, schienen keines Falls etwas gutes zu heißen. Hektisch versuchte er den Wachmännern zu folgen, quetschte sich an duzenden Leuten vorbei, die allesamt an irgendwelchen Marktständen nach Ware Ausschau hielten, und versuchte mit dem schnellen Schritt der Wachmänner mitzuhalten.

Aragorn öffnete ganz langsam die Augen und blickte für einen Moment nur an die Decke. Dann fiel ihm wieder ein, was geschehen war und erschreckt richtete er sich auf und blickte auf sein Bein. Er atmete tief durch, als er erkannte, dass es noch da war. Voll Schwäche ließ er sich wieder in die Kissen zurücksinken und sein Herz hämmerte wie wild. Was hatte er nur getan? Ein elendes Gefühl stieg in ihm hoch, er hatte panische Angst, doch wusste er, dass er sich hätte zusammenreißen müssen.
Seine Schulter schmerzte jetzt ebenfalls wieder heftig und er verdrehte die Augen. Er wünschte sich so sehr, die Männer hätten ihn nicht gefunden. Es wäre so viel besser gewesen, wenn er einfach in der Wildnis bei Legolas und Gimli gestorben wäre.
Er hielt es nicht mehr aus, körperlich, wie auch seelisch. Er hatte keine Ahnung, was nun geschehen würde. Hatte Arwen den Heilern den Befehl schon gegeben? Jeden Moment könnten sie zur Tür hereinkommen, und nichts würde er tun können, wenn es so weit war. Er presste die Lippen zusammen und kniff die Augen zu. In seinen Augen brannte es und in seinem Kopf tobten die Gefühle. War er böse auf Arwen? Er liebte sie und er verstand sie in gewisser weise, aber er fürchtete sich so sehr. Er spürte Angstschweiß auf seiner Haut, nichts lag mehr in seiner Hand und sehnlichst wünschte er sich, dass der Tod ihn erlösen würde. Arwen war versorgt und gewiss fähig ihr Leben eigenständig zu meistern, Faramir würde sich um sein Volk kümmern, es würde keinen Unterschied machen, ob er jetzt leben oder sterben würde. Vorsichtig richtete er sich wieder auf und schob den Verband an seinem Bein zurück. Die Vergiftung war jetzt bereits fast zwei drittel seines Oberschenkels hinaufgekrochen, noch nicht weit genug, um ihn zu erlösen, wie er feststellte. Aber weit genug, um ihm sein Bein zu nehmen. Verzweiflung breitete sich in seinem Herzen aus, und er musste unweigerlich an Lhunroth denken. Der Mann hatte seine Gesicht verloren, einen Teil seiner Hände, seine Frau und sein Kind, Aragorn selbst würde nur sein Bein verlieren und das war so schlimm für ihn, dass es ihm die Sinne vernebelte und ihn zu einem ganz anderen Menschen machte. Es würde ihn verändern, wie würde er leben mit nur einem Bein? Würde Arwen ihn wirklich immer lieben, wenn er ein Krüppel war, so wie er es selbst fand. Er hatte die vielen Krieger gesehen, die in irgendwelchen Schlachten einige ihrer Gliedmaßen hatten einbüßen müssen. Einige lernten damit zu leben, andere verzweifelten daran. Er wusste zu welcher Gruppe er gehören würde, er war ein Mann der Freiheit und der Unabhängigkeit. Mit nur einem Bein wäre er ständig auf Hilfe angewiesen, ein Gefühl das ihm wiederstrebte und ihn unglücklich machte.
Aragorn hatte immer gedacht, er hätte sein Leben im Griff gehabt, doch nun musste er feststellen, dass dem nicht so war. Schlagartig hatte es sich verändert und nie wieder würde es so werden wie es war. Er hatte es überhaupt nicht verhindern können, es war einfach geschehen. Er wusste nicht mehr was er denken oder fühlen sollte. Sollte er zornig auf Lhunroth sein? Er war es, dass musste er zugeben, aber erst jetzt verstand er richtig, was ihn zu seiner Rache getrieben hatte. Es war furchtbar, wenn einem etwas genommen wurde, von dem man sich nicht trennen wollte und konnte.
Aragorn hatte pure Angst, und sie ließ sich nicht besiegen. Er hatte nur wenig Angst vor dem Tod, mehr Angst hatte er vor dem, was ihm vielleicht bevorstand. Diese nagende Ungewissheit, diese Panik, diese Verzweiflung, sie zermürbten ihn innerlich. Er war der König und hatte gedacht, er würde Macht besitzen, doch nun merkte er, dass er sie nicht hatte. Er konnte gar nichts tun, außer zu warten.
Schritte waren plötzlich auf dem Gang zu hören und Aragorn zuckte panisch zusammen. Sein Puls beschleunigte sich und zum ersten mal in seinem Leben hatte er das Bedürfnis zu fliehen. Einfach wegzurennen, sich irgendwo zu verstecken und allein zu sein. Sein Atem wurde immer heftiger, als er die Schritte näher kommen hörte. Wenn es nun die Heiler waren? Wenn sie es jetzt tun würden? Noch nie im Leben hatte er eine solche Panik verspürt, wie in diesem Moment und die Zeit, bis die Schritte vor seiner Tür waren schien ewig zu dauern.
Langsam öffnete sie sich und Aragorn krallte sich voll Angst in seine Bettdecke. Es war kindisch, er wusste es, und doch konnte er nichts dagegen tun, die Angst beherrschte ihn einfach.
Er erblickte Arwen und wartete zweifelnd, ob ihr noch wer folgen würde. Normalerweise konnte er immer genau sagen wie viele Personen es waren, wenn er ihre Schritte hörte, aber der Boden hier hallte wieder und jeder Schritt klang wie mehrere zusammen. Arwen kam hinein und schloss die Tür leise. In einigen Metern Entfernung blieb sie stehen und musterte ihn mit traurigen Augen und gleichzeitig einem kritischen Blick. Sie wusste nicht, wie er reagieren würde und hielt sich sicherheitshalber etwas abseits. Innerlich schmerzte sie das, dass sie sich vor ihrem eigenen Mann etwas fürchtete. Aragorn blickte müde zurück und beruhigte sich langsam von seiner Angst. Dennoch hatte er immer dieses ungute Gefühl in der Magengegend, wenn Arwen sie rufen würde, würden sie kommen. Zum ersten mal fürchtete auch er sich vor seiner Frau und er vermochte nichts zu sagen. Arwen blickte auf die Erde und schloss die Augen.
"Wirst du sie jetzt rufen", fragte Aragorn nach einer ganzen Zeit, als er die Ungewissheit nicht länger ertragen konnte.
Arwen schüttelte den Kopf. "Noch nicht."
Aragorn entspannte sich etwas, doch die Antwort seiner Frau war keinesfalls die, die er hatte hören wollen.
"Aber du wirst sie irgendwann holen", fragte er und schluckte.
Arwen zuckte mit den Schultern und schluchzte. "Was bleibt mir anderes übrig? Vielleicht ist es egoistisch, aber ich will dich nicht verlieren und ich kann dich nur auf einem Wege retten." Es fiel ihr schwer gegen den Willen ihres Mannes zu sein, aber sie glaubte keine andere Möglichkeit zu haben.
"Warum tust du mir das an", fragte Aragorn und sah sie eindringlich an.
"Das habe ich dir bereits gesagt, ich liebe dich."
"Aber ich werde nicht mehr der selbe sein, wenn du das tust! Du darfst es nicht zulassen, Arwen. Wenn du mich wirklich liebst, dann lässt du es nicht zu!"
"Du wirst mir vielleicht dankbar sein. Jetzt hast du vielleicht Angst, aber danach wirst du froh sein, dass du lebst."
Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Er war so müde und der Druck, der auf seiner Seele lastete, raubten ihm die Kräfte. "Du redest dir etwas ein, was meinst du, wie es danach sein wird?"
Arwen wollte keine rechte Antwort darauf einfallen. Sie wusste, dass er recht hatte, sie glaubte selbst auch recht zu haben, dieses Gespräch würde zu keinem Ergebnis führen. Letztendlich musste sie sich doch selbst entscheiden. Plötzlich hörte Arwen, wie von draußen ihr Name gerufen wurde und sie sah Aragorn tief in die Augen. Er wusste, dass sie es tun würde, sie würde gegen seinen Willen handeln.
Dann drehte sie sich langsam um und öffnete die Tür nach draußen.
"Arwen bitte, lass es nicht zu", rief Aragorn ihr hinterher, doch sie verlies ohne ein weiteres Wort den Raum.
Ein Wachmann hatte nach ihr gerufen, der ihr berichtete, dass Gandalf da wäre. Schweren Herzens machte sie sich auf in das Empfangszimmer, wo Gandalf sie bereits erwartete. Der Zauberer blickte auf, als er sie eintreten sah und ahnte sofort, dass etwas mit Aragorn sein musste. "Arwen, was ist geschehen", fragte er sie und seine Augen versuchten ihren Blick zu erfassen. Ein par Tränen verließen ihre Augen und langsam begann sie dem Zauberer zu erzählen, was geschehen war. "Was soll ich jetzt tun", fragte sie mit zitternder Stimme und wartete auf eine Antwort des Zauberers. Gandalf wusste sich keinen Rat, die Botschaften drohten selbst ihn zu übermannen. Er überlegte und strich sich gedankenverloren über seinen weißen Bart. "Ist er ansprechbar", fragte er Arwen nach einer ganzen Weile.
Die Elbin nickte und ging sogleich voraus um Gandalf zu zeigen in welchem Zimmer sich Aragorn befand.
Aragorn stand drinnen währenddessen wieder wahre Höllenqualen aus, als er Schritte vernahm. Er hatte nicht einmal schlafen können, so beherrschte ihn die Angst. Wieder versuchte er sich krampfhaft zur Ruhe zu zwingen und versuchte sich einzureden, dass es jemand anderes war, als die Heiler.
Diesmal betrat Gandalf den Raum und Aragorn sank sofort schlaff in seine Kissen zurück, so erleichtert war er. Seine Muskeln spannten sich jedes Mal krampfhaft an und alles tat ihm weh. Gandalf kam zu seinem Bett hinüber, obwohl Arwen ihm von Aragorns Wutausbruch berichtet hatte. Doch dem Zauberer war das egal, Aragorn bedeutete ihm viel und er war sich sicher, dass es diesmal nicht so weit kommen würde. Er holte sich einen Stuhl und setzte sich an sein Bett. Gandalf musterte Aragorn von Kopf bis Fuß und legte ihm die Hand beruhigend auf die Schulter. "Du fürchtest dich, mein Freund", begann er das Gespräch und Aragorn lächelte verbittert.
"Ja, mehr denn je."
"Wie geht es dir?"
"Um ehrlich zu sein, nicht gut."
Gandalf nickte verständnisvoll und legte seinen Zauberstab bei Seite. Er rückte ein Stück näher an Aragorn heran und konnte erkennen, dass er arg mitgenommen war.
"Sie will dir nur helfen, Aragorn."
"Ich weiß, aber sie ist uneinsichtig. Niemand kann mir mehr helfen", antwortete er matt.
Für eine Weile sahen sie sich nur tief in die Augen und Aragorn bemerkte, dass der Zauberer eine Ruhe auf ihn ausstrahlte, für die er äußerst dankbar war. In Gandalfs Nähe konnte Aragorn einmal kurz seine Situation vergessen, denn man merkte dem Zauberer nicht an, was er fühlte, er verhielt sich so wie immer.
"Ich weiß Gandalf, ich sollte nicht so sprechen, denn ich liebe Arwen, aber sie nutzt die Tatsache, dass ich Fieber habe gegen mich aus. Sie weiß sehr wohl, dass meine Entscheidung frei ist, ob Fieber oder nicht und trotzdem verwendet sie diese Tatsache gegen mich."
"Du hast recht, so solltest du nicht sprechen. Sie will nur dein Bestes, und du musst zugeben, dass die Angst und die Verzweiflung deine Entscheidungen in der Tat etwas beeinflussen."
"Ja, vielleicht hast du recht, aber trotzdem, ich will das nicht." Aragorn machte eine Pause und verzog schmerzlich sein Gesicht, durch sein Bein fuhr wieder ein schmerzvoller Stich. "Hast du von Gimli und Legolas gehört", fragte er den Zauberer nach einer Weile.
Gandalf nickte. "Nur oberflächlich, aber es ist schlimm. Es tut mir leid."
Aragorn erzählte ihm alle Details, die der Zauberer noch nicht kannte, denn in Aragorns Kopf waren die Bilder so wieso wieder, da spielte es keine Rolle, wenn er es noch einmal erzählte. Auch der Zauberer wirkte jetzt etwas aufgewühlt, als Aragorn geendigt hatte.
"Wahrlich, das was da geschehen ist, ist furchtbar. Ich bezweifele fast, dass es sich um Zufälle handelt, fast erscheint es mir, als wäre eine unsichtbare Macht gegen euch gewesen."
"Ich glaube, es waren nur falsche Entscheidungen, die wir alle getroffen haben. Legolas hätte nicht springen dürfen, ich hätte Lhunroth erzählen müssen, dass ich ihn kenne, auch wenn dem nicht so ist und ich hätte anders reagieren müssen, als mich die Männer aus Minas Tirith rausgelockt haben."
"Du kannst nicht wissen, ob dann alles anders gekommen wäre."
"So wie es jedenfalls jetzt gekommen ist es mehr als schlimm."
Gandalf nickte und sog scharf die Luft ein. "Aragorn, ich weiß, du bist dagegen und es ist auch dein gutes recht. Ich verstehe dich und deine Entscheidung, aber ich frage dich jetzt als Freund, willst du deinem Leben wirklich so ein Ende setzten? Das sie dir das Bein nehmen müssen ist schlimm, aber du kannst auch so glücklich werden."
Aragorn atmete heftig ein. "Das was geschehen ist, wird mich immer verfolgen, mein Leben lang, ich glaube, ich werde nie wieder richtig unbeschwert sein können." Aragorn machte eine Pause und sah Gandalf tief in die Augen. "Ich glaube, es ist ohnehin zu spät, egal, ob sie mir das Bein nehmen oder nicht. Mein Leben ist vorbei Gandalf und es ist besser so." Aragorn sah ihn wehmütig an und der Zauberer blickte erwartungsvoll und mitleidig zugleich zurück. "So oder so, ich werde das Bein, wenn ich hier lebend rauskomme, nie wieder gebrauchen können. Aber wenn ich das nicht mehr kann, dann stirbt ein Teil von mir, auch wenn der Rest vielleicht überleben mag."
"Was meinst du", fragte Gandalf.
"Tief in meinem Herzen bin ich immer noch ein Waldläufer. Und was ist ein Waldläufer, der nie mehr laufen kann?"
Gandalf blickte ihn fassungslos an und erkannte, dass er es tatsächlich ernst meinte.
"Versuch Arwen zu überreden, dass sie von ihrer Entscheidung abweicht, erspart mir diese Qual."
Gandalf nickte verständnisvoll und erkannte die Müdigkeit in seinen Augen. Er hatte genug gelitten.
"Ihr müsst euch nicht um mich sorgen, mir tut nichts leid, außer, dass Legolas sein Leben ganz umsonst geopfert hat, denn nun sterbe ich doch."
Gandalf wirkte geistesabwesend und schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Doch er hatte jedes Wort, dass Aragorn gesagt hatte vernommen und wurde nun wieder von ihm aus seinen Gedanken gerissen.
"Darf ich dich um etwas bitten", fragte Aragorn ihn, und Gandalfs und sein Blick trafen sich wieder. Der Zauberer nickte.
"Sag Faramir, wenn du ihn siehst, dass es mir Leid tut, ich war in der Tat nicht mehr ich selbst."
Gandalf nickte wieder und erhob sich dann langsam. "Kann ich sonst noch etwas tun?"
"Nein, es gibt nichts mehr, dass du tun kannst."
Gandalf drehte sich um und ging in Richtung Tür. Er nickte Aragorn zum Abschied zu, der schon wieder mit heftigen Stichen in Bein und Schulter zu kämpfen hatte. Aragorn fühlte sich nun etwas ruhiger, er hoffte, dass Gandalf Arwen überzeugen konnte. Er blickte aus dem Fenster und sah, dass es aufgehört hatte zu regnen. Der Abend brach langsam an und tauchte die Umgebung in ein zartes Rot. Es war ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen, dass es einer der letzten Sonnenuntergänge war, die er sehen würde. Es war nur noch eine Frage der Zeit, aber dennoch versuchte er möglichst keine Furcht zu haben.

Gandalf eilte den Flur entlang und fragte einen Wachmann, ob er wüsste, wo sich Frau Arwen aufhielt. Er geleitete ihn in ein Zimmer, wo außer Arwen auch noch Eowyn und Faramir saßen. Alle blickten hoch, als der Zauberer den Raum betrat und er konnte die bohrenden Blicke auf seiner Haut förmlich spüren.
"Er hat seine Meinung nicht geändert, sein Wille ist der selbe, auch mir gegenüber", sagte er an Arwen gerichtet.
"Ich weiß, das war mir klar. Aber wie stehst du dazu? Was meinst du", gab sie zurück.
Gandalf machte eine Pause und blickte sich im Raum um, als würde er etwas suchen. Faramir und Eowyn saßen nur da und blickten stumm auf den Zauberer.
"Ich sage, lass ihm seinen Willen. Quäl ihn nicht Arwen, auch wenn deine Absichten gut sein mögen."
Arwen senkte ihren Kopf. "Aber das würde seinen Tod bedeuten."
Gandalf sah sie mitleidig an, denn er wusste sehr wohl, dass sie ihre Unsterblichkeit für Aragorn aufgegeben hatte und wenn er jetzt sterben würde, währe alles um sonst gewesen. Sie würde allein sein und vielleicht vor Trauer vergehen. Doch er dachte auch an Aragorn und seine Worte und deshalb sagte er in ruhigem Ton: "Niemand kann dir versprechen, dass es anders ausgeht, wenn sie ihm sein Bein nehmen."
"Aber er hätte wenigstens eine Chance."
"Denkst du nicht wirklich, dass er das selbst entscheiden sollte?"
"Nein, Gandalf, das denke ich nicht, denn ich kann mir nicht sicher sein, ob seine Entscheidungen nicht vielleicht doch vom Fieber getrübt werden. Vielleicht wäre er so vernünftig und würde es einsehen, wenn er kein Fieber hätte. Es tut mir leid, er möge mir verzeihen, wenn meine Entscheidung falsch sein sollte, aber ich gehe jetzt die Heiler holen", Arwens Stimme zitterte und Eowyn sah sie fragend an. Faramir nahm ihre Hand und neigte sich überlegend nach vorn.
Gandalf schüttelte nur den Kopf. "Du bist verzweifelt Arwen, das sehe ich, Tu es nicht!"
"Du vermagst mir auch nicht zu sagen was wird, wie es ausgehen wird. Ich lasse ihn nicht sterben."
Gandalf kniff die Augen zusammen und Arwen erhob sich schnell. "Er hat mich gebeten, dich zu überreden, es nicht zu tun. Mein Gewissen würde auch darunter leiden, wenn du es jetzt doch tust! Er wird das nicht überstehen, Arwen, das hat er mir selbst gesagt, nimm Vernunft an und lass ihn in Frieden gehen!"
Arwen schüttelte den Kopf und lief an dem Zauberer vorbei, aus der Tür hinaus. Gandalf überlegte, ob er sie nicht aufhalten sollte, doch er hörte schon ihre Rufe im Gang und wusste, es war zu spät. Faramir und Eowyn wussten überhaupt nicht mehr, wie sie reagieren sollten, sie konnten das alles nicht recht glauben und blickten sich verzweifelt um.
Ein par Augenblicke später hörte man bereits eilige Schritte im Gang und Gandalf spürte, dass schmerzliche Gefühl, jemandem nicht mehr helfen zu können. Er stand wie angewurzelt da und bei dem Gedanken, was Aragorn nun bevorstand, liefen ihm Schauer über den Rücken.

Aragorn lag in seinem Bett und lauschte den Geräuschen. Plötzlich vernahm er wieder Schritte, doch diesmal war es anders und wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass Gandalf kein Glück gehabt hatte. Sein Puls beschleunigte sich auf nahezu rasende Geschwindigkeit, kalter Schweiß lief ihm den Rücken hinunter und nackte Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er begann zu zittern und seine Gedanken schalteten sich fast völlig aus. Nur noch Angst war da. Er richtete sich auf und lauschte voll Panik den immer näher kommenden Schritten. Alles in ihm zog sich zusammen und verkrampfte sich. Er richtete sich auf und hörte wie die Schritte fast vor der Tür ankamen. Wie ein in die Ecke getriebenes Tier quetschte er sich an die Wand, so gut es ging und flehte, dass es nicht die Heiler waren, die gleich das Zimmer betreten würden.
Sein Herz blieb fast stehen, als er erkannte, dass es tatsächlich sechs Heiler waren, mit Handtüchern und Wasserschalen in den Händen. Hinter ihnen betrat Arwen das Zimmer und blickte ihren völlig verängstigten Ehemann an. Auch ihr Herz wollte fast zerspringen bei dem Anblick und ihre Knie wurden weich. Die Heiler stellten ihre Utensilien auf einen Tisch und kamen danach auf Aragorn zu. Er quetschte sich immer weiter an die Wand und vergas alle Schmerzen in seiner Schulter. Hätte er laufen können, er wäre einfach weggerannt. Sein Atem ging heftig und er wich immer weiter zurück, bis er nicht mehr weiter konnte und er wusste, dass er nicht mehr entkommen konnte. Ein Heiler packte seinen Arm und ein anderer sein gesundes Bein. Aragorn keuchte angsterfüllt. "Nein bitte, Arwen, tu mir das nicht an", flehte er und spürte die festen Griffe der Heiler an seinen Gliedmaßen. Arwen stand nur da und blickte auf ihren Mann. Tränen rollten über ihre Wangen, es tat ihr so unendlich leid.
Aragorn wehrte sich verbissen und wand sich unter den Griffen der Heiler hin und her. Bald hatten sie ihn jedoch so fest gepackt, dass er nicht mehr entkommen konnte und er spürte wieder diese Hilflosigkeit, die er schon einmal empfunden hatte. Sie würden es tun, und er konnte nicht entkommen.
"Arwen, um alles in der Welt, ruf sie zurück, ich bitte dich", brüllte er verzweifelt zu seiner Frau hinüber, doch Arwen tat nichts sondern stand einfach nur da.
"Lasst mich sofort los, wenn ich das hier überlebe, lasse ich euch alle in den Kerker werfen", schrie er die Heiler an, doch sie ließen sich überhaupt nicht davon beeindrucken. Sie hoben ihn auf den Boden und knieten sich neben ihn. Sie hielten ihn energisch fest und Aragorn verlor erste Tränen. Er musste sich schon jetzt zusammennehmen, um nicht zu schreien.
"Verdammt, Arwen, bitte", schrie er und seine Stimme klang so angsterfüllt, dass Arwen wirklich für einen kurzen Moment überlegte, ob sie die Heiler nicht doch zurückrufen sollte. Noch nie hatte Aragorn jemanden so inständig um etwas gebeten. Er bettelte nahezu darum, doch Arwen liebte ihn so sehr, dass sie es als seine einzige Chance sah und eisern bei ihrer Entscheidung blieb. Aragorn gelang es sich für einen kurzen Moment auf die Seite zu rollen und er konnte Arwen direkt in die Augen sehen. "Bitte", flehte er noch einmal, doch ein Heiler riss ihn zurück und drückte seinen Kopf nach unten, so dass er ihn nicht mehr heben konnte und damit auch in seinen anderen Versuchen, sich zu wehren, eingeschränkt war. Mit geschickten Griffen sorgten sie dafür, dass Aragorn sich bald kaum noch bewegen konnte und er wusste, dass er verloren hatte. "Lasst mich bitte los", flehte er und schloss die Augen. Er stöhnte und keuchte und hörte mit einem mal ein klapperndes Geräusch. Aus den Augenwinkeln erkannte er ein paar metallische Gegenstände, die ein Heiler aus einer Tasche holte, und die Erkenntnis, dass unter ihnen auch eine Knochensäge war, raubten ihm fast den Atem. "Oh, bei den Valar, ich bin euer König, das könnt ihr doch nicht tun", keuchte er und sah aus den Augenwinkeln, wie Arwen sich langsam umdrehte und aus dem Zimmer ging. "Arwen, wenn du mich wirklich liebst, dann ruf sie zurück... bitte, ruf sie zurück", brüllte er ihr hinterher, doch sie schloss die Tür hinter sich und hielt sich die Ohren zu, damit sie die verzweifelten Rufe ihres Mannes nicht mehr hören musste. Es brach ihr das Herz.
Aragorn versuchte immer noch seinen Kopf zu heben oder seinen Arm zu befreien, er bäumte sich unter den Griffen der Heiler auf und versuchte sich zu den Seiten hin wegzudrehen. Ob er Drohungen ausstieß, oder bettelte, es half nichts, die Heiler setzten ihr Werk ungerührt fort. Aragorns Körper zitterte schon heftig vor Angst und Anspannung und er spürte schon die Schwäche, die in ihm hochstieg. Er merkte, wie ihm einer der Heiler mit einem länglichen Stück Stoff das Bein abband, damit die Blutung nicht so stark wurde. Aragorn verdrehte die Augen und kämpfte wie wild, um sich loszureißen. "Lasst mich bitte los", flüsterte er und sah die Heiler bittend an, doch sie festigten ihre Griffe noch und Aragorn war nicht mehr in der Lage sich auch nur irgendwie zu bewegen. "Wir werden uns beeilen", hörte er einen der Heiler sagen und Aragorn spürte nichts mehr, außer die Panik und sein Herz, das ihm vor Angst bis zum Hals schlug. Er verkrampfte sich völlig und spannte alle seine Muskeln noch heftiger an. Sein Brustkorb hob und senkte sich völlig unnatürlich schwer und Angstschauer jagten ihm über den Rücken. Er drehte seinen Augen nach unten und sah nun voll Panik, wie ein Heiler die Knochensäge in die Hand nahm. Er konnte seine Schreie einfach nicht mehr zurückhalten. Der Gedanke, dass sie die Säge gleich an sein Bein ansetzen würden machten ihn rasend. Seine lauten Schreie drangen durch die Tür, über den Gang, bis hinein in das Zimmer, wo Arwen wieder bei Eowyn, Faramir und Gandalf saß und alle nur schweigend dasaßen. Arwen hielt sich wieder die Ohren zu, Eowyn begann zu zittern und wurde von Faramir schützend an seine Brust gedrückt. Gandalf saß auf seinen Zauberstab gestützt da und als Arwen ihn ansah, wollte sie ihren Augen nicht trauen. Mit weit geöffneten Augen saß der Zauberer da und eine Träne rann aus seinem Auge hinunter und verschwand in seinem weißen Bart.
Nicht mal Arwens Ohrenzuhalten verhinderte es, dass sie Aragorns Schreie wahrnahm. Er schrie so laut, dass es durch jede Wand zu dringen schien und durch nichts aufzuhalten war. Jeder, der ihn hörte hatte das Gefühl, einen Teil des Leids, dass Aragorn durchstehen musste, selbst zu empfinden. Auch Eowyn hielt sich nun die Ohren zu, sie ertrug die Schreie nicht mehr und Arwen saß bald nur noch zusammengekauert auf dem Sofa und schluchzte.

Zwei Heiler holten nun die Wasserschalen von dem Tisch und einer von ihnen zog ein kleines braunes Fläschchen aus einer Tasche. Die Flüssigkeit aus der Flasche wurde in eine Wasserschale geschüttet und färbte es trüb.
Mehrere kleine Stoffstücken wurden in die nun trübe Flüssigkeit getaucht und immer noch verließen panische Angstschreie Aragorns Kehle. Ein Heiler nahm ein Stoffstück heraus und legte es Aragorn auf die Nasenlöcher, während ein anderer mit festen Griff seinen Kopf stärker runterdrückte, weil Aragorn schon wieder versuchte ihn verzweifelt zu heben.
"Bleibt mir damit vom Leibe", schrie er die Heiler an, doch wie schon zuvor war es vergebens. Seine Handgelenke schmerzten bereits, weil die Heiler sie mit solch einer Kraft umschlungen hielten.
"Es wird euch die Schmerzen etwas nehmen", beschwichtigte ihn ein Heiler, bevor er ihm den letzten Stofffetzen auf den Mund drückte und Aragorns Schrei damit erstickte. Ein beißender Geruch stieg ihm in die Nase und schon jetzt merkte er, wie es ihm die Sinne leicht vernebelte. Er spürte, wie es ihn lähmte, es ihn seiner, durch die Angst hervorgerufenen, Kräfte beraubte. Nur wenige Momente blieben die Stoffstücke auf Aragorns Mund und Nase, dann nahm ein Heiler sie weg, weil sonst die Gefahr bestand, dass das Betäubungsmittel ihn vergiftete.
Aragorn keuchte, sog die Luft ein, die erfüllt war von allerlei Kräuterdüften, und stellte fest, dass er kaum mehr etwas spürte. Immer noch hielten die Heiler seine Handgelenke fest umschlungen, doch spürte er keinen Schmerz mehr. Auch seine Schulter merkte er kaum noch, sein ganzer Körper schien von einem Taubheitsgefühl durchflutet zu werden, dass immer stärker wurde. Aragorns andere Sinne waren jedoch wieder zurückgekehrt und er konnte aus den Augenwinkeln beobachten, wie der Heiler, der an seinem Bein kniete, die Säge mit einer Flüssigkeit reinigte. Ein anderer legte Verbände zurecht und Aragorn versuchte sich ein letztes Mal zu wehren. Der Heiler, der seinen Kopf hielt, legte seine Hand unter sein Kinn, drückte es zurück und sorgte somit dafür, dass Aragorn nicht mehr sah, was die anderen Heiler taten, sondern dass sein Blick auf die Schlafzimmerwand fiel. Er merkte gar nicht, dass er heftig zitterte und dass Schluchzer aus seiner Kehle drangen.
Der Heiler setzte die Knochensäge an Aragorns Hüftgelenk an und begann sie ruckartig hin und her zu ziehen, was Aragorn durch die Betäubung im ersten Moment gar nicht wahr nahm. Erst langsam kehrte der Schmerz wieder in sein Bein zurück, als der Heiler mit der Säge tiefer vordrang.
Aragorn war wie in Trance, er konnte nicht glauben, was da gerade geschah und schloss verzweifelt die Augen. Der Heiler, der ihm den Kopf hielt achtete sorgsam auf seine Atmung und flüsterte ihm immer wieder zu, dass es bald vorbei wäre. Er hörte das Klappern von Gegenständen, konnte einen Heiler immer wieder hin und her eilen sehen und er ballte seine Hände krampfhaft zusammen, als er einen großen Blutfleck auf der Kleidung des Heilers erkannte und sich bewusst war, dass es sein Blut war. Der Heiler an seinem Kopf merkte, wie die Nervosität wieder in Aragorn hochstieg und sein Atem heftiger wurde vor Aufregung. Er legte ihm die Hand auf die Stirn und war immer sehr bemüht, dass Aragorn bloß nicht dazu kam, seinen Blick zu senken und eventuell einen Blick auf sein Bein erharschen konnte.
Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, als Aragorn plötzlich wahrnahm, wie der Heiler an seinem Kopf ziemlich nervös wurde und hektische Blicke zu den anderen warf. Aragorn merkte sofort, dass etwas nicht stimmte, denn kurz darauf war lautes Klappern zu hören und zwei Heiler liefen hektisch umher, riefen sich Dinge zu, die er nicht verstand und holten eilig irgendwelche Gegenstände heran. Ihm wurde heiß und kalt zugleich, als er merkte, wie regelrecht eine Panik unter den Heilern ausbrach. Er schluckte und wünschte sich so sehr, dass der eine Heiler endlich seinen Kopf freigeben würde. Er fürchtete sich zwar davor, was er erblicken würde, aber diese Ungewissheit, die nun in ihm herrschte, machte es ihm auch nicht gerade leichter. "Was ist", flüsterte er und seine Stimme klang schon fast kläglich.
Der Heiler über ihn sah ihn an und antwortete: "Nichts, macht euch keine Sorgen", doch Aragorn wusste, dass es gelogen war. Irgendetwas war nicht in Ordnung und wieder durchflutete ein heftiges Zittern seinen Körper und der Heiler sah ihn erschreckt an. Aragorn stöhnte, als er plötzlich eine große Schwäche spürte und ein Schwindelgefühl wahrnahm. Wieder rief der Heiler etwas unverständliches und die anderen schienen zu antworten, doch waren ihre Rufe laut und verzweifelt. Von unten ergriff Aragorn eine mächtige Kälte und plötzlich bekam er wieder ein Gefühl in seinen Händen und stellte fest, dass der Boden nass und klebrig war. Ein Schleier legte sich über seine Augen und er versuchte gegen die drohende Bewusstlosigkeit anzukämpfen. Er vermochte sich kaum noch zu bewegen, auch wenn er gewollt hätte, und die Heiler lösten ihre Griffe und stürzten zu dem mit der Säge. Aragorn hörte wieder ihre Rufe und wurde sich jetzt erst bewusst, dass sein Kopf nicht mehr festgehalten wurde. Er schaffte es, sich mit viel Mühe aufzurichten und verschwommen konnte er sehen, dass sein Bein zwar noch dran war, aber der Heiler mit der Säge so weit vorgedrungen zu sein schien, dass er unabsichtlich eine große Ader durchtrennt hatte. Blut floss über den Boden und die Heiler schienen verzweifelt die Blutung stillen zu wollen, indem sie Verbände und Stofffetzen auf sein Bein drückten und mit eigenartigen Gerätschaften hantierten.
Aragorn sah es und begriff erst nicht recht, was da geschah. Erst nach einem Moment spürte er, wie ein Würgreiz in ihm hochstieg und ein erneuter Schwindel sorgte dafür, dass er wieder zurück auf den Boden fiel.
Tränen rannen aus seinen Augen, sein Atem wurde langsamer und die Stimmen der Heiler schienen sich immer weiter zu entfernen. Langsam, ganz langsam kam ihm die Erkenntnis, dass die Heiler umsonst darum kämpften, die Blutung zu stillen. Er wusste, dass er sterben würde, sein Leben würde zu Ende gehen.

Ein Heiler betrat hektisch das Zimmer indem Arwen, Gandalf, Eowyn und Faramir saßen und schien völlig außer sich. Arwen glaubte das Herz bliebe ihr stehen, als sie das viele Blut auf seiner Kleidung sah und sofort wusste sie, dass etwas nicht stimmte. "Er stirbt", sagte der Heiler und Gandalf sprang so schnell wie noch nie von seinem Platz hoch.
Der Heiler stand im Zimmer und schüttelte nur den Kopf. "Wir mussten abbrechen, die Blutung ist so stark, wir bekommen sie nicht mehr in den Griff. Er hat nur noch wenige Minuten, wir können nichts mehr tun."
Arwen wich alle Farbe aus dem Gesicht und sie wusste, dass ihre Entscheidung falsch gewesen war. Sie hätte auf Gandalf hören sollen, er hatte recht gehabt. Der Heiler lief wieder aus dem Zimmer und Arwen folgte ihm mit schweren Schritten. Fast wagte sie es nicht, das Zimmer zu betreten, indem Aragorn war, doch sie zwang sich dazu hineinzugehen und unterdrückte nur schwerlich einen Ohnmachtsanfall, als sie ihren Mann sah. Sie schlug die Hände vor den Mund und ihre Knie wurden weich, was hatte sie nur getan? Sie hatte ihren eigenen Mann getötet, obwohl sie ihn doch so liebte.
Aragorn lag immer noch auf der Erde und bewegte sich nur noch ganz schwach. Er war kreidebleich und um ihn herum ergoss sich eine riesige Blutpfütze. Seine Haut glänzte von Schweiß und aus seinen Augen waren Tränen geflossen. Die Heiler hatten seinen Unterleib, samt Beine aus Rücksicht mit einer Decke abgedeckt, doch sie war bereits schon zur Hälfte mit Blut durchtränkt. Die Handtücher die die Heiler mitgebracht hatten lagen ebenfalls blutdurchtränkt auf dem Boden und einer der Heiler packte die vielen Utensilien wieder zusammen, wobei er wehmütig auf seinen König blickte. Auch alle anderen Heiler standen um Aragorn herum und hin und wieder hörte man ein par geflüsterte Worte, die wie "verzeih mir, mein König", klangen.
Arwen kniete sich neben ihren Mann und nahm seine Hand, dann blickte sie die Heiler wütend an und schrie völlig außer sich: "Verschwindet sofort, oder ich vergesse mich hier!"
Wie geprügelte Hunde verließen die Heiler in geduckter Haltung den Raum und stießen fast mit Gandalf, Eowyn und Faramir zusammen, die nun ebenfalls um die Ecke ins Zimmer traten. Eowyn drehte sich sofort um und begann heftig zu weinen. Faramir nahm sie daraufhin in den Arm und hielt sie fest.
Arwen strich Aragorn über die kalte, schweißnasse Stirn und schluchzte kläglich. Langsam öffnete Aragorn die Augen und auch Gandalf kniete sich neben ihn. Der Zauberer bemerkte, dass das Blut fortwährend wie kleine Wellen unter der Decke hervorschwappte und legte Aragorn die Hand auf die Brust. Er spürte den schwachen Herzschlag und war verzweifelt nichts tun zu können.
"Hasse mich nicht, ich wollte doch nur, dass du lebst", flüsterte Arwen und fühlte, wie eine Welt in ihr zusammenbrach. Sie spürte wie Aragorn ihre Hand etwas drückte und sah ihn verzweifelt an.
"Begrabt mich neben Legolas und Gimli, erfüllt mir wenigstens diesen Wunsch", flüsterte Aragorn schwach.
Gandalf sah Arwen an und beide fingen an zu nicken, wobei sich die Trauer nur schwerlich zurückhalten ließ. "Verzeih mir Aragorn, Gandalf hat versucht mich zu überreden es nicht zu tun, aber ich wollte nicht hören. Zu sehr wollte ich, dass du lebst und nun habe ich dich getötet, ich sollte auch sterben", sagte Arwen kläglich und streichelte Aragorn immer wieder über die Wange.
"Es wäre ohnehin so gekommen. Immerhin habe ich mein Bein doch noch, wen ich jetzt sterbe. Ich mache dir keinen Vorwurf, jetzt nicht mehr", hauchte Aragorn und schloss die Augen. Arwen sah ihn an und spürte, wie der Druck von seiner Hand nachließ. Er atmete einmal lange aus und Gandalf legte ihm noch mal die Hand auf die Brust. Er spürte keinen einzigen Herzschlag mehr und wusste, dass er gestorben war.
Der König von Gondor hatte damit sein Volk verlassen und war seinen Gefährten gefolgt.

Der König ist tot. Diese Nachricht verbreitete sich am nächsten Morgen in Minas Tirith, gegen Faramirs Willen, schneller als ein Lauffeuer. Wie sie sich den Weg nach draußen gesucht hatte, konnte niemand sagen, vielleicht war es einer der Wachen gewesen, der die Nachricht von Aragorns Tod nach draußen hatte vordringen lassen. Das Volk geriet sofort in Unruhe. Einige wollten das nicht glauben, andere waren tief bestürzt. Sofort versammelten sich Menschen vor Aragorns Residenz und verlangten Antworten auf ihre Fragen. Die Stadt war mit einem Mal ungewöhnlich belebt. Hektische Menschen eilten durch die Stadt zu ihren Bekannten und gaben die Nachricht weiter. Viele hatten Angst, besonders die Älteren der Bevölkerung sahen schon teilweise den Untergang Gondors vor sich, weil sie glaubten, jemand habe den König getötet, um nun seinen Platz dort einzunehmen und alle ins Unglück zu stürzen.
Faramir wusste, dass er dem Volk möglichst schnell erklären musste, was wirklich geschehen war, weil er sonst fürchtete, dass weitere Unruhen entstehen könnten, die vielleicht sogar außer Kontrolle geraten würden. Er saß bereits seit einer ganzen Zeit an Aragorns ehemaligem Schreibtisch und brütete über eine Rede an das Volk. Von draußen hörte er Rufe, das Volk wollte wissen, wer nun Aragorns Platz einnehmen würde. Faramir stöhnte gequält, seine Gedanken waren ganz woanders und er hatte schon unzählige Male von neuem mit der Rede beginnen müssen, weil ihm die richtigen Worte nicht einfallen wollten.
Eowyn betrat den Raum und legte von hinten ihre Hände auf seine Schultern.
"Konntest du schlafen", wurde sie von Faramir gefragt.
"Nein, überhaupt nicht."
Faramir nickte. "Ich auch nicht", sagte er gedankenverloren. Sie lauschten den unruhigen Rufen der Menge, draußen vor dem Tor.
Eowyn umarmte Faramir fest und kuschelte sich an seine Seite. Nie würde sie die Gedanken aussprechen, doch sie hatte Angst um ihn. Im Moment gab es keinen Grund zur Sorge, ihm ging es gut und alles war in Ordnung, doch bis vor ein paar Tagen war mit Aragorn, Legolas und Gimli auch noch alles in Ordnung gewesen, doch wie schnell hatte sie der Tod geholt. In solchen Situationen wurde Eowyn immer sehr bewusst, dass nichts ewig hielt und dass manchmal schnell alles anders kommen kann, als man denkt. Sie liebte Faramir und sie hoffte, dass ihm nie etwas geschehen würde. Sie hatte sich in der letzten Nacht oft gefragt, wie sie sich an Arwens Stelle entschieden hätte, doch sie konnte keine Antwort darauf finden. Sie versuchte den Gedanken zu verwerfen und sich einzureden, dass ihr so etwas gewiss nicht passieren würde.
"Wie geht es Arwen", fragte Faramir ganz plötzlich, nachdem eine Weile nichts gesagt wurde. Eowyn zuckte mit den Schultern. "Sie hat sich in ein Zimmer eingeschlossen und ist nur einmal hinausgekommen. Da hat sie lediglich aus dem Fenster gesehen, hat sich die rufenden Leute betrachtet und ist dann ohne ein Wort zu sagen wieder verschwunden. Sie trauert und ich glaube nicht, dass das in der nächsten Zeit anders sein wird."
"Ob es überhaupt jemals wieder anders sein wird? Sie hat wegen Aragorn ihre Unsterblichkeit aufgegeben und nun ist sie ganz allein. Wird sie jemals aufhören zu trauern?"
Eowyn zuckte hilflos mit den Schultern. "Das Leben geht für uns alle irgendwie weiter, das gilt auch für sie. Sie wird lernen müssen damit zu leben, so schwer es ihr auch fallen mag." Eowyn machte eine Pause und sah Faramir an. "Aber ich kann sie verstehen, ich glaube, ich würde an gebrochenem Herzen sterben, wenn du mich verlassen würdest", fügte sie hinzu.
Farmir drückte ihre Hand und die Worte seiner Frau erfüllten ihn mit Wärme. "Du verlierst mich ja nicht! Aber ich fürchte, dass Arwen vielleicht an ihrem gebrochenem Herzen zu Grunde gehen könnte. Sie muss ja nicht gleich sterben, aber Aragorns Tod wird sie gewiss verändern, ich hoffe, dass sie stark ist und irgendwann darüber hinwegkommt."
"Es ist gerade mal ein paar Stunden her, sie wird viel Zeit brauchen."
Faramir nickte und bemerkte, dass er die Feder mit der Tinte zu lange über dem Pergament gehalten hatte, so dass jetzt ein riesiger blauer Fleck auf ihm entstanden war.
Er sah Eowyn genervt an und legte dann die Feder beiseite.
"Ich will einfach keine Worte finden, ich weiß nicht, wie ich es dem Volk erklären soll. Hör dir an, wie sie rufen und Antworten haben wollen! Soll ich ihnen die Wahrheit sagen? Soll ich die Wahrheit verschönen? Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung..."
"Denk nicht so viel darüber nach, hör einfach, was dein Herz dir sagt."
Faramir nickte. "Ja, das ist vielleicht das Beste. Ich sollte nicht zu sehr darüber nachdenken, ich sollte einfach das schreiben, was mir gerade in den Sinn kommt."
Eowyn verlies den Raum und ließ Faramir die nötige Ruhe um die Rede vorzubereiten.

Noch am selben Nachmittag stand Faramir vor dem Volk und verkündete die Geschehnisse. Tiefe Trauer breitete sich bei den Menschenmengen aus, viele weinten über den Verlust ihres Königs. Faramir gab bekannt, dass er vorerst Aragorns Platz einnehmen würde und das Volk schien über diese Tatsache einigermaßen beruhigt zu sein. Die Beerdigung des Königs sollte zusammen mit Legolas und Gimli in ein paar Tagen stattfinden. Bis dahin würden auch mit Sicherheit Thranduil und die Zwerge in Minas Tirith eingetroffen sein.

Nach Faramirs Rede wurde das Volk ruhiger. Die Unruhen lösten sich auf und die Rufe verstummten. Viele Menschen kamen jedoch und legten Blumen vor das Tor, um ihre Trauer zu zeigen.
In den nächsten Tagen wurden die Vorbereitungen für die Beerdigung getroffen. Faramir hetzte den ganzen Tag hin und her und arbeitete bis in die Nächte hinein, um auch alle seine Aufgaben zu schaffen. Er schrieb Briefe und organisierte den Ablauf der Beerdigung. Auch dafür schrieb er die Reden und er bereitete die Ankunft von Thranduil vor. Eowyn sorgte für dunkle Stoffe und Blumen auf der Beerdigung und Gandalf bot seine Hilfe an, wo er nur konnte. Arwen bekam man kaum zu Gesicht. Meist hielt sie sich in einem Zimmer auf und kam nicht hinaus. Nur einmal redete sie mit Eowyn. Sie bedankte sich dafür, dass sie und ihr Mann sich um alles kümmerten und entschuldigte sich dafür, dass sie selbst es einfach nicht konnte. Eowyn nickte daraufhin verständnisvoll und beobachtete danach, wie sie wieder in dem Zimmer verschwand.
Irgendwann erreichte Thranduil mit vielen Elben Minas Tirith und nur kurze Zeit später folgten ein Dutzend Zwerge. Gandalf nahm sich des Königs vom Düsterwald an und erklärte ihm die Umstände vom Tod seines Sohnes. Der Zauberer war nahezu der Einzig

e, der die Einzelheiten kannte, doch ließ er gelegentlich nicht jede Einzelheit verlauten. Thranduil war mehr als bestürzt, als er erfuhr, durch welch unglückliche Umstände Legolas ums Leben kam und wollte sofort alles über Lhunroth wissen, denn er war der Meinung, man müsse diesen Verbrecher um der Toten Willen zur Strecke bringen. Die Informationen, die Gandalf über ihn geben konnte, waren jedoch keinesfalls ausreichend und so musste Thranduil erkennen, dass der Tod seines Sohnes und der anderen ungerächt bleiben würde.
Am nächsten Tag wurden Aragorn, Legolas und Gimli hinter Aragorns Residenz auf einer Wiese beerdigt. Ein Podest war errichtet worden und um dieses Podest standen Elben, die leise Trauergesänge erklingen ließen. Die drei Särge, zwei große und ein kleinerer, standen ebenfalls auf dem Podest und waren mit schwarzen, seidigen Tüchern abgehangen. Über der unteren Hälfte der Särge lag nochmals ein Tuch, mit den Wappen ihres Volkes. Am Kopfende lag jeweils ein Gegenstand, der besonders wichtig für die Toten gewesen war. Auf dem mittleren Sarg, Aragorns, lag Arwens Abendstern. Auf Legolas´ Sarg befand sich seine Mallornblattbrosche und auf Gimlis kleinerem Sarg hatte man ihm seine Axt gelegt.
Arwen stand ganz in schwarz gehüllt vor dem Sarg ihres Mannes und hatte ihren schwarzen Schleier so weit ins Gesicht gezogen, dass man nicht sehen konnte, ob sie weinte oder nicht. Doch jeder war sich ziemlich sicher, dass sie es tat, denn allein der traurige Elbengesang ließ jeden, der ihn hörte die Tränen unkontrolliert aus den Augen laufen.
Zu erst ließ Faramir ein paar Worte verlauten, danach Thranduil, nach ihm ein Zwerg und schließlich Arwen, weil sie es für ihre Pflicht hielt. Gandalf stellte sich währenddessen neben sie. Als sie sprach, war ihre Stimme leise und sie wagte es nicht ihren Schleier abzunehmen. Ihre Rede war kurz, doch jeder war beeindruckt, dass sie überhaupt öffentlich geredet hatte.
Danach wurden die drei Särge in die vorher gegrabenen Löcher hinabgelassen und Erde wurde aufgeschüttet. Jeder konnte nun den Toten noch einmal die letzte Ehre erweisen, indem er Blumen oder ähnliches auf die Erdhügel legte. Thranduil legte seinem Sohn eine große, weiße Blume auf das Grab und senkte seinen Kopf ehrfürchtig. Der Wind ließ seine langen, blonden Haare und sein Gewand nach hinten wehen und er flüsterte ein paar elbische Abschiedsworte. Genau so taten es ihm die anderen gleich und danach konnte auch das Volk seine Blumen niederlegen und sich ein letztes Mal verabschieden. Gandalf registrierte es wohlwollend, dass Legolas und Gimli am Schluss nicht viel weniger Blumen an ihren Gräbern liegen hatten, als Aragorn.

Lhunroth saß auf seinem Pferd und blickte von einem Hügel aus hinunter, nach Minas Tirith. Seine Haut, besonders sein Gesicht brannte und er hatte Mühe aufrecht auf seinem Pferd zu sitzen. Er konnte die Menschenmassen auf der Wiese erkennen, zwar waren sie weit entfernt und doch wusste er, zu welchem Anlass sie gekommen waren.
Als er Hufgetrappel hinter sich hörte, drehte er sich nicht um, sondern blickte immer nur starr geradeaus. Einer seiner Männer stellte sich mit seinem Pferd neben ihn und blickte ihn zufrieden an. "Ich war gerade in Minas Tirith, sie beerdigen heute den König und seine beiden Freunde. Deine Rache ist gelungen, nun kannst du wieder in Frieden leben!"
Lhunroth wandte seinen Blick immer noch nicht ab und atmete geräuschvoll unter seine Maske aus. "In Frieden? Ich habe den König von Gondor auf dem Gewissen, den Prinz von Düsterwald und einen Zwerg. Ich bin ein entstellter, grausamer Mörder und der größte Narr, den es auf der Welt gibt."
"Sie haben es verdient", sagte der Mann überzeugend und blickte Lhunroth verwirrt an.
"Niemand verdient es so zu sterben. Meine Rache war falsch, mein Hass hat mir den Verstand vernebelt, erst jetzt bemerke ich das. Was habe ich denn gewonnen? Außer dass ich drei armseligen Leuten das Leben auf brutale Art und Weise genommen habe und viele Tausende andere jetzt um sie trauern, habe ich damit vielleicht etwas gewonnen? Mein Gesicht habe ich dadurch nicht wiederbekommen, meine Frau und mein Kind werden auch nicht zu mir zurückkehren, mein Leben ist nur noch mehr zerstört worden. Und erst jetzt wird mir das klar, ich hasse mich selbst dafür und ich bereue meine Taten."
Der Mann neben Lhunroth schüttelte wütend den Kopf. "Bruder, ich glaube du wirst nie mit etwas zufrieden sein. Deine ständige Unzufriedenheit wird noch mal dein Verderben werden."
"Ich wäre nicht böse drum, verdient habe ich es allemal. Mein Gewissen quält mich ununterbrochen. Wie konnte ich nur so geblendet sein? Was ist bloß in mich gefahren? Ich verstehe mich selbst nicht mehr."
"Lass uns einfach hier verschwinden und hör mit dem Gerede auf, du strapazierst meine Nerven. Es ist vorbei, du hattest deine Rache, dieser undankbare König ist endlich weg, sei glücklich und bekomm dein Leben wieder in den Griff. Und hör auf mit diesem: Mein Gewissen quält mich. Blödsinn! Dieser Elessar hat sich auch einen Dreck um dich geschert, vergiss es."
"Bei den anderen war es aber ungerecht. Und hast du jemals daran gedacht, dass Aragorn mich vielleicht wirklich nicht gekannt hat? Wenn das wirklich so war, könnte ich mir nie verzeihen, was ich getan habe. Obwohl ich das selbst jetzt wahrscheinlich schon nicht kann."
"Ich glaube, er war wirklich einfach nur undankbar und er war ein hinterhältiger, egoistischer Mensch, der es verdient hat, was ihm passiert ist."
"Und was bin ich? Bin ich nicht hinterhältig? Bin ich nicht egoistisch? War ich nicht herzlos, als ich dem Elb die Entscheidung gelassen habe zu springen oder nicht? Und danach nehme ich ihnen auch noch alle Pferde und lasse sie verletzt zurück, wie grausam kann man sein? Verdiene ich nicht eigentlich auch den Tod? Selbst wenn Aragorn es wirklich wusste, und mich angelogen hat, jetzt bin ich jedenfalls nicht besser als er. Im Gegenteil, ich bin noch dazu ein Mörder. Nehmen wir mal an, er war wirklich so falsch, wie wir geglaubt haben, warum habe ich dann genau das und noch schlimmeres getan. Gerade ich hätte den Trotz besitzen müssen und hätte auf meine Rache verzichten müssen..."
"Hör auf mit diesem Gewinsel! Das halte ich ja nicht mehr aus. Weißt du eigentlich wie ich mich fühle? Du hast mich doch gebeten dir bei deiner Rache zu helfen. Ich komme mir richtig blöd vor! Komm jetzt bloß nicht noch auf den idiotischen Gedanken da runter zu reiten und dich zu stellen, da werde ich Wege finden, um es zu verhindern! Denn ich bin da anderer Meinung als du, und ich habe nicht vor als Mörder und obendrein noch als Königsmörder irgendwo aufgehangen zu werden. Lass uns jetzt gehen, wir haben hier genug getan."
Lhunroth hatte in der Tat mit dem Gedanken gespielt nach Minas Tirith zu reiten und die Strafe entgegenzunehmen, die man ihm geben würde, und sei es der Tod. Aber er wusste, dass sein Bruder es nicht zulassen würde, eher würde er ihn selbst hier auf dem Hügel erschlagen. Er trieb sein Pferd an, den Männern zu folgen, die schon dabei waren, sich auf den Weg zu machen. Wehmütig folgte Lhunroth seinen Männern in die Ferne. Er hatte einen Fehler gemacht, doch die Erkenntnis kam nun zu spät.

Am Abend hatte Faramir endlich einmal die Gelegenheit sich auszuruhen. Er hatte ein paar Steinhauer angewiesen dem König und seinen Gefährten ein Denkmal zu setzten und erwartete in einigen Tagen Vorschläge für das Motiv. Jetzt war seine Arbeit vorerst getan. Eigentlich hatte er den Hobbits im Auenland noch einen Brief schreiben wollen und sie über die furchtbaren Geschehnisse in Kenntnis setzten wollen, doch Gandalf hatte ihm abgeraten, denn er wollte lieber persönlich ins Auenland reisen und es ihnen sagen.
Faramir legte sich auf ein Sofa, um seine müden Glieder auszuruhen und merkte gar nicht, wie ihm bald die Augen zufielen und er einschlief.
Mitten in der Nacht knarrte die Tür zu Arwens Zimmer und sie kam, immer noch in schwarz gekleidet, hinaus und huschte über den Flur. Faramir schlief so tief, dass er gar nicht bemerkte, wie Arwen ein Schriftstück neben ihn legte und dann eilig weiter lief. Durch eine Hintertür verlies sie unbemerkt ihre Behausung und eilte hinaus in die Dunkelheit, wo sie verschwand.
Am nächsten Morgen stand Gandalf abreisefertig im Flur und unterhielt sich mit Eowyn. Für den Weg ins Auenland hatte er alles gepackt und er wartete nur noch auf Faramir um sich von ihm zu verabschieden. Bald kam Faramir hastig über den Flur gelaufen und blieb keuchend vor seiner Frau und dem Zauberer stehen. "Gandalf, wenn du ins Auenland reitest, kannst du den Hobbits gleich noch eine schlechte Nachricht mehr bringen."
"Was ist denn", kam es von Gandalf und Eowyn fast wie aus einem Mund.
"Arwen- sie ist fortgelaufen, sie dankt uns für unsere Hilfe und überlässt uns alle weiteren Entscheidungen. Sie hat nur bis zur Beerdigung abgewartet."
"Hat sie gesagt, wo sie hin will", fragte Gandalf und runzelte die Augenbrauen.
"Nein, aber sie hat geschrieben, dass sie nie wieder zurückkehren wird und wir sie, wenn wir sie suchen sollten, nicht finden werden."
Eowyn setzte ein nachdenkliches Gesicht auf. "Denkt ihr vielleicht, sie könnte auf den Gedanken kommen, ihrem Mann freiwillig zu folgen?"
"Möglich", sagte Gandalf und schloss die Augen. "Wenn sie es tun würde, könnte ich es verstehen. Sie ist sterblich und hat keinen Grund mehr zu leben."
"Was machen wir jetzt, suchen wir sie oder nicht", fragte Faramir und sah Gandalf erwartungsvoll an.
"Nein, ich glaube Eowyn könnte mit ihrer Vermutung recht haben, das brauchen wir nicht mehr. Bleibt ihr einfach hier und kümmert euch um die wichtigen Dinge. Thranduil will mit den Elben heute abreisen und morgen die Zwerge. Sie müssen verabschiedet werden. Ich reite ins Auenland und werde den Hobbits alles erzählen", antwortete Gandalf ruhig und sah die beiden anderen an.
"Und wir sollen wirklich nicht nach Arwen suchen", hakte Eowyn noch ein mal nach.
"Nein, sie wird wissen was sie tut. Außerdem glaube ich nicht, dass sie umsonst geschrieben hat, dass wir sie nicht finden werden, selbst wenn sie nicht vor hat Aragorn zu folgen."
Eowyn und Faramir nickten. Gandalf verabschiedete sich von ihnen und machte sich dann auf den Weg ins Auenland. Schon jetzt fürchtete er sich etwas davor, den Hobbits von allem zu erzählen.